Oberlandesgericht Naumburg

Eine Kabinettsorder des Königs von Preußen vom 21. Februar 1816 bestimmt Naumburg zum Sitz des Oberlandesgerichts. Sein erster Präsident war Gustav Wilhelm Freiherr von Gärtner (1776-1840). Auf dem Georgenberg, wo sich einst die Burg, die Probst Johann Adolf von Taubenheim 1751 abreißen ließ, steht heute am Domplatz 11, dass durch Stadtbaurat Friedrich Hoßfeld (1918-1930) im Ersten Weltkrieg errichtete Gebäude des Oberlandesgerichts. Die Übergabe erfolgte am 23. Oktober 1917. Außerdem waren in Naumburg ein Landgericht, 1920 vom Eingang des Rathauses in der Herrenstraße zu betreten, und am Markt 7 ein Amtsgericht nebst Gewerbe- und Kaufmannsgericht tätig.

Auf Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nötigen Maßnahmen gemäß Artikel 48 Abs. 2 der Reichsverfassung vom 30. Mai 1920, wonach der Reichswehrminister ermächtigt, zur Aburteilung der im Paragraph 1 genannten Straftaten nach Bedarf außerordentliche Gerichte einzusetzen und die Ausführungsvorschriften für die Tätigkeit derselben zu erlassen, installiert sich in Naumburg ein Sondergericht.

Zum 1. April 1932 wird am Oberlandesgericht Naumburg im Rahmen der neuen Preußischen Beamtendienstverordnung ein Dienststrafgericht eingerichtet. Es ist zuständig für die Aburteilung von Dienstvergehen. Vorsitzender des Dienststrafsenats ist der Präsident des Oberlandesgerichts.

1919 zählt der Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg 3 395 990 Gerichtseingesessene. Die durchschnittliche Einwohnerzahl eines Amtsgerichtsbezirks beträgt 27 746 und die eines Landgerichtsbezirks 388 443 Personen. Zum ersten Januar 1921 sind im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg 480 Richter tätig. Nach offizieller Mitteilung entfallen auf einen Richter 7 283 Einwohner.

 

Hakenkreuzurteile und Rechtsbewusstsein
1918-1945. Ein Bericht über die Gerichtsstadt Naumburg an der Saale

Der soziale Jurist  Gustav Radbruch
Über die neue Rolle der Presse
Hütet Euch vor der Justiz Arno Voigt, 1921
Das amputierte Rechtsbewusstsein
Klassenjustiz  Bernhard Düwell
Zeitzer Landfriedensbruchprozess
Reichswehr gut - Kämpfer gegen ....
Mißhandlungen im Gefängnis
Schandurteil  Das Gewerkschaftskartell  15.Juli 1920

Protestversammlung 21. Juli 1920

Klassenjustiz gegen Albert Bergholz
Leuna-Aufstand
Angst vor dem Imperium der Zivilisation  Thomas Mann
Der schwarzweißrote Faden  Uwe Wesel
Rechtsmilitante Netzwerke
Stadt der alten Esel  Volksbote, Zeitz
Das grösste Unrecht  Arthur Graf von Posadowsky-Wehner
Ein deutscher Gerichtshof will Frankreich schlagen  Arbeiter-Zeitung Wien
Gesetz zum Schutz des Geldsacks  Carl von Ossietzky
Passfälscher-Skandal  Klassenkampf, KPD Halle-Merseburg, 1928 / 29
Hakenkreuz-Urteile
    a Riedel-Prozess
    b Die Schützenhaus-Prozesse
    c Cuvelier-Prozess I und II
    
d Ungleichheit vor dem Gesetz
Durch dick und dünn  Hans Frank
Die Kameraden von der Rechtsfront
Gerichte in Naumburg Hinweise auf Details
Oberlandesgericht 1933 Hitlers Büste im OLG
Zur Rolle der Richter und .... Zusammenarbeit Justiz und SA
OLG-Präsident Sattelmacher Dr. Ludwig Becker
Generalstaatsanwalt Hermann Hahn Mordgesellen
Kurzer Prozess am SG Halle Politische Prozesse am SG
Die Kommunisten-Prozesse 1935 Übersicht OLG-Präsidenten
Schwierigkeiten des Neuanfangs Techniker des Rechts
Rechtfertigungsmaschinen  Winfried Schubert Richter und .... von Paul Sattelmacher

 

 

Es ist wohl wahr, was 1926 die Ebert-Legende erzählt, dass es "keine revolutionäre Bewegung gibt, die eine fix und fertig ausgebildete Schar von Beamten zum Beginn der Machtentfaltung vorweisen kann". Armee, Bürokratie und Justiz, typische Funktionsträger des Obrigkeitsstaates im Kaiserreich, vererben ihr Personal an die Republik. Auch in den Führungsebenen der Parteien und des Staates - zu wenig neues Personal. Die Alten, die vier lange Jahre über Kriegsziele debattierten und Kanonen-Kredite bewilligten, ölen jetzt die Staatsmaschine. Ein Fehler mit gewaltigen Folgen: Das Vertrauen in den neuen Staat baut sich nicht auf, gesteht 1 9 3 4 der ehemalige Schriftleiter des Vorwärts und zweimalige Reichsminister der Finanzen Rudolf Hilferding (1877-1941) in der Prager-Erklärung ein. Beim kritischen Bürger erwecken die Kostümwechsler Misstrauen, stoßen auf Ablehnung. Schließlich diente und formte das Führungspersonal den monarchistischen Staat. So kommen nicht genügend neue Schichten zu Wort, sondern wie im Theater, lästert 1918 Stefan Zweig im Aufsatz über den Opportunismus als Weltfeind, treten die Statisten erst als Trojaner und dann als Griechen in Erscheinung. Treibt sie Enttäuschung oder Hoffnung, keinesfalls ist es die Überzeugung, denn die wächst nicht wie Bambusrohre über Nacht.

 

 

Der soziale Jurist  Gustav Radbruch

"Der republikanische Gedanke", rekapituliert im Dezember 1918 Stefan Zweig, "war in Deutschland erfroren", weshalb wir die Republik als Staatsform noch nicht als Geist des Einzelnen haben. Natürlich war den Demokraten und Stabsoptimisten der Republik von Anbeginn klar, dass die Justiz des neuen Volksstaates, nicht der Staatsanwalt, Richter und Rechtsanwalt von gestern sein kann. Wer aber dann, fragt Gustav Radbruch 1919, könnte "Das Recht im sozialen Volksstaat" repräsentieren? Wo suchen wir ihn? Vielleicht in den Rechtsauskunftsstellen, wohl auch in den Reihen des Juristenstandes, den sich die Arbeiterbewegung aus ihren Bedürfnissen heraus geschaffen hat. Neben den Verwaltungsjuristen, den Rechtsanwalt, der im Interesse seiner Partei handelt, den Richter, der das Recht  erwirklicht sehen will, tritt, antwortet Radbruch, der soziale Jurist.

Es muss die Aufgabe des sozialen Juristen sein, herauszufinden Wofür der Angeklagte verantwortlich ist? Hierbei erweist sich im Kopf der Richter und Staatsanwälte die Idee vom freien Menschen als eine gefährliche geistige Waffe. Wohl entfaltete sie am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert in Nordamerika und West- und Mitteleuropa eine gewaltige historische Kraft, die maßgeblich half, das feudale Gesellschaftssystem umzuwälzen, was die Annahme zu bestätigen schien, dass der Mensch frei handelt und als Folge dessen verantwortlich für seine Gedanken, Worte und Taten ist. Zum Dogma der Gerichtsbarkeit erhoben, kann diese reflexive Abstraktion von der Freiheit des Individuums gefährliche Auswirkungen zeitigen. Diesen Widerspruch schon innerlich vorverhandelt, fragt Robert Owen (1771-1859)  (14, 30):

"Denn kann der Mensch ein freier oder verantwortlich Handelnder sein, wenn ihm nicht einmal die Macht gegeben unabhängig von den Umständen zu wollen und zu handeln?" "Schon die Umstände nach der Geburt kann er nicht steuern. Und davon hängt ab, ob er ein zivilisiertes Wesen oder Kannibale wird. Wenn er sich aber nicht selbst formen kann, weder physisch, noch geistig oder moralisch, dann kann er auch kein frei Handelnder sein."

Und so muss es die Aufgabe des sozialen Juristen sein, herauszufinden Wofür der Bürger verantwortlich ist? So könnte die Fleischwerdung des neuen Juristen beginnen. "Nicht Gerechtigkeit ist ihre Losung, sondern i m  R a h m e n  d e r G e r e c h t i g k e i t  Fürsorge." Das ist, sendet Gustav Radbruch den Staatsanwälten und dem Richterstand als Botschaft, die neue Art der Berufsauffassung des Juristen, von der man den Volksstaat erfüllt sehen will.

 

 

Über die neue Rolle der Presse

Sinnfällig scheint, dass die Presse im Vergleich zur Vorkriegszeit, was den Umfang der Berichterstattung betrifft, aber auch in der Vermittlung des Rechtsbewusstseins eine qualitative neue Rolle übernimmt. Denn das Rechtssystem und die Rechtspflege muss im Ergebnis der deutschen Revolution 1918/19, die dem Bedürfnis nach Synthese von Recht und Gerechtigkeit enormen Auftrieb verlieh, neue Akzente setzen, muss sich eigentlich reformieren. Um dem Publikum die Fremdheit gegenüber der neuen Rechtspflege zu nehmen, sollen die Volks- und Handelsschulen hierzu Kurse durchführen. Leider stösst dies auf Schwierigkeiten, weil, wie sich herausstellte, die meisten Bürger dafür kein anhaltendes und tieferes Interesse aufbringen. Ebenso hielten sich bei früheren Versuchen, worauf Kurt Tucholsky 1921 hinweist, entsprechende Spezialzeitschriften populären Inhalts oder Kriminalitätszeitungen nicht am Markt. Dennoch erfordert die Bildung und Entfaltung des Rechtsbewusstseins Grundwissen über die Rechtspflege und Gesetzgebung. Um dies an breite Bevölkerungskreise heranzutragen, blieb zunächst nur die Presse. Diese erkennt die Wichtigkeit und nahm sich der Aufgabe an. Allerdings potenzieren sich damit die Gefahren der Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Interesse einer Gruppe oder Partei. Besonders den Berichten und Kommentaren der Boulevardblätter der Hugenberg-Presse und Revolver-Journalisten mangelt es öfters an der notwendigen Objektivität.

Über die Tätigkeit der Naumburger Staatsanwälte und Richter am Stadt-, Landes- und Oberlandesgericht informieren regelmäßig der sozialdemokratische Volksbote aus Zeitz, das deutschnationale Naumburger Tageblatt und die von Reinhold Jubelt (1863-1934) herausgegebenen Zeitzer Neueste Nachrichten. Die bürgerlichen Zeitungen agieren bei der rechtspolitischen Einordnung deutlich vorsichtiger und distanzierter, meist auf einer neutralen sprachlichen Metaebene. War es ein politischer Prozess, dann durfte man im Kommentar vom Naumburger Tageblatt, der von Stinnes Gnaden protegierten Presse (Volksbote 1925), nicht zuviel erwarten. Anders die selbstbewusste, angenehm renitente Arbeiterzeitung aus Zeitz. Wenn es darauf ankam, war sie nicht um drastische Antworten an die jeweilige Strafkammer verlegen. Wenn notwendig, organisierte sie den Protest gegen die politischen Urteile aus Naumburg. Gewiss unterliefen dem Volksboten manchmal Fehler. Zum Beispiel stützte er sich im Bericht über die Flucht von Ludwig Dithmar in der Nacht vom 28./29. Januar 1922 auf falsche Angaben eines Zeugen. Angeblich sah dieser wie der Oberleutnant zur See a.D. von Oberwachtmeister Seibert durch das Gefängnis geführte wurde, um ihn zum Tor hinauszulassen. In Wahrheit wählt er, erklärt Ernst von Salomon in "Die Geächteten" (1930), den Weg durch das Fenster, von wo er an einem Seil hinabglitt. Als verantwortlicher Redakteur muss sich Albert Bergholz am 13. September 1923 wegen Beleidigung des Oberwachtmeisters vor der Strafkammer des Landgerichts verantworten. Drei Monate Gefängnis, lautete das Urteil.

Der kommunistische Klassenkampf aus Halle entblößte gern die Ungerechtigkeiten des Systems und empörte sich über die sozialen und wirtschaftlichen Missstände. So agiert er 1928 im Passfälscher-Skandal. Den Bericht über den Untergang der Devoli (Deutsche Volkslichtspiele) unterfüttert er mit vielen Fakten. Die Schilderung des Sachverhalts und die politischen Bewertungen stehen in einem ausgewogenen Verhältnis.

 

Hütet Euch vor der Justiz Arno Voigt, 1921   nach oben

Ausgestattet mit einem stabilen Gefühl für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit initiiert die Weltbühne (Berlin) über Jahre hinweg immer wieder kritische Debatten zur Arbeitsweise der Justiz. Hugo Grotius alias Kurt Tucholsky widmet sich 1921 in einem Aufsatz diesem Thema, worauf ein Monat später der Schriftsteller Arno Voigt (*1883) in "Hütet Euch vor der Justiz" antwortet. Etwas provokant stellt er in den Raum, dass der Rechtswahrer am frischen Empfinden des Volkes vorbeilebt. Ihr typischer Irrtum besteht darin, dass sie Gesetzesvorschriften mit Brot verwechseln. Außer ihnen selbst, wird davon kein Mensch satt. Noch immer, beklagt er, bist du als wehrhafter Bürger der Republik vor Gericht ganz hilflos. "Mit dem reinsten Gewissen und in dem stärkenden Bewußtsein, dem Recht zu dienen, betrittst du den Gerichtssaal. Gebrochen an dir selbst vollständig irr geworden wankst du hinaus." Woher kommt die Wandlung? Sie kommt daher, dass dich der gegnerische Anwalt "charakterisiert" hat. Deine persönlichen Einwände, noch getragen von Empörung, holen oft weit aus, so dass dir der Vorsitzende bald das Wort abschneidet, weil er mit der Sache fertig werden will. Deinem Unrechtsanwalt hingegen nicht, weil er seine Anwürfe stets in ein Justiz-Mäntelchen zu hüllen mag. Wackere Leute hört man deshalb sagen: "Mich bringt Niemand vor Gericht!" Es äußert sich darin das sichere Gefühl, erklärt Arno Voigt (1921), "das Recht" nicht mit Anstand und gesellschaftlicher Moral zusammenfällt.

Und da, noch eine Lebensregel aus der Debatte um die neue Justiz in der Frühzeit der Republik, die heute in Vergessenheit geraten scheint: "Recht und Justiz müssen stets als Notbehelf angesehen werden, die nur dort anzuwenden sind, wo das Leben der Menschen untereinander in eine Sackgasse geraten ist." (Voigt)

 

 

Das amputierte Rechtsbewusstsein  nach oben

Dem politischen Bürger entging nicht, dass Angeklagte und Verteidiger aus der völkisch-deutschnationalen und nationalsozialistischen Szene zur Durchsetzung ihrer Absichten sogenannte Lücken in der Strafprozessordnung ausnutzten. Das wird in den Prozessen 1930/31 im Anschluss an die Saalschlacht im Schützenhaus von Freiburg mit dem Angeklagten Landtagsabgeordneten und ehemaligen NSDAP-Gauleiter Paul Hinkler sichtbar. Ähnliche Beobachtungen konnte man am 11. September 1930 beim im Anschluss an das Wehrwolf-Treffen stattfindenden Riedel-Prozess protokollieren.

 

Die Hakenkreuzurteile unterminierten im demokratischen Bürgertum das Vertrauen in die Gerichte und beschädigen das Ansehen der Justiz. Arthur Graf von Posadowsky-Wehner (Naumburg) setzte sich als demokratisch liberal-konservativer Politiker - ohne, wie mir scheint größeres Echo - für die Stärkung des Rechtsbewusstseins ein und mahnte immer wieder die Gleichheit vor dem Gesetz an.

Am Mittwochabend, den 31. Oktober 1930, findet im Rathaussaal von Naumburg eine Protestversammlung gegen den Justizskandal um den ehemaligen NSDAP-Gauführer Paul Hinkler statt. Landtagsabgeordneter Paul Franken (1894-1944) aus Zeitz und Doktor Artur Schweriner (1882-1941) aus Berlin übernahmen die einleitenden Referate. Das Urteil gegen den Theologiestudenten Wilhelm Giessler aus Kiel, Olshausenstraße 21, so die Quintessenz, widerspricht den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen.

 

Wolfgang Mommsen (2001, 145): "Die Beschwörung der bolschewistischen Gefahr [durch Hitler] war zwar, wie sich im Nachhinein mit absoluter Gewissheit sagen lässt, unbegründet. Angesichts der Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung in zwei sich erbitterte befehdende Richtungen war eine wirklich ernstliche Bedrohung von Seitens der extremen Linken realiter gar nicht gegeben."

Obwohl die Kommunisten keine ernsthafte Gefahr für das politische System Deutschlands darstellten, eigneten sie sich als Klassenkämpfer, versehen mit dem Aufkleber Lokomotivführer der Weltrevolution und Statthalter Moskaus, zum Aufbau eines Feindbildes. Begünstigt wurde dies wiederum durch eine eigentümliche Amoralität des Volkes. Deutschland fühlte sich nach dem Schuldspruch des Versailler Vertrags ganz allein in der Welt. Es wollte deshalb wieder wehrhaft werden. Und was tun die Marxisten, Kommunisten, Anarchisten und all die anderen politischen Querulanten? Zerreißen, spalten, tun sie das deutsche Volk im Klassenkampf, schwächen die Nation. Das konnte man, war eine verbreitete Meinung, nicht gutheißen, auf keinen Fall. So brach der Hass tief in das Rechtsbewusstsein ein, machte die Bürger gegenüber Unrecht, Verschleppung und Vernichtung, die ihnen vom Hitler-Staat wiederfuhr, gleichgültig. Das auf diese Weise stark deformierte Rechtsbewusstsein der Stadtgesellschaft leistete der nationalsozialistischen Gewaltpolitik in ungeahnter Weise Vorschub.

Die nationale Revolution (Hitler), hämmerten die Nationalsozialisten eifrig in die Hirne, befreite Deutschland vom Bruderhass und Klassenkampf. Sie war ein grandioser Sieg über die Marxisten (SPD) und Moskauer (KPD). "Niemals wird Deutschland kommunistisch werden!", triumphiert am 14. September 1936 Adolf Hitler zum Parteitag der Ehre in der Luipoldt-Arena von Nürnberg. 1941 erfolgt der Überfall auf das jüdisch-bolschewistische System der Sowjetunion. Im Juli 1945 endet die "Todfeindschaft gegenüber dem Bolschewismus" (Hitler) mit der Besetzung Ostdeutschlands durch die siegreichen sowjetischen Truppen, worauf bald die deutsche Teilung folgt.

 

 

Klassenjustiz  Bernhard Düwell   nach oben

"Eure Ideen selbst sind Zeugnisse der bürgerlichen Produktions- und Eigentumsverhältnisse, wie euer Recht ist nur der zum Gesetz erhobene Wille eurer Klasse, dessen Inhalt von den materiellen Bedingungen eurer Klassenexistenz abhängt", charakterisiert 1848 das Manifest der Kommunistischen Partei das Wesen des bürgerlichen Rechts. Friedrich Engels erweitert den Definitionsraum in den "Altersbriefen" 1890 bis 1895 etwas, indem die Eigenständigkeit des Rechts gegenüber der ökonomischen Basis betont wird. Darüber kommt die marxistische Rechtstheorie nicht hinaus. Wohl vermittelt Karl Liebknecht 1907 in "Rechtsstaat und Klassenjustiz" wertvolle Erfahrungen im Kampf für Recht und Gesetz. Eine philosophische Rechtstheorie entstand damit jedoch nicht. Allerdings bleibt bis heute unbeachtet, dass Karl Marx bereits in jungen Jahren zu den Regeln des anständigen und methodisch begründeten Richtertums Erhaltenswertes beisteuerte. Eben erst 1842 in der "Rheinischen Zeitung" für Politik, Handel und Gewerbe angekommen, stand er als Redakteur unverhofft mitten in den Versammlungen des Preußischen Provinziallandtages. Konfrontiert mit der sozialen Lage der Moselbauern, interessierte ihn besonders das Verhältnis von Eigentum an Grund und Boden und den daraus resultierenden sozialen und politischen Interessen. In den Aufsätzen „Debatten über das Holzdiebstahlgesetz" und „Rechtfertigung des XX-Korrespondenten von der Mosel", warf sich ihn die Frage auf, wie hoch die Strafe bei Übertretung der Rechtsnorm ausfallen durfte, worauf er antwortete: "Wenn der Begriff des Verbrechens die Strafe, so verlangt die Wirklichkeit des Verbrechens ein Maß der Strafe. Das wirkliche Verbrechen ist begrenzt." Er bereichert damit die Regeln des anständigen und methodisch begründeten Richtertums um den Imperativ:

"Die Strafe wird schon deshalb begrenzt sein müssen, um wirklich, sie wird nach einem Rechtsprinzip begrenzt sein müssen, um gerecht zu sein. ….. Die Grenze seiner Strafe muss also die Grenze seiner Tat sein."

Damit war ein wichtiges methodisches Prinzp der Rechtsfindung formuliert und der theoretische Horizont vom Recht als Widerspieglung ökonomischer Verhältnisse klar überschritten. Und doch überwand das marxistische Selbstverständnis von Recht und Gesetz den Reduktionismus nicht. So konnte dem Stalinismus der Sowjetmacht rechtspolitisch weder vorgebaut noch wirksam begegnet werden. Doch wer wollte das damals verstehen und politische Kräfte auf die Lösung dieses Problem konzentrieren? Wer verstand, dass man die Rechtsphilosophie des sozialistischen Staates sorgsam und systematisch entwickeln musste? Die Folgen und Verbrechen des stalinistischen Rechtssystems sind bekannt. Die Verletzung der Regeln des anständigen und methodisch begründeten Richtertums erlaubten das ungerechte Urteil des Obersten Gericht der DDR im Jahr 1957 gegen den ehemaligen Spanienkämpfer, Leiter des Aufbauverlages und Ulbricht-Opponenten Walter Janka (1914-1994).

"Die Massen der sozialen Revolution," verkündet der ehemalige Redakteur des Hallischen Volksblatts Wilhelm Koenen (1886-1963), "werden die Klassenjustiz und den Militarismus hinwegfegen." Das war ein Traum, der wenig Chancen in naher Zukunft verwirklicht zu werden. Paul Levi (1883-1930), den Berhard Düwell 1931 das "Gewissen der deutschen Arbeiterbewegung" nennt, erklärt hierzu in die Reichstagsdebatte am 13. Juni 1929: Voraussichtlich wird der Komplex Klassenjustiz noch lange existieren, zumal der Kampf durch nichts mehr erschwert wird als durch die Vorgänge in Russland. Erschütternde Nachrichten dringen über den politischen Terror von dort nach Deutschland: Drei Ingenieure holte man in der Frühe aus den Betten und erschoss sie, weil sie angeblich den Betrieb der Eisenbahn durch den Einbau ungeeigneter Federn, was starke Erschütterungen verursachte, sabotierten. Die Stalin-Justiz zerstörte die Hoffnungen auf die Diktatur des Proletariats als eine höhere, gerechtere Form der Herrschaft des Volkes im sozialistischen Staat.

All dies bedeutet nicht, dass die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in den politischen Kämpfen für Recht und Gesetz blind umherlief. Vielmehr hatte die instinktiven Bewegungen der breiten Massen des arbeitenden Volkes, ihre Unzufriedenheit mit dem jämmerlichen sozialen Zustand, notierte am 26. Januar 1887 Friedrich Engels im Vorwort zur "Lage der arbeitenden Klasse in England", sie auf den Weg zur Bildung einer politischen Arbeiterpartei geführt. Die Antwort der herrschenden politischen Klasse darauf war, "die zum Leben erwachende Erhebung der Arbeiter mit

brutaler Gewalt und brutaler Klassenjustiz

niederzuschlagen".

Die Installierung des anständigen und methodisch begründeten Richtertums und um die Überwindung der Klassenjustiz sind zwei Seiten eines Kampfes, zudem Karl Liebknecht 1907 in Rechtsstaat und Klassenjustiz erklärt:

"Und tatsächlich bestimmen zu allen Zeiten die Richter durch ihre Interpretation bei Anwendung der Gesetze erst praktisch deren Inhalt und vermögen daher in weitem Umfange, die formalen Bedingungen, unter denen die Völker leben, fortzubilden oder zurückzubilden. In diesem Sinne übt der Richter eine Art gesetzgebender Funktion aus wie nicht minder die Polizei auf dem Gebiet ihrer Zuständigkeit. Sie sehen daraus, wie unendlich wichtig der Kampf um die Unabhängigkeit der Justiz ist."

Leider bringt das Organisationssystem des Justizapparates soziologische Kräfte hervor, die dem entgegenwirken. Karl Liebknecht, der nach dem Besuch der Alten Nikolaischule in Leipzig 1890 an der hiesigen Universität das Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften aufnahm, beschrieb es 1907 ganz rasch so:

"Wer befördert werden will - und das möchten doch alle -, für den ist's gut, fein stille zu sein, nicht unabhängig, sondern recht abhängig zu sein."

Dem Angeklagten begegnete die Klassenjustiz in den 20-er in Naumburg in dreifacher Art: a) Bei der Beurteilung der Strafwürdigkeit von Handlungen. b) In der Festlegung des Strafmasses und Urteilsfindung. c) Als persönliche Haltung und Einstellung der Richter und Staatsanwälte gegenüber den Politischen.

Adolf Leopoldt (1931) ermittelte für den Zeitraum von 1890 bis 1922 für die Region Zeitz-Weißenfels-Naumburg 82 Gerichtsverfahren gegen die Parteipresse, den Zeitzer Volksboten. Hinzu kam Rivalitäten und Konflikte mit deutschnationalen (DNVP, Stahlhelm) und nationalsozialistischen Kreisen. Immer wieder flammten um die politischen Prozesse zwischen den exponierten Vertretern von Links und den Gerichten heftige öffentliche Streitereien auf. Für Aufregung sorgten Strafsanktionen, mäandernde Beweiserhebung, Umdeutung von Tatstrafbeständen, Zeugenbeeinflussung, Verfahrenstricksereien, ungerechte Freisprüche, Befreiung der Täter und Amnestien. Wer sich hiervon abwendet, kann die Quellen des Zorns nicht erkennen, versteht nicht die Enttäuschung und Wut, die die Naumburger Justiz öfters auslöste.

Auf den Vorwurf der Klassenjustiz seitens des Zeitzer Volksboten reagierten die Richter und Staatsanwälte in Naumburg empfindlich. Am 21. Januar 1922 muss sich ihr Redakteur Genosse Albert Bergholz vor dem Landgericht in Naumburg verantworten, weil ihn der Staatsanwalt vorwarf, gegenüber dem Richter eine strafbare Handlung begangen zu haben.

Aufregung, Verstimmungen und länger anhaltende Debatten riefen in der Stadt

der Zeitzer Landfriedensbruchprozeß (1919),

die Kapp-Putsch Prozesse (1920)

und Verfahren zu Straftatbeständen beim Leuna-Aufstand (1921).

hervor.

Ihre Kommentierung pflanzte sich bis in den Reichstag und Preußischen Landtag fort.

In ähnlicher Weise trifft das auf das Urteil des Schwurgerichts Naumburg vom 29. Mai 1920 zu, als 35 Angeklagte mit Strafen in Höhe von fünf Jahren Zuchthaus bis herab zu einigen Monaten Gefängnis verurteilt wurden. Die Arbeiter aus der Region Weißensee und Sömmerda griffen am 6. März 1920 bei Kindelbrück eine Schwadron reitender Jäger mit Maschinengewehren an, wobei zwei Soldaten verwundet und zehn Pferde getötet wurden.

Weiter rieb sich der politische Bürger an der Bestrafung der Kriegsverbrecher, Geldentwertungs- und Aufwertungsgesetzgebung, dem Mietrecht nebst Hauszinssteuer und Republikschutzgesetz  von 1922 und 1930.

Unbefangen und mutig streiten Kurt Tucholsky und Carl v. Ossietzky für eine Justiz auf Grundlage von Recht und Gesetz, die sich nicht in den Dunst des Deutschtums und der Stahlhelmkultur begibt. Vor den Naumburger Gerichten tritt

Doktor Kurt Rosenfeld

in politischen Prozessen als Verteidiger auf. Albert Bergholz (Zeitz) muss sich öfters als Redakteur des Volksboten verantworten. Die SPD-Zeitung für die Kreise Zeitz - Weißenfels - Naumburg wirft sich mit grosser sozialer Energie für die Lohnabhängigen, einfachen Arbeiter und Angestellten, wirtschaftlich Gepeinigten und Degradierten in die öffentliche Auseinandersetzung. Sie begleitet die politischen Prozesse kritisch. Ebenso unternimmt die politische Opposition im Reichstag Vorstöße, um die Rechtspflege in Naumburg positiv zu beeinflußen.

 

Doktor Kurt Rosenfeld,
geboren am 1. Februar 1877 in Marienwerder, konfessionslos, Sohn eines Fabrikbesitzers, Besuch Sophie-Gymnasium in Berlin, 1896 bis 1899 Studium der Rechte in Freiburg und Berlin, Promotion, Mitglied der SPD, 1901 Einjähriges-Freiwilligenjahr beim Garde-Füsilier-Regiment, seit 1905 Rechtsanwalt, Stadtverordneter, Verteidiger von Rosa Luxemburg (1914), Kurt Eisner, Georg Ledebour, Ernst Thälmann oder Carl von Ossietzky im Weltbühnen-Prozess (1931), 1914 bis 1918 Soldat, 1917 USPD, dann Mitglied des Vorstandes, von 14. November 1918 bis Januar 1919 Justizminister in Preußen. Er lehnt den Anschluss der USPD an die KI (Kommunistische Internationale) ab. 1920 bis 1931 Mitglied des Reichstages für den Wahlkreis Thüringen. Tritt 1929 Severings Bestreben für ein neues Republikschutzgesetz entgegen.

Dr. Kurt Rosenfeld hält am 9. September 1930 aus Anlass der bevorstehenden Reichstagswahlen im Ratskeller zu Naumburg mit anschließenden Hindenburg-Saal eine Rede. Unerbittlich rechnet er mit dem politischen Gegner ab, übt heftige Kritik am "verbrecherischen Treiben der Nazis und Kozis" sowie an der Justiz von heute. Im prall gefüllten Saal herrschte eine begeisterte Stimmung, die nicht zu übertreffen war, beschreibt eine zeitgenössische Quelle die Reaktion des Publikums.

1931: Mitbegründer der SAP. 1933 Emigration nach Paris, dann in die USA.

Doktor Kurt Rosenfeld starb am 25. September 1943 in New York.

 

"Missgriffe in der Justiz sind zahlreich festgestellt, dass wenn man die Wahrheit sagen will, aussprechen muss," feuert der Mitbegründer der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Rechtsanwalt Kurt Rosenfeld

am 26. Januar 1921 in die Reichstagsdebatte, "dass bewusst das Recht gebeugt wird, zur Unterdrückung der Arbeiterklasse."

Von der K l a s s e n j u s t i z wollte das Bürgertum im allgemeinen nichts wissen und schnaubte:

Ach was, nur ein Schwall kommunistischer Redensarten.

Wie es so zwischen dem Gericht und den Protagonisten der freien Arbeiterschaft zuging, legte der Abgeordnete Kurt Rosenfeld (USPD / SPD) am 23. Februar 1922 in der Reichstagssitzung dar. Wenn eine öffentliche Notiz der Art,

Genosse Bergholz spricht an einem Ort zu einer bestimmten Stunde über Klassenjustiz,

publik wurde, dann musste er bald darauf vor der Naumburger Strafkammer erscheinen und sich wegen des Vorwurfs der Beleidigung verantworten. Das Verhältnis der politischen Linken zum Justizpersonal gestaltete sich, unter Einschluss von Reichsjustizminister Doktor Rudolf Heinze, konflikt- und spannungsgeladen. Ihre grundsätzliche Haltung, die sie hierzu einnahm, fiel in den verschiedenen politischen Abteilungen und Fraktionen unterschiedlich aus. Abgeordneter Bernhard Düwell, der besonders in Raum Zeitz-Naumburg aktiv war, erläuterte am 29. Juli 1920 in der Reichstagsdebatte seinen Umgang mit den Realien:

"Soweit aus diesem Grunde heraus ein Richter Klassenurteile fällt, nehme ich es ihm aber nicht übel. Er kann nicht anders auf Grund seiner Weltanschauung, seiner Erziehung und auf Grund der vielen Imponderabilien, die den Menschen und seinen Charakter bilden." "Aber wenn ein Richter außer dieser objektiven Klassenjustiz noch subjektiv, bewusst und gewollt gegen Bevölkerungsschichten, die eine andere politische Anschauung als er haben, Stellung nimmt, so ist das ein Skandal, (…) der zum Himmel schreit und beseitigt werden muss selbst von einer kapitalistischen Republik, in der wir zurzeit leben."

"Ganz besondere Leistungen auf dem Gebiet der klassenmäßigen Ausnahmebehandlung der Arbeiterschaft", stellt der Abgeordnete fest, hat sich das

Naumburger Schwurgericht

Zuschulden kommen lassen."

Gemeint waren damit:

erstens,
der Zeitzer Landfriedensbruchprozess,

zweitens,
die Urteile gegen die Kapp-Putsch Kämpfer,

drittens,
die Misshandlungen im Naumburger Gefängnis 1920.

 

Zeitzer Landfriedensbruchprozess  nach oben
Der traurige Tod eines Matrosen und die unmenschliche Rache an Leutnant Schröder.

Schwurgerichtsgebäude
Richtfest 18. August 1858.
Aufnahme möglicherweise um 1900

Am 2. Juli 1920 ergeht am Landgericht Naumburg im Schwurgerichtgebäude das Urteil zum Zeitzer Landfriedensbruchprozess, wo es heißt:

"Wenn wir ein geordnetes Staatsleben erhalten wollen, so muß auch die Rechtsprechung dazu mithelfen. Die große Revolution [1918] war schon vorüber. Es geht nicht an, dass eine Revolution die andere jagt. Man hat in den Zeiten vieles verstehen und lernen müssen, was früher unbegreiflich schien. Leutnant Schröder ist in einer Weise misshandelt worden, der auch die Strafe angepasst werden musste. Der Landesfrieden ist derart gebrochen worden, dass Strafen von 2-4 Jahren eingesetzt werden mussten. Man muss sich fragen: gibt es noch schwerere Ausschreitungen."

"Den Naumburger Gerichten gebührt in solchen Urteilen die Krone", sagt Bernhard Düwell am 29. Juli 1920 vor dem Reichstag:

"Ich erinnere nur an die ungeheuren Zuchthausurteile, die gegen die Angeklagten aus Zeitz vom März des vergangenen Jahres gefällt worden sind. Die Verhängung der Untersuchungshaft über so viele Angeklagten war nichts weiter als niederträchtige Chikane."

Die Wirkung war enorm. Das Urteil entfaltete eine enorme öffentliche Wirkung. Es spaltete in der Region Zeitz-Weißenfels-Naumburg die politischen Bürger in zwei große Gruppen. Zur einen zählte ein Großteil der organisierten Arbeiter, die darin einen Akt der Klassenjustiz erkannten. Die anderen, Monarchisten, Deutschnationale, Völkische und Stahlhelmer, aber auch Teile des demokratischen Bürgertums, begrüßen dies als Akt zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung.

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Währenddessen droht das Land wirtschaftlich zu kollabieren. Ende Februar 1919 beginnt im Gebiet Zeitz-Weißenfels-Naumburg der Bergarbeiterstreik. Anfang März 1919 warnen die Minister Scheidemann, Bauer, Erzberger, Landsberg, Noske und andere mit einem Aufruf der Reichsregierung:

"Tagtäglich gehen Tausende an Unterernährung zugrunde." Die Kohleförderung stockt. Zahllose Fabriken stehen still. Eine "ungeheure Zahl von Arbeitslosen" ist entstanden. Bahnlinien werden stillgelegt. "Wir können uns aus eigenem Vorrat nicht bis zur neuen Ernte ernähren."

Der Streik ist in dieser Region der letzte Versuch, die Räte-Bewegung zu retten und die Sozialisierung voranzutreiben. Sie wollen bei Entlassungen mitbestimmen und erhoben Lohnforderungen. Speziell über den rasant wachsenden Einfluss der USPD ist man in Berlin besorgt.

Die Regierung schickt Truppen. Am 1. März 1919 rücken in Halle (Saale) die Truppen von General Georg Maercker (1865-1924) ein. In einem General, der von sich sagt Ich bin Monarchist (Maercker 65), können sie beim besten Willen keinen Garanten für Ruhe und Ordnung erkennen. Außerdem wissen sie, der Kommandeur der Freikorps-Truppen und spätere Befehlshaber des Wehrkreises IV (Dresden), erlernte sein Handwerk bei der Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika (1904-1907). Acht Wochen vor dem Einsatz der Truppen in Zeitz, genau am 4. Januar 1919, vergewissern sich Gustav Noske und Friedrich Ebert beim Besuch am Standort des Freiwilligen Landesjägerchor im Lager Zossen, der Dienste von Georg Maercker. Die unglückselige Mesalliance von Demokraten und Monarchisten bei der Unterdrückung der Räte-Bewegung sorgt für großen Unmut bei den Linken und Republikanern, die Wirtschaftsreformen in Richtung Sozialisierung für notwendig halten.

Nach Zeitz werden die Regimenter 97 und 137 verlegt. Darauf reagieren weite Teile der Arbeiterschaft erzürnt. "Die Erregung sei durch Heranziehung von Militär hervorgerufen", bezeugt der Zeitzer Bürgermeister vor Gericht. Zudem verhielt sich das Militär gegenüber der einfachen Bevölkerung provozierend. "In einem Mühlengrundstück war ein Maschinengewehr so aufgestellt," bleibt Adolf Leopoldt (1931, 147) aus Zeitz unvergesslich, "dass eine Mündung von der Straße zu sehen war. Eine große Volksmenge drang in den betreffenden Hof ein, um die dortige Wache zu entwaffnen."

In dieser kritischen Lage erschießt Leutnant Schröder

am 1. März 1919 auf der Auebrücke von Zeitz aus einem Handgemenge heraus den Matrosen Kurt Lange aus Zangenberg.

Auebrücke in Zeitz 1925. (Fotograf und Verlag unbekannt)

Sofort, als die Menge davon hört, braust sie auf und lebt ihren Zorn in einem unvorstellbaren Tohuwabohu aus. Sie sucht, verfolgt und quält Leutnant Schröder in einem fürchterlichen Exzess. Schwer verletzt, versucht er sich durch einen Sprung in den Mühlgraben zu retten. Im Wasser wird auf ihn geschossen. Er gelangt wieder an Land und wird wieder misshandelt und schließlich erschossen. Der

Zeitzer Landfriedensbruchprozess.

will diese Tat sühnen. Gegenstand der Verhandlungen sind außerdem die Erstürmung der Untermühle in Zeitz, einschließlich der Entwaffnung des dortigen Militärs und die Missandlung von Hauptmann von Winterfeldt. Bei anderer Gelegenheit waren es Leutnant Kettenbach und Glockenring. Am 31. Mai 1920 beginnt der Schwurgerichtsprozess unter Vorsitz von Landgerichtsdirektor Hagen am Landgericht in Naumburg. Staatsanwaltschaftsrat Hardt und Gerichtsassessor Dehne vertreten die Anklage.

45 Personen sind angeklagt. Etwa 300 Zeugen sollen vorgeladen werden. Seit vierzehn  Monaten sitzen im Naumburger Gefängnis über 60 Zeitzer Arbeiter in Untersuchungshaft ein.

Die Linke grollt.

Als Leiter der Ortspolizeibehörde wendet sich Bürgermeister am 22. April 1920 an den Regierungspräsidenten von Merseburg, weil der Zeitzer Landfriedensbruchprozess plant, mehrere Wochen in Naumburg zu tagen. Darüber beeunruhigt, äussert Bürgermeister Roloff:

"Im hiesigen [Naumburger] Gerichtsgefängnis befinden sich gegenwärtig annähernd 400 Gefangene, darunter viele politische, deren sofortige Befreiung von den Radikalen fortgesetzt gefordert wird.

Hinzu kommt noch, dass die Reichstagswahlkämpfe sich hier voraussichtlich sehr heftig gestalten werden. Diese Verhältnisse lassen u. E. vorbeugende Maßnahmen unbedingt notwendig erscheinen und zwar nicht nur für den 1. Mai .… [handschriftliche Einfügung], sondern bis auf weiteres. Deswegen bitten wir das Garnisonskommando ergebenst und dringend, dahin wirken zu wollen, daß die Stadt nicht wieder, wie Mitte März, von Truppen fast völlig entblößt wird."

Begleitet werden die politischen Prozesse am Amts-, Land- und Sondergericht Naumburg mit Polizeifestspielen der besonderen Art. Fünfzig Beamte der 4. Hundertschaft verlegt die Schutzpolizei von Halle nach Naumburg. Ihre Unterbringung erfolgt im Präsidentenhaus (Karte), wo heute das Stadtarchiv untergebracht ist. Am 27. Juli des gleichen Jahres löst die fünfte Hundertschaft aus Halle mit sechzig Beamten dieses Kommando ab. Zugleich formiert sich unter Führung von General Georg Maercker aus dem ehemaligen Landesjägerkorps die Reichswehrbrigade XVI. Ausserdem sind in Naumburg und Halle Abteilungen des Reichswehr-Infanterie-Regiment 31 stationiert.

Am 3. Juli 1920 verurteilt laut Freiheit (Berlin) das Schwurgericht Naumburg im

Zeitzer Landfriedensbruchprozess

vierzig am großen mitteldeutschen Streik des Jahres 1919 beteiligte Zeitzer Arbeiter

zu 79 Jahren Zuchthaus und
73 Jahren Gefängnis.

Am 6. Juli 1920 meldete sie, dass die Arbeiterschaft des Naumburg-Zeitz-Weißenfelser Braunkohlengebiets wahrscheinlich morgen in den Generalstreik tritt. Empörung ergreift die grob geschätzt 15 000 Beschäftigten des Ammoniakwerkes Merseburg (später Leuna Werke). Die meisten von ihnen nehmen im Juli an der Protestversammlung gegen das

Schandurteil von Naumburg

teil. Sie sehen darin einen erneuten "schlagenden Beweis für die Herrschaft der bürgerlichen Klassenjustiz". "Die Anwesenden sind daher nach wie vor entschlossen," heißt es in ihrer Erklärung, "mit den übrigen Hand- und Kopfarbeitern in klarem Klassenkampfe

für die Errichtung der Diktatur des Proletariats

einzutreten und zu wirken."

"Das Urteil" vom 3. Juli 1920 erregte über die Region Naumburg hinaus in der Republik und im Ausland, worauf der Reichstagsabgeordnete Fritz Kunert (USPD) in seiner Anfrage vom 10. Juli 1920 hinweist, "wegen seiner beispiellosen Härte" und "Unzulänglichkeit" der Begründung großes Aufsehen.

Immer wieder machen Gerüchte ihre Runde. So meldet am 24. März 1924 der "Vorwärts" aus Berlin: "Es wird ein Angriff auf die Gefängnisse in Naumburg und Halle erwartet."

 

 

Reichswehr gut
- Kämpfer der Aktionsausschüsse schlecht! 
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Am 13. März 1920 unternehmen der national-konservative Wolfgang Kapp (*1858) und Walther Freiherr von Lüttwitz (*1859) den Versuch, die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Arbeiter-Aktionsausschüsse organisieren in Städten und Dörfern der Region Streiks und den bewaffneten Widerstand gegen die verfassungsbrüchigen Reichswehr-Truppen und mit ihr verwobene Einwohnerwehr. Oft in aussichtsloser militärischer Position, streiken und kämpfen sie tapfer für den demokratischen Verfassungsstaat. Als die Sache in Schwung kam, drängten sich bei einigen, was örtlich unterschiedlich ausfiel, noch andere Ideen in den Kopf. Es ändert alles nichts an der Tendenz: Ihr hoher persönlicher Einsatz galt der Verteidigung der Republik.

Als der Putsch beendet, überzog das Amts- und Landgericht Naumburg die Kämpfer für die Republik mit unzähligen Verfahren. Maßgebend hierfür besonders der Erlass des Reichspräsidenten, betreffend der Aufhebung von Standgerichten vom 25. März 1920 und das Gesetz, betreffend die Aburteilung der hochverräterischen Unternehmen aus dem März 1920 und der damit zusammenhängenden Straftaten durch die bürgerlichen Gerichte vom 2. April 1920.

Ein schwieriges rechtspolitisches Problem stellte das Hallesche Abkommen dar, worin am 26. März 1920 die beteiligten Parteien und Verantwortlichen Straffreiheit für die zivilen Frontmänner des militärischen Kampfes vereinbarten. Leider blieb meines Wissens immer ungeklärt, welch rechtlichen Status dieses Dokument besaß.

Bernhard Düwell fordert am 29. Juli 1920 in seiner Rede vor dem Reichstag, die Straffreiheit darf nicht eine Frage der Gnade sein, sondern eine Selbstverständlichkeit zur "Wiederherstellung des geschändeten Rechts in Deutschland". Es kam anders. Nach ihrer Gefangennahme erfahren die Kämpfer gegen den Kapp-Putsch gelegentlich der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Geringschätzung, Verachtung und den alten wilhelminischen Geist. "…. Die ganze Art der Zeugenvernehmung," empört sich der Reichstagsabgeordnete, "wie sie der Vorsitzende der Naumburger Strafkammer im Prozess gegen die wegen unbefugten Waffentragens und Landfriedensbruches angeklagten Arbeiter vornahm, zeigt ganz deutlich, dass die Naumburger Richter unter allen Umständen ein Urteil erzielen wollten. Zu diesem Zwecke haben sie, hat besonders der Staatsanwaltschaftsrat Hardt, der die Anklage vertrat, mit allen Mitteln dem Gericht, den Richtern und Geschworenen, die Überzeugung zu suggerieren versucht, dass man es bei den angeklagten Arbeitern mit ganz gefährlichen, verbrecherischen Subjekten zu tun habe. .... Ich betone, dass alle Tatsachen, die ich über das Benehmen des Herrn Hardt vorgetragen habe, in zahllosen öffentlichen Versammlungen im Naumburger Bezirk vorgetragen worden sind, ohne dass der Herr Hardt auch nur einmal bis heute das Bedürfnis gehabt hätte, gegen diese ihn schwer treffenden, ja, wenn sie nicht den Tatsachen entsprächen, beleidigenden Äusserungen etwas zu unternehmen."

Auf die Klassenkampfurteile müssen die Kämpfer gegen den Kapp-Putsch nicht lange warten. Allein im Waffentragen erkannte das Gericht eine verbotene Handlung, wogegen am 29. Juli 1920 Bernhard Düwell vor dem Reichstag protestiert:

"Das tollste ist die Verurteilung eine Reihe Naumburger Arbeiter wegen unbefugten Waffentragens. Die Staatsanwälte haben es vortrefflich verstanden, aus Recht Unrecht und aus Unrecht Recht zu machen, um so ihre Rache für das Fehlschlagen ihrer Hoffnungen beim Kappputsch auszuüben."

Irgendwann ließ die Regierung verlautbaren, dass es zum Schutz der Republik gesetzlich wohl schon mal zulässig sei. Darauf antworteten die Naumburger Gerichte: Auf keinen Fall! Das fehlte uns noch! - Reichswehr gut - Kämpfer der Aktionsausschüsse schlecht! Bernhard Düwell kann nicht länger an sich halten und schreit es hinaus:

"Das Urteil ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Arbeiterschaft, sondern auch der Reichsregierung, und wird schon deshalb nicht aufrechterhalten werden können. Die Reichsregierung hat öffentlich und in der Nationalversammlung erklärt, dass das Waffentragen zum Schutze der Republik gesetzlich zulässig gewesen ist, und Anklage deshalb nicht erhoben werden kann."

Die Schande drang am 25. Juli 1920 bis zur sozialdemokratischen Voralberger Wacht:

"Das berüchtigte Naumburger Schwurgericht fährt fort, durch seine skandalöse Spruchpraxis die Öffentlichkeit zu brüskieren. Während es die Naumburger Kapp-Verbrecher ungeschoren lässt, fällt es gegen die Naumburger Arbeiter, welche für die Verfassung die Waffen in die Hand nahmen, die schreinsten Klassenkampf Urteile."

In dieser Situation, beobachtete der Jurist Ferdinand Nübell (1921), operieren SPD und USPD unglücklich. Fortlaufend erklingen neue Hymnen auf die Unerreichtheit und Unantastbarkeit deutscher Gerichte, die ungewollt das Unbehagen über diese Rechtspflege und den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit verstärken. Schließlich zerreißt die Fiktion eines Rechtsbewusstseins, das den Rechtsstaat als über den Interessen politischer Machtgruppen und Klassen stehend begreift.

Mit den Prozessen gegen die März-Kämpfer erhält das Misstrauen in die Rechtsstaatlichkeit der jungen Republik neue Nahrung. Gewerkschafter, USPD-, KPD-, SPD-Mitglieder und ihre Sympathisanten antworten auf den Kapp-Putsch in Berlin mit Generalstreik, um - wie Albert Bergholz in der Versammlung der USPD-Ortsgruppe in der Reichskrone Naumburg am 5. Mai 1920 ausführt -

die verfassungsmäßige Regierung wieder aufzurichten.

Sie trauten der Reichswehr und ihren Generälen, zum Beispiel Georg Maercker, nicht. Auf dem Domplatz und Markt sowie in der Herrenstraße kommt es zwischen Reichswehr und Mitgliedern des Aktions-Ausschusses zu Schießereien. Um die Moritzwiesen mit dem Oberlandesgericht und das Lokal die Tanne in Bad Kösen tobt der Kampf. Tote und Verletzte sind zu beklagen. Die Reichswehr nimmt viele Arbeiter gefangen und verbringt sie in das Gefängnis nach Naumburg. "Mir kommt es vor, als wenn die Welt auf dem Kopf stünde", kommentiert August Huth (SPD) aus Bad Kösen am 17. April 1920 im Brief an die Volksstimme (Halle). "Ein Kapphengst [der Staatsanwalt Schweitzer in Naumburg] vom reinsten Wasser, hat die volle Gewalt über die armen Kapp-Kämpfer." Hernach erhält Naumburg den Spottnamen Kapp-Stadt.

"Die unabhängige Fraktion hat eine Menge Anfragen an die Nationalversammlung eingebracht wegen der Naumburger Urteile, und es wird schon deshalb eine Wiederaufnahme der Verfahren nicht ausbleiben können", bringt Bernhard Düwell seine Hoffnungen am 29. Juli 1920 vor dem Reichstag zum Ausdruck. "Die Leute vom Naumburger Gericht sollen nicht glauben, dass sie auf ihren Lorbeeren schlafen können, sie werden sich an anderer Stelle verantworten müssen."

 

 

Mißhandlungen im Gefängnis  nach oben

Die Mißhandlungen im Naumburger Gefängnis (1920) wurden im Zusammenhang mit den Ereignissen um den Kapp-Putsch dokumentiert.

 

 

Schandurteile. Das Gewerkschaftskartell, 15. Juli 1920  nach oben

Grossen politischen Ärger riefen die Urteile der Strafkammer des Naumburger Landgerichts vom

15. Juli 1920

hervor.

Ehemaliger Konsum (links)
in der Michaelisstraße (2008)

Wegen des Verbrechens des unerlaubten Waffenbesitzes verurteilte das Landgericht Naumburg Friedrich Elste Naumburg zu sechs Monaten Haft. Als Begründung heißt es: Der Arbeiter wurde am Freitag, den 19. März 1920, gegen 13 Uhr, als die Kämpfe zwischen Reichswehr und Aktionsausschuss voll im Gange, mit der Waffe in der Hand vor dem neuen Konsum in der Michaelisstrasse angetroffen. Ebenso erging es den Arbeiter Paul Hohlfeld. Er hatte am 18. März abends in Goldenen Hahn ein Infanteriegewehr vom Aktionsausschuss entgegengenommen.

Am 18. März verfolgte der Dreher Ernst Freitag das Mitglied der Einwohnerwehr Körner und nahm ihm seinen Revolver weg. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes wurde er zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt.

Schlosser Heinrich Seidler warf das Gericht ebenfalls unerlaubten Waffenbesitz vor. Er bezog mit einem schussfertigen Gewehr an der Othmarskirche in Richtung der unteren Kanalstraße Posten. Zur seiner Verteidigung brachte er vor, dass er der Meinung war, das Naumburger Militär stand auf Seiten von Kapp. Das Gericht verurteilte ihn zu einem Jahr Gefängnis.

Ebenso erging es den Arbeiter Karl Vogel, der in Zeuchfeld Posten gestanden hatte. Ihm wurde eine Geldstrafe von 100 Mark zugesprochen.

Weiter befasste sich das Gericht mit Fällen aus Freyburg (Unstrut), Markröhlitz, Goseck, Reichardtswerben und Altflemmingen. Insgesamt standen 18 Anklagesachen zur Verhandlung. Sieben mussten vertagt werden.

"Aeusserungen des Staatsanwalts Hardt [Naumburg] bei den Vernehmungen beweisen klar und unzweideutig," erklärt Bernhard Düwell am 29. Juli 1920 vor dem Reichstag, "dass er mit den Kapisten sympathisierte."

Die Urteile des Naumburger Landgerichts vom 15. Juli versetzten die Anti-Kapp-Kämpfer und sympathisierenden Demokraten in helle Aufregung, bedeuteten sie doch den Bruch des Abkommens von Halle vom 26. März 1920, das die vollständige Amnestie für die Kämpfer gegen die wirklich (oder vermutlich) konterrevolutionären Truppen vorsah. Der Verrat ex officio an den Aktionsausschüssen prägt weit über das Jahr 1920 hinaus das Rechtsbewusstsein der Arbeiter zur Staatsmacht.

 

Bernhard Düwell (*1891) und Reichsjustizminister Doktor Rudolf Heinze (1865-1928) streiten am 29. Juli 1920 im Reichstag über die Naumburger Richtersprüche. "Wir verlangen," fordert der ehemalige Vorsitzende des Arbeiter- und Soldatenrates von 1918/19 in Zeitz und Kommissar für den Regierungsbezirk Merseburg, "dass wegen der Spruchpraxis, die in den letzten Monaten vom Naumburger und Hallenser Schwurgericht und den dortigen Strafkammern gegen die Arbeiterschaft Mitteldeutschlands geübt worden ist, allerstrengste Untersuchung und Bestrafung derjenigen vorgenommen wird, die erwiesenermaßen jede Objektivität in ihren richterlichen Handlungen vermissen haben lassen."

Bernhard Düwell
(*29.4.1891 in Bochum)

Ein Skandal, klagt Bernhard Düwell, "der zum Himmel schreit und beseitigt werden muss selbst von einer kapitalistischen Republik, in der wir zurzeit leben." Darauf erwidert Justizminister Doktor Rudolf Heinze:

"Meine Herren, das ist eine Art zu prozedieren, die der deutschen Justiz jedenfalls nicht imponiert, die sie mit grösster Gelassenheit entgegen nimmt. Die Ungerechtigkeit und Unhaltbarkeit dieser Anklagen liegt zutage."

Interessant zu hören, welche belastbaren Argumente am 27. Januar 1921 Justizminister Karl Rudolf Heinze vorbringt. Achtung:

"Der Herr Vorredner hat dann auf gewisse Vorurteile Bezug genommen, unter anderem auf das Naumburger Urteil. Bezüglich dieses Naumburger Urteils ist hier eine Anfrage erfolgt. Wir haben unsere Pflicht getan, haben uns augenblicklich an den preußischen Justizminister gewandt, um die Akten bezüglich dieses Naumburger Urteils herbeizuziehen. Mehr haben wir wirklich nicht tun können."

Oho, - die Akten sind unterwegs! Das ähnelt der Ausrede des rheinischen Schlingels, der sein Versäumnis damit rechtfertigt: Chef, das wollte ich gerade getan haben wollen!

 

 

Protestversammlung am 21. Juli 1920  nach oben

In Antwort auf die Urteile vom 15. Juli 1920 lädt das örtliche Gewerkschaftskartell zu einer Grossen Protestversammlung am 21. Juli 1920 in die Reichskrone ein.

 

 
Naumburger Tageblatt, Naumburg, den 20. Juli 1920.
Digital bearbeitet. Keine inhaltlichen Veränderungen.


Die Annonce gab der Sozialdemokrat und Schriftsetzer Karl Teller (Jahrgang 1888) in Auftrag. Die betreffenden Richter reagieren mit einer Klage. Darüber verhandelt das Landgericht Naumburg am 3. März 1921. Der Staatsanwalt beantragt für den Angeklagten eine sechsmonatige Gefängnisstrafe. Das Gericht hält, weil der Angeklagte nicht vorbestraft ist, eine Geldstrafe in Höhe von 600 Reichsmark für ausreichend.

 

 

 

Klassenjustiz gegen Albert Bergholz  nach oben

Das Urteil des Zeitzer Landfriedensbruchprozesses vom 3. Juli 1919 kommentiert der Volksbote (Zeitz) unter der Überschrift

75 Jahre Zuchthaus,
53 Jahre 4 Monate Gefängnis

als Schande und Ausdruck der Klassenjustiz. Der Vorsitzende dieses Prozesses, Landgerichtsdirektor Hagen, nebst seinen zwei Beisitzern, Amtsgerichtsdirektor Doktor Albrecht und Amtsgerichtsrat Böckmann, fühlen sich beleidigt. Deshalb erhebt der Präsident des Landgerichts Naumburg Klage gegen die Redakteure Albert Bergholz (1892-1957) und Paul Lenzner (1894-1955). Wegen der Landtagswahl verschob man die Verhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts Naumburgs auf den

3. März 1921.

 

Paul Lenzner,
geboren 27. März 1884, Lithograph. 1902 Eintritt in die Gewerkschaft und SPD. Gründet 1912 die Feuilleton-Korrespondenz f
ür die Arbeiterpresse, die er ab 1913 zusammen mit Bernhard Düwell herausgibt. 1918 Vorsitzender des Soldatenrates im Infanterie-Regiment 72 in Celle. Anschließend Tätigkeit bei der USPD Zeitung in Berlin. Mai 1919 bis September 1926 Leitender Redakteur im Volksbote (Zeitz). Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Zeitz. Bildungsarbeit in der Volkhochschule.
Wegen Beleidigung von Außenminister Doktor Stresemann, den er als "einen Meister kleinlicher Staatsschusterei, einen Virtuosen des Meineides und Verrates, ausgelernt in den niedrigsten Kriegslisten, Kniffen und Treulosigkeiten des parlamentarischen Parteikampfes" charakterisierte, verurteilte ihn am 29. April 1925 das Gericht zu sechs Wochen Gefängnis.
1945 Wirkungskreis Berlin, Friedrichshain. 1946 gemeinsam mit Fred Oelsner zum Leiter der Abteilung Schulung und Werbung beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) berufen. Ab September 1947 zusammen mit Rudolf Lindau Direktor der Parteihochschule Karl Marx in Klein-Machnow. Wilhelm Pieck zeichnet ihn am 25. März 1955 mit dem Vaterländischen Verdienstorden aus. Paul Lenzner starb am 29. November 1955.

 

Über Stunden setzt sich das Gericht mit der Tätigkeit des Sondergerichts zu den Ereignissen im März 1920 (Kapp-Putsch) auseinander. Bergholz charakterisiert die Urteile als zutiefst ungerecht. Für Paul Lenzner beantragt der Staatsanwalt neun Monate und für Albert Bergholz sechs Monate Gefängnis. Wegen öffentlicher Beleidigung erkennen die Richter auf drei Monate Gefängnis für Lenzner und ein Monat Gefängnis für Bergholz.

Das Gericht hatte nach dem März-Urteil voreilig die Anklageschrift mit veröffentlicht, was nach dem Pressegesetz nicht (mehr) zulässig war. Hierüber verhandelte die Strafkammer des Landgerichts Naumburg

am 11. August 1921.

Albert Bergholz verteidigte sich selbst. Das Gericht erkannte auf "Freispruch".

"Es lässt sich kaum behaupten, dass seit der …. Debatte und Resolution des Görlitzer Parteitages [18. bis September 1921] die politische Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte das Vertrauen der Arbeitnehmerschaft gewonnen hat", lautet das Extrakt der Zeitschrift Der freie Angestellte vom 10. Mai 1922. "Statt weiterer Ausführung genügt der Hinweis auf das Urteil gegen den Redakteur der USPD, der einige Urteile der Sondergerichte als Klassenjustiz bezeichnet hatte und deshalb von der Naumburger Strafkammer 5 Monate Gefängnis erhielt …."

Aus den Ablauf und den Urteilen zu den März-Ereignissen von 1920 schlussfolgert der Reichstagsabgeordnete Bernhard Düwell vier Monate später, am 29. Juli:

"Die Urteile beim Naumburger Gericht zeigen klar und deutlich, dass die Richter und Staatsanwälte innerlich auf der Seite der militaristischen Putschisten gestanden, und nun ihre Wut über den missglückten Streich in dieser Weise an den Arbeitern ausgelassen haben. Das bestehende Strafrecht muss völlig umgewandelt werden. Es ist nicht zulässig, dass auf Diebstahl schwere Strafen ausgesetzt werden, als auf Körperverletzung. Der Richterstand setzt sich nur aus den besitzenden Klassen zusammen, und diese haben naturgemäß kein Verständnis für die Arbeiter. Als Geschworene werden Arbeiter nicht hinzugezogen. Dadurch verschärft sich die Klassenjustiz. …."

Die Kritik an der Naumburger Justiz verstummt nicht. Immer wieder moniert der Zeitzer Volksbote die Tätigkeit des Sondergerichts. Mehrere Ausgaben durchzieht der Vorwurf der "Klassenjustiz". Mit gleicher Intention tritt Albert Bergholz in den Arbeiterversammlungen auf. Darin erkennen die Richter eine Beleidigung, weshalb er sich erneut

am 21. Januar 1922

vor dem Landgericht Naumburg rechtfertigen muss. Oberstaatsanwalt Drygalski, die "Blüte der Reaktion" (Freiheit, Berlin), stützt seine Anklage auf Aussagen des Zeitzer Volksboten. Laufend untergräbt er, lautet sein Generalvorwurf, mit Ausdrücken wie Schnell- und Klassenjustiz oder Schreckensurteile die Autorität des Naumburger Gerichts. Verteidiger Doktor Kurt Rosenfeld erwidert, man müsse zwischen subjektiver Kritik und Feststellung objektiver Tatsachen unterscheiden. Noch einmal hält er dem Staatsanwalt die Bilanz des Mitteldeutschen Sondergerichts vor, worauf der hochempfindlich reagiert. Immer wieder stoßen Anklage und Verteidigung während der neunstündigen Verhandlung heftig zusammen. Rosenfeld und Bergholz, kommentiert 1931 Adolf Leopoldt (305), zerpflückten zusammen "die Argumente des Staatsanwalts". Zum Schluss beantragt er für den Angeklagten neun Monate Haft. Das Urteil erkennt auf fünf Monate Gefängnis. Eine Amnestie im August bewahrt ihn vor der Haftstrafe.

 

 

Leuna-Aufstand  nach oben

Die BASF (Badische Anilin- und Sodafabrik) - Werke Oppau - erzeugten 1913 erstmals aus Lufstickstoff technisch Ammoniak, woraus durch Oxidation im Ostwaldverfahren Salpetersäure gewonnen werden kann. Bei der Neutralisation mit Ammoniak entsteht Ammoniumnitrat, dass zur Herstellung von Düngemitteln und Sprengstoff dient. Davon konnte Deutschland im Krieg nicht genug bekommen.

Leuna Werk 1929 (Postkarte ohne Angaben)

Das Dorf Leuna gab einem außerordentlich wichtigen Projekt der deutschen Kriegswirtschaft seinen Namen. Eine riesige Chemiefabrik wurde hier erbaut. Ihre Gemarkung umfasst 1920 6 187 827 Quadratmeter. Nach nur neun Monaten Bauzeit verließ am 28. April 1917 der erste Kesselwagen die Ammoniakwerk Merseburg-Oppau GmbH mit der Aufschrift "Franzosentod". Bei Kriegsende werkeln hier etwa 13 500 Arbeiter und Angestellte. Ungefähr die Hälfte davon arbeiteten in externen Baufirmen. Während des Krieges beutete das Rüstungsunternehmen 900 Kriegsgefangene Russen und Franzosen aus. 2000 Frauen leisteten schwere körperliche Arbeit. (Vgl. Kämpfendes Leuna 54)

Am 19. März besetzten Polizeihundertschaften der Sipo das Zentrum des Aufstandes im Mansfelder Land. Doch war der Kampf damit noch nicht beendet. Max Hoelz sprengte am 24. März beim Angriff auf Hettstedt einen Teil des Bahnhofsgebäudes, zwei Villen und eine Druckerei in der Nähe der Sipounterkunft in die Luft (Schumann 2001, 127). Am selben Tag meldet der Vorwärts (Berlin), dass die Sicherheit der Gefängnisse in Halle und Naumburg gefährdet ist.

Der Leuna-Aufstand begann am 21. März 1921 mit dem Aufruf zum Generalstreik durch das Organ der Kommunistischen Partei Deutschlands für Halle-Merseburg, der Tageszeitung Klassenkampf. Umgehend versammelten sich im Werk geschätzt 12 000 zur Demonstration. Ihr Protest richtet sich gegen die Besetzung des Mansfelder Aufstandsgebietes. Sie forderten die Rücknahme des Hörsing-Erlass, den Abzug der Sipo und Reichswehr, die Entwaffnung der Orgesch und die Bewaffnung der Arbeiterschaft. Vierundzwanzig Stunden später meldete Die Rote Fahne (KPD, Berlin), dass sich der Streik immer weiter ausweitet. Es war eine Fehlmeldung, denn in den umliegenden Großstädten Leipzig, Halle und Erfurt findet der Streik kaum Widerhall. Der Preußische Staatskommissar für öffentliche Ordnung unterrichtet am 26. März 1921 den Reichskanzler: In Delitzsch sind gestern Aktionsausschüsse eingesetzt. In Querfurt ist das Landratsamt von Kommunisten besetzt. In Bitterfeld ist Generalstreik. Im Übrigen alles ruhig.

Aus Naumburg beteiligten sich an den Kämpfen in Leuna eine beträchtliche Zahl militanter Aktivisten, Streikende und solidarisch handelnde Kollegen. Einige, woran kein Zweifel besteht, waren sehr rührig. Mehr jedenfalls als es der Staatsanwaltschaft gefiel, wenn es um Waffenfunde und Waffenbeschaffung ging. Fünfzehn Naumburger Leuna-Proleten, darunter etliche Betriebsratsmitglieder, meldet am 10. Februar 1921 die "Freiheit", wurden verhaftet.

 

1926/27 begann in Leuna die Benzin-Synthese aus Braunkohle nach dem Bergius-Pier-Verfahren. In der Herstellung war es immer teurer als die Destillation aus veredelten Komponenten der Erdölraffination und deckte 1930 etwa ein Zehntel des Bedarfs. Um die Produktion fortführen zu können, war laut Vertrag von 14. Dezember 1933 die Gewährung der Mindestpreisgarantie notwendig.

 

Leider kann die "beträchtliche Zahl" der Naumburg Akteure nicht realistisch geschätzt werden. Aber egal wie viele es waren, Leuna hallte lange nach! Da waren die schlimmen Erfahrungen mit den Sicherheitskräften. Dann die Fehler der Führer und Organisatoren. Viele mussten ins Gefängnis. Die Ziele und Mittel der KPD und VKPD konnten nicht richtig gewesen sein. Die Kämpfe im Mansfeld, Ammendorf und Leuna bestätigten, was die Levi-Fraktion, die im Februar `21 in der VKPD ihren Platz für Heinrich Brandler und Paul Stöcker räumen musste, der Leitung vorwarf: Für eine erfolgreiche Revolution waren die Bedingungen in Deutschland nicht gegeben. Die kommunistische Offensivstrategie, exponiert vertreten durch Heinrich Brandler, Fritz Heckert, Paul Frölich, Ernst Meyer, August Thalheimer, Hugo Eberlein, war gescheitert. Zur Niederlage gesellte sich die Arbeitslosigkeit. Der Reichswohlfahrts- und der Arbeitsminister drahtet am 8. April 1921 im Einvernehmen mit der Reichsregierung an den Magistrat von Naumburg, dass Auszahlung von Erwerbslosenunterstützung an die bisher bei den Baufirmen beschäftigten Arbeiter nicht zulässig ist (Freiheit 8.4.1921).

 

Mit Artillerie gegen die Arbeiter

Am 29. März um 6.30 Uhr eröffnet die Artillerie von allen Seiten, außer der Ostseite, wo die Saale fließt, das Feuer auf das Leuna-Werk. Bewaffnete Verbände stürmen das Gelände. Der Widerstand war gebrochen. Die meisten gaben auf. Nur ein kleiner Teil entkam schwimmend durch den Fluss. "Die Märzunruhen 1921 und die preußische Schutzpolizei", eine Denkschrift, nennt 60 bis 70 Tote. Stefan Weber charakterisiert 1991 (163) die Handlungsweise der Schupo als Massenmord. Ein Standgericht ist nicht verhängt worden. Reichswehr, Schupo (Schutzpolizei) und Stahlhelm üben Vergeltung und behandeln die Aufständischen wider dem Gesetz.

"Einem Gefangenen, bei dem eine Pistole gefunden worden war, wurde der Schädel eingeschlagen, sodaß das Gehirn an die Wand spritzte. Ein anderer musste sich selbst erschießen." Insgesamt bringen sie neun Leute um. Trotzdem kommt es zu keiner rechtsstaatlichen Untersuchung und Bestrafung dieser Taten, ermittelt der jüdische Mathematiker und Publizist Emil Julius Gumbel (1891-1966).

Michael Kohlhaas beginnt seinen Rachefeldzug gegen Junker Wenzel von Tronka als ihm unabweisbar der Kurfürst die Rechte kürzt. Nach einer langen Fehde wird er schließlich geköpft. Aber eine gerechte Strafe lehrt John Stuart Mill (1871, 99), muss der Tat proportional sein, insofern, als sie sich genau nach der Schuld des Täters bemisst.

Vom 15. April 1921 bis zum 14. Juli 1921 verhandelt das Sondergericht Naumburg die Leuna-Fälle. An 43 Verhandlungstagen, zählt 1931 Adolf Leopoldt (SPD) aus, klagt es ungefähr 383 Personen an. Insgesamt verhängt das Gericht über die Leuna-Kämpfer 527 Jahre Zuchthaus und 173 Jahre Gefängnis. In fünf Fällen wurde eine lebenslängliche Zuchthausstrafe ausgesprochen. Am 19. August 1921 meldet die Freiheit (Berlin) eine Milderung der Maschinengewehrjustiz: Von 42 Zuchthausstrafen sind nicht weniger als 40 in Gefängnisstrafen umgewandelt und die Strafdauer auf die Hälfte oder ein Drittel herabgesetzt worden.

Fritz Bauer warnte 1960 in "Die ungesühnte Nazijustiz": "Vom Gesetzesfaschismus führt ein schnurgerader Weg zu den Konzentrationslagern von Auschwitz und Buchenwald .…" Unter Einschluss der Anwendung von Waffengewalt bot das postive Recht die Lösung des Konflikts, indem es in den Händen der Sicherheitskräfte zu einer teuflischen Anmassung ermächtigte und so die Gerechtigkeit und den Rechtsgedanken verweigerte. Auf diese Weise bestätigt sich, was Hans Kelsen (1953, 33) betont, dass mit dem positiven Recht nicht die Frage nach der Gerechtigkeit beantwortet ist.

Mit den Sturm auf Leuna schlagen die Sicherheitskräfte rechtspolitisch den Weg nach Buchenwald ein. Denn die Grundlage sowohl des verbrecherischen Handelns gegen die Leuna-Kämpfer wie gegen die KZ-Häftlinge war die Missachtung der individuellen Bürgerrechte, die wir aus dem Wesen und den Aufgaben des Menschen herleiten. Es war, wie Eugen Kogon (1903-1987) es 1947 im Ergebnis einer Untersuchung unter dem Titel "Der Terror als Herrschaftssystem" formuliert, die ideelle Voraussetzung für die Gesetzlosigkeit und Massenverbrechen an politischen Opponenten, Widerstandskämpfern, Juden, (angeblichen) Asozialen, Polen und tausenden russischen Kriegsgefangenen. Der ehemalige Buchenwald-Häftling stützt sich hier auf Beobachtungen, die er 1945 für das Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte (SHAEF) im Buchenwald-Bericht dokumentierte.

 

 

Angst vor dem Imperium der Zivilisation (Thomas Mann)  nach oben

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Weiter diktiert die am 19. August 1919 verkündete Weimarer Verfassung: Die Militärgerichtsbarkeit ist aufgehoben. Vor dem Gericht sind alle Deutschen gleich. Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Ausnahmegerichte sind unstatthaft, bestimmt Artikel 105. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standgerichte werden hiervon nicht berührt. Die militärischen Ehrengerichte sind aufgehoben.

Bereits zu Beginn der zwanziger Jahre kam die Justiz in politischen Prozessen öfters vom rechtsstaatlichen Weg ab. Nachdem die Justiz von der radikalen Rechten einige Male zur Fronde gegen den Staat genutzt, platzt am 8. Februar 1931 dem Vorwärts (Berlin) der Kragen:

"In Halle wie in Naumburg ist, die Justiz längst zu einer Zelle der Zersetzung geworden."

"Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit, soweit es politisch aufgeklärt ist," zieht Kurt Tucholsky im Aufsatz Deutsche Richter (23, 582) nach acht Jahren Weimarer Verfassung Bilanz, "kein Vertrauen mehr zu dieser politischen Justiz, und sie verdient auch keins."

Ihre Strafen fielen nicht, wie oft angenommen wird, so grauslich und drakonisch aus. Trotzdem. "Sie richten schlecht", womit Tucholsky nicht auf ihre politischen Urteile anspielt. Gemeint sind ihre Sprachgewohnheiten während des Prozesses und das soziale Verhalten gegenüber den Angeklagten im Gerichtssaal. Man gewinnt dabei den Eindruck, dass sie ihre Arbeit unlustig machen. Ihnen kommt es nicht darauf an, eine Sache gut zu erledigen, sondern sie möchten nur rasch fertig werden. So entsteht der Typus Richter, der die Angeklagten, Zeugen und Verteidiger kaum zu Wort kommen lässt. Schlimm war allerdings, dass er die natürlichen Begleitumstände des Delikts als strafverschärfend anrechnete.

Die Ungehörigkeiten der Richter waren die Folge einer wahnwitzigen Überheblichkeit und des herrschenden Kastengeistes. Dieses Personal ist die Ausscheidung der Klasse des mittleren und gehobenen Bürgertums, die Kurt Tucholsky 1927 in Wiedersehen mit der Justiz so beschreibt: "Bei den Richtern ist die Auslese, die der Stand erbarmungslos vornimmt, gefährlicher und schlimmer als bei der ihnen gesinnungsverwandten Reichswehr. Es liegt bei beiden ein klarer Fall der Kooption vor. Die Gruppe wählt sich hinzu, wer sich dem Gruppengeist anpasst - immer adäquate, niemals heterogene Elemente. Das fängt bei der Justizprüfungskommission an, und mit dem feinen Siebe der Personalreferenten geht es weiter. Resultat: dieser Richterstand." (Tucholsky 1927)

"Es kommt auf den Geist an, der von der Reichsjustizverwaltung ausgeht", umreißt am 27. Januar 1921 der Reichstagsabgeordnete Doktor Kurt Rosenfeld das Problem. In diesem lebte die Idee des starken und autoritären Staates, umhegt vom rechtspositivistischen Curriculum des Jurastudiums und dem Treueschwur zum wilhelminischen Staat fort.

Der Republikanische Richterbund, hierauf weist Doktor Kurt Rosenfeld (USPD) am 23. Februar 1922 in der Rede vor dem Reichstag hin, ist ihre einzige Berufsorganisation, die nicht im monarchistischen Fahrwasser segelt. Republikaner waren im Justiz-Milieu klar in der Minderheit. Am 18. März 1931 berichtet der Vorwärts (Berlin) von einer Tagung des Hauptausschusses des Preußischen Landtages auf der Justizminister Doktor Schmidt zum Personal folgende Auskunft erteilte: "Die Zahl der der Sozialdemokraten unter den preußischen Richtern sei praktisch gleich Null Komma Null, und sämtliche Sozialdemokraten in führenden Stellen der Justizverwaltung könne er an den Fingern an der Hand abzählen."

Im historischen Dimensionen gedacht, wäre ein solch konservatives Übergewicht vielleicht nicht so entscheidend gewesen, wenn in der deutschnationalen und -völkischen Ideologie nicht die restaurativen Sehnsüchte einträchtig mit der Idee des Pangermanismus und dem aggressiven, an Selbstüberschätzung leidenden Deutschtum hausten.

Richter und Staatsanwälte misstrauten dem Charme der westlichen Zivilisation. Mit der Ankündigung des "Weltimperium der Zivilisation" (Thomas Mann) 1918 durch US-Präsident Woodrow Wilson, zog eine neue Bedrohung für die Deutschen und ihr nationale Identität herauf. Sie fürchteten, die Demokratie könnte das Volk gefügig machen, woraus früher oder später der Niederbruch des Vaterlandes und Verlust des deutschen Wesens folgt. Ohne ihre Opposition gegen die Entente und Zivilisationsliteraten (Thomas Mann) würde das Imperium der Zivilisation dann womöglich vollends übermütig. Es könnte, warnt Thomas Mann 1918 (85f., 145), sich in ein pressbanditenhaftes, großmäulig-demokratisches, der Tango- und Two-Step-Gesittung verfallenes, Geschäfts-, Lust- und Monte-Carlo-Europa verwandeln. Verwurzelt in einer tief antiwestlicher Haltung bleiben deshalb viele Richter und Staatsanwälte der antirepublikanischen Opposition treu und skeptisch gegenüber der parlamentarischen Demokratie. Ihnen blieb die Hoffnung auf den Sieg der nationalistischen Freiheits Bewegung.

Wo konnte ein solches Personal sich politisch besser organisieren als in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Die Führung der Ortsgruppe Naumburg übernehmen Oberlandesgerichtsrat Doktor Fritze (1920-26) und Oberlandesgerichtsrat Kosack (1928-1930). In der Zwischenperiode 1926-1928 gewährleistete ihre Arbeitsfähigkeit der politische Literat, hohe Funktionär, spätere Reichstagsabgeordnete der DNVP und Konstrukteur des völkischen Staates - Georg Schiele.

Angesichts desssen was nun alles Schlechtes gesagt wurde, stellt sich die Frage, agierte der deutschnationale Jurist gegenüber den Angeklagten, der politisch und weltanschaulich grundsätzlich anders dachte und lebte wie er, zwangsweise als ein ungerechter oder unsozialer Richter? Nein, das musste er nicht, wenn er die Regeln des anständigen und methodisch begründeten Richtertums einhielt: korrekte Beurteilung der Strafwürdigkeit der Tat, Unparteilichkeit bei der Schuldermittlung und kein Unterschied bei der Urteilsfindung, den das anzuwendende Recht nicht selbst macht (Kelsen 1953, 35). Ausserdem sollte er nicht jeden Angeklagten ständig tadeln, wenn dazu keine rechtlich Pflicht besteht.

 

 

Der schwarzweißrote Faden
als deutsches Rechtsempfinden  Uwe Wesel  nach oben

Die Leipziger Prozesse vom Januar 1921 bis November 1922 zur Aburteilung deutscher Kriegsverbrechen im letzten Krieg gewähren tiefen Einblick in das herrschende Rechtsbewusstsein der deutschen Justiz und Rechtspflege. "Diese Prozesse sind eine schwere Last für die nationale Ehre und den inneren Frieden unseres Volkes", deklamiert am 14. Juli 1921 der sozialdemokratische Abgeordnete des preußischen Landtags Ernst Heilmann und erklärt dann die Ausschreibungsbedingung für die Gerichtsprozesse:

"Ohne vollgültigen Schuldbeweis
kann niemand verurteilt werden."

Uwe Wesel nennt 2003 den Prüfstein für den Willen zur Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit:

Deutsche Soldaten begehen keine Kriegsverbrechen,
schon gar nicht deutsche Offiziere
,

und prägt dafür das Bild vom schwarzweissroten Faden der Leipziger Prozesse.

"35 Verfahren wurden von vornherein eingestellt. Zehn Urteile wurden gefällt, davon sechs Freisprüche."

Für die Offiziere Ludwig Dithmar und John Boldt wurde der Beweis erbracht: Am 27. Juni 1918 torpedierte U 86 vor Irland das Lazarettschiff Llandovery Castle und beschoss anschließend die Überlebenden in den Rettungsboten. Das Gericht verurteilt sie zu je vier Jahren Haft. Dithmar verbüsste einen Teil seiner Strafe im Naumburger Gefängnis. Die streng nationale Familie verhilft ihm in der Nacht vom 28. zum 29. Januar 1922 zur Flucht.

 

 

The New York Times meldet am
31. Januar 1922:

WAR OFFENDER FLEES FROM A GERMAN JAIL

Dittmar`s Escape at Naumburg, It Is Fearead, May Cause Foreign Complications.

Berlin, Jan. 30. - First Lieutenant Ludwig Dittmar, the submarine officer sentencend to four years in jail by the Supreme Court at Leipsic, at one of the war criminal trials for complicity in sinking at British hospital ship, escaped from Naumburg jail yesterday.

Border authorities have been notified and reward of § 250 has been offered for the seizure of the fugitive. The Atorney General has hurried to the jail to conduct a personal investigation, in view of the possibility of grave foreign complications, since only a few months ago First Lieutenant Boldt, Dittmar`s submarine team mate, who was sentenced for the same crime, escaped from the Hamburg pail in such a manner as to indicate that he must have had accomplices not only on the outside but among his jailers.

This second flight of a convicted war criminal comes most inopportunely for the Wirth Government.

The New York Times.
Published January 31. 1922

Copyright The New York Times

 

 

Wenige Monate später bietet sie den Rathenau-Mördern Erwin Kern und Hermann Fischer auf Burg Saaleck ein Versteck.

In einem Wiederaufnahmeverfahren gegen die zwei Besatzungsmitglieder von U 86 John Boldt und Ludwig Dithmar wurde am 4. Mai 1928 in nichtöffentlicher Sitzung das Urteil aufgehoben. Eine bloße Tätigkeit als Ausguck sei noch keine Beihilfe, schürzte man als Begründung vor. In der Strafwürdigkeit einer Tat findet das Rechtsempfinden seinen konkret historischen Ausdruck. Nach dem Krieg scheinen die menschlichen Ressourcen erschöpft. Vom Zorn der Gerechten war nichts zu hören. Mitgefühl, ohne das kein Rechtsgefühl entsteht, war ein knappes Gut. Doch ohne dies, lehrt Adam Smith 1751 in der Theorie der ethischen Gefühle, entsteht keine Menschlichkeit.

 

 

Rechtsmilitante Netzwerke  nach oben

Mittlerweile war über die Tätigkeit einiger Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die Anfang der 20-er Jahren in der rechtsmilitanten Szene aktiv, Gras gewachsen. Das kümmerte die KPD-Zeitung Klassenkampf aus Halle wenig, als sie sich im Februar 1928 daranmachte, es wieder abzutragen. Ihr Investigativbericht

Fememörder-Paradies in Naumburg

widmet sich dem Netzwerk aus Mitgliedern der rechtsmilitanten Szene und dem Staatsapparat. Indes mutete ihr Informant und Kronzeuge Werner Abel (*6.4.1902) befremdlich, nicht vertrauenswürdig an. Er galt laut Volksboten aus Zeitz vom 10. September 1929 eine Zeit lang als Erzberg - Mörder († 26. August 1921).

Fememörder-Paradies in Naumburg löste den Passfälscher- Skandal aus. Zu den im September und November 1929 stattgehabten Beleidigungsprozesse gegen den agilen KPD-Mann Adolf Schuster (Naumburg) vor dem Amts- und Landgericht in Naumburg war auch Werner Abel zusammen mit Gauleiter Paul Hinkler (Freyburg) und dem künftigen NSDAP-Kreisleiter von Naumburg Friedrich Uebelhoer geladen. Aus ihren Aussagen können wir Erkenntnisse zur Tätigkeit der rechtsmilitanten Netzwerke, speziell zu der Verbindung zwischen München und Naumburg gewinnen. (Siehe unten Kapitel Passfälscher-Skandal 1928/29)

 

Stadt der alten Esel  Volksbote, Zeitz   nach oben

Am 1. April 1923 wurde Georg Werner zum Präsidenten des Oberlandesgerichtes, eines "politisch sehr schwierigen Bezirks" berufen und stand damit "einem der größten OLG [Oberlandesgericht] des Freistaates Preußen" vor. Der Bezirk des Oberlandesgerichts war "Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen politischen Gruppen". Andreas Möhring (2010, 76f.) scheint dies in "Richter im Nationalsozialismus. Personalentwicklung und Personalpolitik am Oberlandesgericht Naumburg 1933-1945" fast zu beklagen, wenn er darlegt: "So wurden einzelne Richter und auch der OLG-Präsident selbst wegen der von ihnen gefällten Urteile und den ergangenen Entscheidungen wiederholt von den verschiedensten politischen Seiten aufs schärfste angegriffen." Es kommt hier nicht genügend zum Ausdruck, dass diese Auseinandersetzungen von seitens der kritischen Öffentlichkeit, zum Beispiel im Sommer 1930 um den Cuvelier Prozess I und II, zur Ehrenrettung des nach Anstand und Würde sittlich handelnden Stadtbürgers notwendig waren.

Das "System Naumburg", die Welt der Privatiers und pensionierten Militärs, oder "um ein Wort des Exkaisers zu gebrauchen", was am 4. August 1930 der Zeitzer Volksbote aufgreift, "die Stadt der alten Esel", ist "die Stadt der konservativen Justiz, eingeengt in einem fast mittelalterlichen Kastengeist, .... die Stadt ohne wirkliche Industrie, bis zur höchsten Spitze angefüllt von einer widerlichen politischen Stickluft." Hier ist deutlich die Wut gegen die subjektive Klassenjustiz zu spüren, die "bewusst und gewollt gegen Bevölkerungsschichten, die eine andere politische Anschauung" haben, "Stellung nimmt". (Düwell)

 

 

Das größte Unrecht  Posadowsky-Wehner  nach oben

"Die moderne Geldwirtschaft lebt zwar vom Sparerbetrug," kommentiert das Vorstandsmitglied der Bayerischen Vereinsbank Doktor Biber die Währungsreform in Westdeutschland, "aber in einer so primitiven und drastischen Form wie 1948 ist die Sparermisshandlung doch wohl nie geschehen" (Die Rächer 1953). Ein Irrtum, denn der 48` Sparerbetrug bleibt mit seinem Zerstörungspotential weiter hinter der mit den Ersten Weltkrieg beginnenden Dauerinflation zurück.

Wohl läutet am 15. November 1923 die Einführung der Rentenmark das Ende die Hyperinflation ein, aber die Krise der Geldwirtschaft war damit nicht überwunden. Millionen Bürger verarmten, weil der Staat nicht in der Lage war, die Eigentumsrechte des Bürgers zu sichern. Das Inflationsverbrechen, stellte Posadowsky 1932 rückblickend fest, war auf der deutschen Ablösungs- und Aufwertungsgesetzgebung aufgebaut und hatte den Grundsatz von Treu und Glauben geschändet. "Nachdem Doktor Hans Luther am 23. August 1924 im Reichstage erklärt hatte, dass man die Inflation als `Ausweg` benutzt habe, um die vorhandenen Schuldforderungen abzubauen, wurden durch die sogenannte Ablösungs- und Aufwertungsgesetzgebung die Gläubiger verhindert, ihre verbrieften Forderungen gerichtlich einzuklagen und das ergehende Urteil in die vorhandenen Sachgüter der Schuldner vollstrecken zu lassen." (1932, 212)

Bei den Verarmten und wirtschaftlich ruinierten Existenzen wuchs die Wut, Verzweiflung und Ohnmacht. "Wer sich aber in die Seele eines Menschen zu versetzen mag," schreibt der Sozialdemokrat Wilhelm Keil 1928, "der früher ein behagliches Dasein führte und nun durch einen Akt der Gesetzgebung buchstäblich an den Bettelstab gebracht worden ist, wird verstehen, dass das Geistesleben dies um die völlige oder teilweise Wiederherstellung seines Eigentumsrechts kämpfenden Menschen sich nicht lediglich um "individualistische Besonderheiten" dreht, dass er vielmehr das ganze Staats- und Gesellschaftsleben im Lichte trauriger Erfahrungen sieht."

Arthur Graf von Posadowsky-Wehner nahm sich als Mitglied der Reichspartei für Volksrecht und Aufwertung und Abgeordneter im Preußischen Landtag den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der erratischen und ungerechten Geldpolitik an.

Gewaltiger Ärger entzündete sich an der dritten Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924. Als ein "Gewaltakt", bezeichnet sie am 30. Januar 1930 Arthur Graf von Posadowsky-Wehner, "das Gegenteil von gerechter Verteilung der Opfer der Inflation auf die betreffenden Volksschichten, eine einseitige Bevorzugung der stärkeren Schultern auf Kosten der Schwächeren,

das größte Unrecht,
das die Justiz je hervorgebracht hat."

Zugleich war es ein Aufmarschfeld der National-Sozialistischen Freiheitspartei. In Vorbereitung der Reichstagswahlen am 6. Dezember 1924 sprach Wolf-Heinrich von Helldorf Ende November auf ihrer Wahlversammlung über "die sofortige Wiederherstellung des Kapitals des Sparers", verbunden mit der Forderung nach Beseitigung der 3. Steuernotverordnung und "einer sozial gerechten Aufwertung".

Posadowsky betrachtet es als ungerecht, wenn die Anleihen der Gemeinden, die sich fortwährend kostspielige Luxusausgaben gestatten, mit zweieinhalb Prozent des Goldwertes abgelöst werden. "Was ist es anderes wie eine entschädigungslose Enteignung, wenn für Pfandbriefe und Rentenbriefe ein fester Prozentsatz für die Abtragung der Schuld überhaupt nicht festgestellt ist und die Pfandbriefe und Rentenschulden zur Abtragung der Hypotheken nicht herangezogen werden?" (Gläubiger und Sparer, 29. Juli 1926)

Im Aufsatz

"Die Technik der Aufwertung"

beklagt 1925 Posadowsky, dass die Regierung sich lange Zeit in amtlichen Erklärungen weigerte eine Aufwertung vorzunehmen. "Das hat zu einer ungeheuren Bereicherung der Schuldner beigetragen." Es "sind ja nichts anderes als Ausführungsverordnungen mächtiger wirtschaftlicher Gruppen", charakterisiert er 1929 (4195) die Interessen der Schuldner in der Hyperinflation und Aufwertungsgesetzgebung. Der Grundsatz von Treu und Glauben war ausgehöhlt und die Geschäftsmoral des Geldes sank ins bodenlose. Die Ungerechtigkeiten, davon war er überzeugt, werden lange nachwirken.

Besonders empörte ihn der Umgang mit den Kosten des Krieges nach der Art des Reichstagsabgeordneten und nachmaligen Reichsjustizministers Oskar Hergt, geboren 1869 in Naumburg, der am 28. Juni 1924 im Reichstag erklärte:

"Die Aufwertung ist endgültig abgeschlossen."

Der Abgeordnete der Reichspartei für Volksrecht und Aufwertung durchschaut das Treiben und kommentiert es am 15. Dezember 1928 in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses:

"Also endgültig sollen die deutschen Gläubiger verurteilt sein, allein die Kosten des Krieges zu tragen.

Wie sich das mit der verfassungsmäßigen Bestimmung verträgt, dass alle Staatsbürger gleichmäßig nach ihren Mitteln besteuert werden sollen, ist mir unverständlich."

Kurz vor den Präsidentenwahlen am 28. Februar 1925 gab die Regierung mit der amtlichen Verlautbarung "Die Lösung der Aufwertungsfrage" ein neues Gesetz bekannt. Dieses sah vor, die Markanleihen des Reiches, mit Ausnahme der Zwangsanleihen, in eine "Anleiheablösungsschuld des Deutschen Reiches" umzutauschen. Im Zusammenhang mit der Durchführung des Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen vom 16. Juli 1925 trat die Interessenlage klar zu Tage. Durch eine durchgreifende Besteuerung der Inflationsgewinne und in der Notzeit erhalten gebliebenen Vermögen wäre eine Umwandlung für die reell erworbenen Anleihen zu zwanzig Prozent ihres Nennwertes und die Tilgung und normale Verzinsung der aus Umwandlung hervorgehenden Schuld möglich. "Die Mehrheitsparteien scheuen aber die Erfassung der Kreise, die trotz Krieg und Inflation reich geblieben, reicher oder reicher geworden sind, wie das heiße Eisen." (Keil 1925)

Am 15. Dezember 1928 nimmt Posadowsky abermals im Preußischen Landtag zur staatlichen Geldpolitik Stellung:

• Die Enteignungsgesetze [der Geldpolitik] verkörpern geradezu eine Verhöhnung des Mittelstandes, die man gegen ihre wirtschaftlichen Interessen beschlossen.

• In der Rechtsprechung herrschte zur Geld- und Aufwertungspolitik eine unvorstellbare Unsicherheit und ein unbeschreibliches Chaos.

• Es war nicht einmal klar, wo man die Ansprüche auf Aufwertung anmelden konnte.

• Der Wert der Inhaberpapiere war abhängig von der Person des Besitzers.

• Vielfach waren die Bankhäuser überlastet, was ihre Tätigkeit negativ beeinflußte.

• Oftmals fiel es den Gläubigern schwer, die vom Gesetz geforderten Nachweise zu erbringen.

• In der Quintessenz war es ihnen "einfach unmöglich gemacht", ihre Ansprüche zu vertreten.

Von Tag zu Tag wächst bei Posadowsky-Wehner der Zorn und die Verärgerung über die Geldpolitik. Er will das alles nicht hinnehmen. Als ob seine Parlamentskollegen dies ahnten, erwies ihn der Rechtsausschuß des Preußischen Landtages zum 85. Geburtstag eine ehrende Geste. Als Abgeordneter zieht er am 19. Dezember 1930 mit dem Kanzler vor den Preußischen Landtag in Mensur und verlangt die Einsetzung einer Untersuchungskommission:

"Das Staatsministerium wird ersucht, bei der Reichsregierung folgenden Antrag zu stellen: Die Reichsregierung soll schleunigst ein Gesetz vorlegen, durch welches der Staatsgerichtshof beauftragt wird zu untersuchen, ob und welche ausländischen Stellen, ob und welche amtlichen Stellen und ob Privatpersonen im Inland auf die planmäßige Steigerung des Dollarpreises gegenüber der deutschen Mark hingewirkt und damit planmäßig die deutsche Währung zerrüttet haben."

Der Kanzler lehnt ab, worauf er verärgert flucht:

"Damit stellt sich der Herr Reichskanzler und die Reichsregierung vor die verbrecherischen Elemente, die die Inflation dazu herbeigeführt und benutzt haben ungeheure Vermögen zu erwerben."



Ein deutscher Gerichtshof
will Frankreich schlagen  
Arbeiter-Zeitung Wien  nach oben

Ein Merkmal der Klassenjustiz ist die Ungleichheit vor dem Gesetz. Die Gleichheit ist gegeben, "wenn die rechtsanwendenden Organe keine Unterschiede machen", "die das anzuwendende Recht nicht selbst macht" (Hans Kelsen 1953, 33). Assistiert von einer extrem nationalistisch agierenden Abteilung der öffentlichen Meinung wurde sie im Prozess gegen den Schwimmer der französischen Nationalmannschaft Henry Cuvelier (*1.6.1908) im Juli und August 1930 in Zeitz und Weißenfels eklatant verletzt. In den zwei Verhandlungen schwingen Deutschtum, Pangermanismus und Nationalhass mit. Als Reaktion darauf titelt am 3. August 1930 die Wiener Arbeiter-Zeitung:

 

Arbeiter-Zeitung. Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs. Wien, den 3. August 1930

 

Dabei hinterliess die Zwischenträgerei des Justizobersekretärs Hauck vom Amtsgericht Weißenfels für die Nazis-Belastungszeugen einen hässlichen Eindruck. Nicht die Mehrheit, aber doch eine beachtliche Zahl der Zeitzer protestierten im Sommer 1930 öffentlich gegen die Urteile im Cuvelier-Prozess I und II.

(Fortsetzung unten im Abschnitt Cuvelier Prozess I und II.)

 

 

 

Gesetz zum Schutz des Geldsacks  nach oben

Von 1918 bis 1922 ereigneten sich nach Emil Gumbel in der Republik 354 Morde von Rechts und 22 Morde von Links. Oft werden sie nicht verfolgt. Wer sich einen Überblick über die Art der Republikfeinde, ihre Stimmung, Konfrontation und Prügeleien verschaffen will, der schaue kurz auf den Deutschen Tag 1924 in Halle (123).

Nach der Ermordung von Rathenau wird am 21. Juli 1922 das von Gustav Radbruch ausgearbeitete

Republikschutzgesetz (RSG)

erlassen. Gedanklich richtete es sich vor allem gegen rechtsradikale Täter. Die Richterschaft hegte jedoch, hebt Die politische Justiz der Weimarer Republik 1919-1927 hervor, dagegen Bedenken, was zu einer einseitigen Auslegung der Gesetzesnormen führte.

Die Verlängerung des RSG scheitert am 28. Juni 1929 im Reichstag. Eine Niederlage der Regierung Müller (SPD), die die Opposition (DNVP, NSDAP, KPD) feierte.

Ziel des RSG ist es, alle republikfeindlichen und monarchistischen Organisationen zu verbieten oder handlungsunfähig zu machen. Anklagen gegen das RSG verhandelte der neu gegründete Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in Leipzig, dessen Tätigkeit vor allem gegen die KPD gerichtet war, aber 1926 wieder abgeschafft wurde. Der auf die Fememorde zugeschnittene Tatbestand der Mörderverbindung kam hingegen nur einmal zur Anklage.

Einen exzellenten Gedanken zum Umgang mit dem Republikschutzgesetz wirft Carl von Ossietzky 1930 (176) im Aufsatz Rotkoller in die Debatte auf, geschrieben noch bevor es dem Reichsinnenminister gelingt, das Gesetz am 25. März 1930 in abgeschwächter Form zu erneuern. "Der Sozialist und Kommunist", argumentiert der Herausgeber der Weltbühne, "ist weder republik- noch staatsfeindlich, er tritt nur für eine andre Güterverteilung innerhalb des republikanischen Staates ein, und das ist ganz gewiss nicht verboten .... Soll aber der Emanzipationskampf der Besitzlosen allein für strafwürdig gelten, so führt das Gesetz den falschen Namen. Dann hat es nichts mit Republikschutz zu tun und müßte von Rechts wegen

Gesetz zum Schutz des Geldsacks

heißen."

Natürlich beeinflusste das RSG den politischen Alltag der Stadt, etwa bei der Durchführung von Demonstrationen, Versammlungen und öffentlichen Veranstaltungen. Von den Sozialdemokraten und zivilisierten Bürgerschaft gehen starke Bemühungen aus, die politische Kultur durch Anwendung gesetzlicher Normen zu verrechtlichen. Dies geschieht auf dem Wege der Aufklärung, Schulung und Information. Eine Tendenz, die bei den anderen politischen Gruppen, etwa NSDAP, KPD, Stahlhelm, Wehrwolf, so nicht erkennbar ist. Sozialdemokraten und Kommunisten unterscheiden sich deutlich in ihrer Haltung zum Republikschutzgesetz. Die politische Einstellung der KPD zum RSG war nicht unproblematisch, speziell, wenn Fragen nach der Republik- und Staatsfeindlichkeit bestimmter Aktivitäten zu beantworten waren. Bei allen Schwierigkeiten, es zeigt sich bei den Naumburgern KPD-Mitgliedern dennoch kein Hang zur Gesetzlosigkeit.

 

 

  Links haut rechts

 
 

  Rechts haut links

 
Aus: Arthur Eloesser: Florian Geyer. Die Weltbühne. XXIII. Jahrgang, Nummer 20, Berlin, den 17. Mai 1927, Seite 786 und 787

 

 

Über Anlass, Zweck und Ziel der Anwendung von physischer Gewalt gegen politische Gegner geben folgende Ereignisse in der Region Aufschluss:

vierzehn unfreundliche Ereignisse bei der Vorbereitung und Durchführung der Kundgebung des Reichsbanners am 19. Juli 1925 in Naumburg,

Saalschlacht am 10. April 1930 im Schützenhaus von Freyburg,

Morddrohung von Heinrich Hacker (NSDAP) am 25. April 1930 in der Naumburger Stadtverordnetenversammlung gegenüber Wilhelm Schwencke (SPD),

wüste Schlägereien zum Gautag der mitteldeutschen NSDAP am 17. und 18. Mai 1930 in Zeitz (siehe Kapitel Hakenkreuzurteile),

heftige Schlägerei am 7. Juni 1930, gegen 5.00 Uhr, bei der Begegnung zwischen den Wehrwölfen und Roten Sportlern in Hassenhausen,

"Wehrwolfüberfall auf die Roten Sportlerinnen" am Pfingstmontag 1930, gegen 13.35 Uhr, am Westausgang Altenburgs bei Naumburg,

Überfall auf den französischen Schwimmer Henry Cuvelier in der Nacht von 6./.7. Juli 1930 in Zeitz (siehe Kapitel Hakenkreuzurteile),

Saalschlacht im Gasthof Zur Linde am 15. Dezember 1930 und

Angriffe auf den Konsum 1931 und 1932 in Naumburg.

Obwohl die Rechtsnormen und Strafen des RSG bis zum Todesurteil reichten, boten sie der Republik keinen wirklichen Schutz.

Trotzdem kann man nicht sagen, dass es ohne Wirkung blieb. Ebenso kann man nicht sagen, dass die Naumburger Justiz dieses Gesetz ignorierte.

Beispiel Nr. 1. Das Schöffengericht Naumburg verurteilt 1929 Pfarrer Karl Iskraut wegen des Verstoßes gegen das Republikschutzgesetz, weil er sich einer Rede am 1. März 1928 vor den Wehrwölfen in Flemmingen (Naumburg) antisemitische Ausfälle gegen Repräsentanten der Republik leistete.

Beispiel Nr. 2. Wegen Verstoß gegen das Republikschutzgesetz verurteilt das Amtsgericht Naumburg am 11. Juni 1931 den Arbeiter Kurt Müller, geboren am 23. November 1907 in Naumburg, ledig, Weißenfelserstraße 6. Er trug am 19. März dieses Jahres bei einer Demonstration das Rotfrontabzeichen. Weil die Mindeststrafe für die Unterstützung verbotener Verbände drei Monate beträgt, der Angeklagte aber bereits wegen des gleichen Deliktes vorbestraft ist, verhängte das Gericht eine viermonatige Gefängnisstrafe.

Beispiel Nr. 3. Manfred von Ribbentrop, geboren am 7. Oktober 1901 in Moos / Bayern, Schriftsteller, 1937: Glaube aus deutschen Blut, greift am 6. Mai 1930 im Saal der Weißenfelser Stadthalle vor über 300 Zuhörern, den am 3. Oktober 1929 verstorbenen deutschen Aussenminister an:

"Während Millionen deutsche Volksgenossen verhungern, hat sich dieser Stresemann regelrecht tot gefressen." (Der Abend 1.11.1930)

Kriminalsekretär Lotze notiert es und erstattet Anzeige. Der Fall kommt am 31. Oktober 1930 vor das Große Schöffengericht Weißenfels am Landgericht Naumburg. Die Verhandlung nennt Der Abend (Berlin) am Tag darauf eine "vollendete Komödie". Wieder konnte sich Ribbentrop in Beschimpfungen ergehen. "Als sich der Staatsanwalt empört dagegen verwahrte, musste er, der Oberstaatsanwalt im weißen Haar, sich vor der grinsenden Nazimeute im Zuschauerraum eine Zurechtweisung durch den Vorsitzenden gefallen lassen." Wegen Verstoß gegen das Republikschutzgesetz (RSG) Paragraph 5 Absatz 3 beantragt er zehn Monate Freiheitsentzug. Das Urteil lautet 200 Mark Geldstrafe anstelle zwanzig Tage Gefängnis. In der Begründung heißt es:

"Bei der Strafzumessung ist strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte infolge seiner politischen Betätigung zum Berufswechsel gezwungen, eine entwurzelte Existenz ist, wofür die Schuld bei den Verhältnissen und Zeitereignissen liegen mag."

Wahrlich, derart verständnisvolle Worte vernahm man später in den Hochverratsprozessen gegen Max Römer (SAP) vor dem Kammergericht Berlin (1935) und Erich Tatzel (KPD) in Naumburg (1935) nicht. Aber die waren eben nicht für, sondern gegen Hitler.

Der Abend kommentierte: "Ein neues Denkmal der Naumburg-Weißenfelser Justiz! Jüngst äusserte in Zeitz ein noch nicht volljähriger nationalsozialistischer Angeklagter:

Ich bin bei den Nazis,
weil es da immer nur so geringe Strafen gibt."

 

"Der Tatbestand des Landfriedensbruchs kann nicht als erfüllt angesehen werden. Es fehlt schon allein an dem Begriffsmerkmal der Zusammenrottung, d.h. eine Vereinigung mehrerer zu einem gemeinschaftlichen ungesetzlichen Handeln, das durch nichts nachgewiesen ist ...."

Keßler, Oberstaatsanwalt am Landgericht Naumburg am 8. April 1931

 

Nationalsozialisten und Kombattanten unternahmen am 8. Juli 1932 erneut einen Angriff auf den Konsum im Spechsart (Siedlungsstraße 35). Als weder Polizei noch Staatsanwaltschaft angemessen auf die Nazi-Überfälle reagieren, interveniert am 13. Juli 1932 der Volksbote aus Zeitz:

"An dem Verhalten der Naumburger Polizei und Naumburger Justiz wurde scharfe Kritik geübt und die Frage aufgeworfen, wo in diesem Fall der Schnellrichter bleibe. Daß mit dem Sonnabendüberfall [8. Juli 1932] von den Nazis ein großes Blutbad geplant war, konnte mit Beweisen belegt werden."

Unterstützt von dieser Art und Weise der Rechtspflege, konnte das Republikschutzgesetz nur wenig zur Stärkung des demokratischen Rechtsbewusstseins beitragen.

 

 

Passfälscher-Skandal 1928/29  nach oben

Am 8. Februar 1928 erscheint im Klassenkampf aus Halle der Bericht

Fememörder-Paradies in Naumburg.

Darin war zu lesen, dass Stadtsekretär Bächler von der Passabteilung der Polizei Naumburg für die Rathenau-Mörder Fischer und Kern im Juni 1922 zum Zweck der Flucht nach Bayern falsche Pässe ausgestellt hatte. Korvettenkapitän Hermann Erhardt (1881-1971), der bekannte Putschist, erhielt ebenfalls einen "falschen Paß, auf den Namen Dr. Gorchtmann", womit es ihm gelang, durch Thüringen nach Bayern zu entkommen. Darüber ist Kriminalkommissar Kaspar von der Polizei Naumburg seit dem 6. Juli 1927 unterrichtet. "Im Einverständnis mit den beiden Bürgermeistern von Naumburg deckte er aber den Beamten Bechler [richtig: Bächler]." So definiert der Klassenkampf das Wort "Skandal". In ihrem Übermut verteilen die Kommunisten - am 20. Mai sind Reichstagswahlen! - gleich 10 000 Freiexemplare in der Stadt.

 

 

Im Verlauf des Passfälscher-Skandals wird die Manipulation von Reisedokumenten durch die Stadtverwaltung Naumburg immer wieder bestritten. Unbenommen dessen weisen andere veröffentlichte Recherchen aber ebenfalls darauf hin. Der Aufsatz "Die Geheimnisse der bayerischen Feme", veröffentlicht am 1. September 1928 vom Arbeiterwille in Graz, Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten, kommt zu dem Ergebnis:

"Zwischen Königsberg - Berlin - München - Wien - Budapest bestand und besteht noch ein faschistischer Nachrichtendienst, dessen Berliner Vertrauensmann der seltsamerweise erst kürzlich von Severing ins Reichskommissariat für öffentliche Ordnung berufene Major Steinrück (nach Behauptung von Abel!) war.

Leute die von Ostpreußen flüchteten,
erhielten in Naumburg a.D. Saale falsche Papiere,

gingen über München nach Garmisch und meldeten sich im Amtsgericht beim Amtsrichter Listel, der dem Flüchtenden, falls er steckbrieflich verfolgt wurde, eine Anweisung nach Griesen an die Tiroler Grenze gab. Dort schaffte der Straßenmeister Mayer den Flüchtling nach Lermoos, von wo es über Pfaffenhofen nach Innsbruck ging. Über Wien führte der Weg nach Lackenbach im Burgenland, wo der Putschist und Hochverräter oder Fememörder von Vertrauensmann der "Erwachenden Ungarn" in Empfang genommen wurde."

Fememörder-Paradies in Naumburg (1928) wirft ein Licht auf die Beziehungen zwischen der Brigade-Ehrhardt (Ernst Werner Techow, Erwin Kern, Hermann Fischer) und Organisation Consul (Heinrich Tillessen, Heinrich Schulz) zum republikanischen Staatsapparat.

Der OC, nach den Morden an Matthias Erzberger und Walther Rathenau verboten, ging aus der Brigade Ehrhardt hervor. In ihm organisieren sich einflussreiche politische Kräfte, die ideologisch antirepublikanisch, -sozialistisch/-kommunistisch und -semitisch ausgerichtet sind. In der Nacht vom 28. zum 29. Januar 1922 befreien einige seiner Mitglieder den Oberleutnant a. D. Ludwig Dithmar aus dem Naumburger Gefängnis und verbringen ihn auf die Burg Saaleck. Die Ermittlungen zum 17. Juli 1922, der Tag an dem die Mörder Rathenaus Erwin Kern und Hermann Fischer in Saaleck entdeckt wurden, brachte die Frage nach den Geldflüssen von München auf und den Namen Hermann Erhardt (*29.11.1881) ins Sichtfeld. Dies scheint nun aufgeklärt, wenn die Bezirkszeitung der Kommunistischen Partei für die Region Halle-Merseburg am 8. Februar 1928 ausführt:

"Also ihr Herren von der republikanischen Staatsgewalt, greift, zu! Hier in Naumburg sitzt die Zentrale der Wiking- Consul-Leute, und wir behaupten, dass mit wenigen Ausnahmen alle in diesem Kappistennest beschäftigten Polizeibeamten bewusste Helfershelfer jener Mordbuben der Jahre 1922 und 1923 sind."

Die Organisation Eschrich (Orgesch), die Brigade Ehrhardt und der OC sind der Kommunisten schlimmsten Feinde. Fluch und Hass auf die Mordgesellen war stets ein kraftvolles und ehrliches Motiv ihres politischen Kampfes. Als die Fabriksirenen am 21. März 1921 im Leuna-Werk heulten, liefen tausende Arbeiter zusammen, um den Aktionsausschuss für den Streik zu wählen. Eine, vielleicht die wichtigste Forderung überhaupt lautete:

Entwaffnung der Orgesch und ihrer Helfer.

Oder, es war am 27. August 1921 in der Reichskrone, da sorgte die "Selbstschutzorganisation" in der "grossen Kommunistenversammlung" erneut für grosse Aufregung. Und jetzt, Dank des Klassenkampfes und seines umtriebigen Schriftleiters Max Lademann (1896-1941), glaubten sie, endlich wieder einen Beweis für deren klandestinen Tätigkeit gegen sie und die Republik zu haben. Fememörder-Paradies in Naumburg brachte ihnen etwas Gewissheit und Bestätigung, den politischen Kampf gut und richtig zu führen.

 

Der Zeuge Werner Abel

Von wem erhielt der Klassenkampf aber die Informationen zum Fememörder-Paradies in Naumburg? Ein gewisser Werner Abel (1902-1935) erstattete in Gegenwart von Max Lademann, Schriftleiter des Klassenkampfes, Anfang Februar 1928 bei der Landeskriminalstelle Halle Anzeige gegen die Passstelle der Stadtverwaltung Naumburg. Angeblich stellte sie ihm 1923 ein falsches Dokument auf den Namen "Ahlers" aus. Eine Rückfrage der Naumburger Polizei bei ihren Kollegen in München bestätigte dies. Hierzu teilt das Naumburger Tageblatt am 23. März in Ergänzung zur Stadtverordnetenversammlung vom Vortag unter der Überschrift

Lügen über
die" Passfälschungen"

mit, es war nicht ein Pass, sondern lediglich eine Abmeldebescheinigung. Dass "Ahlers" nicht sein richtiger Name war, interessierte die Naumburger Behörden nicht, weshalb sie daran keinen Anstoss nahmen.

 

Das Ende der Geschichte erklärt sich durch seinen Anfang.

Wer ist
Werner Abel?

Eine zentrale Rolle im Naumburger Passfälscher-Skandal spielt Leutnant a. D. Werner Abel (*1902). Von 1920 bis 1923 fühlte sich der Journalist und Nachrichtenmann, um nicht Spitzel zu sagen, in den faschistischen Kreisen von München, wo er unter dem Namen "Isenburg" lebte, zu Hause. Sein Vater, erfahren wir gelegentlich der Verhandlung am 9. September 1929 vor dem Landgericht in Naumburg, war bei der Marine und mit Hermann Ehrhardt (*27.11.1881) bekannt. Abel nahm daher in seinem Stab eine leicht bevorzugte Stellung ein. Nach Naumburg zu gehen, bewogen ihn dortigen Kapp-Leute.

Laut Abend vom 11. August 1928 war er im Oktober 1923 als Nachrichten-Verbindungsoffizier zum Interregnum Kahr, Lossow, Seißer, Ehrhardt, Ludendorff, Kronprinz Rupprecht mit Kabinettschef Graf Soden und anderen, für die Vaterländischen Verbände Ostpreussens tätig. In diese Position, eingeführt durch den Neffen des früheren Herrenhauspräsidenten Graf Otto Schwerin-Wildenhoff, kam der Polit-Abenteurer oft mit dem Chef der Bayerischen Landespolizei Polizeioberst Hans von Seißer, der sich 1923 zur Teilnahme an der Putsch-Regierung von Hitler bewegen liess, in Kontakt. Der verhalf ihm zur Tarnung seiner hochverräterischen Tätigkeit zu einem Pass auf den Namen "Isenburg". Das eröffnete Abel nicht nur Fluchtmöglichkeiten, sondern könnte routinemäßige Nachfragen der preußischen Polizei über seine mutmaßlichen Verbindungen zum Kreis der Rathenau-Mörder ins Leere laufen lassen.

Werner Abel behauptet in "Der Mord an Karl Gareis" (1929): "[Doktor Christian] Roth [heute bayerischer Generalstaatsanwalt] und ich waren nach dem Hitlerputsch von 1923 in Landsberg (Lech) in gemeinsamer Festungshaft." Offenbar davor, nämlich am 15. Oktober 1923 stellte ihm Stadtsekretär Bächler einen Personalausweis auf den Namen "Helmut Ahlers", geboren am 6. April 1900 in Hamburg, aus. Zu diesem Anlass weilte Abel das erste Mal in Naumburg und reiste dann zurück nach München.

Das Neue Wiener Tagblatt fragt am 14. September 1924: "Wer ist Werner Abel?" und antwortet: Nach dem misslungenen Hitlerputsch flüchtete er nach Wien. Von dort ging es ins Ruhrgebiet, wo es galt, die Pfälzer Separatistenbewegung niederzubrechen und den französischen Besatzungstruppen Unannehmlichkeiten zu bereiten. In Wien soll er auf Weisung Ludendorffs eine Nachrichtenzentrale errichtet haben. Nichtsdestoweniger setzten die Behörden Österreichs seiner Tätigkeit gezielt ein Ende.

Werner Abel schildert 1929 in der "Weltbühne", wie er sich aus seiner Szene absetzt. "Im Kampf gegen die bayerische Landesspolizei" zückt er gegen Hans von Seißer das Schwert und zeigt ihn wegen Passfälschungen an. "Tatsächlich ist in München immer davon gesprochen worden," weiss die Salzburger Wacht (1928), "dass die Fememörder und die Putschisten in der Polizeidirektion mit Pässen versehen sind." Seißer verteidigt sich: Abel wurde ihm von vertrauenswürdiger Seite empfohlen. Im "guten Glauben" will er ihn zu einem Pass auf den Namen "Isenburg" verholfen haben. "Was das für eine vertrauenswürdige Seite gewesen sein mag, kann man sich denken," kommentiert trefflich die Frankfurter Zeitung, "wenn man erfährt, das in dem Augenblick, als Abel und sein Begleiter sich bei Seißer anmeldeten, dieser den K a p i t ä n  E h r h a r d t hinausbegleitete, mit dem er eine Besprechung in seinem Amtszimmer gehabt hatte. Ehrhardt begrüsste in Gegenwart Seißers die beiden "Kameraden vom W i k i n g" und forderte sie auf, ihn in seinem Büro zu besuchen. Dann brachten sie ihr Anliegen bei Seißer vor, nämlich Pässe mit anderen Namen zu erhalten, und Seißer erwiderte: "Aber selbstverständlich, meine Herren, wenn`s weiter nichts ist, und Sie nicht gerade Geld von mir haben wollen. Man sieht nebenbei, auf welche Weise die "ungeheuren Summen" ausgegeben worden sind, die nach einem Wort des verstorbenen Ministerpräsidenten v. Knilling die bayrische Regierung für den Marsch nach Berlin zur Verfügung gestellt hat." (Salzburger Wacht, 13.8.1928)

Am 10. Juni 1932 erscheint Werner Abel auf der Titelseite die Innsbrucker Nachrichten. Die Vorgeschichte reicht bis 1928 zum

Prozess Hitler gegen Graefe und andere

in München zurück. Karl Albrecht von Graefe (1868-1933), bis 1928 Vorsitzender der am 16. Dezember 1922 gegründeten Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP), behauptete in seiner Zeitung, Hitler verrate Südtirol, wofür die Hakenkreuzpartei eine beträchtliche Unterstützung in italienischer Lire erhalten habe. Hitler bestritt dies.

Im darauffolgenden Beleidigungsprozess misslang der Wahrheitsbeweis. Graefe sowie zwei weitere Angeklagte der Münchner Post und des Bayerischen Kuriers die seine Enthüllungen abgedruckt hatten, erhielten beträchtliche Geldstrafen.

Dann, im Februar 1930, in der Berufungsinstanz, wandelt sich das Bild. Jetzt tritt

Werner Abel

als Zeuge auf. Angeblich erhielt die deutsche faschistische Bewegung von der italienischen faschistischen Liga Geld. Als Gegenleistung soll Hitler gewisse Zusagen zu Südtirol gemacht haben, weshalb am 6. Februar 1930 der Vorwärts (Berlin) fragt: Verkaufte Hitler Tirol? Die Zahlung wurde zwischen dem Giuseppe Migliorati, Hitler und Göring vereinbart. Hierzu existiert ein Protokoll, was Abel eingesehen haben will. Immerhin flossen über den italienischen Hauptmann vor dem Putsch (1923) 50 000 Goldmark an die Nachrichtenstelle Koenitz. Auf diese Aussage von Abel hin, folgte vom Vertreter des Klägers ein Aussetzungsantrag, um dessen Behauptungen mit Zeugen als unwahr feststellen zu können. Hitler erstattete Anzeige.

Am 8. Juni 1932
beginnt vor dem Münchner Schwurgericht der Meineids-Prozess Abel. Inzwischen war er laut Gerichts-Report der Tages-Post (Linz) in Amerika. Im Ermittlungsverfahren gegen Otto Braun traf er die Aussage, der bayerische Justizminister Dr. Roth habe ihm auf der Festung Landsberg am Lech erzählt, dass nach seiner (Roths) Kenntnis Braun der Mörder des Abgeordneten Karl von Gareis († 15.01.1923) ist.

Hitler schloss in seiner Vernehmung vor Gericht nicht aus, dass er mit Journalisten, Schriftstellern und Italienern über das Thema Südtirol gesprochen habe. Niemals, sagt er aber, würde er Geld von Angehörigen eines ehemaligen feindlichen Landes annehmen. Das macht sein politisches Interesse am Thema Italien nicht sichtbar. Uns zwar nicht allein wegen des Marschs auf Rom 1922. Er hatte durchaus ein viel weiter gespannteres Interesse daran. Nämlich ihm die früheren Alliierten zu entfremden, ein Sammelbecken revisionistischer Nationen zu formieren und separatistische Bewegungen zu nutzen.

"Als die Verteidiger die Frage an Hitler richteten, ob es richtig sei, dass die Hitler-Bewegung Gelder von den Skoda-Werken und vom Schneider-Creuzot-Konzern bezogen habe, fuhr Hitler in höchster Erregung auf und schrie: Ich lasse mich nicht beleidigen! Was fällt Ihnen ein? Ich kann es vor den Millionen meiner Anhänger nicht verantworten, mich insultieren zu lassen! Ich gebe diesen jüdischen Rechtsanwälten keine Antworten mehr! (Beifallsklatschen im Zuschauerraum)!" (Innsbrucker Nachrichten, 10. Juni 1932).

Hitler erhielt eine Ordnungsstrafe wegen Zeugnisverweigerung in Höhe 800 Mark und 200 Mark wegen Ungebühr. Danach wandte sich der Richter der Vernehmung von Werner Abel zu. Es wird das Protokoll über die Vernehmung von Migliorati verlesen, bei dessen Ausfertigung, wie er behauptet, dabei gewesen sein will. Daraus ergab sich, dass Werner Abel und der italienische Hauptmann 1923 in München kennenlernten. Aber der faschistischen Bewegung, legte der Italiener dem Gericht dar, gehörte er niemals an. Hitler wurde nochmals aufgerufen, erinnert sich aber an eine solche Begegnung nicht mehr.

Das Münchner Schwurgericht verurteilte den Kronzeugen des Klassenkampfes (Halle), der einst als Mitglied des Wiking-Bundes nach Naumburg gekommen war (VB 10.9.1929), wegen Meineids zu drei Jahren Zuchthaus.

 

Ludendorffs Emissäre in Budapest. "Wiener Morgenzeitung". Wien, den 14. September 1924

Wer ist Werner Abel? "Das Neue Wiener Tagblatt", Wien, den 14. September 1924

Festnahme ehemaliger deutscher Offiziere in Ungarn. [Nachricht über Werner Abel] "Tages-Post". Linz, den 17. Oktober 1924

Passfälscher auf der Polizei. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 11. August 1928

Die Passfälschungen der Münchner Polizei. "Salzburger Wacht. Organ für das gesamte werktätige Volk im Lande Salzburg." Salzburg, den 13. August 1928

Immer noch der Passfälschungsschwindel. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 4. September 1929

Abel, Werner: Der Mord an Karl Gareis. "Die Weltbühne". V. Jahrgang, Nummer 41, Berlin, den 8. Oktober 1929, Seite 543 bis 547

Der Hitler-Prozess. "Tages-Post. Abendblatt." Linz an der Donau, den 5. Februar 1930

Verkaufte Hitler Tirol? "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, am 6. Februar 1930

Hitler als Zeuge vor Gericht. "Tages-Post. Abendblatt". Linz an der Donau, den 9. Juni 1932

Die Nationalsozialisten und Südtirol. Zwischenfall im Prozess Werner Abel. "Innsbrucker Nachrichten". Innsbruck, den 10. Juni 1932

 

Werner Abel erhält laut Klassenkampf (Halle) 1922 den Auftrag nach Naumburg zu gehen. Ehr beiläufig, aber die Phantasie anregend, der Hinweis, dass sich dort "in der Wohnung eines Landgerichtsrates die Rathenau-Attentäter Fischer und Kern" aufhielten. Abel empfängt Ludwig R. Nowotnik in seiner Wohnung, und zwar im Beisein von dem inzwischen zu vier Jahren Zuchthaus verurteilten Salomon. "Fischer und Kern waren bereits aus Naumburg verschwunden und nach Saaleck hinübergegangen, um dort bei dem bekannten Dr. Stein zu intervenieren, damit dieser sich unverzüglich nach München begebe, um mit Erhardt über die Flüssigmachung von Geldern zu verhandeln."

Auf diese Weise betritt

Kaufmann und Seefischhändler
Ludwig R. Nowotnik,
Große Jacobspromenade 2,

die Passfälscher-Szene. Später begegnet er uns in der dubiosen Devoli wieder. Er ist Mitglied der verbotenen Organisation Consul (OC) und, will der Klassenkampf (1928) wissen, für die politische Polizei arbeiten und Kommunisten überwachen. In der Stadt soll sich mit Kenntnis der Polizei eine Geheimstelle des OC befunden haben, der angeblich höhere Polizeibeamte angehörten.

 

Gegendarstellung

Die Gegendarstellung zum Fememörder-Paradies in Naumburg folgt am 18. März 1928. "Wie wir an zuständiger Stelle in Erfahrung brachten", heißt es im Naumburger Tageblatt, "haben im Anschluß an die Veröffentlichung einer auswärtigen Zeitung ["Klassenkampf"] über angebliche Paßfälschungen bei der Naumburger Polizeiverwaltung eingehende Ermittlungen stattgefunden, die sich auf 5 Tage erstreckten und am Sonntag, dem 12. Februar, zum Abschluß gebracht wurden. Sie haben, wie nicht anders zu erwarten war, die völlige Haltlosigkeit der Beschuldigungen ergeben. Die beteiligten Beamten haben sämtlich wegen öffentlicher Beamten-Verleumdung und wissentlich-falscher Anschuldigung sowohl gegen den Urheber der unwahren Gerüchte, als auch gegen den schuldigen Schriftleiter des betreffenden Blattes Strafantrag gestellt, der bereits am 11. Februar an den Oberstaatsanwalt abgegangen ist."

 

Zurückweisung

Oberbürgermeister Arthur Dietrich nimmt am 21. März 1928 in der Stadtverordnetenversammlung von Naumburg zu den Anschuldigungen des Klassenkampfes (Halle) ausführlich Stellung. Er wies "in längeren Ausführungen, …. gegenüber diesen Verleumdungen genau nach, daß bei der Polizeiverwaltung nichts Gesetzwidriges vorgegangen sei, daß kein Beamter irgendeine gesetz- oder rechtswidrige Handlung begangen habe." Werner Abel und den Klassenkampf (Halle) charakterisierte er als politischen Hochstapler beziehungsweise völlig unglaubhaft. Diejenigen, speziell die Kommunisten, kündigt er vor den Stadtverordneten an, die trotzdem diesen Unsinn nachplappern, werden ihrer Strafe nicht entgehen. Und das meinte er, wie Adolf Schuster aus Almrich zu spüren bekommt, durchaus ernst. Dem KPD-Mann entglitt am 25. März 1928 während der Ansprache zur Gedenk-Kundgebung zu Ehren der Kämpfer gegen den Kapp-Putsch der Ruf: "Der Schuft". Gemeint war damit Oberbürgermeister Dietrich.

Drei Tage nach der Naumburger Stadtverordnetenversammlung antwortet der sozialdemokratische Volksbote aus Zeitz mit

Die Klassenkampf-Anschuldigungen gegen die Naumburger Behörde vor dem Stadtverordneten-Kollegium

auf die Veröffentlichung der KPD-Zeitung. Inzwischen waren sechs Wochen vergangen. Immerhin bietet die Arbeiterzeitung jetzt einige Informationen zur Tätigkeit von Werner Abel in Naumburg. Offenbar weilte er 1923 das erste Mal in der Stadt. Den genauen Zeitpunkt nennen weder Klassenkampf, Volksbote, Naumburger Tageblatt noch Oberbürgermeister Dietrich. Das wäre aber wichtig, um die Verbindung zu anderen Ereignissen herstellen zu können. Beim Verlassen von Naumburg gab es keinen Pass, wie er behauptet, sondern eine Abmeldebescheinigung. Bemerkenswerterweise stellt der Volksbote jedoch fest, worin er sich von der Antwort des Oberbürgermeisters abhebt, dass die Ausstellung von Pässen für Rechtsorganisationen damals üblich war. - Was heißt denn hier "üblich"? Weiteren Aufschluss darüber gibt im August 1928 die Anzeige von Werner Abel gegen Oberst von Seißer, Chef der bayerischen Landespolizei, wegen Passfälschungen. Brandneu berichtet am 11. August 1928 Der Abend aus München über die

"Passfälscher auf der Polizei".

Diese Angelegenheit beurteilt am 1. September 1928 der Arbeiterwille aus Graz folgendermassen: Es scheint offenbar "nach Auffassung der bayerischen Justiz" "ein politischer Vorgang, zu sein, "wenn notorische Putschisten Hochverrätern und Fememördern von höchsten Regierungsstellen falsche Pässe ausgestellt werden".

Der entscheidende Unterschied zwischen dem Text des sozialdemokratischen Volksboten und der Stellungnahme des Stadtoberhauptes besteht darin, dass erstere den Fall Werner Abel politisch betrachtet und sich nicht auf die Feststellung des rechtmäßigen Handelns der Stadtverwaltung beschränkt. So kommt zur Sprache, dass die Rathenau-Mörder und Kapitän Ehrhardt von Naumburg Pässe erhielten. Weiter informiert der Volksbote über die Beziehung von Abel zum Fischhändler. Sie überwerfen sich, als der Münchner sich 1928 in der Devoli als Oberleutnant vorstellt, worauf ihn Ludwig R. Nowotnik zurechtweist, dass er dazu nicht berechtigt sei. In Abgrenzung zum Klassenkampf stellt der Volksbote die Solidität des Zeugen Werner Abel in Frage. Und während die KPD-Bezirkszeitung vor allem Oberbürgermeister Dietrich vom Amtsstuhl fegen will, weil der ja Bächler und andere deckt, lässt das Organ des SPD-Unterbezirks Zeitz-Weißenfels-Naumburg solche Absichten nicht erkennen.

Der Klassenkampf-Artikel datiert vom 8. Februar 1928. Oberbürgermeister und SPD-Volksbote benötigen sechs Wochen, um eine öffentliche Antwort zu formulieren. Waren vielleicht doch entsprechnde Ab- und Rücksprachen mit den verschiedensten formellen und informellen Gremien nötig? Allerdings, und dies erschwert die Einordnung der Vorgänge vom Winter/Frühjahr 1928 nochmal erheblich, war zu diesem Zeitpunkt über das politische Treiben von Werner Abel mehr bekannt als man vielleicht aufs erste vermutet.

Bereits am 14. September 1924 informierte die Wiener Morgenzeitung über die "Emissäre in Budapest. Abels Tätigkeit in Wien". Tags zuvor war im Prager Tagblatt zu lesen, dass er in Budapest verhaftet worden war. Diese und weitere Nachrichten identifizieren Werner Abel als einen Propagandisten und Organisator der Hitler-Bewegung. Es entsteht die Frage, warum dies den kommunistischen Klassenkampf (Halle) nicht nachdenklich machte und er nicht von einer Zusammenarbeit mit ihm Abstand nahm. Schriftleiter Max Lademann würde hierauf vielleicht antworten, dass sein Zeuge einen politischen Schwenk zu den Kommunisten hin vollzogen hat. Natürlich orientieren sich Menschen öfter neu, ändern ihre Anschauungen, Werte und Ziele. Nur beim Kronzeugen des Klassenkampfes, erfolgte dies erkennbar oft aus niederen Motiven, die den Namen Geld, Rache und Anerkennung tragen. Wann immer er beim Fischhändler Ludwig R. Nowotnik aufschlug, zuerst ging es um den Zaster. Er war chronisch Klamm. Kurz bevor er über den Goldenen Hahn, dem stadtbekannten Treffpunkt der Kommunisten, zu Max Lademann nach Halle dirigiert wurde, wandte er sich wegen der Passfälschungen erneut an die Naumburger Polizei, die jedoch an der Sache wenig interessiert war. Bei dieser Gelegenheit unternahm er den Versuch, den Beamten anzuborgen. Einige Zeit zuvor bereitete ihm die Zahlung einer Krankenhausrechnung große Schwierigkeiten, wofür er sich schließlich vor dem Gericht verantworten musste und eine zweimonatige Gefängnisstrafe einbrachte. Werner Abel fühlte sich von seinen Münchner Freunden zurückgesetzt und verlassen, weshalb er zu den Kommunisten einschwenkte.

 

Passfälscher-Prozess

Das KPD-Mitglied Adolf Schuster aus Almrich bei Naumburg muss sich

am 17. Mai 1929

vor dem Amtsgericht Naumburg verantworten. Der Staatsanwalt beanstandet, sein despektierliches Verhalten gegenüber einem Stadt-Beamten gelegentlich einer Kinoveranstaltung, die die KPD am 24. März 1929 in Knörrichs Garten durchführte. Der Beklagte unterstellte Stadtsekretär Bächler mit einer öffentlich recht wirksamen Bemerkung Passfälschungen. Zusätzlich legte man Schuster die Beleidigung von Oberbürgermeister Dietrich zur Last. Das Gericht sprach sein Urteil. Adolf Schuster und Staatsanwaltschaft legten Berufung ein.

Am 9. September 1929

eröffnet das Landgericht Naumburg im Schwurgerichtssaal das Berufungsverfahren. "Der Andrang war groß", berichtete der Zeitzer Volksbote unter der Überschrift: "Noch immer Naumburger Passfälschungsschwindel." Der Angeklagte hatte seinen Zweck erreicht, die ganze Sache aufzurollen. Werner Abel ist vorgeladen. Von ihm stammen die Enthüllungsdokumente für den "Klassenkampf" (Halle). Erst einige Tage zuvor aus einem Berliner Gefängnis entlassen, reist er mit der Bahn an. Die Gerichtskasse spendierte die Fahrkarte und etwas Zehrgeld. Eigentlich wollte er nur kommen, wenn ihm Personenschutz gewährt. Immerhin holt ihn Adolf Schuster vom Naumburger Bahnhof ab. Der könnte ihn allenfalls vor seinen Genossen schützen, auf dessen Seite Abel nun längst gewechselt war. Freilich, wie der Volksbote treffend bemerkte, ein merkwürdiges Paar. Gleich nach der Ankunft erzählt ihn Abel, dass er während der Fahrt von Halle vom politischen Gegner beobachtet wurde. So unwahrscheinlich ist das nicht. Klar ist, dass es dem Stahlhelm, Bächler war ihr langjähriges Mitglied, vermutlich nicht passte, was hier an die Öffentlichkeit drängte. Sie begeben sich zum Gericht. Die Verhandlung beginnt. Werner Abel will den Saal verlassen. Der Vorsitzende: "Sie bleiben hier!"

Lügen flattern durch den Gerichtssaal, etwa wenn die Existenz des Stahlhelm-Waffenlagers, dass zwei Jahre später die Sicherheitspolizei in Naumburg aushebt, heftig bestritten wird. "Von dem Waffenlager bei Nowotnik hat [Werner] Abel vom Gauleiter der Nationalsozialisten, dem früheren Lehrer, jetzigen Magistratsbeamten [Paul] Hinkler in Freyburg a. d. U. erfahren", heißt es im Prozess-Bericht des Volksboten (Zeitz). "Der sprach von Maschinengewehren. Die beiden waren aneinandergeraten und hatten sich Lump und Vagabund geschimpft, weil einer den andern des Verrats bezichtigte." 

Landgerichtsdirektor Lohmeyer leitet den Prozess. Ihm zur Seite stehen zwei Schöffen. Oberstaatsanwalt Kessler vertritt die Anklage. Als Zeugen sind geladen: Graf Stolberg aus Wernigerode, Doktor Wilhelm Stein aus Saaleck, Lehrer a. D. Paul Hinkler aus Freyburg an der Unstrut, Gutsbesitzer Seibicke aus Krumpa bei Querfurt (Kaltblutgestüt, 162 Hektar), Kriminalrat Nitzsche aus Halle, Stadtsekretär Bächler, Oberbürgermeister Dietrich, Bürgermeister Roloff, Fischhändler Ludwig R. Nowotnik. Einbestellt war ebenfalls Korvettenkapitän a.d. Hermann Ehrhardt, wohnhaft Flensburg. Er ist krank und übersendet eine Stellungnahme, die im Verlauf des Prozesses der Vorsitzende verliest und Werner Abel völlig unglaubwürdig erscheinen lässt. Als Zeugen für Adolf Schuster aus Almrich sind Schriftleiter Max Lademann vom Klassenkampf in Halle und Werner Abel angereist. Eigentlich ein Prozess wegen Beleidigung des Oberbürgermeisters Dietrich und des Stadtsekretärs Bächler, tändelt aber mehr um die Frage, ob Pässe durch die Stadtverwaltung gefälscht wurden.

Werner Abel teilt in der Befragung mit, dass er 1922/23 zusammen mit einem gewissen Möller beim Grafen Stolberg in Wernigerode zu Gast war und dort "mit Theo und Konrad" sprach. Der Graf bestätigt in Gegenüberstellung mit ihm, dass er beide als Gäste empfangen habe und fügt hinzu: Total runtergekommen waren sie, leid taten sie ihn. Bald trugen sie ihr Anliegen vor: Um sich der Anklage des Gerichts zu entziehen, brauchen sie für ihre Flucht nach Ungarn einen Pass.

Werner Abel reiste 1924, was im Prozess nicht tangiert wird, ins Land der Magyaren. Paul Fahrand aus Lichtenwalde (Preussen), Hans Möller aus Berlin, Heinrich Mayer aus Augsburg und Johann Schramm aus Berlin wurden in der dritten Septemberwoche auf der Flucht von Budapest über Ödenburg nach Wien an der burgenländischen Grenze nahe Lackenbach aufgegriffen. Weil die Papiere nicht in Ordnung waren, erfolgte die Zuführung in die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf, wo sie im Verhör aussagten, von Werner Abel unter falschen Angaben nach Budapest gelockt worden zu sein. Wenige Tage zuvor, am 13. September 1924, erschien im Prager Tagblatt eine Meldung über die Festnahme der "Sendlinge Hitlers in Ungarn", eine Art Ludendorff-Hitler-Agitationsgruppe in der Aufstellung: Karl Freiherr von Türmann, Arnold Barthel und Werner Abel.

Graf Stolberg in Wernigerode lenkte seine Gäste zu Ludwig R. Nowotnik in Naumburg, der ihnen bei der Pass-Beschaffung helfen sollte. Hier könnten sie nächtigen und Möllers Kopfwunde ärztlich versorgen lassen. Vor Gericht streitet der Angeklagten Adolf Schuster und Zeuge Werner Abel darüber, unter welchen Namen letzterer in Naumburg auftrat. Schuster legte ein Dokument mit den Namen "Werner Abel Ilsenburg" vor. Kriminaloberkommissar Kaspar (Naumburg) erklärt, dass ihm Abel zweimal begegnete, nämlich am 6. Juli 1927 und 6. Februar 1928. Als er sich von der Presse und Öffentlichkeit immer mehr unter Druck gesetzt fühlte, meldete er sich in der Polizeistation und ersuchte um Hilfe. Im Verlauf des Gesprächs kam heraus, dass er in Naumburg 1922 und 1923 einen falschen Pass bekommen hatte. Worauf der Polizeibeamte sagte, er muss das anzeigen.

Daraufhin fragt der Richter Oberbürgermeister Dietrich und Bürgermeister Roloff:

"Was wissen Sie davon,
daß Bächler Oberleutnant Abel falsche Pässe besorgt hat?"

Nacheinander antworten beide:

"Nichts!"

Beide dürfen das Gericht verlassen.

Dann spricht der Vorsitzende zu Werner Abel:

"Was wissen Sie davon, daß Dr. Stein in Saaleck und Kapitänleutnant Erhardt falsche Papiere bekommen haben?"

Der erwidert:

"Dr. Stein hat mir`s selbst und Kapitänleutnant Erhardt in München erzählt. Ich habe später selber durch Nowotnik auf den Namen Ahlers falsche Papiere bekommen. Bächler habe ich dabei nicht gesprochen."

Anschließend fragt Landgerichtsdirektor Lohmeyer:

Wie kam es, dass Sie falsche Papiere hatten?

Darauf Abel:

1927 hatte ich mit Oberkommissar Kaspar von der Polizei Naumburg eine Besprechung. Bächler begegnete ich kurz im Rathaus. Aber erst in seiner Wohnung traf ich mit ihm richtig zusammen. Nowotnik hatte mir (Abel) erzählt, Ehrhardt sei mit seinem Chauffeur hier und hätten auch falsche Pässe bekommen, wovon der Oberbürgermeister wusste.

Im Weiteren werden Umstände des Zusammentreffens von Abel und Notwotnik, die Rolle von Hans Wilhelm Stein (Saaleck) und die Vergangenheit von Werner Abel erörtert, deren Informationsgehalt bereits ausgewertet wurde.

 

Die Verhandlung wird

am 26. November 1929

vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts Naumburgs fortgesetzt. Als Zeugen erscheinen: Graf Stolberg (Wernigerode), Fischhändler Ludwig R. Nowotnik (Naumburg), NSDAP-Gauleiter Paul Hinkler (Freyburg), Dr. jur. Hans Wilhelm Stein (Saaleck), seitens der KPD: Walter Ficker (123, 456), der Initiator des Passfälscher-Skandals Redakteur Max Lademann (1896-1941) vom Klassenkampf (Halle) und sein Hauptzeuge Werner Abel. Landgerichtsrat Lohmeyer, der die zehnstündige Verhandlung leitet, übernahm die Aufgabe, vor dem nächsten Verhandlungstermin, die Aussage von Korvettenkapitän a.D. Kapitän Ehrhardt in Flensburg einzuholen. Über den tieferen Zweck dieser Aktion darf man sich Gedanken machen. Überliefert ist lediglich, der Befragte soll den Hauptzeugen Werner Abel als völlig unglaubwürdig charakterisiert haben.

Doktor Hans Wilhelm Stein erklärt vor Gericht, ich habe keine falschen Pässe erhalten. Vehement bestreitet der Burgherr von Saaleck, für die Rathenaumörder Geld in München besorgt und die Flüchtenden in den Turm der Burg Saaleck eingelassen zu haben.

Erneut befasst sich das Gericht eingehend mit der Ausstellung der Pässe durch Stadtsekretär Bächler. Es kann kein schuldhaftes Verhalten entdecken.

Dem Antrag des Staatsanwalts, Adolf Schuster zu fünf Monaten Gefängnis und Übernahme der Kosten zu verurteilen, gab das Gericht nicht statt. Es blieb beim Urteil vom 17. Mai:

200 plus 300 Mark Geldstrafe.

Wiedermal hatte der Kommunist Adolf Schuster spontan die politische Reaktion attackiert. Doch war er über die weitere Entwicklung der Haltung seiner Partei und ihre Entscheidungen in dieser Frage denn auch erfreut? Die Reichstagsfraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands verschaffte gegen den Widerstand der preußischen Regierung dem Amnestie Gesetz die notwendige Zweidrittelmehrheit und setzte so die Fememörder in Freiheit. Im Kuhhandel mit Justizminister Johann Bredt erhielt die Fraktion dafür die Zusage, dass die Immunität ihrer Mandatsträger nicht aufgehoben wird und damit keine Strafverfolgung wegen Hochverrats erfolgen kann. (Der Abend, Berlin, 17. Dezember 1930)

 

.... eine handfeste Unterstützungsszene

Beim verstehenden Lesen der Historie vom Passfälscher-Prozess drängt sich die Vermutung auf, dass in Naumburg eine Szene von Sympathisanten, Helfern, Mentoren und Weggefährten für Kriegsverbrecher und Fememörder existierte. Immerhin führte die Verfolgung der Spuren, dessen Existenz an sich schon vielsagend ist, zur Offenlegung einiger vertraulicher Kontakte zwischen Doktor Stein, Kapitänleutnant a. D. Ehrhardt und Werner Abel. Wohl griff der Klassenkampf ein reales Problem auf, indem er einige Verbindung zwischen Rechtsradikalen und Staatsapparat offenlegte. Unglücklicherweise war sein Kronzeuge selbst darin verwickelt, also wenig glaubwürdig. Dessen Aussagen bei der Kriminalstelle in Halle und der Münchner Polizei kamen nicht allen gelegen, weshalb ihn am 8. Januar 1929 die politische Polizei in Berlin die Drohung übermittelte, dass gewisse mitteldeutsche Stahlhelmkreise ernsthaft Anstalten machten, ihn zu killen (WB 8.10.1929).

Die Historie vom Passfälscher-Skandal weist auf noch offene Fragen zur Unterstützungsszene hin, die beim Ausbruch von Ludwig Dithmar am 28. / 29. Januar 1922 aus dem Gefängnis in Naumburg und Flucht der Rathenau-Mörder im Juli 1922 nach Saaleck half. Auf der Suche nach empirisch gestützten Antworten stossen wir unweigerlich an die Grenzen der historischen Erkenntnis. Denn es ist nicht zu erwarten, dass Akteure wie der Fischhändler Nowotnik und Stadtsekretär Bächler, die sich seit 1921 aus dem Stahlhelm gut kannten, ihre Verabredungen für die Nachwelt dokumentierten.

 

Hakenkreuz-Urteile  nach oben

Es war am 10. April 1930 gegen 9 Uhr abends in Freyburg. Aus Anlass einer SPD-Versammlung im örtlichen Schützenhaus inszeniert NSDAP-Gauleiter von Halle-Merseburg Paul Hinkler eine antisemitische Provokation. Nazistudent Wilhelm Giessler (*30.6.1907) nutzt die Gelegenheit, um in der anschließenden heftigen Schlägerei, sein Mütchen zu kühlen. Von jeder Schuld frei, urteilt am 23. Oktober 1930 das Schöffengericht Naumburg. "Wir fragen", interveniert Das Volk (Jena) zwei Tage später, "Wer verteidigt das Recht gegen so parteiische Richter?" Landtagsabgeordneter Paul Franken (1894-1944) aus Zeitz und Doktor Artur Schweriner (1882-1941) sprechen zu diesem Justizskandal am Mittwochabend, den 31. Oktober 1930, im Rathaussaal zu Naumburg auf einer Protestversammlung. Sie übernahmen die einleitenden Referate. Das Urteil gegen den Theologiestudenten steht ihrer Ansicht nach im Widerspruch zu allen Gerechtigkeitsvorstellungen. Sie verlangen vom Reichsjustizminister, dem mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Staatsanwaltschaften und Gerichte der Stadt Naumburg verfolgen die Gesetzesbrüche des rechtsmilitanten, aggressiven politischen Lagers. Wie bereits im Ribbentrop-Prozess und am Giessler-Urteil sichtbar, ist der Rechtsfindung allerdings öfters eine besondere Art von Verständnis eigen. Das lässt an ihrer Objektivität und politischen Unparteilichkeit Zweifel aufkommen.

Konsum im Spechsart, Siedlungsstraße 35 (2005)

Infolge der Freisprüche im Riedel- und Schützenhaus-Prozess nimmt der republikanische Charakter der Rechtsprechung in Naumburg erheblichen Schaden. Als der Überfall vom 24./25. Februar 1931 auf die Mitglieder der Reichsbannerkapelle Naumburg im Spechsart in der Nähe vom Konsum nicht geahndet wird, entschwindet Flugs das letzte Vertrauen in die Rechtspflege durch den Mausa-Kanal unter der Freyburger Straße. Nach kurzen Ermittlungen schließt am 8. April 1931 der Oberstaatsanwalt am Landgericht Naumburg die Untersuchungsakten mit dem Vermerk, dass der Tatbestand des Landfriedensbruchs nicht erfüllt ist. Es waren doch aber in nicht geringer Zahl SA-Mitglieder am Überfall beteiligt. Nutzten die denn hierzu nicht ihre organisatorischen Strukturen? Dazu fehlt in den Ermittlungsunterlagen jeder Hinweis. Schon der Begriff "SA" macht sich rar.

Manchmal wurde ein Hakenkreuzurteil revidiert. Auf dem Gautag der mitteldeutschen NSDAP am 17. und 18. Mai 1930 in Zeitz, berichtet der Vorwärts (Berlin) am 20. Februar 1931, gab es wüste Schlägereien. Singend und grölend zogen uniformierte SA-Horden durch die Stadt. Einer dieser Trupps verwechselte gerade den aus der Kneipe herauskommenden Kegelclub mit Kommunisten. Ohne jeden weiteren Anlass fiel man mit Totschlägern und Schlagringen über die Ahnungslosen her. Dem Überfallkommando gelang es einige der Täter zu fassen. Ermittlungen der Kriminalpolizei wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung führten zu einem Verfahren gegen die drei Gebrüder Scharr und den berüchtigten Pechmann. Das Schöffengericht Weißenfels sprach die Nazischläger frei. Die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein. Am

19. Februar 1931
fand vor der Großen Strafkammer
am Landgericht in Naumburg

die Berufungsverhandlung gegen Pechmann statt. Weil der Angeklagte wegen ähnlicher Delikte schon vorbestraft war und der Überfall von unglaublicher Rohheit und Feigheit zeugte, war Milde nicht am Platz. Die Grosse Strafkammer erkannte auf sechs Monate Freiheitsentzug. "Damit ist", stellt am 20. Februar 1931 der Vorwärts (Berlin) mit Genugtuung fest, "das erste der Naumburger Hakenkreuzurteile gefallen."

Der Sozialdemokrat und Landtagsabgeordnete Wilhelm Weidemann (1892-1963) spricht im März 1931 in Naumburg am Grab des SPD-Mitgliedes Müller von

"sonderbaren, aufsehenerregenden Nazi-Urteilen
einer Naumburger Justiz".

Nachfolgende Untersuchung greift dies auf und befasst sich mit dem [a] Riedel-, [b] Schützenhaus- und [c] Cuvelier-Prozess I und II. Es kommt [d] ein Fall zur Sprache, der ein wenig die Praktiken der Ungleichbehandlung erhellt.

 

[a] Riedel-Prozess  nach oben

Burg Saaleck mit dem Ort Saaleck
und Friedhof (2005)

Fritz Riedel, Berlin-Wilmersdorf, reist Pfingsten 1930 mit seinen Kameraden zum Wehrwolf-Bundestreffen nach Bad Kösen und Naumburg. Sonntags besucht eine Abordnung der Organisation die Gräber von Kern und Fischer in Saaleck. Am Grab der Rathenau-Mörder hält der Führer der Kreisgruppe II im Berliner Wehrwolf eine Ansprache. Herr Krüger vom Polizeipräsidium Weißenfels macht sich hierzu Notizen und stellt am 16. Juni 1930 beim Oberstaatsanwalt von Naumburg eine Strafanzeige. Nach entsprechenden Ermittlungen und Auswertung von Polizeiberichten

tagt dazu am 11. September 1930

das Schöffengericht Naumburg. Der Wehrwolfführer ist wegen Vergehen gegen Paragraph 5, Ziffer 3 und 4 des Republikschutzgesetzes vom 25. März 1930 angeklagt, der besagt:

"Mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, neben dem auf Geldstrafe erkannt werden kann, wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung …

3. einen verstorbenen Reichspräsidenten oder ein verstorbenes Mitglied der Reichsregierung oder einer Landesregierung in Beziehung auf sein Amt beschimpft oder verleumdet;

4. zu Gewalttätigkeiten gegen andere wegen ihrer politischen Betätigung oder zu Gewalttätigkeiten der im § 3 Abs. 1 bezeichneten Art auffordert oder eine solche Gewalttätigkeit, nachdem sie begangen worden ist, oder einen Hochverrat (§§ 81 bis 86 des Strafgesetzbuchs), der gegen die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes oder den Bestand des Reichs oder eines Landes begangen worden ist, verherrlicht oder ausdrücklich billigt. …"

Amtsgerichtsrat Dr. Albrecht, Vorsitzender des Schöffengerichts Naumburg, steht vor der Aufgabe, folgende Sätze des Redners am Grabe der Rathenau-Mörder rechtlich zu beurteilen:

"Kameraden,
hier ruhen Kern und Fischer. Sie waren zwei echte deutsche Jungs, die alles für ihr Vaterland taten. Sie haben das Vaterland von jemand befreit. Sie haben aber nicht daran gedacht, dass es in

ganz andere Schandflecken

[Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten?] gibt, die beseitigt werden müssen und die wir beseitigen müssen. Unseren toten Kameraden ein dreifaches Heil." (Riedel-Prozess)

Er hat die Worte "sie haben das Vaterland von jemand befreit" nicht gesagt, gibt der Angeklagte Fritz Riedel, geboren am 1. April 1908 in Label in Pommern, vor Gericht zu Protokoll. Er besteht auf der Formulierung: "sie glaubten, Deutschland von etwas Schlechtem zu befreien". Der Richter attestiert dem Angeklagten

mit "Schandfleck", nicht Rathenau

gemeint zu haben. Zur Begründung behauptet es, dass Kriminalsekretär Lotze von der Polizei Weißenfels die Grabansprache wahrscheinlich ungenau wiedergegeben hat. Wohl hörte er dem Wehrwolfführer aus etwa sechs Meter Entfernung zu, aber am Ende der Rede wandte sich der Kriminalsekretär laut Protokoll für etwa zwei Minuten zwei Landjägern am Eingang des Friedhofs zu. Erst danach notierte er das Gesagte in sein Notizbuch. Deshalb erscheint es dem Gericht "möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass er die Ansprache nicht auf das Wort genauso niedergeschrieben hat, wie sie gehalten ist" und

spricht den Angeklagten frei.

Obwohl die Verletzung des Republikschutzgesetzes offensichtlich, entgeht Riedel der Bestrafung. Nicht ohne, wie der Redakteur vom Volksboten aus Zeitz registrierte, Nutzung des Tränendrüseneffekts. Er sei doch nur ein Mann, dem es an grossen Geistesgaben fehlt, vertraute er dem Richter an. Prompt attestiert der ihn:

"Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass der Angeklagte ein Mann mit Volksschulbildung, ungelernter Arbeiter und jetzt Hausknecht ist [-knecht durchgestrichen und überschrieben], keinerlei Führerstelle bekleidet und nach seinem persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung die Worte nicht besonders zu wählen versteht."

Bei der Ermittlung und Aufrechnung der geistigen Kapazitäten von Fritz Riedel fehlt, dass er sich gut auf seinen Auftritt an den Gräbern vorbereiten konnte. Denn Der Wehrwolf Nummer 16 vom Juni 1930 druckte das Programm zum Bundestreffen ab. Darin war das Treffen auf dem Friedhof Saaleck bereits angekündigt. Die Organisationsleitung entschied sich bei der Vorbereitung der Veranstaltung bewusst für die Kranzniederlegung. Es ist nicht unrealistisch anzunehmen, dass sich ein Redner hierauf vorbereitet. Im Übrigen war Kamerad Fritz Riedel kein Einfallspinsel oder Grünschnabel, wie es das Gericht seinem Urteil zugrunde legt, sondern ein Aktivist der Bewegung und Führer der Kreisgruppe II im Berliner Wehrwolf.

"Ehrensalve für Rathenaumörder", antwortet darauf am 12. September 1930 Der Abend aus Berlin.

 

 
"Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts". Berlin, den 12. September 1930 (Anmerkung: Die Überschrift "Ehrensalve für Rathenaumörder" befindet sich auf der Titelseite. Sie wurde hier aber etwas vergrössert wiedergegeben.)

 

Mit dem Urteil vom 11. September 1930 bescheinigt Amtsgerichtsrat Doktor Albrecht dem Wehrwolf, dass dieser den Mord als Mittel des politischen Kampfes ablehnt. Nehmen wir es als die ehrliche Äußerung eines Richters. Hingegen kann sich die Reichsrichtlinie des Wehrverbandes (Wehrwolf 11.11.1928) die Lösung der deutschen Frage nicht ohne Krieg vorstellen. Urteilt das Gericht frei und unabhängig, wenn es daraus folgert, der Wehrwolf will ja nur die "Beseitigung der Kriegsschuldlüge und des darauf aufgebauten Versailler Vertrages"? Wem muss das Gericht in dieser Frage folgen? Der persönlichen Überzeugung des Richters? Oder muss es sich als eine öffentliche Institution im Dienste der Gesellschaft um die unbefangene Einschätzung des paramilitärischen Verbandes bemühen? In Naumburg herrscht die streng nationale Familie. Sie will das Deutschtum in der ganzen Welt pflegen und hegt die Vision einer (Teil-) Zusammenführung durch die Revisionspolitik. Daran konnten die Nationalsozialisten mit ihrem politischen Konzept der Eroberung von Lebensraum im Osten leicht ankoppeln.

Die Staatsanwaltschaft geht in Revision. In einem neuen Verfahren vor dem Schöffengericht in Naumburg wird Fritz Riedel am 15. Oktober 1930 wegen Vergehen gegen das Republikschutzgesetz zu drei Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. (Berg 2008, 270 f.).

 

 

[b] Die Schützenhaus-Prozesse  nach oben

Kaum ein Ereignis zwischen 1918 und 1932 befasst die politischen Bürger von Naumburg so lange und so intensiv wie die Saalschlacht von Freyburg (Unstrut) und ihre strafrechtlichen Konsequenzen.

Blick auf Freyburg an der Unstrut (2008) und sein Schützenhaus (2006)

Für den

10. April 1930

lädt der SPD-Unterbezirk Merseburg-Querfurt zu einer öffentlichen Versammlung abends 8 Uhr in das Schützenhaus Freyburg (Unstrut) ein. Doktor Artur Schweriner (SPD, Berlin) referiert zum Thema Das wahre Gesicht des Nationalsozialismus. Daran anschließend soll eine offene und freie Diskussion stattfinden. 350 bis 700 Personen sind erschienen. (In diesem Bereich liegen die Angaben zur Anzahl der Teilnehmer in den Archivdokumenten.) Die Versammlung ist gut vorbereitet. Es wird aber kein Heimspiel, weshalb das Naumburger Reichsbanner den ordnungsgemäßen Ablauf mit 150 Genossen absichert.

Paul Hinkler, NSDAP-Gauleiter von Halle-Merseburg, später Polizeipräsident von Altona und Wandsbek (1933) und Wuppertal, und seine NSDAP bestimmen in Freyburg an der Unstrut das politische Klima. Er gehört "zu den übelsten Erscheinungen unter den Nazis", erinnert am 22. Oktober 1931 der Vorwärts (Berlin). ".... und das will etwas besagen. Er ist seinerzeit aus dem preußischen Lehrerberuf zwangsweise entfernt worden, nachdem ihm die medizinische Fakultät der Universität Halle bescheinigt hat, dass bei ihm eine nachweisbare Beeinträchtigung der geistigen Bereitschaft und Sammlung vorliege."

 

Hauptakteure der Schützenhaus-Prozesse

Dr. Artur Schweriner,
42 Jahre alt, Referent auf der SPD-Versammlung im Schützenhaus Freyburg am 10. April 1930, wohnhaft, Berlin-Neutempelhof, Berliner Straße 5.

Paul Hinkler
38 Jahre alt, sprengt die SPD-Versammlung am 10. April 1930. NSDAP-Mitgliedsnummer 5 492. Zur Tatzeit NSDAP-Gauleiter von Halle-Merseburg, Abgeordneter der NSDAP im Preußischen Landtag, Wohnorte: Freyburg (Unstrut), Halle (Königstraße 29, II) und Potsdam, (Helmholtzstraße 8).

Wilhelm Giessler,
23 Jahre alt, geboren in Epschenrode (Kreis Worbis), Theologiestudent, enthusiastisches NSDAP-Mitglied, Wohnort Olshausen (Kiel) Straße 21. (Die amtlichen Angaben zum Wohnort differieren in den Dokumenten.) Er schlägt auf Oberlandjägermeister Reichardt mit einem Bierseidel ein.

Ernst Friedrich,
Rechtsanwalt in Freyburg (Unstrut), Kloss- und Förster-Strasse, Verteidiger von Hinkler.

Roland Freisler,
38 Jahre alt, ab Dezember 1931 Verteidiger von Paul Hinkler, Rechtsanwalt in Kassel, 1933 Staatssekretär im Preußischen Justizministerium und im Reichsjustizministerium, ab Herbst 1942 Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes; fällt viele Todesurteile gegen Widerstandskämpfer des Nationalsozialismus.

Friedrich Uebelhoer,
37 Jahre alt, Naumburg, Buchholzstraße 48, NSDAP-Führer von Naumburg. Er bezeichnet sich in einem Schreiben an Goebbels vom 17. Oktober 1930 „Organisationsleiter der Ortsgruppe“. Diskussionsredner im Schützenhaus, Hauptakteur, Entlastungszeuge für Hinkler.

Fritz Brauer,
25 Jahre alt, wohnhaft Schraplau, Zeller Straße Nr. 1, Parteisekretär im SPD-Unterbezirk Merseburg-Querfurt, Hauptbelastungszeuge gegen Hinkler, zeitweise Versammlungsleiter am 10. April im Schützenhaus Freyburg, erstattet Anzeige gegen NSDAP-Gauleiter Hinkler.

Wilhelm Schwenke,
42 Jahre alt, SPD-Mitglied, führt am 10. April in Freyburg den Einsatz des Reichsbanners Ortsgruppe Naumburg.

Hermann Glaubrecht,
40 Jahre alt, Kreissekretär der SPD in Eisleben, Liebknechtstraße 1, zeitweise Versammlungsleiter am 10. April im Schützenhaus Freyburg. Aussage gegen Hinkler wegen Hausfriedensbruch Körperverletzung und Widerstand vor dem Amtsgericht Eisleben am 13. Mai 1930. Mehrfach Zeuge vor Gericht.

Karl Reichardt,
36 Jahre alt, Oberlandjäger in Balgstädt. Zur Sicherung des Schützenhauses eingesetzt und wird bei Ausführung einer Amtshandlung mit einem Bierglas angegriffen. Erstattet Strafanzeige gegen Wilhelm Giessler, mehrfach Zeuge vor Gericht.

Fritz Kecker
33 Jahre, Polizeihauptwachtmeister, Freyburg, zur Sicherung des Schützenhauses eingesetzt, erstellt am 14. April 1930 einen Bericht über die Ereignisse; mehrfach Zeuge vor Gericht.

Stollberg,
Landjägermeister, Landjägereiamt Freyburg, informiert den Landrat von Querfurt, mehrfach Zeuge vor Gericht.

Hoepffner,
Landgerichtsdirektor, Landgericht Naumburg, Kaiser-Wilhelm-Platz 2 (heute Kramerplatz).

Dr. Conrad,
Amts- und Landgerichtsrat, Landgericht Naumburg, Kaiser-Wilhelm-Platz 2.

Dr. Tolle,
Landgerichtsrat, Landgericht Naumburg, Kaiser-Wilhelm-Platz 2.

Keßler,
Oberstaatsanwalt, Landgericht Naumburg, Kaiser-Wilhelm-Platz 2.

Klauss, Arbeiter aus Freyburg (Unstrut), NSDAP-Mitglied, Entlastungszeuge für Giessler im Prozess am 23. Oktober 1930 vor dem Schöffengericht Naumburg

Dr. Hermann Spieler,
Landgerichtsrat, Landgericht Naumburg, Kaiser-Wilhelm-Platz 2.

Rudolf Matthes,
25 Jahre alt, Arbeiter, Zeuge, wohnhaft Freyburg, Querfurter Straße 6, sagt klar gegen den NSDAP-Gauleiter aus.

Paul Vieweger,
Arbeiter, 26 Jahre alt, Freyburg, Zeuge.

Fritz Plate,
32 Jahre alt, Freyburg, Schlosstraße 2. Im Schützenhaus Akteur auf Seiten der NSDAP, ab Januar 1934 Bürgermeister in Freyburg, Angeklagter (11. Juli 1930) und Zeuge.

Paul Schäfer,
51 Jahre alt, Bürgermeister von Freyburg, verfasst am 10. April 1930 einen Bericht über den Verlauf der öffentlichen Versammlung am 10. April 1930.

Georg Schmidt,
Gastwirt, NSDAP-Aktivist in Naumburg, 42 Jahre alt, Hallescher Anger, Entlastungszeuge für Hinkler.

Friedrich Schönewerk,
37 Jahre alt, Gastwirt des Schützenhauses Freyburg

Hermann Schieferdecker, 37Jahre, aus Schafstädt, Zeuge.

Walter Grofall,
22 Jahre alt, Naumburg, Zeuge.

Die Altersangaben zu den Personen sind etwas schwierig vorzunehmen, weil sich der Schützenhausprozess über zwei Jahre hinzog. Zudem liegen nicht für alle Personen die Geburtsdaten vor.

 

Gegen 22 Uhr begibt Paul Hinkler an diesem Tag nach der Stadtverordnetensitzung in das Schützenhaus. Dort tagt die SPD unter dem Thema: Das wahre Gesicht des Nationalsozialismus. Das gefällt dem Gauleiter. Wie sich später herausstellt, verfolgt er die Absicht, die Versammlung zu desavouieren. Der Landrat vom Kreis Querfurt, definiert in seinem Bericht diesen Vorgang als "sprengen". Im Saal erwarten ihn bereits viele NSDAP-Anhänger. Bald darauf beleidigt er auf infamste Art den Referenten mit antisemitischen Äußerungen. Der Versammlungsleiter erteilt ihn für den angemeldeten Redebeitrag nicht das Wort und fordert ihn auf den Saal zu verlassen. Hinkler weigert sich. Oberlandjäger Reichardt aus Balgstädt soll den Störenfried hinauskomplimentieren. Da kommt ihn der Theologiestudent Wilhelm Giessler zur Hilfe und wirft nach dem Landjäger ein Bierseidel. Daraus entwickelt sich eine heftige Saalschlacht. „Der Ausbruch der Gewalttätigkeiten", stellt am 13. April 1930 der Landrat vom Kreis Querfurt fest, "ist durch Hinklers Auftreten verschuldet“

Die politischen Gegner der Nationalsozialisten erwarten zu Recht eine angemessene Bestrafung der Verantwortlichen. Zumindest für Hinkler und den Theologiestudenten besteht ein begründeter Tatbestand - Aufruhr gemäß Paragraf 115 des Strafgesetzbuches. "Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei welcher eine der in Paragraf 113 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften begangen wird, teilnimmt, wird wegen Aufruhrs mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft." Außerdem könnte Paragraf 223 des Strafgesetzbuches wegen Körperverletzung zur Anwendung kommen. - Wir werden sehen, wie es den Nationalsozialisten gelingt, sich ihrer Verantwortung weitgehend zu entziehen.

Der Bericht der Schupo (Schutzpolizei) Weißenfels vom 11. April kann nicht zur Aufklärung der Ereignisse beitragen, weil sie erst etwa ¾ nach 10 Uhr abends eintraf, als die Schlägerei bereits beendet war. Angefordert hatte die Mannschaft der Bürgermeister von Freyburg gegen 10.05 Uhr. Nach ihrer Ankunft am Schützenhaus blieb nur die Aufgabe, dem Reichsbanner Naumburg das Schutzgeleit für den Heimweg, vor möglichen Angriffen der Nationalsozialisten, anzutragen.

Am Tag nach der Saalschlacht macht Rudolf Matthes (Freyburg, Querfurter Straße 6) vor der Polizeiverwaltung Freyburg seine Zeugenaussage gegen Paul Hinkler. Er identifiziert Wilhelm Giessler eindeutig als den Bierseidelwerfer. „Ein Naumburger und ich hielten den Werfer sofort fest“, gibt er zu Protokoll. Ein Umstand, der durch das Gericht nicht erkennbar beachtet wird. Ähnlich wie Matthes äußert sich noch Paul Vieweger, ebenfalls aus Freyburg. Weitere Zeugen sind der städtische Büroangestellte Kurt Müller und der Bürogehilfe Hugo Kloss.

Für die Durchführung der öffentlichen Versammlung im Schützenhaus war der SPD-Unterbezirk Merseburg-Querfurt, Merseburg, Bismarckstraße 34, verantwortlich. Er informiert am 12. April den Freyburger Bürgermeister schriftlich über die Vorgänge und verweist auf seinen Hauptzeugen Fritz Brauer, den Versammlungsleiter. Später werden sie noch Anzeige erstatten.

Einstweilen erstattet am 13. April Oberlandjägermeister Reichardt aus Balgstädt gegen den Bierseidel-Werfer Giessler (Kiel) Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Naumburg. Über die Mission des Theologiestudenten in Naumburg gibt eine unscheinbare Notiz von Professor Kaiser, Studiendirektor des Domgymnasiums, verschriftlicht am 16. Juni 1930, Auskunft. Darin wird über dessen Verbindung zu einem gewissen Willemer [1234] berichtet, der für seine Aktivitäten für die Gründung des Nationalsozialistischen Schülerbundes bekannt ist.

Noch am gleichen Tag verfasst der Landrat von Querfurt an den Regierungspräsidenten von Merseburg einen Bericht, worin er die „Radaulust der Nationalsozialisten“ beklagt. „Die Nationalsozialisten haben m. E. planmäßig die Versammlung zu sprengen versucht.“ Nur das sehr frühzeitige Eintreffen des Reichsbanners [mit dem Organisator Wilhelm Schwenke aus Naumburg!] dürfte, so seine zusammenfassende Einschätzung, dies verhindert haben.

Dazu passt die Mitteilung der Polizeiverwaltung Freyburg vom 16. April an den Oberstaatsanwalt von Naumburg: „Hinkler trug einen Stock bei sich; der Saal war polizeilich gesperrt, Hinkler hat den Saal unberechtigt betreten.“ Ihn hilft dabei ein Freyburger Polizeibeamter. Dies wird aber nie Gegenstand von Untersuchungen oder Erörterungen.

Nach gründlicher Vorbereitung stellt am 7. Mai 1930 Parteisekretär Fritz Brauer (Schraplau, Zellerstraße 1) vom SPD-Unterbezirk Merseburg-Querfurt, Versammlungsleiter und Organisator der Veranstaltung, wegen Hausfriedensbruch Strafanzeige gegen den NSDAP-Gauleiter Paul Hinkler. In allen Einzelheiten listet er den Ablauf im Schützenhaus auf und findet klare Worte zu den hässlichen antisemitischen Äußerungen („Judenjunge“ und so weiter) der NSDAP-Leute gegenüber dem Referenten Dr. Artur Schweriner.

Zwei Tage später, am 9. Mai, vernimmt das Amtsgericht Naumburg in der Strafsache Hinkler den Gastwirt des Schützenhauses, Fritz Schönewerk, 36 Jahre sowie Louise Krell, 41 Jahre, und Paul Noack, 29 Jahre, als Zeugen.

In gleicher Weise verfahren Gerichtsassessor Nischk und Justizangestellter Strauch am 13. Mai vom Amtsgericht Eisleben im Auftrag des Oberstaatsanwalts aus Naumburg mit dem Verwaltungsangestellten Hermann Glaubrecht, 39 Jahre, Liebknechtstraße 1.

Den Zeugen Hermann Schieferdecker, 37 Jahre, vernimmt am 23. Mai 1930 das Amtsgericht Bad Lauchstädt.

Das Amtsgericht Freyburg teilt zum Ermittlungsverfahren 1 J.468/29 gegen Paul Hinkler am 12. Juni dem Oberstaatsanwalt beim Landgericht Naumburg die Aussagen Friedrich Schönewerk, Gastwirt des Schützenhauses, mit. Für den 10. April gab dieser sein Hausrecht an die SPD als Veranstalter ab. Ansonsten scheint der Gastwirt eher befangen, worauf seine Annoncen im Naziblatt „Der Kampf“ (Halle) hindeuten. Einen Antrag auf Wiedergutmachung für die Sachbeschädigungen stellt er nicht, da die SPD bereits alles ersetzte.

Doktor Schweriner, der Referent der SPD-Versammlung, macht am 12. Juni auf der Polizeistation in Berlin, Alexanderstraße, seine Aussage.

Verhältnismäßig schnell setzt das Amtsgericht Freyburg in der Strafsache Paul Hinkler und Fritz Plate wegen Aufruhr für den 27. Juni 1930, 11 Uhr, den ersten Verhandlungstermin an. Bedauerlicherweise muss der Zeuge Hauptwachtmeister Kecker zu diesem Termin bei einer Schwurgerichtsverhandlung erscheinen, weshalb sie auf den 9. Juli verschoben werden muss. Zur Verhandlung erscheint für den Angeklagten Hinkler dessen Rechtsanwalt Ernst Friedrich aus Freyburg. Vier Tage vorher entpflichtete er seinen Mandanten mit einem Gesundheitsattest von der Teilnahme an der Verhandlung. Dr. med. Karl Nesse, Halle, Magdeburger Straße 7, bescheinigt am 1. Juli dem Gauführer „allgemeine Schwäche, Kopfschmerzen, Unruhe, schlechten Schlaf, plötzliche Schweißausbrüche und leichte Vergesslichkeit“. Ein Ausdruck der Neurasthenie, die eine wesentliche Steigerung erfahren hat, begutachtet der Mediziner, weshalb der Patient die nächsten zwei bis drei Monate nicht vor Gericht erscheinen kann. So verhandelt das Gericht nur zu Plate. Dieser traf etwa zehn Minuten später als Hinkler im Saal des Schützenhauses ein. Da war die Diskussion bereits im vollen Gange. Am Ausgang des Saales habe er einen heftigen Schlag auf den Schädel erhalten und er bestreitet, mit Stühlen um sich geschlagen zu haben. Zeuge Polizeiwachtmeister Fritz Kecker kann sich nicht erinnern, dass er ihn mit einem Stuhl in der Hand gesehen hat. Also, kein Urteil.

In Kiel vernimmt die Polizei Wilhelm Giessler. Der Theologiestudent, wie schon mehrfach erwähnt, warf laut Aussage des Arbeiters Rudolf Matthes (Freyburg) nach dem Oberlandjäger Reichardt den Bierseidel, als dieser den Gauleiter aus dem Saal befördern wollte. Er bestreitet die Tat. Die Vernehmung wird abgebrochen, weil er Unterlagen von zu Hause holen will. Kommt jedoch am nächsten Tag nicht wie versprochen wieder; stellt sich aber dann am 14. Juli dem Verhör. Am 10. September 1930 ergeht aus Kiel an den Oberstaatsanwalt in Naumburg ein Bericht. Darin heißt es: Er ist Mitglied der NSDAP „die den Radikalismus auf die Fahnen schrieb. Mithin dürfte auch seine Tat politischen Motiven entsprungen sein.“ Allerdings eine „Verdorbenheit und verbrecherische Neigung dürften für den Beschuldigten nicht anzunehmen sein …“

Im Ergebnis der Ermittlungen erhebt der Oberstaatsanwalt von Naumburg am 18. August gegen Paul Hinkler aus Freyburg (Unstrut) und den Theologiestudenten Wilhelm Giessler Strafanzeige aus Kiel, Olshausenstraße 21, Anklage wegen Hausfriedensbruch. Er betrachtet den Tatbestand der öffentlichen Zusammenrottung und des Widerstandes gegen Beamte bei rechtmäßiger Ausübung ihrer Tätigkeit als erfüllt. Im NSDAP-Führer aus Freyburg identifiziert er den Mann, der die Versammlung - wörtlich - sprengen wollte, und der sich nach Aufforderung durch den Versammlungsleiter nicht aus dem Saal entfernte. Ebenso objektiv benennt er die antisemitischen Anwürfe gegenüber dem Referenten der Versammlung.

Auf die Anklageschrift antwortet am 2. September 1930 Rechtsanwalt Friedrich (Freyburg) für seinen Mandanten Paul Hinkler mit folgender Argumentation: (a) der Angeklagte betrat das Schützenhaus nicht geräuschvoll; (b) seine Kameraden begrüßten ihn, worauf er mit „Heil Hitler“ antwortete; (c) sein Mandant schlug sich nicht, insbesondere nahm er kein Stuhlbein zur Hand; (d) dass er den Saal nicht verlassen wollte, hat er nie gesagt.

Die Verteidigung des Studenten Wilhelm Giessler, geboren am 30. Juni 1907 in Epschenrode (Eisfeld), ledig, übernimmt die Kanzlei Dr. Ernst Evers & Heinrich Böhmker aus Eutin (Markt). Sie bestreitet in ihrer Antwort zur Anklageschrift die Tat. Ihr Mandant weilte lediglich als Besucher in der Stadt Naumburg und saß an diesem Abend links von der Bühne im Schützenhaus Freyburg. Als Giessler sah, wie viele Reichsbannerleute zu Hinkler drängten - „offenbar um Gewalttätigkeiten zu begehen“ (!) - versuchte er ihm zu helfen.

Das Amtsgericht Naumburg eröffnet auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 25. September das Hauptverfahren wegen Verbrechen im Sinne der Paragrafen 115 (Aufruhr), I, II, 113 (Widersetzung), 107a II, 123, 61, 73 und 74 Strafgesetzbuch gegen Paul Hinkler aus Freyburg und Wilhelm Giessler aus Kiel. Als Termin der Hauptverhandlung für das Schöffengericht Naumburg ist der

23. Oktober 1930 um 10 Uhr

festgelegt.

 

Zum Prozess gegen Giessler am 23. Oktober 1930
und
4. März 1931

Erklärung

Wie festgestellt worden ist, hat der in dem Prozess gegen den Theologie-Studenten Giessler der Nationalsozialist Claus, Naumburg, Oststrasse, unter Eid ausgesagt, der Unterzeichner dieses [Dokuments] hätte bei dem Zusammenstoss in der sozialdemokratischen Versammlung in Freyburg einen Nazi durch das Saalfenster von dem im ersten Stock gelegenen Saal auf den Hof gestürzt. Diese Aussage hat der Claus in der ersten [23.10.1930] und zweiten Verhandlung [4.3.1931] beschworen. Es ist naheliegend, dass ein derartiger Rohheitsakt für den davon Betroffenen schwere körperliche Verletzungen gegeben hätte, eine solche Tat wäre auch in der Öffentlichkeit nicht unbekannt geblieben. Zur Steuer der Wahrheit halte ich fest, dass ich während des Zusammenstosses überhaupt nicht im Saal zwischen den streitenden Parteien war, sondern mich mit Dr. Schweriner auf der Bühne befand.

Ich habe von einer Anzeige wegen dieses Eides bei der Staatsanwaltschaft Abstand genommen, weil ich der Überzeugung bin, dass der Claus nur das Opfer nationalsozialistischer Verhetzung ist und ich kein Interesse daran habe, dass solche Opfer ihren Leichtsinn durch lange Zuchthausstrafen büssen sollen. Schliesslich kommt es auf eine nationalsozialistische Verleumdung mehr oder weniger gegenüber meiner Person nicht an, da ein anständiger Mensch keine Notiz daran nehmen wird.

Naumburg, den 12. März 1931

Eugen Wallbaum [SPD] [Bild]

(Erklärung)

 

Es tagt zum angesetzten Termin unter Vorsitz von Amtsgerichtsrat Doktor Albrecht und dem Gerichtsassessor Richter als zweiten Amtsrichter sowie Landwirt Oskar Reifenstein (Altenbeichlingen) und Droschkenbesitzer Franz Gerber (Naumburg) als Beisitzer. Staatsanwaltschaftsrat Hoffmeister vertritt die Staatsanwaltschaft. Vorneweg verliest Rechtsanwalt Friedrichs (Freyburg) eine Erklärung, die darauf hinweist, dass sein Mandant Paul Hinkler als Abgeordneter des Preußischen Landtages Immunität genießt und zu seiner Person heute vor diesem Gericht nicht verhandelt werden kann. Deshalb muss das Verfahren gegen ihn zurückgestellt werden. Außerdem beantragt der Anwalt die Vorladung von folgenden Zeugen aus der Stadt Freyburg: Kaufmann Franz Behrendt, Kaufmann Heinrich Pretzsch, Kaufmann Walter Harnisch und Maurer Albert Heft.

Für den Angeklagten Wilhelm Giessler macht der Rechtsanwalt aus Eutin geltend, dass selbiger durch die Kritik des Referenten Doktor Artur Schweriner am Führer der nationalsozialistischen Bewegung in seinen Gefühlen verletzt wurde. Und als NSDAP-Gauleiter Paul Hinkler vom Versammlungsleiter nicht das Wort erhält, erfasst ihn große Empörung. Den Angriff mit dem Bierseidel stellt er folgendermaßen dar: Er sah, wie der Oberlandjäger Reichardt in Wahrnehmung des Hausrechts Paul Hinkler aus dem Saal bringen wollte. Das war unmöglich, weil er von einem Menschenknäuel umringt war. (In anderen Darstellungen erscheint dies eher als ein Schutzkordon von NSDAP-Leuten.) Da sah Giessler, dass ein Reichsbanner-Mann (?!) den Polizisten Reichardt mit einem Bierglas auf den Kopf schlagen wollte, und sprang unversehens von seinem Platz auf. Mit ausgestrecktem Arm schlug er unter dessen Arm, so dass diesem das Glas aus der Hand fiel und dem Oberlandjäger in den Rücken flog. Das Gericht gibt sich beeindruckt.

Die Zeugen Matthes und Krohal bezeichnen den Theologiestudenten als den Mann, der das Bierglas geworfen hat.

Als Entlastungszeuge tritt der Vorkämpfer der nationalsozialistischen Bewegung in Naumburg, Oberleutnant a. D. Friedrich Uebelhoer auf. „Der Zeuge entsann sich nicht, daß Biergläser geworfen wurden, ebenso wenig, daß Giessler unliebsame Zwischenrufe gemacht habe,“ berichtet darüber am nächsten Tag das Naumburger Tageblatt. Ein arger Fall von bewusster Leser-Täuschung. Natürlich nicht Giessler! Hinkler machte die vielfach bezeugten äußerst bösartigen antisemitischen Äußerungen gegen Dr. Schweriner. - Große Unruhe brach im Zuschauerraum aus, teilt die Zeitung weiter mit, als die Hautentlastungskanone Klauss, Gurkeneinleger aus Freyburg und NSDAP-Mitglied, sich zur Behauptung verstieg: „Reichsbannerleute hätten Hinkler angegriffen“. Da springt der Zeuge Schieferdecker auf und ruft in den Saal: "Du bist doch gekauft!" Unruhe und Aufregung. NSDAP-Frontmann Uebelhoer (Naumburg) greift eigenmächtig in die Verhandlung ein und wird von dem Richter noch in höchst durchsichtiger Weise unterstützt. „Der Zuhörerraum war dicht mit Reichsbannerleuten besetzt,“ teilt das Potsdamer Volksblatt einen Tag nach Urteilsverkündung mit,

„die ihrer Empörung über die verlogenen Naziaussagen des Öfteren so stürmisch Ausdruck gaben, daß der Vorsitzende mehrmals einschreiten musste.“ (Rohling)

Dann bezeichnete Zeuge Behrendt gar die Nationalsozialisten als die Angegriffenen. Der NSDAP-Gauleiter hat in Notwehr gehandelt, behauptete Zeuge Zorn. Andere äußerten: ´Hinkler erhielt ja nicht das Wort erteilt` oder `Giessler wollte nur den Gauleiter [Hinkler] schützen`.

„20 Zeugen wurden vernommen, davon 17, die belastend aussagten.“ (Ebenda) Sechs Sozialisten im Vollbesitz ihrer bürgerlichen Ehrenrechte sagen gegen Giessler aus. Aber Sozialisten-Eide gelten nicht!, kommentiert Doktor Schweriner am nächsten Tag den Prozess. Der Staatsanwalt fordert sechs Monate Gefängnis. Davon völlig unbewegt plädiert das Gericht für einen Freispruch des Angeklagten. In dubio pro reo, wie es heißt, was in der Feststellung kumuliert:

„Dem Angeklagten ist durch die Beweisaufnahme nicht nachgewiesen, dass er sich des Aufruhrs gemäß Paragraf 115 StG.B. [Strafgesetzbuch] schuldig gemacht hat.“

Die Voraussetzungen für den Tatbestand des Paragrafen 113 sind nach Auffassung des Gerichts nicht nachzuweisen. - Wirklich nicht? - Welches Interesse sollte denn ein Reichsbanner-Kamerad haben, den Polizisten mit einem Bierglas zu malträtieren, wenn jener lediglich das Hausrecht ihres SPD-Versammlungsleiters schützen soll? Erinnert sei nochmals daran, dass der Arbeiter Matthes in seiner Zeugenaussage mitteilte, er habe den Werfer des Bierseidels nach seiner Tat sofort mit einem anderen Kameraden zusammen festgehalten.

Das Urteil vom 23. Oktober 1930 ist ein Fauxpas für das demokratische Rechtsempfinden. Es ruft in der republikanisch und antinationalsozialistisch eingestellten Öffentlichkeit Deutschlands Unverständnis hervor.

 

 

Teile der deutschen Öffentlichkeit üben heftige Kritik an den Naumburger Richtern.

"Das unerhörte Naumburger Hakenkreuzurteil, das mit dem Freispruch des Nazistudenten Kießler [richtig: Giessler] von der Anklage des Aufruhrs endete“,

kommentiert die Niedersächsische Volksstimme am 26. Oktober 1930,

„wird durch die Begründung, die das Gericht gab, geradezu zu einer offenen Verhöhnung aller rechtlich Denkenden.“

Damit setzt sich Das Volk (Jena) am 25. Oktober 1930 unter dem Titel

Justizskandal in Naumburg

auseinander und kommentiert:

"Daß ein Theologiestudent mit dem Bierglas auf einen Landjäger einschlage, erscheint dem Gericht so unwahrscheinlich, daß es daran trotz der schweren Belastung des Angeklagten nicht glauben konnte. Daß er versucht habe, dem Polizeibeamten den Gummiknüppel zu entreißen, ist wahrscheinlich damit zu erklären, daß er sich mit dem Gummiknüppel habe verteidigen wollen."

Mit

Naumburger Hakenkreuzurteil

titelt die Rheinische Zeitung vom 25. Oktober 1930 ihren Drahtbericht.

„Sieben Zeugen - aber das Naumburger Gericht
beschützt den Nazi-Studenten“,

ergänzt sie am nächsten Tag.

Ein Hitler-Student unberechtigt freigesprochen
Pfui, ein Hakenkreuz-Urteil

urteilt die Leipziger Volkszeitung am 25. Oktober 1930.

Schützt Deutschland vor solchen Richtern!

fordert am 26. Oktober 1930 der Volkswille aus Halle.

"Wir fragen",

so der Sozialdemokratische Pressedienst am 24. Oktober 1930,

"wer verteidigt das Recht gegen so parteiische Richter?"

Zwei Tage später nimmt die Volksstimme aus Magdeburg unter der Überschrift:

Der Nazijustizskandal
Unerhörte Urteilebegründung

zu den Vorgängen in Naumburg Stellung. Sie kritisiert vor allem die Urteilsbegründung: "Nach der Meinung des Naumburger Gerichts ist es also erlaubte Notwehr und nicht Widerstand gegen die Staatsgewalt, wenn man bei einem Streit einen Polizeibeamten entwaffnet, um sich mit der Waffe selbst zu verteidigen."

Ganz anders das Naumburger Tageblatt vom 24. Oktober 1930. Unter der Überschrift

Von der Anklage wegen Aufruhrs freigesprochen

stellt sie das Urteil einseitig als Resultat der Gesetzeslage dar. Keine Würdigung erfährt der Umstand, dass es sich um eine öffentliche Versammlung der Sozialdemokraten handelte. Hinklers provokatives und aggressives Verhalten findet keine Erwähnung. Die schwerwiegenden antisemitischen Äußerungen von Paul Hinkler und anderen werden verschwiegen. Kein kritischer Kommentar. Weit, sehr weit ist die öffentliche Parteinahme für die Nationalsozialisten in der Stadt fortgeschritten. Die Stadt- und Kreiszeitung gibt politischen Kräften und Initiativen, die sich gegen die nationalsozialistische Bewegung in Naumburg stemmen, keinen Raum. Vergeblich sucht man eine inhaltliche Darstellung des Referats von Doktor Schweriner gegen den Nationalsozialismus. Umsichtig verhindert die Zeitung, der Empörung der sozialistischen, republikanischen und kommunistischen Kreise über die Ereignisse um das Schützenhaus in Freyburg (Unstrut) Ausdruck zu verleihen.

Nach dem Giessler-Urteil steht das Ansehen der Justiz auf dem Spiel. Deshalb schaltet sich

am 25. Oktober 1930

die Republikanische Beschwerdestelle (Berlin Charlottenburg, Berliner Straße 157) ein und bittet den Oberstaatsanwalt des Landgerichts Naumburg dagegen unverzüglich Berufung einzulegen, was der bereits einen Tag nach dem Prozess erledigte. In seiner Begründung vom 31. Dezember 1930 führt er aus:

  • Von Anfang an wollten die Nationalsozialisten die SPD-Versammlung desavouieren.

  • Im Gegensatz zur Annahme des Schöffengerichts, handelt es sich bei den im Saal befindlichen NSDAP-Leuten um eine Zusammenrottung.

  • Die NSDAP versuchte bereits vor Beginn der Veranstaltung den Saal zu besetzen, um die Versammlung mit Dr. Schweriner auf diese Weise zu verhindern. Nur durch das frühzeitige Eintreffen des Reichsbanners Naumburg konnte dies abgewendet werden.

  • Die NSDAP-Anhänger stiegen bereits vor Beginn der Saalschlacht durch das hintere Fenster in den Saal ein. Dies bestärkt die Vermutung, dass sie gezielt einen Zusammenstoß herbeiführen wollten, und bezeugt den Willen zum gemeinschaftlichen ungesetzlichen Handeln.

  • Der Referent Dr. Schweriner wird durch Paul Hinkler schwer beleidigt.

  • Hinkler befand sich in einer zusammengerotteten Menge und hat sich des Aufruhrs schuldig gemacht.

  • Nach den Zeugenaussagen wollte Giessler mit dem Bierglas auf den Oberlandjäger Reichardt einschlagen.

Deshalb muss das Urteil vom 23. Oktober 1930 aufgehoben werden und eine Neuverhandlung auf Grundlage Paragraf 113 Strafgesetzbuch stattfinden, fordert der Oberstaatsanwalt.

Ehemals Landgericht Naumburg (2006)

Die Berufungsverhandlung findet

am 4. März 1931

vor dem Landgericht Naumburg statt. Sie steht unter dem Vorsitz der Landgerichtsräte Dr. Hoepffner, Tolle und Hochheim. Als Zeugen treten auf: Reichardt, Matthes, Vieweger, Dr. Schweriner (SPD), Uebelhoer (NSDAP), Georg Schmidt (NSDAP) und Plate (NSDAP), Paul Schäfer (Bürgermeister Freyburg), Brauer (SPD), Schönewerk (Gastwirt), Landjägermeister Stolberg (Freyburg), Glaubrecht (SPD). Das Gericht hebt das Urteil vom 23. Oktober 1930 auf und verurteilt den Angeklagten wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt zu 200 Reichsmark Geldstrafe oder 10 Reichsmark für je einen Tag Gefängnis.

Dagegen legt am 11. März 1931 aber Rechtsanwalt Friedrich (Freyburg) Revision ein und begründet dies am 7. April 1931 gegenüber der Strafkammer des Landgerichts Naumburg folgendermaßen: Hinkler wehrte sich nicht, er wollte den Gummiknüppel von Reichardt keineswegs an sich bringen. Der Landjäger aus Balgstädt wäre kein zuverlässiger Zeuge, weil er sich zum ersten Mal bei einem größeren Tumult bewähren musste. Damit wird das Urteil vom 4. März in seinem gesamten Umfang angefochten.

Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts", Berlin, den 28. August 1931

Da Oberstaatsanwalt Kessler der Auffassung ist, dass der Paragraf 115 (Aufruhr) Strafgesetzbuch nicht zur Anwendung kam, legt er noch am 4. März Revision ein. Das Urteil verneint zu Unrecht den Tatbestand des Aufruhrs, denn das Menschenknäuel um Hinkler ist bewusst gebildet worden, stellt der Staatsanwalt dazu in seiner Begründung (vom 4. April) fest.

So gelangt der Fall Giessler vor das Reichsgericht in Leipzig. Am

26. Juni 1931

verhandeln darüber Senatspräsident Dr. Reichert und die Reichsgerichtsräte Dr. Zeiler, Dr. Wachinger, Dr. Schwarz und Oberlandesgerichtsrat Dr. Ziegler sowie Oberstaatsanwalt Floegel und stellen den Tatbestand des Paragrafen 113 einwandfrei fest. Die Nichtanwendung des Paragrafen 115 wird durch tatsächliche Feststellungen getragen. Eine Revision des Urteils vom 4. März 1931 wird verworfen, weshalb es nunmehr als rechtskräftig gilt.

Der Fall Giessler ist für die Justiz abgeschlossen.

Es bleibt der Fall Paul Hinkler. Gegen ihn will das Landgericht Naumburg

am 27. August 1931, 9 ¾ Uhr

verhandeln. Zu diesem Zweck treten die Land- und Amtsgerichtsräte Dr. Tolle und Dr. Conrad zusammen. Als Zeuge beruft man den Naumburger NSDAP-Führer Friedrich Uebelhoer aus der Buchholzstraße 48. Paul Hinkler, jetzt wohnhaft Halle, Königstraße 29, meldet sich am 27. August 1931 in seiner Eigenschaft als Mitglied des Preußischen Landtages wie folgt schriftlich bei Gericht: „Leider ist es mir durch meine politische Tätigkeit unmöglich, jetzt noch sehr wichtige politische Dispositionen über den Haufen zu werfen …“. Er vergisst nicht hinzuzufügen:

„Es steht wohl außer Zweifel, daß ein Freispruch erfolgen wird …“

- Weil der Angeklagte sich nicht ausreichend entschuldigt, erlässt Dr. Conrad für den Landtagsabgeordneten und Lehrer in Ruhe am 22. Oktober 1931, 12 Uhr, ein Vorführbefehl.

Justizvollzugsanstalt Naumburg mit dem alten Schwurgerichtsgebäude (2006)

Das Landgericht Naumburg tritt am

22. Oktober 1931 um 12 Uhr

erneut im Gebäude des Schwurgerichts am Roonplatz (heute Am Salztor) zusammen. Einen Tag vorher teilt Hinkler als Landtagsabgeordneter aus der Prinz-Albrecht-Straße 5 in Berlin dem Oberstaatsanwalt in Naumburg mit, dass er seine Pflichten vernachlässigen müsste, wenn er an der Verhandlung teilnehmen würde. Denn wider Erwarten tagt in dieser Woche der Preußische Landtag. Allein schon die Abstimmung über das gegen die Regierung eingereichte Misstrauensvotum verlangt gebieterisch seine Anwesenheit in Berlin, führt er weiter aus. Daraufhin stellt das Landgericht Naumburg einen Vorführbefehl für den Herrn Landtagsabgeordneten zum 22. Oktober 1931, 12 Uhr, aus. So kann Hinkler am 21.Oktober nach Verlassen des Landtagsgebäudes in der Prinz-Albrecht-Straße gegen 16 Uhr verhaftet werden. Wahrhaftig erreicht um 21.04 Uhr aus Naumburg das Polizeipräsidium Berlin folgendes Telegramm:

„Hinkler freilassen gemäß Rücksprache.
Kessler Oberstaatsanwalt“.

Auf Weisung des Justizministeriums erfolgt die Aufhebung des Haftbefehls. Sicherheitshalber wendet sich der Oberstaatsanwalt vom Landgericht Naumburg vorher an das Polizeipräsidium Halle und ordnet zu diesem Termin die Vorführung des Angeklagten an. Der wohnt mittlerweile in Potsdam.

Tatsächlich findet nun aber die Verhandlung zum geplanten Termin unter Leitung von Land- und Amtsgerichtsrat Lohmeyer als Vorsitzenden und Landgerichtsrat Bender als zweiten Amtsrichter sowie Staatsanwaltschaftsrat Hoffmeister statt. Es beginnt mit einer kleinen Provokation. Hinkler erscheint bei Aufruf durch den Richter einfach nicht, weshalb das Gericht geraume Zeit warten muss. Dann setzt der Ritter des Dritten Reiches (Volksbote, Zeitz) durch, dass er nicht auf der Anklagebank, sondern bei seinem Anwalt Platz nehmen darf. Als Zeugen sind Brauer (SPD), Schweriner (SPD), Vieweger (Freyburg), Reichardt (Balgstädt), Kecker (Freyburg), Landjägermeister Stolberg (Freyburg), Schönewerk (Gastwirt) und Uebelhoer (NSDAP Naumburg) sowie Glaubrecht (Eisleben) geladen. Nach der Verlesung einer langatmigen Erklärung durch den Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Friedrich (Freyburg), vernimmt das Gericht Oberlandjäger Reichardt, der den Angeklagten stark belastet. Dies beantwortet Friedrich mit einer heftigen Attacke, die das Gericht mit einem Verweis kontert. Als Musterzeuge erwies sich Behrendt, der sich schon längere Zeit als eifriger Nationalsozialist produziert. Der Gurkeneinleger bezeichnet die Reichsbannerleute "als planmässige Überfallgruppe", die sich schon Tage zuvor darauf vorbereitet habe. Er will gesehen haben wie ein Reichsbannermann nach einer Flasche griff, während Paul Hinkler nur mit verschränkten Händen dastand. Staatsanwalt Hoffmeister entgegnete, das habe er vom Zeugen schon einmal ganz anders gehört, was ihm aber erklärlich erscheint, denn er sei inzwischen Nationalsozialist geworden. Versammlungsleiter Brauer (SPD) bezeugte erneut, das Hinkler mit "Heil Hitler!" den Saal betrat und dann rief "Was diesen Juden, lasst ihr sprechen?" (Nazi-Hinkler) Brauers Aussage deckte sich im Wesentlichen mit der von Reichardt (manchmal auch "Reichart"). Landjägermeister Stolberg bestätigte wiederum die Aussagen von Reichardt. Selbst NSDAP-Frontmann Uebelhoer (Naumburg) erinnerte sich ausnahmsweise an nationalsozialistische Parolen, die Paul Hinkler in den Saal rief. Die mit Spannung erwartet Vernehmung des Zeugen Dr. Schweriner (SPD) verlief ruhig. Ob Hinkler in gesetzmässig verbindlicher Form zum Verlassen des Saales aufgefordert wurde, konnte allerdings nicht abschliessend geklärt werden. Der Staatsanwalt geisselte das Verhalten des Provokateurs. Aber die Anklage wegen Rädelsführerschaft und Ausübung von Gewalttaten muss fallen gelassen werden. Zumindest attestiert der kritisch eingestellte Volksbote aus Zeitz dem Staatsanwalt und dem Gericht am 14. November 1931 den Willen zur Aufklärung. Als es sich zur Beratung zurückzog, wirft ihnen Paul Hinkler die Worte hinterher:

"Die Wahl in Preussen kommt jetzt bald. Da hauen wir alles kurz und klein. Da werden wir es den Polizeilumpen zeigen." (Nazi-Hinkler)

Die Richter verurteilen den Angeklagten wegen Hausfriedensbruch zu einem Monat Gefängnis. Von der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe für Hausfriedensbruch von drei Monaten nahmen sie Abstand, weil der Delinquent nicht vorbestraft war.

Rechtsanwalt Friedrich (Freyburg) legt am 16. November 1931 gegen dieses Urteil Widerspruch ein.

In seiner Berufungsrechtfertigung zum Urteil vom 12. November vermerkt der Oberstaatsanwalt am 2. Dezember 1931: „Der Angeklagte hat durch sein Verhalten allein Unruhe in die Versammlung gebracht, die bis zu seinem Erscheinen in völliger Ordnung verlief. Er ist auch als der geistige Verursacher der sich später entwickelnden Schlägerei anzusehen, bei der mehrere Personen erhebliche Verletzungen erlitten.“ Er plädiert für die Höchststrafe von drei Monaten.

Den nächsten Schachzug macht Hinkler am 11. Dezember 1931, indem er Rechtsanwalt Roland Freisler (1893-1945) mit seiner Vereidigung beauftragt. An die Naumburger Zeit denkt er gerne zurück. Am 22. März 1936 hält der berüchtigtste Strafrichter des Dritten Reiches im Ratskeller zu Naumburg einen Propaganda-Vortrag. Parteigenosse und Reichsbanhnbetriebsleiter Georg Gerhardt (Horst-Wessel-Siedlung 19) begrüßt Herrn Staatssekretär mit einem Fanfarenzug, begleitet von Sprechchöre der NAPOLA. In sieben Tage sind Reichstagswahlen. Von August 1942 bis April 1945 ist Roland Freisler Präsident des Volksgerichtshofes und verantwortlich für Tausende Todesurteile gegen den nationalsozialistischen Widerstand. 1932 nimmt der Rechstanwalt von der Kanzlei Roland & Oswald Freisler (Kassel) erstmal einige Übungsstunden in Naumburg. Seine Zeugen sagen aus, argumentiert er im Brief vom 21. Januar 1932 an das hiesige Gericht, dass Hinkler das Schützenhaus nach Aufruf durch den Versammlungsleiter nicht verlassen konnte, weil er dicht von Menschen umringt war. Heirzu sind nachstehende Zeugen vorzuladen: Bornscheidt, Arbeiter Karl Becker (Marienstraße), Kraftfahrzeugführer Fritz Wesing, Fritz Westfal und Bürovorsteher Bauer (Freyburg).

Anfang Dezember ermittelt der Naumburger Oberstaatsanwalt mit Hilfe des Polizeipräsidiums Halle Hinklers Aufenthaltsort, der jedoch inzwischen nach Potsdam (Helmholtzstraße 8) verzogen war. Am 25. Januar 1932 benachrichtigt Paul Hinkler den Oberstaatsanwalt in Naumburg, dass er den vorgesehenen Termin am 10. Februar nicht wahrnehmen kann, weil am 11. Februar wichtige Etatberatungen im Landtag auf der Tagesordnung stehen, wozu er mit der Vorbereitung beauftragt wurde. Die Verhandlung wird abermals verschoben. Und zwar auf den

13. April 1932.

Dazu werden seine zwei Verteidiger Friedrich und Freisler, der Angeklagte und acht Zeugen vor das Landgericht Naumburg geladen. Auch diese Verhandlung wird nach einem Einwand von Rechtsanwalt Friedrich vertagt. In einem Brief an die Strafkammer des Landgerichts Naumburgs vom 7. April 1932 weist er darauf hin, dass der Preußische Landtag vom 9. bis 12. April zusammentritt.

Hinkler persönlich bestätigt dem Oberstaatsanwalt von Naumburg am 2. April 1932 den Erhalt der Vorladung zum 13. April und entgegnet ihm sogleich, dass ab 16. April die öffentliche Wahlarbeit für die Preußische Landtagswahl am 24. April beginnt, weshalb er unabkömmlich sei, zumal er für die Wahlkundgebungen in Ostpreußen vorgesehen ist.

Verteidiger Roland Freisler beantragt am 9. April für seinen Mandanten eine weitere Verschiebung, weil selbiger als Landtagsabgeordneter auf der Liste der NSDAP kandidiert. Schließlich kommt es am

11. Mai

doch noch zur Berufungsverhandlung zum Urteil des Schöffengerichts Naumburg vom 12. November 1931. Die Große Strafkammer des Landgerichts Naumburg unter Vorsitz von Landgerichtsrat Hoepffner und mit Landgerichtsrat Tolle sowie Land- und Amtsgerichtsrat Meyer als Beisitzer, bietet nach Auffassung des Volksboten (SPD, Zeitz) vom 13. Mai 1932, „schon mehr als eine Komödie“. Zugegen sind ausserdem Staatsanwaltschaftsrat Hoffmeister und Freisler als Verteidiger. Schöffe Beyer aus Balgstädt lehnt die Verteidigung ab, weil er „ein großer Schweinehund“, das heißt, SPD-Mitglied ist. Die Parteimitgliedschaft darf hier keine Rolle spielen, wendet das Gericht ein. Trotzdem legt Beyer sein Amt nieder. Wirklich problematisch ist hingegen der Zeuge Bauer als Bürovorsteher des Verteidigers Friedrich aus Freyburg. Anwesende Referendare geniessen auf ihre Art die Gerichtsposse. Ansonsten ist der Zuschauerraum mit Intimfreunden von Hinkler besetzt. Erneut kommt es zur Vertagung der Verhandlung, weil auf Antrag der Verteidigung - also von Freisler - neue Zeugen (Paul Noack, Wilhelm Schwenke, Hermann Schieferdecker) geladen werden sollen und das Gericht glaubt, dies nicht ablehnen zu können. Noch am selben Tag berichtet Oberstaatsanwalt Gorkow (Naumburg) dem Preußischen Justizminister (Berlin W 8, Wilhelmstraße 64) und dem Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Naumburg über die stattgefundene Verhandlung.

Präsidentenhaus

.

Etwa eine Stunde nach Beendigung der Verhandlung begeben sich Doktor Schweriner und Fritz Brauer vom Schwurgerichtsgebäude (Roonplatz, heute Am Salztor) zum etwa zweihundert Meter entfernten Landgericht, auch Präsidentenhaus genannt, um ihre Zeugengebühren abzuholen. Dort werden sie von den Nationalsozialisten empfangen. „Im Chor stimmten die Nazis unqualifizierbare Laute an, aus denen man nur die Worte

`Hepp, hepp, Jude`

und

`Knoblochschwein`

vernahm. So sehen die Erneuerer Deutschlands in Reinkultur aus!" (VB 13.5.1932) Die Mehrzahl waren Freyburger SA-Leute.

Fritz Brauer beschwert sich am 13. Mai 1932 beim Oberstaatsanwalt am Landgericht Naumburg über die Vertagung der Strafsache Hinkler, des Weiteren über die Verteidigung, die darauf bedacht war, Dr. Artur Schweriner als Zeugen auszuschalten. Bezeichnend, dass in der Berufungsverhandlung der Bürovorsteher von Hinklers Verteidiger aus Freyburg geladen wird.

Wie zu erwarten, beantragt die Verteidigung von Hinkler am 3. Juni 1932 bei der Großen Strafkammer des Landgerichts Naumburg für die nunmehr auf den 8. Juni 1932 angesetzte Hauptverhandlung erneut eine Vertagung. Sein Mandant ist als Geschäftsführer der stärksten Landtagsfraktion, „also wichtigsten Fraktion“, in die parlamentarische Arbeit eingebunden, teilt Freisler mit. Demnächst stehen wichtige Aufgaben an:

„a) Dem Landtag liegt ein Antrag der NSDAP auf Erlass eines Amnestiegesetzes vor, wie aus anliegender Landtagsdrucksache ersichtlich. Das Gesetz befindet sich, wie der Unterzeichnete pflichtgemäß versichert, in Ausschussberatung. Nach den Mehrheitsverhältnissen ist bestimmt mit der Annahme zu rechnen.

b) Dem Landtag liegt ein Antrag der NSDAP auf Einstellung aller Verfahren gegen Abgeordnete vor. Auch dieser Antrag befindet sich bereits in der Ausschussberatung. Nach den Mehrheitsverhältnissen ist mit der Annahme bestimmt zu rechnen.“ (Freisler)

Die für den 8. Juni 1932 geplante Verhandlung wird vertagt.

Der später als Gauleiter von Brandenburg (1936-1936) und Generalkommissar für Weißruthenien (1941-1943) eingesetzte Wilhelm Kube (1887-1943), Paul Hinkler und die übrigen Mitglieder der Fraktion der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei bringen am 24. Mai 1932 den Urantrag Nummer 4 in den Preußischen Landtag ein:

Entwurf eines Gesetzes
über die Gewährung von Straffreiheit.

Laut Paragraf 1 können für Straftaten, die „vorwiegend aus politischen Beweggründen begangen worden sind“, Strafen erlassen oder verringert werden. Das Parlament beschließt das Gesetz am 3. Juni 1932 als Drucksache Nummer 146. Darauf teilt der Preußische Justizminister am 8. Juni 1932 dem Oberlandesgerichtspräsidenten und dem Generalstaatsanwalt in Naumburg mit, dass das Verfahren gegen Paul Hinkler einzustellen ist und ersucht sie, „über das Geschehene zu berichten“.

Der Prozess gegen Paul Linker ist ein historisches Lehrstück über die Grenzen des Rechts bei der Verfolgung der nationalsozialistischen Bewegung in Preußen vor 1933.

 


Versuch einer historischen Einschätzung

Trotz seiner Schuld für die Gewalttätigkeiten im Schützenhaus von Freyburg, kann sich Paul Hinkler einem Gerichtsurteil weitgehend entziehen.

Der Gauleiter betritt den Saal, als Doktor Artur Schweriner fast am Ende seines Referats angelangt ist. Folglich konnte er die hier im Einzelnen gegen den Nationalsozialismus vorgetragenen Argumente nicht gehört haben. Eine sachliche Diskussion war damit nicht möglich, richtiger gesagt, überhaupt nicht geplant. Ebenso bezeugt die Aufbietung der SA oder das Eindringen von SPD-Gegnern durch das hintere Fenster in den Saal des Schützenhauses, dass der NSDAP-Führer mit seinen Mannen nicht kam, um mit den Sozialdemokraten (oder gar Kommunisten) politisch zu streiten. Sein Ziel war die Desavouierung der SPD-Versammlung, was die Richter unzureichend würdigten.

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold Ortsgruppe Naumburg übernahm, und wie aus anderen schriftlichen Dokumenten bekannt, unterstützt von KPD-Mitgliedern und Sympathisanten, mit etwa 150 Mann die Sicherung der Versammlung im Schützenhaus. Schwarz-Rot-Gold schützte das demokratische Recht der Versammlungs- und Redefreiheit. Das tat es so wirkungsvoll, dass der NSDAP-Gauführer darüber in einen Tobsuchtsanfall geriet und - verbürgt durch die Aussage vom Freyburger Bürgermeister Paul Schäfer - schrie: „Die Kerle schlagen wir noch tot, die hängen wir noch auf.“ Vor Gericht wird dies allerdings nicht erörtert.

Paul Hinkler und andere NSDAP-Mitglieder ergehen sich an diesem Abend in zutiefst unhöflichen und unfreundlichen Äußerungen gegenüber dem Referenten. Mehr noch, wie sie den Juden Artur Schweriner im Schützenhaus herabsetzen, demütigen und beleidigen, gehört moralisch zu den schändlichsten Ereignissen der Stadtgeschichte von Freyburg. Hervorzuheben ist deshalb, dass Staatsanwalt Kessler den Antisemitismus der NSDAP-Leute klar benennt. Theologiestudent Giessler durfte vor dem Naumburger Gericht die unsäglichen Hasstiraden von Adolf Hitler auf die Juden repetieren, um Verständnis für seine emotionale Reaktion auf Doktor Schweriner einzuwerben. Immerhin moniert Staatsanwalt Kessler nicht nur den Antisemitismus der Nationalsozialisten, sondern er hält bis zum Schluss strikt an Hinklers Verantwortung für die Gewalttätigkeiten im Schützenhaus fest. Das ist bemerkenswert. Natürlich geben Gerichtsunterlagen über die Person des Staatsanwalts keine Auskunft. Andere Dokumente oder Hinweise zu ihm sind bisher leider nicht auffindbar. Man wüsste gern mehr über ihn, und obendrein, warum er die Ermittlungen zum Überfall der Nationalsozialisten auf den Spechsart-Konsum im Februar 1931 nach zwei Monaten einstellte und warum der Tatbestand des Landfriedensbruchs nicht erhoben werden konnte.

Im Ganzen sind die Schützenhaus-Prozesse Ausdruck der Parteinahme der Naumburger Justiz für die Nationalsozialisten. Nur ein kleiner Teil der Naumburger Öffentlichkeit erkennt und kritisiert dies. Ansonsten übertönt der Beifall für die Nationalsozialisten den politischen Skandal.  nach oben

 

 

[c] Cuvelier-Prozess I und II (1930)  nach oben
Justiz im Sog von Nationalhass

Akteure
Bürger: Die Mitglieder der französischen Schwimm-Nationalmannschaft Bankkaufmann Henry Cuvelier und Herr Tribouillet. Ein Pariser Polizeiinspektor, als Leiter der französischen Mannschaft. Aus Zeitz: Hildtrud Hösel, 19 Jahre, und ihre Freundin Erna Seeger, 17 Jahre, wohnhaft Weißenfels. Kaufmann Hans Wolkersdörfer, NSDAP-Ortsgruppenführer Zeitz, Zeuge Walter Hartmann, 26 Jahre, Schlosser, Kaufmann Otto Schröder, 29 Jahre [nicht zu verwechseln mit Kurt Schröder Inhaber der Firma Richard Schröder, Zeitz, Neumarkt 40], Dynssen, entlassener Katasterbeamter, Erich Schulenburg, 23 Jahre, Arzt Doktor Kaiser, Zeuge Döbel, 19 Jahre alt, Kaufmann Siegfried Fürst, Dolmetscher im Cuvelier-Prozess I. Die Bürger Enff und Scheibe aus Zeitz, Zeugen im Cuvelier-Prozess II. Kritische Öffentlichkeit der Stadt Zeitz: Teilnehmer der Protestkundgebung vom 10. Juli 1920. Stadtrat Richard Dietrich, SPD-Reichstagsabgeordneter Albert Bergholz, SPD-Reichstagsabgeordnete Toni Pfülf, München. Juristen der Stadt Zeitz kritisieren
am 11. Juli 1930 in den "Zeitzer Neueste Nachrichten" formale Mängel der Prozessführung. Zeitzer Gewerkschaftsmitglieder unterstützen öffentlich den SPD-Aufruf zur Proteskundgebung im Preusssischen Hof. Justiz: Amtsgericht Weißenfels, Landgericht Naumburg, Oberlandesgericht Naumburg, Preusssisches Justizministerium, Gerichtsassessor Dr. Schulz, Landgerichtsrat Lohmeyer, Landgericht Naumburg, Oberstaatsanwalt Kessler (Cuvelier-Prozess I), Naumburg. Oberstaatsanwalt Dr. Rogivue (Cuvelier-Prozess II), Naumburg. Justizsekretär Hauck vom Amtsgericht Weißenfels. Verteidiger Rechtsanwalt Doktor Blume (Leipzig). Verteidiger Rechtsanwalt Doktor Hein (Zeitz) als Vertreter des Nebenklägers Otto Schröder. Gutachter: Pathologe Professor Dr. Richard Kockel, Direktor des Instituts für gerichtliche Medizin, Universität Leipzig. Dr. Friedmann, neuromanische Sprachen, Universität Leipzig. Institutionen: Schwimmverein Zeitz, Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Löffler, Botschaft der Republik Frankreich in Deutschland, Aussenministerium von Frankreich und Deutschland, Schwimmverbände, Polizei Zeitz mit den Kriminalbeamten Engelmann und Eck. Parteien: SPD, KPD, NSDAP. Presse: Besonders der Volksbote (Zeitz), die Zeitzer Neueste Nachrichten und die NSDAP-Wochenzeitung Der Kampf.

 

1930: Schwimmwettkampf im Sommerbad von Zeitz (Verlag Carl Cramer 1930)

250 000 respektable Reichsmark kostete der Stadt Zeitz, dass am 1. Juli 1928 eingeweihte Sommerbad, modern und grosszügig gestaltet, mit Nichtschwimmer- und Planschbecken, Rutsche und Zehnmeterturm ausgestattet. Im 50-Meter-Becken messen am 6. Juli 1930 hier Schwimmer aus Deutschland und Frankreich ihre Kräfte. In 9:46 Minuten gewannen die Deutschen die Vier-mal-200-Meter-Freistilstaffel vor den Gästen mit 9:50 Minuten und 5 Zehntelsekunden. Das Wasserballspiel endete 5:2 für die Gastgeber. Erstaunlicherweise bestand der Länderkampf lediglich aus diesen zwei Disziplinen. Um ein Vielfaches größer könnte seine Wirkung zur Demobilisierung des Feindbildes zwischen den verfeindeten Nationen ausfallen, wenn, ja wenn, da nicht die Nationalsozialisten, Völkischen, Deutschnationalen, Stahlhelmer, Jungdeutschen und Wehrwölfe mit ihren Anhängern wären. Für sie und die deutschtümelnden Schlagringhelden bereitete NSDAP-Ortsgruppenführer Zeitz Hans Wolkersdörfer in der Wochenschrift Der Kampf den  politischen Echoraum vor, wo es heißt:

"Der sich bürgerlich und national nennende

Schwimmverein Zeitz

schlägt schon seit Monaten Purzelbäume vor Freude, dass er die sonderbare Ehre hat, die Vertreter des hasserfüllten, rachsüchtigen und hinterlistigen Franzosen begrüssen zu dürfen. -- -- Wir betrachten es als eine nationale Schande, dass wir Vertreter einer Nation unter uns haben werden, deren wildgewordene Soldaten in unserem Vaterland mitten im Frieden tagtäglich Mord, Totschlag, Sittlichkeitsverbrechen, Raub und gemeinste Mißhandlung begangen haben. - - Deutsche Frauen und Männer, insbesondere deutsche Jugend, zeigt den Vertretern dieser verruchten französischen Nation, das eine innere Annäherung unmöglich ist. - - Wir Nationalsozialisten hassen Vertreter dieser Verbrechernation, wie man nur hassen kann!"

Der Ortsgruppenführer ist zugleich Geschäftsführer der NSDAP-Fraktion im Provinziallandtag. Deshalb erscheint es nicht abwegig anzunehmen, dass die Nazi-Größen der Provinz Sachsen über den Länderkampf in Zeitz auf die eine oder andere Weise Absprachen trafen. Inklusive pangermanischer Attitüden mobilisieren sie das Feindbild von 14/18. Mit dem Erbfeind Sport zu treiben, erscheint ihnen als eine große Schmach. Vor aller Welt gerieren sie sich damit als schlechte Gastgeber.

Und das kam so.

Hildtrud Hösel, 19 Jahre, ist am Abend des 6. Juli in den Preußischen Hof von Zeitz eingeladen. Zu Ehren des Länderkampfes richtet hier der französische Schwimmverband ein Bankett aus. Den genauen Grund für die ihr erwiesene Gunst, kennen wir nicht. Vielleicht half die Neunzehnjährige den Sportsleuten bei der Vorbereitung des Wettkampfes. Als Entree zu diesem Abend gab es wie üblich kurze, freundliche Redebeiträge. Daran schloss sich das Festessen, die gemütliche Unterhaltung und das Tanzvergnügen. Hildtrud Hösel walzte und trippelte vorzugsweise mit dem Mitglied der französischen Delegation Henry Cuvelier durch den Saal, während ihre Freundin Erna Seeger, 17 Jahre, seinen Sportskameraden Tribouillet bevorzugte. Zu fortgeschrittener Stunde verließen die Vier gemeinsam den Saal. Frau Hösel wohnte in Zeitz und ihre Freundin in Weißenfels. Die Zeitzerin konnte die Wegführung übernehmen.

 

Ausbruch von Nationalhass

Zeitz, Rothestrasse, 1959 (Postkarte)

Es ist Sommer. Jung sind sie, Hiltrud Hösel, Erna Seeger und ihre netten, zuvorkommenden französischen Tanzpartner. Sie machten sich auf den Weg durch Zeitz. So wie es war, war es richtig, gut und schön, bis die Nazis und Kombattanten, besessen vom reinem Deutschtum und durchseucht von der Erbfeindschaft, sie anpöbelten. Am Ausgang der Wendischen Strasse merkten die Vier, dass sie verfolgt wurden. "Da sind ja welche von den Franzosen!", schallte es zu ihnen herüber. Einstweilen beachteten sie das nicht weiter und setzen ihren Weg fort. Irgendwann blieben die Zurufe seitens der Frauen nicht mehr unbeantwortet. Sie hörten darauf: "Ihr Franzosenhuren, ihr Säue!" Schulenburg, NSDAP, wird dann vor Gericht sagen:

"Wir haben uns geärgert, dass deutsche Mädchen mit Franzosen spazieren gingen und haben unsern Herzen Luft gemacht." (VB 9.7.1930)

Schließlich kam es gegen zwei Uhr nachts in der Wendischen Straße vor dem Hotel "Sächsischer Hof" zum Tohuwabohu. Zwei Personen traten aus dem Pulk heraus, packten die Mädchen und sagten: "Ihr dürft nicht mit den Franzosen gehen!" Bald trat der sechsundzwanzigjährige Schlosser Walter Hartmann hinzu und versuchte unter Einsatz seiner Sprachkenntnisse den Franzosen klar zu machen, dass sie sich von den Mädchen trennen sollen. "Lasst doch die Sportsleute in Ruhe! Die haben doch mit Politik gar nichts zu tun!", bat er die aufgebrachte Gruppe. "Sofort sind die Nazis über ihn hergefallen", schildert am 9. Juli der Volksbote (Zeitz) diese Szene, wofür er Worte erntete wie: "Du kriegst auch gleich eine mit." Dynssen stiess ihn mit der Faust so an die Brust, dass er mit dem Rücken leicht gegen die Wand kippte. Hartmann entfernte sich und holte die Polizei.

Die Vier nutzten diesen Moment und rannten, so schildert es der Volksbote (9.7.1930), bis zum Schillerplatz, bogen in die Altenburger ein, und versuchten, in die Liebknecht Straße abwärts zu verschwinden. Am Schützenplatz, Ecke Liebknechtsrasse und Schiessgrabenstrasse, stellte und umzingelte sie die wilde Meute von etwa zehn Personen mit ihrem Anführer Erich Schulenburg.

Jetzt mischt sich der neunundzwanzigjährige Otto Schröder aus Zeitz ein. An ihm und seinem Bruder Max hegt Hildtrud Hösel keine guten Erinnerungen. Im Mai des letzten Jahres gestattete sich die Zeitzerin zusammen mit ihrer Freundin Strübing den Besuch in der Wilhelmshöhe, einem beliebten Ausflugslokal mit nebenliegenden Park. Zeitgleich betrat zufällig Otto Schröder in Begleitung seines Bruders Max die Gaststätte. Flugs halfen die Brüder den Damen, die sie flüchtig kannten, an ihren Tisch. Nach etwas Unterhaltung und Tanz brachen die Herren zusammen mit Fräulein Hösel und ihre Freundin zum Nachtspaziergang auf. Voraus Otto Schröder mit Fräulein Strübing. Bruder Max folgte in seiner Spur mit Fräulein Hösel. Aus Takt und Anstand scheute sich die Presse den weiteren Ablauf darzustellen. Vater Hösel erstattete wegen versuchter Vergewaltigung Anzeige gegen Max Schröder. Bis heute ruht sie bei der Polizei in Zeitz. Über die Bilanz des Tanzabends mit den Gebrüdern Schröder im letzten Jahr unterrichtet am 8. August 1930 der Vorwärts (Berlin) die Öffentlichkeit: "Fräulein Hösel hatte von ihrem Kavalier einen Faustschlag ins Gesicht erhalten, der ihre Zähne lockerte, hatte im Ringkampf sich den rechten Fuss verstaucht und sich nur mit Mühe retten können."

Jener Otto Schröder mimt jetzt den Maître de Plaisir. Seine beste Zeit hatte er in dieser Nacht bereits hinter sich, nämlich, als er, wie sich später herausstellte, mit seinen Kumpanen Schulenburg in der Gaststätte Wilhelmshöhe in Zeitz zechte. Jetzt schlägt er vor, um weitere Reibereien zu vermeiden, die Franzosen sollten sich von den Frauen trennen. Zufällig kam der Kaufmann Erwin Homberg mit dem Kraftwagen daher. Nach einigen hin und her, sagt Schröder, er wäre bereit, die Franzosen mitzunehmen. Mit Hilfe eines Dolmetschers, forderte er die Franzosen auf bei Homberg einzusteigen. Dazu verspürten Henry Cuvelier und sein Sportkamerad keine Lust. Wenn ihm später der Richter für die vermeintliche Angriffshandlung kurzerhand ein Eifersuchtsmotiv unterstellt, erscheint dies tiefenpsychologisch überambitioniert. Vielmehr dürfte dem Mittelstürmer der französischen Wasserball-Nationalmannschaft bereits der Eingriff in seine Privatsphäre nicht gefallen haben. Warum muss sich ein junger, ehrenhafter Mann so herablassend behandeln lassen? Schröder gelang es, die zwei jungen Frauen zu bewegen, ihren Weg allein fortzusetzen. Kurz darauf schrie er urplötzlich auf:

"Ich bin gestochen worden!"

Zeitz, Wasservorstadt
Postkarte um 1920

Sofort bricht ein riesiger Tumult aus. Die Menge hält Cuvelier für den Täter, bedrängt und bedroht ihn. Aufgrund dessen nahm ihn die Polizei fest und führte ihn zur Wache. Bald darauf traf hier völlig ausser Atem der Nationalsozialist Erich Schulenburg ein und überreichte den Beamten ein Messer, dass er und Zeuge Döbel auf der Straße liegend entdeckt haben wollen.

Anzumerken bleibt, dass die in den verschiedenen Quellen überlieferte Beschreibung des Tatvorgangs hinsichtlich der handelnden Hauptpersonen und Zeitangaben übereinstimmen. Indessen will die genaue örtliche Zuordnung einzelner Szenen nach dem Frau Hösel und Frau Seeger den Preußischen Hof verlassen haben, nicht logisch widerspruchsfrei gelingen. Unstrittig bleibt dabei, dass es vor dem Sächsischen Hof zum Tumult kam und gemäß der Darstellung des Volksboten (Zeitz) vom 9. Juli 1930 am Schützenplatz, Ecke Liebknecht- Schiessgrabenstrasse, Otto Schröder am Arm verletzt wurde.

 

Cuvelier-Prozess I

Darüber gerät Zeitz noch am selben Tag in helle Aufregung. Eindrucksvoll beschreibt sie der hiesige Volkbote: Wilde Gerüchte schwirren durch die Stadt. "Die Nazis haben die Franzosen überfallen! Nein! Die freien Turner haben ein Mädchen gerettet, das die Franzosen vergewaltigen wollten. Quatsch! Harmlose Spaziergänger sind von den Franzosen bedroht und niedergestochen worden! Immer toller, immer blühender wird der Unsinn." Dann endlich die Nachricht, Morgen schon ist Gerichtsverhandlung.

Zeitz, Amtsgericht,
Postkarte Ottmar Zichcher München, etwa 1925

Unter Vorsitz von Gerichtsassessor Doktor Schulz beginnt am

Dienstag,
den 8. Juli, 9 Uhr,

im Zeitzer Amtsgericht auf dem Herzog-Moritz-Platz das

Verfahren in der
Strafsache Cuvelier.

Oberstaatsanwalt Doktor Kessler erhebt Anklage wegen Verletzung von §§ 223 und §§ 223a des Strafgesetzbuches. Unter den Gästen befinden sich Reporter der "Zeitzer Neueste Nachrichten" (ZNN) und vom "Volksboten" (VB), der SPD-Zeitung für die Kreise Zeitz, Weißenfels und Naumburg.

Der Richter ruft als Hauptzeugen den Kaufmann Otto Schröder aus Zeitz auf. Der erklärt, vom Franzosen Henry Cuvelier misshandelt und durch einen Messerstich verletzt worden zu sein. Erstaunlicherweise blieb die Herkunft der Tatwaffe immer ungeklärt. Trotzdem wog für den Richter die Aussage des Zeugen Schröder schwer, zumal sie durch Bekundungen anderer Personen gestützt wurde. Als problematisch erwies sich der Umstand, dass der Angeklagte als die Tat geschah, alleine war, das heißt er hatte sich in diesem Moment etwas von seinen Begleitern gelöst.

Jedenfalls geriet Henry Cuvelier, geboren am 1. Juni 1908 zu Tourcoing in Nordfrankreich, Bankbeamter, Mitglied der französischen Schwimmer-Nationalmannschaft, unter Verdacht, Otto Schröder mit dem Messer am Arm verletzt zu haben. Nach Aussage des Arztes Doktor Kaiser handelte es sich dabei um eine leichte Fleischwunde.

Henry Cuvelier tritt mit der Aura eines guten Leumundes vor Gericht. Er bestreitet die Tat, worin der Staatsanwalt ein hartnäckiges Leugnen erkennt. Die Übersetzungstätigkeit für den Angeklagten, was im zweiten Prozess noch einmal ausführlich zur Sprache kommt, wies deutliche Mängel auf. Nach dem Schlusswort des Oberstaatsanwalts stellt der Angeklagte die Frage: "Was soll ich darauf erwidern, ich habe ja von allem nichts verstanden." (ZNN 11.7.1930) Das Urteil lautet: Vier Monate Gefängnishaft. Daraufhin durchweht den Gerichtssaal eine "ungeheure Erregung" (VB 9.7.1930).

 

 

 

In der demokratischen und gastfreundlichen, gegenüber Frankreich unvoreingenommen Öffentlichkeit, stösst das Urteil auf Kopfschütteln, Unverständnis, Empörung und Zorn. Den Nationalsozialisten und ihren Helfershelfern war es gelungen, den sportlichen und freundschaftlichen Geist des Länderkampfes zu beflecken. Sofort nach Beendigung der Gerichtsverhandlung lässt der Leiter der französischen Schwimm-Mannschaft, ein Pariser Polizeiinspektor, verlauten, dass er die heimatliche Presse über das Urteil informiert. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Urteils interveniert die französische Botschaft bei der Reichsregierung in Berlin und beim Oberbürgermeister der Stadt Zeitz. Das französische Außenministerium und die Sportverbände laufen Sturm gegen das Cuvelier-Urteil. So registrieren die Zeitzer Neuesten Nachrichten bereits am 11. Juli, dass der Urteilspruch "in der französischen Presse grosses Aufsehen erregt" hat. Als Ursache für die feindliche Einstellung des Richters, nennt sie oft den Pangermanismus. Ebenso verurteilen mit scharfen Worten die Unfreundlichkeit gegenüber den ausländischen Gästen der Zeitzer Volksbote, die Zeitzer Neueste Nachrichten und die Leipziger Volkszeitung. "Man schämt sich als Deutscher dieses Urteils", summiert am 10. Juli 1930 Der Abend (Berlin) die Gefühlslage, "man schämt sich dieser Justiz, man schämt sich über alles dieser deutschen Gastfreundschaft". - - Schröder verlangte nach der turbulenten Nacht, in der er den Stich empfing, meldet der Vorwärts (Berlin) am 8. August 1930von dem Zeitzer Schwimmverein eine Entschädigung von 1200 Mark.

Henry Cuvelier legt gegen das Urteil bei der kleinen Strafkammer am Landgericht Naumburg Berufung ein. Den Nachrichten aus der Welt des Sports ist zu entnehmen, dass er am 14. Juli 1930 beim Wasserballspiel Frankreich gegen Ungarn mitspielte.

 

Gegen Nazistrolchewismus! Volksbote, Zeitz

Nationalisten bedrängten und behandelten den französischen Sportler unwürdig. Die berüchtigten Raufbolde und anmassenden Oberlehrer der Nation verschwinden unbestraft. Das soll nicht so bleiben. Zeitzer Sozialdemokraten ergreifen die Initiative.

 

 
Volksbote. Zeitz, den 9. Juli 1930

 

Die SPD ruft am 10. Juli zur Kundgebung in den Preußischen Hof in Zeitz auf. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn kann der grösste Saal der Stadt keine Gäste mehr aufnehmen. Hunderte harren vor dem Eingangsbereich aus. Erschienen sind Sportler, Gewerbetreibende, Geschäftsleute und Arbeiter. Im Saal ist die Entrüstung über den Umgang mit den französischen Gästen zu spüren. Stadtrat Richard Dietrich begrüsst die Gäste. Dann erhält Albert Bergholz das Wort. In dieser Stunde, sagt er, kommt es nicht auf die Unterschiede und Differenzen zwischen den bürgerlichen Sportvereinen und dem Arbeitersport an. Entscheidend ist, dass beide Richtungen das Rowdytum und die Schändung des Gastrechts verurteilen. Und darüber bestand zumindest hier im Saal Einigkeit. "Die Milde der Justiz", moniert der SPD-Reichstagsabgeordnete, "ist geradezu ein Freibrief für die Frechheiten der Nazis, ihre Aktionen seien nur

Felddienstübungen für den Bürgerkrieg.

Das Versagen der Justiz, sei - neben der Passivität des Bürgertums - die Ursache, dass dieser Mob sich so ausbreiten konnte."

Preußischer Hof, Zeitz,
Postkarte um 1925

Dann erörtert die SPD-Reichstagsabgeordnete Genossin Toni Pfülf (1877-1933) weitere Gesichtspunkte des Zeitzer-Urteils, was sich gut an die vorangegangene Rede fügte. "Anerkennenswert ist", sagt sie, "wenn bürgerliche Sportler den Grenzenwahnsinn überwinden." "Deutschland muss sich wieder in den Weltmarkt hineinstellen ...." Engstirniger nationaler Hass ist dabei nur hinderlich. Es geht heute zu dieser Kundgebung nicht nur um die Stadt Zeitz, "sondern um die Achtung des deutschen Staates draussen in der Welt!" - - Toni Pfülf überwand den Zusammenbruch ihrer Partei nach dem 5. März 1933 nicht und starb einige Wochen nach der Reichstagssitzung vom 17. Mai mit der aussenpolitischen Rede von Adolf Hitler, der sie fern blieb, in ihrer Münchner Wohnung an den Folgen der Einnahme von Gift (Hoegner 1977, 207).

Alle Redner bedachten die Teilnehmer mit viel Beifall.

Abschließend verließt Stadtrat Richard Dietrich die Entschließung zur  Protestkundgebung:

"Die von der SP. einberufene, überfüllte Massenversammlung der Zeitzer Bevölkerung verurteilt auf das Entschiedenste den gemeinsamen Überfall der Nationalsozialisten auf die französischen Sportler, die als Gäste in den Mauern unserer Stadt weilten. Die Zeitzer Einwohnerschaft hat nichts gemein mit diesem politischen Janhagel, und bekennt sich zur Politik der Völkerverständigung in Wort und Tat. Deshalb bedauert auch die Massenversammlung dieses unhaltbare Urteil und erwartet seine beschleunigte Korrektur." (VB 11. Juli 1930)

Der Text wurde einstimmig angenommen.

Der rechtsstaatlich, humanistisch oder auch nur gastfreundlich gesinnte Teil der Zeitzer Öffentlichkeit widersetzte sich im Juli und August 1930 in demokratischer Art den Hakenkreuzurteilen der Naumburger Justiz.

 

Cuvelier-Prozess II

Am 1. August 1930 tagt die kleine Strafkammer des Landgerichts Naumburg im Amtsgericht Weißenfels unter Vorsitz von Landgerichtsrat Lohmeyer. Der Raum ist nicht gross. An Öffentlichkeit scheint man nicht interessiert. Jetzt vertritt Oberstaatsanwalt Doktor Rogivue von der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Naumburg die Anklage. Es wird gemunkelt, dass Justizministerium habe bei der Besetzung des Gerichts seine Hand im Spiel. Das Gericht wendet sich eingehnd dem Hergang der Tat zu und bewertete einzelne Momente neu. Bald kamen dabei einige Mängel des Schellverfahrens zum Vorschein. Zum Beispiel, dass dem Franzosen, der des Deutschen völlig unkundig, kein Dolmetscher zur Verfügung stand. Von der dreiviertelstündigen Anklagerede des Oberstaatsanwalts Kessler, wurde ihm nur der auf sechs Monate Gefängnis lautende Strafantrag übersetzt. Kein Verteidiger für den Angeklagten, moniert der Volksbote (Zeitz) vom 9. Juli 1920. Daran schliessen sich nahtlos die Bemerkungen der Arbeiter-Zeitung aus Wien an. Das Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Österreichs lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass der Amtsrichter, der den ersten Prozesses leitete, überhaupt nicht die Kompetenz besass, um über einen solchen Fall zu judizieren. Ähnlich verhielt es sich mit der Anklage, vertreten damals von Oberstaatsanwalt Kessler am Landgericht Naumburg. Er versagte Cuvelier jede mildernde Umstände, weil jener ein Geständnis verweigerte, und wartete mit einem Antrag von sechs Monaten Haft auf.

Schlussendlich betrachtete es das Gericht mit Landgerichtsrat Lohmeyer jetzt als erwiesen, dass die zwei französischen Sportler in Begleitung der jungen Zeitzer Frauen dauernd verfolgt und mit Ausrufen, wie "Für euch französischen Schweine ist der Fahrdamm gut genug!", angepöbelt wurden.

Freilich belasteten im ersten Prozess am 8. Juli den französischen Angeklagten verschiedene Zeugenaussagen. Doch es änderte wiederum nichts daran, dass am Messer kein Blut zu finden war. Und die Kripo, das ist amtlich, fand keine anderen Spuren. Außerdem stellte sie nach eingehender Untersuchung fest, dass ihnen das als Messer von Couvelier übergebene Instrument einen fehlerhaften Mechanismus aufwies und deshalb nur mit großer Mühe sowie zeitlicher Verzögerung geöffnet werden konnte, also als Tatwaffe praktisch nicht geeignet war. Vielleicht ist aber der Schwimmer den ganzen Abend mit geöffnetem Messer umhergelaufen?

Aufschlussreich war besonders folgende Szene:

"[Zeuge] Schröder erzählt zunächst, wie er immer vergeblich versucht habe, zu schlichten. Als es ihm schliesslich gelungen sei, die Mädel zum Nachhausgehen zu bewegen, sei plötzlich Cuvelier auf ihn zugekommen, habe den Arm gehoben und ihn gestochen. Ein Irrtum sei ausgeschlossen. Der Täter habe einen schwarzen Anzug getragen. Sofort stellt der Verteidiger aus den Polizei-Akten fest, dass Cuvelier sehr helle Hosen getragen habe. Einen schwarzen Anzug hatte Dynssen an. (!)" (VB 4. August 1930)

Henry Couvelier war aus seiner Heimat Tourcoing in Nordfrankreich angereist und wiederholt gegenüber dem Vorsitzenden Landgerichtsrat Lohmeyer seine Aussage aus dem Schnellgerichtsverfahren:

"Ich habe Schröder nicht gestochen. Ich war auf der anderen Straßenseite, als Schröder aufgeschrien haben soll. Den Schrei habe ich nicht gehört. Ein Messer habe ich nie gehabt, ich kann es also auch nicht weggeworfen haben."

Es sind Momente des Geschehens, die in der Beweiserhebung gewürdigt werden müssten. Ohne grössere Schwierigkeiten wäre es möglich gewesen, die Aussage des Angeklagten gründlich zu prüfen. Schröder und die anderen Zeugen, Schulenburg und Dynssen, waren anwesend. Der Umstand, dass der Angeklagte nach eigener Aussage die Straßenseite des Gestochenen nicht betreten hat, spielte in der veröffentlichten Darstellung des Prozesses keine Rolle. Denkbar ist zum Beispiel, dass Schröder die Straßenseite gewechselt hat, was jedoch völlig offenbleibt. Nichtsdestotrotz stellt die Urteilsbegründung die Aussage des Angeklagten infrage, wenn es heißt:

"Der Angriff war beendet, als Couvelier stach, er stach wahrscheinlich aus Ärger, weil man die Mädchen von ihm getrennt hatte." (Kaul 311)

Großen Raum nimmt im Berufungsprozess die Vernehmung der Zeugin Hösel ein. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob versucht wurde, auf sie Einfluss zu nehmen, antwortet sie, einen Brief von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Ortsgruppe Zeitz erhalten zu haben, der die Unterschrift des Vorsitzenden Hans Wolkersdörfer trägt, aus dem nun vor Gericht zitiert wird:

"Sehr geehrtes Fräulein Hösel!
Sie haben in dem Prozess unter Eid ausgesagt, dass Nationalsozialisten die Franzosen beschimpft hätten. Als Führer der Ortsgruppe Zeitz der NSDAP. fordere ich Sie auf, mir die Namen der betroffenen Nationalsozialisten mitzuteilen. Sie haben diese Aussage noch unter Eid gemacht. Wenn sie das nicht können, nehme ich an, dass sie dazu nicht in der Lage sind. Ich werde dann ein Ermittlungsverfahren wegen Falscheides bei der Staatsanwaltschaft einleiten.
gez. Wolkersdorf [richtig: Wolkersdörfer]." 
(Justizsekretär; die Wiedergabe im Volksbote, Zeitz, 2.8.1930, weicht hiervon geringfügig ab.)

"Dieser Nötigungsversuch ruft im Gerichtssaal Proteste hervor," schildert die Leipziger Volkszeitung die Reaktion der Zuschauer, "zumal sein Auslöser im Gerichtssaal sitzt und so tut, als ob ihn die Sache nichts angeht." Trotzdem ließ es der Vorsitzende im weiteren Verlauf der Berufungsverhandlung zu, dass Hans Wolkersdörfer, geboren am 19. Juni 1893 in Petersgmünd, vor den eigentlichen Bänken des Zuschauerraums herumlümmelte, sich mit seinen Nachbarn unterhielt und hämische Bemerkung machte. (Kaul 1988, 307) Der Herr neben ihm begibt sich sofort nach der Aussage von Frau Hösel hinaus auf dem Korridor und tritt dort mit nationalsozialistischen Zeugen in Verbindung, um ihnen die neue Lage zu erläutern. Durch Zurufe aus dem Zuschauerraum erhält der Vorsitzende Kenntnis vom Namen des Zeugen. Das Gericht reagiert zögerlich. Nach einer kurzen Beratung verkündet es:

"Der Zuhörer ist der Justizsekretär Hauck
vom Amtsgericht in Weißenfels."

Der Beamte wird vom Vorsitzenden sofort des Saales verwiesen. Es steht unumstösslich fest, dass er versucht hat, dass Urteil des Amtsrichters im Schnellgerichtsverfahren zu beeinflussen. Das Preussische Justizministerium soll umgehend einen Bericht über den Weißenfelser Prozess und speziell über die Rolle von Justizobersekretär Hauck eingefordert haben.

Unter der Überschrift

Justizobersekretär als Nazispitzel,

teilt Der Abend aus Berlin mit: "Seine Beamtenlaufbahn, dürfte damit wohl beendet sein, denn das förmliche Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Dienstentlassung wird, wie wir hören, sofort eingeleitet werden."

Aber wieviel Haucks mag es noch geben?, fragt der Volksbote aus Zeitz am 6. August 1930. Ist es nicht an der Zeit, dass der Justizminister im Bezirk des Oberlandesgerichts Naumburg nach dem Rechten sieht? Das scheint angebracht. "Solche für die Republik einfach entwürdigenden Prozeßausgänge sind mit der Zeit derart häufig geworden, dass man sich beinahe schon nicht mehr über sie wundert." "Da haben in Zeitz", empört sich am 10. März 1931 in der Weltbühne (Berlin) Hans Hayn, "vier Nationalsozialisten, drei Gebrüder Scharr und deren Vater, einen Kaufmann namens Preußler überfallen, haben ihn als Lude und seine Braut als Judenhure beschimpft, sind dann über den jungen Menschen hergefallen und haben ihm mit Eichenknüppeln den Schädel eingeschlagen, so daß er nur durch einen glücklichen Zufall am Leben geblieben ist. Dafür bekamen die Scharrs Strafbefehle über je zwanzig Mark!" Diese lehnten sie ab, worauf es zur Neuverhandlung am Amtsgericht in Naumburg kam. Gegen dieses Urteil legte wiederum das preusssische Justizministerium Berufung ein. Endlich stellte dann das Landgericht Naumburg fest, dass aufgrund der Schwere der Tat, nur ein Schöffengericht für die Verhandlung in Frage kommt. Es verurteilte Walter Scharr zu acht, Willi zu fünf und Kurt zu drei Monaten Gefängnis.

Ähnlich mutet der Umgang der Justiz mit dem Nazi-Überfall vom 6. / 7. Juli 1930 in Zeitz auf nächtliche Spaziergänger an.

Beim "stark Nazi-Zeugen verdächtigen" Dynssen (Volksbote), der am Naziüberfall auf die Gaststätte Reichshalle im Jahr 1926 beteiligt war, wo Genosse Windau schwere Verletzungen erlitt, und rechtskräftig wegen Körperverletzung verurteilt wurde, fand man in der Hosentasche Konfetti. Zufällig haftete an dem Messer, dass angeblich Cuvelier gehörte und vom Nationalsozialisten Schulenburg, inzwischen vom Kasteramt Zeitz entlassen, der Polizei übergeben wurde, noch etwas Konfetti. Sollte das nicht aufgeklärt werden?

Oder, verwechselte der Zeuge Otto Schröder in der Dunkelheit, also bei eingeschränkten Sichtverhältnissen, vielleicht die Personen? Meinte er mit Cuvelier vielleicht Dynssen? Das Gericht stellte beide nebeneinander. Eine Ähnlichkeit in der körperlichen Konstitution war nicht zu übersehen. Indes welche Schlussfolgerungen zog das Gericht daraus? Bei den Zuschauern im Gerichtssaal traten zur Prozessführung zunehmend Fragen auf.

Immer heftiger schwankt der Tatvorwurf. Rechtsanwalt Doktor Blume aus Leipzig, Verteidiger des Angeklagten, entgegnete dem Staatsanwalt:

"Es ist ausgeschlossen, dass er den Stich geführt habe." Deshalb muss der Angeklagte freigesprochen werden.

Zumindest bei einem Teil des Publikums verdichtet sich der Verdacht, dass die Beweisaufnahme nachlässig erfolgte. Das Gericht stützte sich vor allem auf die Aussagen von dem durch einen Messerstich verletzten Otto Schröder, was einige Zeugen bestätigten. Zweiffelos ein unbequemer Fakt. Dennoch blieben wirkliche Zweifel, zum Beispiel wie das mit der Tatwaffe war. "Durch keine Tatsache war erwiesen, dass der Angeklagte ein Messer bei sich führte ....", fasst es die Vossische Zeitung aus Berlin am Tag nach der Urteilsverkündung zusammen. Weiter kommentiert sie:

"Wer der Beweisaufnahme aufmerksam gefolgt war, musste zu dem Ergebnis kommen, das hier mindestens ein non liquet [es ist nicht klar] vorliegt, dass nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" der Sportsmann Cuvelier mindestens mangels Beweises freigesprochen werden musste."

Dem Revisionsantrag des Staatsanwalts, der eine Geldstrafe von 300 Reichsmark beantragte, wurde nicht stattgegeben. Obzwar er gestützt auf der Aussage von Schröder an die Schuld von Cuvelier glaubte, brachte sein Antrag zum Ausdruck, dass das Gericht im ersten Prozess die mildernden Umstände nicht genügend gewürdigt hat. Gleichwohl sah es das Gericht weiterhin als erwiesen an, dass Cuvelier auf Schröder brutal einstach, und erklärte, dass die vier Monate Gefängnisstrafe, wie sie die erste Instanz ausgesprochen hatte, keineswegs zu hoch war.

Ebenso wurde die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Zeitz verworfen. Die vier Monate Gefängnis bleiben also weiter rechtsgültig, worauf am 2. August 1930 die Vossische Zeitung kommentiert: "Die ganze Urteilsbegründung beweist, leider eine Verkennung der Sachlage". Als Vorsitzender Lohmeyer das Urteil nach einstündiger Beratung gegen 8 Uhr abends verkündetet, herrschte beim Publikum ein Mix aus Unmut, Verbitterung und Verärgerung. Denn man hatte sehr wohl mit einem milderen Urteil gerechnet. Der zweite Gerichtsskandal im Fall Couvelier war perfekt!

".... dieses Urteil, das nicht nur Empörung in der Arbeiterschaft, sondern auch in den weitesten Kreisen des Bürgertums auslöst, ist nur aus dem Naumburger Milieu zu erklären", analysiert der Zeitzer Volksbote 4. August 1930 das Ergebnis der Berufung.

 

Auszug aus der Berliner Volks-Zeitung. Berlin, den 2. August 1930. Die Schlagzeile wurde gekürzt. Im Original heißt sie: "Cuvelier bleibt verurteilt / Ruhiger Demonstrationsverlauf / Gerüsteinsturz."

 

 

NSDAP Protest: Die Journaille schützt den
französischen Messerstecher Cuvelier
- Der Freiheitskämpfer, 7. August 1930

Erwartungsgemäß findet nach dem Revisionsprozess der Fall Cuvelier in Deutschland und Frankreich noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Das Salzburger Volksblatt, Wiener Arbeiterzeitung, Vorwärts (Berlin), Berliner Tageblatt - mit einem Kommentar von Rudolf Olden, Berliner Morgenpost und der Volksbote aus Zeitz erkennen in der Gerichtsentscheidung einen Ausbruch von Nationalhass. Und natürlich musste, worauf die Leipziger Volkszeitung am Tag nach dem Revisionsprozess zu Recht hinweist, "die ganze Entwicklung die Franzosen in ihrem Rechtsgefühl stark kränken." "Aus einem Sportzwischenfall", fürchtet die Westböhmische Tageszeitung (6.8.), "wird eine Staatsaffäre".

Anders die rechtsnationale Presse.

"Nationalsozialisten sind Freiwild!
Die Journaille schützt den
französischen Messerstecher Cuvelier"

beklagt Der Freiheitskampf aus Dresden, Amtliche Tageszeitung der N.S.D.A.P. für den Gau Sachsen. "Der Grund liegt darin", behauptet er am 6. August, "dass die Gegner Cuveliers in Zeitz Nationalsozialisten waren". Er sieht sich von Zeitz über Dortmund bis Paris mit einer "gewaltige(n) Einheitsfront gegen die Nationalsozialisten" konfrontiert. Das lässt sich nicht bestreiten. Auch in Prag, Wien und Innsbruck setzen Schriftsetzer für ihre Zeitungen kritische Kommentare zum Umgang mit Henry Cuvelier vor Gericht in Zeitz und Weißenfels.

Etwas komplizierter scheint der Kommentar der Zeitzer Neueste(n) Nachrichten vom 1. August. Ihr Fazit der Beweisaufnahme lautet: vernichtend für Cuvelier. Insofern damit gemeint ist, dass Schröder und andere Zeugen aussagten, dass der Franzose zugestochen hat, kann man dem zustimmen. Gleichwohl fährt die Zeitung fort: "Man hat das Messer gefunden, von dem mehrere Zeugen sagen, dass sie gesehen haben, der Angeklagte habe es fortgeworfen." Damit wird unauffällig umgangen, was oben detailliert zum Beweismittel Messer erhoben wurde. Schliesslich suggerieren die Neuesten: "Da ist gar kein anderer Schluss möglich, als der, das Cuvelier den Stich geführt hat." "Schröder hat selbst gleich gesagt, ich bin von einem Franzosen gestochen worden." Das hat er wirklich. Allerdings kommt vor Gericht nicht zur Sprache, dass er erst kürzlich Frau Hösel körperlich angegriffen hat, die er nun des Nachts um 2 Uhr in freundlicher Begleitung von Henry Cuvelier wiedertraf. Liegt nicht vom ihrem Vater gegen seinen Bruder noch eine Anzeige bei der Polizei?

 

Wird jetzt durchgegriffen?

Verteidiger Rechtsanwalt Doktor Blume aus Leipzig legt gegen das Urteil Revision ein. Und die Staatsanwaltschaft leitet gegen die beteiligten Nationalsozialisten (Schulenburg, Dynssen) wegen Landfriedensbruch, gemeinschaftlicher Körperverletzung und Zeugenbeeinflussung ein Strafverfahren ein. Ob nun wirklich "In Zeitz Durchgegriffen", wie es der Vorwärts (SPD) am 6. August verspricht, bleibt in dieser Stunde offen, ist aber ein indirekter Hinweis darauf, dass die Empörungswelle zum Cuvelier-Urteil II bis nach Berlin brandete.

An diesem Tag kommt es im preußischen Justizministerium mit dem Verteidiger von Henry Cuvelier zu einer eingehenden Besprechung des Falls. Ein Gnadenakt kann erst dann erfolgen, wenn ein Urteil rechtskräftig wird. Wenn die Revision nicht zurückgezogen wird, dann müsste der Franzose ins Gefängnis.

Verteidiger Doktor Blume verzichtet auf eine Revision des Prozesses, meldet am 22. September 1930 das Volksblatt aus Jena. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen Cuvelier wird im Februar 1931 eingestellt.

Gegen die Zeitzer Schulenburg und Dynssen wird wegen Rowdytum von der Naumburger Staatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet. Beim Stand der Dinge erachtet es der Zeitzer Volksbote am 6. August 1930 als wahrscheinlich, dass gegen sie ein Prozess stattfindet.

 

[d] Ungleichheit vor dem Gesetz  nach oben

"Die Art und Weise, wie in Naumburg Recht gesprochen wird, ist zu einem grossen öffentlichen Skandal geworden. In Naumburg gibt es keine Rechtsprechung mehr, sondern nur noch eine Ausnutzung der Justiz für die Zwecke der Hakenkreuzler." Als

Justizschande von Naumburg,

tadelt am 14. November 1930 Der Abend, die Spätausgabe des Vorwärts (Berlin) folgenden drastischen Gerichtsfall:

"Im Jahre 1926 wurde der Lehrer Paul Hinkler wegen Geisteskrankheit aus dem Schuldienst entlassen. Da er zunächst nicht weiter gemeingefährlich war, steckte man ihn in keine Anstalt. Der Arbeitslose ging zu den Nazis. Heute ist er deren Gauleiter für Mitteldeutschland und Mitglied des Preußischen Landtags.

Am Donnerstag [den 13.11.1930]

stand er wieder einmal, wie so oft, vor einem Naumburger Gericht. Aber diesmal als Zeuge. Er suchte Schutz und verlangte schreckliche Rache, weil ihn ein Kommunist zugerufen habe, er werde ihn totschlagen lassen.

Es war am 24. August. In Freyburg an der Unstrut, dem Heimatort Hinklers, wurde die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Hinkler ging zur Wahl. Vor dem Wahllokal gab er seinem Chauffeur ein Taschenmesser und liess ihn die Wahltransparente der Kommunisten zerschneiden.

In begreiflicher Erregung zogen nun Mitglieder der Antifa vor das Lokal." Unter dem Schutz der Polizei stellte sich Hinkler in die Tür. Die Kommunisten gegenüber, machen ihren Herzen Luft. Der Arbeiter Paul Noack, Naumburg, Kleine Jakobsstrasse 11, rief:

"Den Hund schlagen wir noch tot!"

Hinkler erstattet Anzeige und es kommt zur Verhandlung. Noack wird wegen Vergehens gegen §§ 110 und §§ 111 (Aufforderung zur Gewalttätigkeit) angeklagt. Den Vorsitz führt Landgerichtsrat Lohmeyer, bekannt aus dem Cuvelier-Prozess. "Zeugen waren ausser Hinkler, ein zweiter Nazi und der Wirt, ein Stahlhelmer. Hinkler erzählte wahre Schauergeschichten von scharfgeschliffenen Dolchmessern, Totschlägern, Patrouillenautos und anderen schönen Dingen. Als man endlich seinen Redefluss etwas abstoppte und ihn an seinen Eid erinnerte, wurde er plötzlich ganz kleinlaut und sagte: "Das hab`ich natürlich alles nur gehört!"

Von einem Geisteskranken kann man ja schließlich auch nicht mehr erwarten.

Hinkler beleidigt den Angeklagten. Sanft ermahnte ihn der Vorsitzende:

Ich bitte Sie, solche Ausdrücke doch nicht wieder zu gebrauchen.

Der Angeklagte sprach in seiner Verteidigungsrede von der `braunen Pest`. Erregt sprang sofort der Vorsitzende auf und brüllte ihn an:

Wenn Sie noch einmal etwas Ähnliches äußern, lasse ich Sie sofort abführen! Verstanden?

Die Beweisanträge der Verteidigung, die beteiligten Polizeibeamten, die bezeugen könnten, dass der Ruf von ganz anderer Seite gefallen sei, als Entlastungszeugen zu laden, wurde als unerheblich abgelehnt.

Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern schon mehrfach, auch kriminell, vorbestraft. Es war also vorauszusehen, dass er nicht mit der geringsten zulässigen Geldstrafe von drei Mark davonkommen würde. Aber was sich nun im gleichen Gerichtssaal abspielte, in dem so oft viehische Hakenkreuzverbrecher milde Richter fanden, das ist so ungeheuerlich, dass man zunächst an einen Hörfehler glaubte. Der Staatsanwalt sah in dem Zuruf eine Aufforderung zur Tötung und erklärte, dafür seien drei Monate Gefängnis die gesetzliche Mindeststrafe. Er beantragte dreieinhalb Monate Gefängnis. Das Gericht ging noch weit darüber hinaus und sprach unter empörter Bewegung im Zuschauerraum das Urteil: Sechs Monate Gefängnis! Es sei gerichtsbekannt, erklärte Landgerichtsrat Lohmeyer zur Begründung, dass Kommunisten solche Aussprüche ernst zu nehmen pflegen und deshalb hätte das Gericht durchgegriffen.

Das Gericht hat den Kommunisten, der zu Gewalttätigkeiten aufforderte, härter bestraft als jene hakenkreuzstrolche Scharr, die einem von ihnen angepöbelten Manne den Schädel eingeschlagen haben!

Die Naumburger Justiz scheint die Worte der Großen Anfrage der Sozialdemokratie im Preußischen Landtag noch nachträglich besonders unterstreichen zu wollen:

Es ist in Naumburg eine Ungleichheit vor dem Gesetz entstanden, die zum Himmel schreit!"

 

 

Adolf Hitler, möge überzeugt sein, dass wir mit ihm
durch dick und dünn gehen werden.
 
Hans Frank, Juristentag   nach oben

Mit dem Erlass der "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes" vom 4. Februar 1933 und "Verordnung zum Schutze von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 vollzieht sich in den Rechtsverhältnissen von Justiz, Polizei und Bürger ein fundamentaler Wandel. Letzterer wurde unmittelbar nach dem Reichstagsbrandprozess erlassen und setzte die Weimarer Verfassung außer Kraft. Was gestern noch als Grundrecht galt, kann heute eine Straftat sein. Damit organisierte die Justiz und Polizei den Terror gegen alle Opponenten des Systems, speziell gegen die Kommunisten und Sozialdemokraten. Für die meisten Juristen hiess es jetzt "Hinein in den neuen Staat", womit die meisten keine Schwierigkeiten hatten.

Warum gab es aus den Reihen des Bürgertums vor 1933 so wenige kritische und öffentliche Stimmen? Wo engagierte sich oder protestierte der gemeine Bürger? Die meisten verhalten sich gegenüber den Ungerechtigkeiten und die Ungleichbehandlung vor Gericht indolent. Warum blieben die Konsequenzen für Freiheit und Gestaltung eines lebenswerten Stadtalltags so lange unbeachtet?

Die Gegner des Kapp-Putsches und Teilnehmer am Leuna-Aufstand waren längst abgeurteilt. Wieder verspürt im März-April 1933 Herr von Biederling keine Abneigung gegen die undemokratischen Notstandsverordnungen und Institutionalisierung der Sondergerichte, gegen die einsetzende brutale Unterdrückung von politisch Andersdenkenden und empfindliche Einschränkung der Bürgerrechte. Warum nur nahm die Stadtgesellschaft die Einrichtung der Sondergerichte im März/April 19033 ganz unbekümmert auf?

Reichsgericht in Leipzig (historisch)

Mit einer Sondertagung der juristischen und staatswissenschaftlichen Dekane aller deutschen Universitäten begann am 1. Oktober 1933 im Senatssaal der Universität Leipzig der Deutsche Juristentag. Anschließend folgte vor dem Reichsgericht in Leipzig eine Kundgebung mit 20 000 Juristen.

"Wir sind ein Herrenvolk",

rief ihnen Hans Frank in seiner Rede von der Freitreppe zu. Wusste oder ahnte niemand, wohin dies driftet? Sie wussten genau, was sie taten!

"Wir deutschen Juristen wir sind uns dessen bewusst",

sagt Hans Frank,

"daß von der nationalsozialistischen Revolution an eine neue deutsche Rechtsgeschichte zu beginnen hat …."

"Adolf Hitler möge überzeugt sein," hörte ihn die Salzburger Chronik weiter sagen, "dass wir mit ihm durch dick und dünn gehen werden."

 

Rede von Hans Frank
am 30. September 1933 vor dem Reichsgericht

Ausschnitt hier hören

 

Mit ausgestrecktem rechten Arm legen die Rechtswahrer in Leipzig den Rütlischwur ab:

"Wir schwören beim ewigen Herrgott, …bei dem Geist unserer Toten, … bei all denen, die Opfer einer volksfremden Justiz einmal geworden sind, … bei der Seele des deutschen Volkes, daß wir unserem Führer auf seinem Wege als deutsche Juristen folgen wollen bis an das Ende unserer Tage." (Hans Frank, Ansprache)

Organisiert wurde der Deutsche Juristentag vom Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ), der in Naumburg viele Mitglieder hatte.

 

Die lieben deutschen Arbeiter am Recht (Hans Frank) nach oben stützen sich im Nationalsozialismus auf ihre eigene Rechtsvorstellung. Sie verwerfen die liberale Idee vom Rechtsstaat der Weimarer Republik, welche weltanschaulich neutral und prinzipiell unpolitisch sein wollte, um die Freiheit des Einzelnen zu schützen. Eine Kontrolle und Beschränkung der staatlichen Macht lehnen sie faktisch ab. Beginnend mit dem Ermächtigungsgesetz (1933) und der Anerkennung finaler Führerentscheidungen in der Rechtsprechung wird die Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative, Judikative) ausgehebelt. Die nationalsozialistische Rechtsordnung missachtet die sittlichen Normen für den Schutz der Minderheiten und die Legalität der politischen Opposition.

 

Blick zum Georgenberg mit dem Oberlandesgericht vom nordwestlichen Stadtrand (2005) - Stadtplan


Präsidenten des
Oberlandesgerichts Naumburg

Georg Ludwig Ernst Reuter
1. Oktober 1917 - 31. März 1923

Franz Bernhard Georg Werner
1. April 1923 - 31. Mai 1933

Professor Paul Sattelmacher
1. Juni 1933 -1945

 

Vizepräsidenten

Ernst Rüter
19. Mai 1920 - 31. März 1921

Richard Altsmann
20. April 1921 - 30. September 
1921

Rudolf Calmeyer
1. Oktober 1921 - 30. September 1926

Walter Pistor
1. Oktober 1926 - 31. Mai 1939

Dr. Hermann Spieler
1. Juni 1939 - 30. Juli 1940

Paul Lüttig
1. Dezember 1940 -1945

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Das in Gesetzestexten kodifizierte Recht substituieren die Kameraden von der Rechtsfront durch die Vereinigung von Volksseele und Rechtsinhalt. Der Rechtsaufbau soll sich dem Naturgesetz und dem Prinzip der Selektion anpassen. Als Folge wird er rassistisch und erbbiologisch kontaminiert.

Es ist der Begriff des Führers und des Führens, der uns leitet, formuliert der Kronjurist des Dritten Reiches Carl Schmitt (1888-1985) als Grundaxiom für das System der nationalsozialistischen Rechtspflege. Das Führer-Prinzip ist nach Carl Schmitt (1934, 947 f.) ein Produkt der deutschen Geschichte, denn es macht Ernst mit ihren Lehren. "Das gibt" dem Führer "das Recht und die Kraft, einen neuen Staat und eine neue Ordnung zu begründen." Anders formuliert, es ist stets die Priorität der Führerentscheidung zu beachten, argumentiert Reichsrechtsführer Dr. Hans Frank 1936 auf dieser politischen Linie in den Leitsätzen für den deutschen Richter. "Aus dem Führertum fliesst das Richtertum", sukzessive die Aufhebung alle liberal-demokratischen Methoden und Trennung von Legislative und Exekutive. Per se untersteht die Gerichtsbarkeit nicht der Justiz, denn der Führer selbst ist höchste Instanz.

Konstitutiv für die Rechtspflege des NS-Systems ist der Begriff des Führers. Ihr erstes Opfer ist die richterliche Unabhängigkeit. Sie beruht, erklärt Roland Freisler 1938 in der Schrift Nationalsozialistisches Recht und Rechtsdenken, auf der Selbstsicherheit der Haltung des Richtertums, die ihrerseits "auf der Verwurzelung in einer Grundanschauung, im Dritten Reich also im Nationalsozialismus, sowie in der unerschütterlichen Treue zum Führer als dem höchsten Gerichtsherrn" beruht.

Nicht der Geist vom Georgenberg (Venediger/Höhne), sondern der vom Reichsrechtsführer Hans Frank (1900-1946), der ab 1939 als Generalgouverneur der besetzen Gebiete in Polen die „Endlösung der Judenfrage“ betreibt und zur Gruppe der schlimmsten Verbrecher gehört, die das nationalsozialistische Staatssystem hervorbrachte, beherrschte die Gerichtsstadt Naumburg 1933 bis 1945.

Auf der skizzierten rechtspolitischen Grundlage   nach oben
verrichten die lieben deutschen Arbeiter am Recht (Hans Frank) in Naumburg ihr Werk

am Oberlandesgericht (Domplatz 11) mit ihrem Präsidenten Paul Sattelmacher,

im Erbgesundheitsgericht beim Oberlandesgericht Naumburg,

bei der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht (Domplatz 8) mit Generalstaatsanwalt Dr. Ludwig Becker (bis 1936) und Hermann Hahn (ab 1936) sowie Oberstaatsanwalt Fortlage,

am Landgericht (Kaiser-Wilhelm-Platz 2, heute Kramerplatz) mit Landgerichtsdirektor Hagen (1935), Hefermehl (1935) und Wanke (1939),

bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht mit den Oberstaatsanwälten Gorkow und Heinau (Roonplatz 2, heute Am Salztor),

am Amtsgericht (Markt 7) mit Dr. Hummel, Dr. Kalkhoff, Dr. Lerch, Dr. Buchholz,

bei der Amtsanwaltschaft (Roonplatz 5) und

im Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Naumburg (Vorsitzender Dr. Hummel).

 

Martin Schmidt, amtierender NSDAP-Kreisleiter von Naumburg, stösst am 1. November 1939 zur Einführung von Oberamtsrichter Neubert (*13.11.1882, Halberstadt) als Behördenleiter die im Sitzungssaal des Amtsgerichts (Markt 7) anwesenden Gäste auf den Umstand:

Mit Naumburg taten Sie einen guten Griff. Nicht nur als Stadt der Gerichte sei Naumburg bekannt, sondern auch landschaftlich reizvoll und kulturell hochstehend. Außerdem betreten sie hier alten Kampfboden [der NSDAP].

Ohne Zweifel ist dies zutreffend, wenn man die politischen Karrieren von Friedrich Karl Freiherr von Eberstein, Wolf-Heinrich Graf von Helldorff, Paul Hinkler, Richard Reckewerth oder Friedrich Uebelhoer hinterfragt. Ihre Tätigkeit ist eng verbunden mit der NSDAP-Ortsgruppe. Naumburgs Judikatur stützte und förderte die Hitler-Bewegung bereits vor 1933. Aus ihr gehen eine Reihe von Führungskader der NSDAP hervor. Zum Beispiel der spätere NSDAP-Kreisleiter Alfred Pape. Ebenfalls in der örtlichen NSDAP engagiert, der spätere Oberbürgermeister von Naumburg und letzte NSDAP-Kreisleiter Bruno Radwitz, der Anfang der 30er Jahre als Anwalt am Oberlandesgericht seine Meriten erwirbt. Sattelmacher benutzt ihn später oft mit Erfolg als "Gegenspieler zu Uebelhoer" [NSDAP-Kreisleiter Naumburg].

Senatspräsident Ernst Pinder arbeitet seit Oktober 1935 im Gemeinderat von Naumburg mit. Wanke (Körnerstraße 9) exponiert sich als Landgerichtspräsident (ab 1937) gern als tüchtigster Vollstrecker des Führerwillens. Die Rechtsanwälte Werner Rieling (Hochstraße 9) als Vertreter des Rechtswahrerbundes und Erich Dietze (Markt 19 / Luisenstraße 12) als Leiter des Rechtsamtes der NSDAP-Kreisleitung Naumburg, sind stadtbekannte Aktivposten der Hitler-Partei. Hinzu kommen die alten Kämpfer aus dem gehobenen und mittleren Dienst.

Lediglich neun richterliche Beamte des Oberlandesgerichts gehören nicht der NSDAP an. Von den insgesamt 42 traten drei bereits vor dem 1. Mai 1933 der NSDAP bei. 24 Personen wurden am 1. Mai 1933 und sechs nach dem ersten Januar 1935 Mitglied dieser Partei. Ihr Präsident tritt erst 1937 der NSDAP bei. (Nach Lück 99) Nur wenige aus der juristischen Profession, wie Rechtsanwalt Richard Burkhardt, verhielten sich gegenüber dem nationalsozialistischen Herrschaftssystem reserviert. Von den 28 Oberlandesgerichtsräten wurden nach 1933 zwei aus "rassischen Gründen" aus dem Dienst gedrängt, keiner jedoch wegen unpolitischer Unzuverlässigkeit oder Gegnerschaft entlassen. (Vgl. OLG-Richter)

 

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg  nach oben

Dem Oberlandesgericht Naumburg unterstehen 1933 die Landgerichte in Halberstadt, Halle, Magdeburg, Nordhausen, Stendal, Torgau, Erfurt und Dessau.

1966 publizieren Walter Venediger und Erich Höhne in Bonn eine Geschichte des Oberlandesgerichts Naumburg. Zunächst geben sie einen Überblick über dessen Tätigkeit (siehe auch Naumburger Tageblatt). 1939 ist es mit einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, sechs Senatspräsidenten und 28 Oberlandesgerichtsräten besetzt. In neun Landgerichten und 122 Amtsgerichten sind 600 Richter, 100 Staatsanwälte und Amtsanwälte, 675 Rechtsanwälte und 800 gehobene Beamte (Rechtspfleger), 700 mittlere Beamte und 700 Beamte des einfachen Dienstes sowie 1 500 Angestellte im Büro und Kanzleidienst tätig. Jetzt wäre Gelegenheit für einen kritischen Rückblick zur Einbindung der Justiz in das nationalsozialistische System. Nichtsdestotrotz kaprizieren sich 1966 der Senatspräsident a. D. aus Braunschweig und Amtsgerichtsrat a. D. aus Celle auf die pittoreske Metapher:

"Der Geist, der vom Georgenberg in die zahlreiche Mitarbeiterschaft ausströmte, wurde mit geprägt durch die schöne, stets gepflegte Stadt Naumburg ….". (Venediger 22)

Doktor Walter Venediger war seit 1939 Sondergerichtsreferent und ab September 1944 Senatspräsident am Oberlandesgericht in Naumburg. Nun wirkt er mit an der Verklärung der NS-Justiz. Tatsächlich muss es etwas anders gewesen sein.

Am 27. September 1936 tagt in Naumburg der NSRB [National-Sozialistischer Rechtswahrerbund] des Gau Halle-Merseburg unter der Losung:

Zum Volke hin muß das Recht marschieren: Volksseele und Rechtswesen müssen eins werden!

 

Aus diesem Anlass führt die Robert-Frank Singakademie unter Leitung von Professor Dr. Alfred Kalwes im Dom die Cäcilien-Ode von Händel auf.

 

Franz Gürtner (1881-1941) stand von Juni 1920 bis Juni 1932 in beinahe ununterbrochener Leitung dem bayerischen Justizministerium vor. Er nahm damit eine exponierte Position bei der Durchführung des Hitler-Prozesses im Frühjahr 1924 ein. Er setzte sich 1925 energisch für die Wiederzulassung der NSDAP ein. Zum 1. Juni 1932 erfolgte für die DNVP der Eintritt als Reichsjustizminister in die Reichsregierung Franz von Papens.

 

Im Oberlandesgericht erneuert Paul Sattelmacher sein Bekenntnis zu den Zielen und Aufgaben der nationalsozialistischen Rechtspflege. In Anwesenheit von Reichsrechtsführer Minister Dr. Hans Frank und Reichsjustizminister Dr. Franz Gürtner enthüllt er im Oberlandesgericht eine Adolf-Hitler-Büste von Paul Juckhoff (1874-1936). Der Präsident des Oberlandesgerichts würdigt das Kunstwerk und dankt dem Reichsjustizminister für das Recht, das Symbol der NSDAP tragen zu dürfen. Ein symbolischer Akt, der die enge Verflechtung zwischen Justiz und NSDAP zum Ausdruck bringt.  nach oben

"Auf dem Markplatz war vor dem Rathaus eine Bühne aufgeschlagen worden, vor der sich zu einer Gemeinschaftskundgebung die National-Sozialistischen Rechtswahrer des Gaus Halle-Merseburg, die Mitglieder des Nationalsozialistischen Ärztebundes und die Deutsche Arbeitsfront eingefunden hatten. Viertausend Volksgenossen saßen in der Dämmerung auf langen Bankreihen auf dem sanft aufsteigenden Platz, in den ersten Reihen die Richter in ihren Talaren. Große Hakenkreuzfahnen an der Front des Rathauses und hunderte von Fahnen aus allen Fenstern der umliegenden Häuser tauchten den mittelalterlichen Platz in leuchtendes Rot und gaben ihm ein festliches Gepräge. Mit dem Reichrechtsführer, Reichsminister Dr. Frank, war Reichsjustizminister Dr. Gürtner, der stellvertretende Gauleiter der NSDAP., Parteigenosse Tesche, der Reichshauptamtsleiter Dr. Fischer vom Reichsrechtsamt der NSDAP., Dr. Geffroy, Dr. Freiherr du Prel, Dr. Pfeiffer und Schneider von der Reichsführung des NSRB., der Gauführer des Gaus Halle-Merseburg des NSRB., Reichshauptstellenleiter Senatspräsident Professor Dr. Noack, der Kreisleiter der NSDAP. Und die Führer der übrigen auf dem Platze vertretenen Gliederungen erschienen. Hitler-Jugend und Jungvolk saßen auf den Stufen der Bühne, vor der ein Podium errichtet war, von dem aus Gauführer Dr. Noack in einer Ansprache auf den Sinn der gemeinsamen Tagung hinwies, und in der er insbesondere den Reichsrechtsführer, der schon von seiner Italienreise zurückgekehrt war, begrüßte." (Gautagung 1936) Reichsminister Dr. Frank hält eine "großangelegte Rede". Anschließend kommt das Frankenburger Würfelspiel, inszeniert durch die Dietrich-Eckhart-Bühne aus Berlin, zur Aufführung.

 

 

Zur Rolle der Richter und Staatsanwälte  nach oben

 

Georg Werner

wurde am 27. Juli 1869 als Sohn eines geheimen Justizrates in Naumburg geboren. Er besuchte das Domgymnasium und studierte Rechtswissenschaften. 1895 folgt die Ernennung zum Gerichtsassessor. Daran schliesst sich die Tätigkeit als Richter und dann Hilfsrichter am Oberlandesgericht Naumburg an. 1907: Ernennung zum Ministerialrat an das Preußische Justizministerium und 1912 die Beförderung zum Geheimen Oberjustizrat. 1921 Berufung zum Oberlandesgerichts-präsidenten in Kiel und am 1. April 1923 zum Oberlandesgerichts-präsidenten in Naumburg. Den Nazis war er zu liberal, weshalb er am 4. April 1933 beurlaubt wird.

"Nachdem Sattelmacher im Sommer 1945 die Entlassung drohte, setzte sich Werner unter Hinweis auf die Umstände seiner eigenen Entlassung sodann intensiv für Sattelmacher ein." (Möhring 77)

Quellen: Werner, Möhring

 

Dem Oberlandesgericht Naumburg steht seit 1. April 1923 Georg Werner als Präsident vor. Als er sich sträubt 1933 die außergesetzlichen Maßnahmen der Regierung der nationalen Erneuerung mitzumachen, wird er beurlaubt (siehe Möhring 75). Sein Nachfolger ist Doktor Paul Sattelmacher. Viel, sehr viel Zeit musste vergehen, ehe sich Naumburg als Gerichtsstadt in der NS-Zeit Rechenschaft ablegen konnte. Erst mit der Arbeit

Von Barop nach Buchenwald: Der Naumburger OLG-Präsident Dr. Paul Sattelmacher (1879-1947)

von Professor Heiner Lück (Halle) erfolgt neunundfünfzig Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches die erste wissenschaftliche Aufarbeitung zur Justiz im Nationalsozialismus in Naumburg an der Saale. Auf Grundlage neu erschlossener Quellen gelangt der Autor zu der Schlussfolgerung:

"Berichte von Richtern, die in Naumburg selbst oder im Zuständigkeitsbezirk Sattelmachers und der fraglichen Zeit tätig waren, beschrieben, den OLG-Präsidenten als akkurate, faire und respektvolle Persönlichkeit, die sich eben nicht willfährig in das nationalsozialistische System einordnen ließ, wie man es höheren Ortes gern gehabt hätte."

Worauf bezieht sich dann aber diese Feststellung? Ist es akkurat und fair Juden, Kommunisten oder Sozialdemokraten unmenschlichen Gesetzen zu unterwerfen oder sie gar außerhalb des Gesetzes zu stellen?

Beispielsweise erhält der Oberlandesgerichtspräsident (Franz Bernhard Georg Werner) am 3. März 1933 Nachricht vom Generalstaatsanwalt des Oberlandesgerichts Dr. jur. Ludwig Becker (1871-1950) über die "Schutzhaftmaßnahme" gegen Doktor Artur Samter. (Vgl. Generalstaatsanwalt 4.3.1933) - "Eine neu erfundene Art der Freiheitsberaubung", erinnert sich ein Naumburger 2006," hieß "Schutzhaft", weil sie dem Inhaftierten auch die letzten Reste von Schutz seiner Bürger- und Menschenrechte nahm." (Kirsche 2006) Die Schutzhaft war kein Rechtsakt, sondern ein Willkürakt und deshalb ein Verbrechen am Bürger.

Amtsgericht, Markt 7 (2006)

Heiner Lück charakterisiert den Rechtspfleger Paul Sattelmacher als respektvolle Persönlichkeit. Offensichtlich konzentriert sich der Professor hier auf seine Rolle im Beamtenstaat. Ohne Zweifel war es beispielsweise möglich, sagen wir 1936 im Amtsgericht am Markt 7 in Naumburg, eine Schadensersatz-, Miet- oder Scheidungsklage nach hergebrachten Regeln des Rechts einzureichen und deren Fortgang zu erwarten.

Einer der sich von Berufs wegen mit Recht und Gesetz befasst, demonstriert anschaulich die Leistungsfähigkeit des deutschen Beamtenstaates. Herr Doktor Müller - Senatspräsident am Oberlandesgericht Naumburg - unterlässt es am 27. April 1940, seine Wohnung, Hochstraße 4, zu verdunkeln, wodurch Licht aus den hell erleuchteten Räumen nach außen dringen konnte. Dies bedeutet eine Übertretung der Paragrafen 2 und 9 des Luftschutzgesetzes (LSG) vom 26. Juni 1935 in Verbindung mit den Paragrafen 5 und 8 der entsprechenden Durchführungsverordnung. Der Sachverhalt der nicht vollzogenen Abdunklung ist unstrittig. Aber der Hauptmann der Schutzpolizei Lühring, welcher die Strafverfügung namens des Oberbürgermeisters unterzeichnete, soll, meint Dr. Müller, dazu nicht befugt gewesen sein. Nach stattgehabter Verhandlung im Amtsgericht Naumburg am 19. Juni 1940 muss sich das Landgericht damit beschäftigen. So sitzen dann Landgerichtsdirektor Heinrich, Landgerichtsrat Snyder sowie Schnelle und Staatsanwalt Heinau mit dem Justizsekretär Hollmann am 17. Juli 1940 als Kleine Strafkammer des Landgerichts Naumburg zusammen. Auf dreizehn Seiten im Format A4 begründen sie, warum das angefochtene Urteil rechtmäßig und die ausgesprochene Strafe gegen Dr. Müller - f ü n f   R e i c h s m a r k, hilfsweise eine Haftstrafe von einem Tag - angemessen sei.

Neben dem Unrechtsstaat existiert also der Beamtenstaat weiter. Als dessen ehrbaren Vertreter stellt Heiner Lück (2004) den Oberlandesgerichtspräsidenten Paul Sattelmacher vor. "Von Barop nach Buchenwald .…" analysiert die Tätigkeit von Paul Sattelmacher am Oberlandesgericht Naumburg in vier Beobachtungsfeldern: 1.) NSDAP und Selbstbekenntnisse zum Nationalsozialismus, 2.) Personalia, 3.) Verhältnis zu Amtsträgern des NS-Staates und 4.) Juden und Euthanasie. Besonders im vierten Beobachtungsfeld kommt fototechnisch gesprochen ein Weichzeichner zum Einsatz. Es fehlt hier die Aussage, dass dem NS-Recht bei der Unterdrückung und Repression des politischen Bürgers eine Schlüsselfunktion zukommt. "Eine solche Sichtweise allein" deklariert Heiner Lück a priori als "banal und unwissenschaftlich" (98). Tatsächlich kann eine dogmatisch ausgeführte Verklammerung der Systemfunktion des vom Staat institutionalisierten Recht mit der Persönlichkeit des Richters zu undifferenzierten Einschätzung führen. Doch darf sie umgekehrt nicht verleugnet oder außer Acht gelassen werden. So überrascht dann das folgende Resümee von Heiner Lück (2004, 103) über die Beobachtungsergebnisse zu Paul Sattelmacher nicht:

"Weder vor noch während seiner Amtszeit als Chefpräsident des Oberlandesgerichts Naumburg (1933-1945), lassen sich besonders herausgehobene Hinwendungen zum nationalsozialistischen System erkennen. Sowohl in den gesicherten Archivalien über als auch in den Publikationen von Sattelmacher finden sich dafür keine Anhaltspunkte."

Aber offenbaren Juristen keine besondere Hinwendung zum Nationalsozialismus, wenn sie struktureller und funktioneller Bestandteil des Machtapparates sind? Kommt den Richtern, Rechtsanwälten und leitenden Mitarbeitern der Justiz bei der Exekution unmenschlichen Rechts durch Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Realisierungsfunktionen nicht eine herausragende Rolle zu? Aus eher wertkonservativer Perspektive fordert der Kreisauer Kreis am 9. August 1943: "Das zertretene Recht muß wieder aufgerichtet werden …" Dass es sich beim NS-Recht (zu mindestens in den bereits näher bestimmten Segmenten) um unmenschliches Recht handelt, darüber besteht sicher Konsens. Wenn dem so ist, wie kann ein Oberlandesgerichtspräsident auf der Grundlage zertretenen Rechts die legitimen bürgerlichen Rechte in seinem Verantwortungsbereich bewahren? Das ist mehr als paradox.

 

 

Oberlandesgerichtspräsident
Doktor Paul Sattelmacher  nach oben

(Leben von Paul Sattelmacher Teil 1 - hier.)

"Wer also in seinem Herzen der großen nationalen Erhebung nicht zustimmen kann, der bleibe ein ehrlicher deutscher Mann und gehe," sprach Hanns Kerrl (1887-1941) aus Anlass seiner Einführung in das Amt des preußischen Justizministers am 31. März 1933 zu seinen Gehilfen. Sein Mitarbeiter Paul Sattelmacher ging nicht. Am 1. Juni desselben Jahres beruft ihn der Minister zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Naumburg. Sein Nachfolger im Amt des Vizepräsidenten des Landesprüfungsamtes wird Oberlandesgerichtsrat Otto Palandt (1877-1951).

Über Bonn, Unna, Düsseldorf, Halle und Berlin führte Paul Sattelmacher der berufliche Weg in die Saalestadt. Wird dies die letzte Station sein? Wenn es nach ihm geht, sicher nicht, denn er hat weitergehende Ambitionen. "Als die Amtszeit des Reichsgerichtspräsidenten abgelaufen war, war ich als Nachfolger vom Minister designiert," erinnert er sich. Aber daraus wurde nichts, "da der Führer die Amtszeit Dr. [Erwin Konrad Eduard] Bumkes [1874 - 20. April 1945, seit 1929 Reichsgerichtspräsident] durch Spezialgesetz verlängerte." (SE 49)

 

Zum Vergleich die Bankguthaben einiger anderer Funktionäre des nationalsozialistischen Systems in Naumburg, Stand November 1945: Generalstaatsanwalt Hermann Hahn, Kösener Straße 28: 3 299,82 RM, Kreisobmann der NS-Volkswohlfahrt Gerhard Söllinger: 730,33 RM, Kreisobmann der Deutschen Arbeitsfront Hans Grözinger, Schönburger Straße 19a: 25 114, 64 RM, Rechtsanwalt Werner Rieling vom NS-Rechtswahrerbund, Hochstraße 9: 255,28 RM, Kreisfrauenschaftsführerin Gertrud Paltzo, Horst-Wessel-Siedlung beziehungsweise Am Schützenplatz 3: 8 834,96 RM, Gauamtsleiter Emil Lamminger, Oskar-Wilde-Straße 4: 3 460,27 RM.

 

Hitler will seinen Richterstand in einer privilegierten und sozial herausgehobenen Position sehen. "Der Richter müsste der bestbezahlte sein im Staat, ein Elitestand ….", äußert er im Tischgespräch mit Dr. Lammers, Dr. Thierack und Dr. Rothenberger am 20. August 1942 (vgl. Hitler 20.8.1942). Daher ist für die Funktion des Oberlandesgerichtspräsidenten nach der Reichsbesoldungsordnung (1938) eine jährliche Apanage in der Besoldungsgruppe B6 mit 17 000 oder in der B5 mit 18 000 Reichsmark Jahresgehalt plus ein bescheidenes Wohngeld beziehungsweise eine Dienstwohnung, wie etwa die Villa in der Claudiusstraße 10 (Naumburg) mit einer Wohnfläche von 240 Quadratmetern, vorgesehen. Summa summarum ergibt dies mindestens das zehnfache des durchschnittlichen monatlichen Realeinkommens eines Arbeiters. Entsprechend der Kontostand von Sattelmacher am 29. November 1945 - Geldvermögen plus Wertpapiere: 66 345,94 Reichsmark.

Aber das eigentlich Interessante an Sattelmachers Funktion im System der nationalsozialistischen Rechtspflege sind natürlich nicht das Gehalt, die Dienstwohnung oder der Dienstwagen mit Chauffeur. Die spannende Frage heißt: Wie war sein Selbstverständnis von den Aufgaben, den Zweck und das Ziel seiner Tätigkeit als Oberlandesgerichtspräsident? Wie balancierte er Konflikte aus? Wie erreichte er Handlungssicherheit? Wie konnte er das faschistisches System als ehrenhaft betrachten? Die moralische Selbstlegitimation stellte für ihn keine unlösbare oder besonders schwierige Aufgabe dar. Bis in den August 1945 hinein blieb er den deutschnationalen Dogmen treu. Wie viele andere Führungspersönlichkeiten im Staatsapparat, sah er in der Konstituierung der faschistischen Diktatur, von der NSDAP nationale Erhebung genannt, "in der Tat die einzige Rettung", um Deutschland "vor dem Abgleiten in ein bolschewistisches Chaos" zu bewahren (SE 72). Daraus perpetuiert sich zu seiner Rolle in diesem neuen Staat, ein Pflichtenkodex nebst kohärentem politisch-moralischem Selbstverständnis. Unterstützt wurde dies durch sein Selbstverständnis als Technikers des Rechts. "Der Jurist," erklärt Fritz Bauer (1969, 186), "der in der Rechtspflege nur ein vorzugsweise formallogisches Handwerk sieht, wird ohne Bedenken alle Rollen übernehmen, die man ihm anbietet."

Oberlandesgericht Naumburg (2006)

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Als Vollstrecker hat Paul Sattelmacher Ähnlichkeiten mit Jens Ole Jepsen im Roman Deutschstunde (1968). Der Polizeiposten von Rugbüll muss während der Zeit des Nationalsozialismus das Malverbot für Max Ludwig Nansen überwachen. Einmal erwischt er ihn beim Malen und erstattet pflichtgemäß Anzeige. Gegenüber dem Sohn rechtfertigt sich der blinde Vollstrecker moralisch mit den Worten: "Er [Nansen] mit seinen Gesetzen. Mit seiner Anmaßung. Er mit seiner Verachtung für alle, die nur alle ihre Pflicht tun." Der Sohn zum Vater: "Alle, alle haben es gesagt, dass das Malverbot vorbei ist und dass Du nichts zu bestellen hast …" Darauf der Vater: Man muss sich treu bleiben, man muss seine Pflicht ausüben, auch wenn die Verhältnisse sich ändern. - Also, nur nicht nach dem Sinn der Zwangsordnung fragen und die persönliche Verantwortung auf Pflichten zur Erfüllung der Funktion bei der Sicherung der Betriebsabläufe reduzieren. Siegfried Lenz hilft mit der Deutschstunde, den Vollstrecker Paul Sattelmacher zu verstehen, wiewohl seine Rolle im System der Rechtspflege darauf nicht reduziert werden kann.

 

Walter Pistor,
geboren am 21. Mai 1874, wohnhaft Naumburg, Domplatz 6, Abschluss des juristischen Studiums mit "ausreichend", ab 1. Oktober 1926 Vizepräsident des Oberlandesgerichts Naumburg, Mitglied der NSDAP seit 1. Mai 1933. 1936 Mitglied des Naumburger Domkapitels Merseburg und Naumburg-Zeitz und ab Oktober 1939 geschäftsführender Domherr am Domstift in Naumburg, Versetzung in den Ruhestand am 23. Oktober 1939, dann wieder als Hilfsrichter am Oberlandesgericht bis 31. März 1944 tätig

Qelle: Pistor, Möhring 132-136

 

Zu seiner Verantwortung im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg stellte er fest: "Mir gelingt es doch wenigstens im Großen und Ganzen für eine geordnete Rechtspflege zu sorgen und viel Schlimmeres zu verhindern ….?" So kann nur ein Techniker des Rechts sprechen, der in den Gesetzen gleichsam Hebel und Schalter zur Steuerung einer sozusagen technisch funktionierenden Gesellschaft sieht, die man nur sachgerecht bedienen muss, damit alles geordnet abläuft, gleichgültig zu welchem Zweck. Die Techniker des Rechts sind für die Verwaltung und Organisation einer geordneten Rechtspflege im Dienste der Systemimperative des nationalsozialistischen Systems und Aufrechterhaltung der Betriebsabläufe sehr gefragt. Paul Sattelmacher ist ein Techniker des Rechtsnach oben

 

Mitarbeiter

Einen Tag vor seinem Amtsantritt in Naumburg empfängt ihn Vizepräsident Walter Pistor feierlich auf dem hiesigen Bahnhof. Von der Gefolgschaft, wie er im Zeitgeist seine Mitarbeiter nennt, wird er freundlich aufgenommen. Abends geht es mit der Richterschaft noch in die Erholung zum Bierabend.

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Erholung
Luisenstraße 1 (2004)

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"Mit meinem Mitarbeiterstab habe ich es von Anfang an sehr gut getroffen" (SE 51), bemerkt Sattelmacher später und erzählt: Bei Amtsübernahme ging der bisherige Stabschef Pfeil nach Frankfurt am Main. An seine Stelle trat OLG-Rat Wanke, der die Bearbeitung des Personalamtes für die Beamten des höheren Dienstes übernahm. Ein Teil des Sachreferats behielt Oberlandesgerichtsrat Ernst Pinder (Grochlitzer Straße 2/3). Mit Wanke verbindet den Oberlandesgerichtspräsidenten ein besonderes gutes Verhältnis.

 

Am 1. Februar 1936 wird Wanke im Schwurgerichtssaal von Naumburg zum Landgerichtspräsidenten berufen. Auf die Inaugurierung durch den Oberlandesgerichts-präsidenten Dr. Paul Sattelmacher erwidert er:

"In dieser Stunde sind meine Gedanken zunächst beim Führer, der mir dieses verantwortungsvolle Amt übertragen hat. Das Vertrauen bedeutet für mich eine ernste Verpflichtung. Je höher man auf der Beamtenleiter hinaufsteigt, umso weniger darf man an sich selbst denken, umso mehr wird unbegrenzter persönlicher Einsatz gefordert. So geht uns der Führer täglich und stündlich voran. Mich beherrscht in dieser Stunde der große Wille, in seinem Sinne treu zu handeln. Es ist für mich ein erhabenes Gefühl, von Ihnen Herr Oberlandesgerichts-präsidenten, dieses neue Amt entgegenzunehmen."
(Wanke 1937)

 

Die Dienstaufsichtsbeschwerden bearbeitete Oberlandesgerichtsrat Bandel. Zum Stab gehörte noch der Verwaltungsassessor Rabe. Die Personalien des gehobenen und mittleren Dienstes verwaltet der Justizrat und Kassenwart Tretropp. "Schwierigkeiten entstanden nur in der Sparte des gehobenen und mittleren Dienstes. Aus diesem Dienstkreis stammen eine ganze Reihe von Alten Kämpfern und sogenannten älteren Pg`s [Parteigenossen] aus dem Jahre 1932, während es unter den Richtern des Bezirkes nur einen alten Kämpfer gab, den schon mehrfach erwähnten Amtsgerichtsdirektor Friedrich [Oberlandesgerichtsrat, Breithauptstraße 18 E - 1939], der damals noch AG [Amtsgerichtsrat] Rat war." "Geschätzt habe ich von ihnen nur einen, den Aktuar Pape, der sehr bald Kreisleiter und Landrat in Weißenfels wurde; er hat sich an dem Kesseltreiben, das die anderen begannen, nie beteiligt, mich vielmehr stets in der Abwehr unberechtigter Angriffe unterstützt." (SE 51)

 

Konflikte

Besonders mit den regionalen Parteifürsten Jordan (Halle-Merseburg) und Sauckel (Thüringen) bleiben die Konflikte nicht aus. Um die Tragweite zu erfassen, muss man wissen, dass das Oberlandesgericht (OLG) ein "gemeinschaftliches Oberlandesgericht" war: ein preußisches OLG für die Provinz Sachsen, ein anhaltinisches OLG für das Land Anhalt und ein OLG für Nordthüringen. Seine Ab- und Rücksprachen mit den NSDAP-Größen in Weimar, Halle und Berlin demonstrieren, von welch politischer Bedeutung und Wirkung die Tätigkeit auf dem Georgenberg in Naumburg ist.

Oberlandesgerichts-
präsident Paul Sattelmacher, 1933. Nach einer Zeichnung von Otto Quante. (Siehe Speitel)

Dem Gauleiter von Halle-Merseburg, Rudolf Jordan (1931-1937), steht Sattelmacher innerlich Distanziert gegenüber. Seinen Stil und die Art seiner Geselligkeit kann er nicht ästimieren. Ebenso mag er den seit 1927 als Gauleiter von Thüringen agierenden mächtigen Fritz Sauckel nicht, wie er sogleich bei seinem obligatorischen Antrittsbesuch in Weimar feststellen muss. Später gesellen sich noch handfeste Gründe hinzu. Der Gauleiter will ein Verfahren gegen den NSDAP-Kreisleiter von Nordhausen - "der die Bevölkerung in unglaublicher Weise drangsaliert hatte" - niederschlagen (SE 40). "Sauckel scheiterte an der Unbeirrbarkeit der Richter, insbesondere des vortrefflichen Vorsitzenden der Strafkammer, LG-Direktor [Martin] Kastendieck [1883-1963; Luisenstraße 26]. Das Ministerium Kerrl stellte sich engagiert auf die Seite des Richters ....", der den NSDAP-Kreisleiter Kaiser wegen Erpressung und Nötigung zu neuen Monaten Gefängnis verurteilte. "Die ganze Affäre schloss damit ab, dass der LG-Direktor Kastendieck [1935] von Nordhausen weg als OLG-Rat nach Naumburg" versetzt wurde. Für selbigen trug dies immer "vollständig den Charakter einer Strafversetzung", die er erst 1942 mit seiner Berufung als Senatspräsident nach Celle gesühnt betrachtet. (Ebenda 41)

Permanent bestehen Differenzen zwischen dem Oberlandesgerichtspräsidenten und der NSDAP-Kreisleitung Naumburg. Ihre Nahrung erhalten sie aus Nachrichten über den Umgang mit den Konzentrationslagern. Ein ständiger Stein des Anstoßes für die NSDAP-Kreisleitung Naumburg ist, dass der höchste Jurist vom Georgenberg weiter sehr engen Umgang mit seinem Amtsvorgänger Franz Bernhard Georg Werner (Medlerstraße 30) unterhält, der wegen offener Gegnerschaft zum Nationalsozialismus entlassen werden musste (nach SE 65). Verstärkt werden die Diskrepanzen meines Erachtens durch den Fanatismus des NSDAP-Kreisleiters Friedrich Uebelhoer, was mit der Lebensart von Sattelmacher kollidierte und Antipathie wachsen ließ. Bruno Radwitz, Oberbürgermeister und letzter NSDAP-Kreisleiter von Naumburg, steht ihm da aufgrund seiner anderen alltäglichen Umgangsart Art viel näher ….

 

Vorstand der Anwaltskammer
am Preußischen Oberlandesgericht (Stand 1934)

Dr. Noack, Halle
Dr. Rieling, Schriftführer,
Naumburg an der Saale
Dr. Sauerbray, Stellvertretender Schriftführer

Zugelassene Rechtsanwälte aus Naumburg:
Dr. Herbert Burkhardt
Erich Dietze
Dr. Gustav Hahn
Paul Herrmann
Dr. Werner Rieling

Am Amtsgericht Naumburg an der Saale zugelassene Rechtsanwälte (1934):
Friedrich am Wege
Dr. Johannes Barnewitz
Richard Burkhard
Ernst Flachsbarth
Dr. Rudolf Funke
Dr. Walther Hoffmann
Paul Kröber
Dr. Otto Leichsering
Curt Liesner
Walter Lorenz
Karl Patzschke
Dr. Max Reichardt
Werner Schlitte
Dr. Albert Schnell
Dr. Paul Witt

 

Die Konflikte mit den NS-Größen müssen Paul Sattelmacher schon beansprucht haben. Es fallen dann Worte, wie:

"Ich hänge nicht am Amt und hatte im Übrigen in der Wilhelmstraße einen starken Halt. Soweit meine Richter davon betroffen waren, habe ich mich stets mit Erfolg vor sie gestellt und nie den Kampf gescheut." (SE 47)

Als Thierack im August 1942 das Amt des Justizministers übernimmt, soll sich dies ändern. Schließlich will der Kriegsgerichtsrat und das Fördernde Mitglied der SS das Handtuch in den Ring werfen:

"Ich bin mein Amt so leid, wie das Steinetragen und habe schon oft mein Amt zur Verfügung stellen wollen. Aber auch das lässt man nicht zu ....." (SE 45),

seufzt Sattelmacher. Zur Aufmunterung gibt`s dann ein Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. Paul Sattelmacher fragt "… wer aber würde auf meinem Stuhle sitzen, wenn ich wirklich gehen würde?" (SE 56) Wahrscheinlich, lautet die Antwort, ein anderer Techniker des Rechts.

Ein Rücktritt von Paul Sattelmacher ohne physische Repressionen ist zumindest noch denkbar. Selbst in Kriegszeiten. Als der Präsident des Volksgerichtshofes Otto Thierack am 20. August 1942 das Amt des Justizministers übernimmt, äußert Hans Heinrich Lammers (1879-1962), mit dem setze ich mich nicht an einen Tisch und nahm seine 100 000-Mark-Dotation und zog aufs Land. Franz Schlegelberger tritt als Staatssekretär zurück. Im Übrigen setzt der neue Minister - Otto Thierack - mit seinem Amtsantritt einer Reihe von Ministerialdirektoren, Oberlandesgerichtspräsidenten, Generalstaatsanwälten und anderen Staatsanwälten den Stuhl vor die Tür. (Nach Heiber 296)

Sattelmacher bleibt im Amt. Sein Verhältnis zu den Parteigrößen ist aber nicht nur von Konflikten durchzogen. Denn "mit den übrigen Parteigrößen [außer Jordan, Sauckel, Uebelhoer] bin ich im Allgemeinen gut ausgekommen", zieht er Bilanz (SE 43). "Meine Stellung dem Ministerium gegenüber geht aus dem, was ich vorher gesagt habe," reflektiert Sattelmacher, "schon zur Genüge hervor. Sie war unter Minister [Hanns] Kerrl und [Franz] Gürtner ebenso unter der Verweserschaft [Franz] Schlegelbergs in gleicher Weise gefestigt und vertrauensvoll." (SE 49)

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Der Chef: Hanns Kerrl

Besonders mit Hanns Kerrl (1887-1941) - der ihn nach Naumburg berief - verbindet Sattelmacher ein gutes Verhältnis. Paul Hinkler (Freyburg an der Unstrut; 1932, 11), in NSDAP, Stahlhelm und SA in Naumburg und Umgebung stark engagiert, dann Gauleiter der NSDAP und Fraktionsvorsitzender der NSDAP im Preußischen Landtag, kennt den Juristen aus der gemeinsamen Arbeit und urteilt so über ihn: "Ein Mann äußerst regen und temperamentvollen Wesens und Geistes, der auch als beliebter und geistvoller Redner in allen deutschen Gauen der Idee Adolf Hitlers den Weg geebnet hat." Hanns Kerrl ist Anhänger der "Nationalsozialistische[n] Staatskunst- und Staatrechtserneuerung" (1933) derzufolge die Demokratie "auch auf dem Gebiet des Strafrechts nichts Dauerndes und Brauchbares [habe] Schaffen können". Während seiner Amtszeit als preussischer Justizminister bringt Kerrl die Berufsverbote für jüdische Notare und Rechtsanwälte auf den Weg. Mitte 1935 wird er Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten. Die Fünfte Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Sicherung der DEK (Deutsche Evangelische Kirche) vom 2. Dezember 1935 untersagt den kirchlichen Gruppen jedwede administrative Aktivität. Mit dem Administrationsrecht der staatlich eingesetzten Kirchenausschüsse wird indirekt praktisch die Aufhebung der Beschlüsse von Barmen und Dahlem 1934 erreicht. Diese Politik liegt ganz auf der Linie der Deutschen Christen und der Kolonialisierung der Evangelischen Kirche durch den Nationalsozialismus. Sattelmachers gute Beziehungen zu Kerrl deuten nicht darauf hin, dass er etwa im Sinne des PNB (Pfarrer Notbund) oder der BK (Bekennende Kirche) nur gedacht oder gar aktiv geworden ist.

 

Zusammenarbeit mit Erwin Noack

 

Erwin Noack,
geboren am 11. Februar 1899 in Spandau, Schulbesuch in Jauer und Cottbus, 1917 bis 1918 Kriegseinsatz, Leutnant, Auszeichnungen wegen Tapferkeit mit Eiserne Kreuz I. und II. Klasse, Mitglied der Organisation Eschrich, Führer einer Kampfeinheit gegen den "kommunistischen Aufstand" in Mitteldeutschland, Staatswissenschaft an der Universität Halle, 1924 Promotion zum Dr. jur., 1925 Assessorexamen, freier Anwalt in Halle (Saale), seit 1. März 1931 Mitglied der NSDAP, Abteilungsleiter in der Rechtsabteilung der NSDAP-Reichsleitung, Aufsätze mit stark ausgeprägten antiliberalen, antikommunistischen und antisemitischen Charakter, seit Juli 1934 Professor an der Universität Halle, Vizepräsident der Reichsrechtsanwaltskammer, 1938 Lehrauftrag in Berlin, stirbt am 11. Juli 1967 in Kellsee.

 

Eine intensive Beziehung unterhält Sattelmacher zum Gauführer des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes (1928 bis 1936 BNSD, Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen), dem Vizepräsidenten der Reichsrechtsanwaltskammer und Leiter des Amtes für Reichsrechtswahrer im Reichsrechtsamt der NSDAP (1937), dem Hallenser Dr. Erwin Noack (1899-1967). Sie müssen sich sehr gut gekannt und verstanden haben. War doch der Gauführer zu Beginn der Amtszeit von Sattelmacher Vorsitzender der Anwaltskammer am Preußischen Oberlandesgericht Naumburg (Saale). Neben Noack saß der Schriftführer Dr. Rieling (Naumburg) und später (um 1937) Erich Dietze, Dr. Gustav Hahn - "Verteidiger" von Otto Wolf -, Dr. Herbert Burkhardt und Paul Herrmann.

Mir gelang es

"völlig [,] [Erwin Noack] für mich zu gewinnen",

erinnert sich Sattelmacher (SE 42). Und dann der Satz, der den Atem zum Stillstand kommen lässt:

"Er hat der Justiz die besten Dienste geleistet." (SE 43).

Erwin Noack (Halle) leistete der Justiz die "besten Dienste"! Welche denn? Etwa die Lobpreisung des Arierertums? Die Entjudung der Anwaltschaft? Den Kampf gegen den Liberalismus? - Eine rechte Vorstellung von dem, was der Honorarprofessor Erwin Noack an der Universität Halle seinen Studenten ab 1934 vermittelt, erhält man anhand seines Aufsatzes

Der freie Anwalt im Dritten Reiche

in der Juristischen Wochenschrift 1936 (Heft 26, Seite 1746 ff). Er suspendiert alle Gewissenskonflikte durch die Lehre von der Letztbindung des Rechtsanwalts an die nationalsozialistische Weltanschauung. Aber Paul Sattelmacher besteht darauf, die

"Zusammenarbeit mit Noack gestaltete sich immer angenehmer" (SE 43).

Vor 1933 war der studierte Staats- und Rechtswissenschaftler und ehemalige Rechtsanwalt in Halle immer zur Stelle, wenn es gegen die Republik und die Linken ging: beim Kapp-Putsch (1920), als Kommandeur einer Hundertschaft im Mitteldeutschen Aufstand (1921) oder bei der Orgesch.

1943 erscheint zu Paul Sattelmachers Bericht, Gutachten und Urteil (Verlag Franz Vahlen, 17. Auflage) in Deutsches Recht (Heft 7) von Landesgerichtsdirektor Dr. Dr. Weber (Berlin) eine Rezension. Zitat:

"Noch in der vorhergehenden Auflage wird der Prozeß als die Austragung eines Kampfes zwischen den Parteien bezeichnet. Jetzt wird er die Auseinandersetzung der Parteien in Form einer Bitte an den Richter um Rechtsschutz für einander widerstrebende Interessen genannt. Mag auch im Grunde praktisch beides auf das gleiche Ziel hinauslaufen, so trägt doch diese Kennzeichnung des Prozesses dem Wandel in der heutigen Auffassung von Rechtsverfolgung und Rechtsschutz Rechnung. Alle Ausführungen in dem Buche sind von dieser Auffassung getragen; sie zeigen damit, wie man auch eingebürgerte Arbeitsmethoden in einem neuen Geist handhaben kann."

 

Mit Albrecht Eggeling

Ein Blumengruss für Albrecht Eggeling (links) auf dem Markt von Naumburg aus Anlass des Kreisappells der NSDAP am 29. Mai 1937. Rechts im Bild NSDAP- Kreisleiter Friedrich Uebelhoer.

Ein gutes Verhältnis verbindet den Oberlandesgerichtspräsidenten mit Joachim Albrecht Eggeling (1884-1945), seit 20. April 1937 Gauleiter von Halle-Merseburg. "Ohne Zweifel ein Ehrenmann" (SE 43), meint Paul Sattelmacher. 1945 will der ihn aber von seinem Posten entfernt wissen, weil er von den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Naumburg befremdet ist.

"Es soll nicht bestritten werden,"

räumt Gauführer Eggeling am 12. Januar 1945 an den Reichsjustizminister Thierack über Paul Sattelmacher ein,

"daß der Oberlandesgerichtsdirektor ein sehr ehrenwerter und anständiger Beamter ist, allein er ist durch sein hohes Alter, sein Junggesellentum und die sonstige Atmosphäre, in der er wohl immer zu wirken Gelegenheit hatte, heute einfach nicht mehr in der Lage sein so hohes Amt verantwortungsvoll zu bekleiden. Jedenfalls kann, solange er wirkt, von einem verständnisvollen Zusammenwirken zwischen Justiz und Partei und damit volksnahen Rechtsprechung und Überwachung derselben im Bereich meines Gaus nicht gesprochen werden. Immer und immer wieder stößt man auf mangelndes Verständnis, das nur in dem hohen Alter und der damit verbundenen Weltfremdheit seinen Grund hat." (Eggeling)

 

Zur Frage der Konzentrationslager

Nach Aussage von Paul Sattelmacher berichtet er als Oberlandesgerichtspräsident seinen Vorgesetzten über die Konzentrationslager und erklärt hierzu: "Es war uns bekannt, dass sie geschaffen worden waren zur Internierung von Personen, die staatsfeindlich gesinnt und vermöge ihrer Stellung, ihres Einflusses für gefährlich erachtet worden. Dass sie einen solchen Umfang gehabt haben, wie es der Fall gewesen ist, war damals unbekannt wie die jetzt offenbar gewordene Behandlung der Häftlinge." "Das, was uns bisher an dieser Einrichtung empört hat, war, dass diese Haft vielfach anscheinend ganz willkürlich angeordnet wurde nach der Art lettres de cachet [berüchtigte Verhaftungsbefehle] vor der französischen Revolution … daß in diesen lagern mitunter Personen "wegen Widerstandes" erschossen wurden" … (SE 69) "Das war alles, was man von diesen Lagern wusste." (69/70) "Es genügt indessen, um jeden rechtlich denkenden Menschen mit Abscheu und tiefster Empörung zu erfüllen." "Ich habe in Schreiben und persönlichen Vorträgen immer wieder auf die Unhaltbarkeit solcher Zustände hingewiesen und Abhilfe verlangt." (SE 70)

Unter Minister Gürtner und Schlegelberger hält man sich an die zugesagte Geheimhaltung derartige Berichte. Später nicht mehr. Thierack, der "starke Mann hätte diesem Treiben von Anfang an sehr gerne statt gegeben." (SE 70) Als die Berichte zu den Kreisleitungen gelangen, trug es zum "allgemeinen Kesseltreiben" (Sattelmacher) gegen den Verfasser bei. Und die hiesige NSDAP-Zentrale urteilt:

"`S. [Sattelmacher] ist kein N. [Nationalsozialist] und wird auch nie nationalsozialistisch denken und handeln können. Er ist kirchlich so stark gebunden, daß er an Sonntagen zweimal zur Kirche geht. Steht in engster Verbindung mit seinem Amtsvorgänger [Oberlandesgerichtspräsident Werner], der wegen offener Gegnerschaft entlassen werden musste. Verkehrt auch im Übrigen nur mit Offizieren des alten Heeres und reaktionären Beamten. Seine Entfernung aus Nbg. dringend erwünscht.` Diese mir seinerzeit zur Kenntnis gelangte Äußerung, die mich ja auch noch um die vom Minister beabsichtigte Ernennung zum Reichsgerichtspräsidenten gebracht hat, hat sich mir geradezu eingehämmert." (SE 65)

Nach dem Tod von Franz Gürtner am 21. Januar 1941 wird Franz Schlegelberg (1876-1970) kommissarischer Justizminister. Von ihm übernimmt Otto Thierack am 20. August 1942 das Amt und gibt ab Oktober desselben Jahres die monatlichen "Richterbriefe" heraus. Danach sollen die Oberlandesgerichtspräsidenten die Urteile der Sondergerichte, die von öffentlichem Interesse sind, mit den Richtern und der Staatsanwaltschaft absprechen. Paul Sattelmacher lehnte dies ab (nach SE 72 ff.).

1945 beschäftigt ihn abermals die Frage der Konzentrationslager. "Gestern abend und heute morgen", scribiert Paul Sattelmacher unter dem 3. Mai in sein Tagebuch,

"bekam ich Augenzeugenberichte - deutsch! über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar, Berichte zuverlässiger Männer. … Ich bin auf das tiefste erschüttert und habe mich vor Entsetzen und vor Scham in meinem Dachkämmerchen eingeschlossen. Wie kann man sich noch unter Menschen sehen lassen, wenn deutsche - Menschen solch furchtbarer Gräueltaten fähig sind?! Wie kann man noch den Mut aufbringen; angesichts solcher Bestialitäten zu Gott zu beten: Vergib uns unsere Schuld. Kann solche Schuld noch vergeben werden, noch dazu wenn ein Volk sie auf sich lädt, das auf einer solchen Kulturstufe stand wie das deutsche Volk. Ich war vor dem ersten Weltkriege stolz darauf, ein Deutscher zu sein."

In der Nacht vom 3. zum 4. Mai (1945) kann er nicht schlafen. Ihn plagen die Gedanken "an die Scheußlichkeiten der KZ Lager" (SE 71). Als er jedoch von einem Gespräch des Generalstaatsanwalts Hermann Hahn mit zwei ehemaligen Häftlingen aus Buchenwald erfährt, korrigiert er am 19. Mai seine Haltung, was sich so liest:

"Die beiden [Häftlinge] hätten zu den amerikanischen Veröffentlichungen nur den Kopf geschüttelt und Folgendes gesagt: Was die Amerikaner vorgefunden und beschrieben hätten, sei in der Tat richtig, aber es betreffe nur die Zustände der letzten Zeit. Die Amerikaner könnten aber nicht wissen - und wollten wohl auch nichts davon hören - dass es früher doch wesentlich anders gewesen sei und sie fragten nicht danach, wie es möglich gewesen sei, dass die Zustände so geworden seien." "Sie [die Häftlinge] hätten zwar in der Zeit ihrer Inhaftierung schwer arbeiten müssen aber weder über die Verpflegung noch über die Behandlung hätten sie zu klagen gehabt. Wer freilich renitent gewesen sei, dem sei es schlechter gegangen als ihnen." (SE 76) "Es seien auch im Durchschnitt nicht mehr als 2 000 bis 3 000 Mann im Lager gewesen." (SE 77)

Unschwer sind die Relativierungen zu erkennen. Wieder die Scheu, gewohnte Sichtweisen aufzugeben oder zu korrigieren. So war es bei Kriegsausbruch 1914, in den Revolutionszeiten 1918/19 und zur nationalen Erhebung 1933 - die Neigung zum Festhalten an Gewohntem. Und was meint Sattelmacher oben mit dem Wort "deutsch" - gestern Abend "…. bekam ich Augenzeugenberichte - deutsch!"?

 

Politische Poesie statt Kritik der Rechtspolitik

Solange Paul Sattelmacher über Konflikte mit Personen berichtet, bleibt er verständlich. Ziemlich kryptisch geht es zu, wenn er auf "Eingriffe in die Rechtsprechung" und "Eigenständigkeit" gegenüber der NSDAP zu sprechen kommt. Keine klaren Worte zu Rasse- oder Berufsverbotsgesetzen oder über die Zusammenarbeit zwischen dem Oberlandesgericht Naumburg und der Gestapo bei den Landesverrätern, sprich den Kommunisten und Sozialdemokraten (vgl. Heuer 1994, 116). Immer nur vage Andeutungen. Von einem zum anderen Allgemeinplatz stolpern die Gedanken. Nichts Erhellendes. All das wirkt äußerst unsicher. Vergeblich wartet man auf eine kritische Einschätzung zum Charakter der Rechtspflege im Nationalsozialismus, wie zur Aufhebung der Bindung des Richters an das Gesetz oder die Missachtung der Bürgerrechte.

Ebenso strotzt sein Buch

Die juristischen Staatsprüfungen.
Prüfungseinrichtung, Verfahren und Anforderungen

von 1935 vor rechtspolitischer Poesie. Seit der letzten Auflage war die Justizausbildungsverordnung vom 22. Juli 1934 erschienen. Sie regelt erstens das Verfahren der ersten juristischen Staatsprüfung, zweitens den Vorbereitungsdienst der Referendare und drittens die so genannte Große Staatsprüfung. Das Justizprüfungsamt, welches am 1. Oktober 1934 nunmehr seine Aufgaben als Reichsjustizprüfungsamt wahrnimmt, dient der Vereinheitlichung der Prüfungen und Anwendung einheitlicher Qualitätsstandards. Es ist dem Justizministerium angegliedert und direkt dem Minister unterstellt. Für die erste juristische Prüfung gibt es zweiundzwanzig Prüfungsämter, welche den Oberlandesgerichten angegliedert sind. In seinem Buch erläutert Sattelmacher systematisch, was die Prüflinge in der Haus- und Aufsichtsarbeit sowie in den mündlichen Prüfungen an Leistungen erbringen und beachten müssen. Ähnlich verfährt er dann mit der Großen Staatsprüfung. Eine Pflichtlektüre für Juristen vor dem Prüfungscross. Die künftigen Juristen fordert er auf, die "Volksschädlinge zu bekämpfen" und zugleich "Ersprießliches für die Rechtspflege" (Sattelmacher 1935, 4) zu tun. Wie das umgesetzt werden soll, wenn doch das rechtspolitische Verdikt vom Volksschädling die Rechtspraxis politisiert und entmenschlicht, beantwortet der Meister der politischen Poesie nicht.

 

"Erziehung zur Gemeinschaft und Überwindung der sozialen Gegensätze ..." im Gemeinschaftslager der Referendare in Jüterbog.

Rede von Staatssekretär im Reichsjustizministerium Dr. Roland Freisler:

Hier ansehen.

Quelle: Filmbericht aus dem Gemeinschaftslager Hanns Kerrl in Jüterbog. Ausschnitt aus Deulig-Tonwoche, 1933-08-02, Nr. 83.

Technische Hinweise: wmv-Format, 352 mal 288 Pixel, Dateigröße: 5,8 Megabyt. Getestet mit dem Microsoft Internet Explorer! Wegen mangelhafter Standardisierung der verschiedenen Browsertypen, kann der Film nicht mit allen (zum Beispiel Safari) abgespielt werden.

 

Sein Talent zur Begradigung und Auslöschung aller Widersprüche demonstriert Sattelmacher noch mal mit seiner Darstellung der Referendarlager (1935, 54), in denen die Prüflinge zwischen der häuslichen Arbeit und der mündlichen Prüfung zusammengefasst werden. Als Vorbild dienen die SA-Lager. Den Erziehungsauftrag bestimmt das nationalsozialistische Führertum. "Bewusst setzte das Justizministerium zahlreiche SA-Führer als Ausbilder ein …" (Schmerbach 73) Sattelmacher übersetzt dies mit: Der Referendar soll "danach streben und sein Leben danach einrichten, sich geistig und körperlich frisch zu erhalten. Es ist die Aufgabe der Landesjustizverwaltung, darüber zu wachen, daß die Prüflinge diese Grundsätze befolgen." Dieser Zweck wird in Preußen "im Gemeinschaftslager Hanns Kerrl in Jüterbog in vollem Maße erreicht" (54). Daher also der hohe Bekanntheitsgrad des Jüterboger Amtswalter-Marschs "Leck´ mich links am Arsch, leck` mich kreuzweis` am Arsch". Von dieser Antibürgerlichkeit (Schmerbach 75) verrät Sattelmachers Schrift nicht das Geringste.

 

Mordgesellen.
Schweigen als Beihilfe zum Mord.  nach oben

Professor Heiner Lück (Halle) kommt in seiner Arbeit Von Barop nach Buchenwald (2004, 103) zu dem Ergebnis:

"Dafür, dass [der Oberlandesgerichtspräsident Paul] Sattelmacher eventuell elementare Menschenrechte verletzt habe, ließen sich keine Hinweise finden."

Gibt es die wirklich nicht? Eine junge Frau aus Naumburg, macht als 19-jährige in den Bodelschwinghschen Anstalten während eines schizophrenen Schubs mit dem Gesetz über die Verhütung erbkranken Nachwuchses (14. Juli 1933) ihre eigenen Erfahrungen.

"Auch alle höchsten Juristen",

schreibt Dorothea Buck (geboren 1917),

"die Präsidenten des Reichsgerichts, der Oberlandesgerichte, die Generalstaatsanwälte, die Oberreichsgerichte schwiegen zu den psychiatrischen Patientenmorden und unterdrückten Strafanzeigen der Angehörigen ermordeter AnstaltspatientInnen". (Buck, Brief 2006)

Vom guten Hahn (Sattelmacher) ist beispielsweise bekannt, dass er mit Freisler am 10. April 1940 eine Unterredung über die Euthanasie-Aktion und die daraus entstehenden rechtspolitischen Fragen für die Staatsanwaltschaft hatte. (Vgl. Gruchmann 1990, 526 f.)

Oft bleiben in den Erinnerungen von Paul Sattelmacher Worte aus, wo sie dringend geboten. Weiße Flecken verdecken die Ermordung von Kranken und Behinderten im Rahmen der Euthanasie (T 4 Aktion) in der Heil- und Pflegeanstalten Bernburg. Generalstaatsanwalt Hermann Hahn und Paul Sattelmacher wussten seit Beginn im November 1940 davon. Keiner erstattete Anzeige.

Beide nehmen an der Konferenz des Reichsjustizministeriums

am 23. und 24. April 1941 im Haus der Flieger,

Prinz-Albrecht-Strasse, in Berlin teil. (Siehe auch: Hans Schueler) Geladen ist das Führungskorps der Justiz. Sattelmacher und Hahn befinden sich in Gesellschaft der je vierunddreißig Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte, von Staatssekretär Roland Freissler, Dr. Dr. h.c. Erwin Bunke, Präsident des Reichsgerichts, Dr. Otto Thierack, Präsident des Volksgerichtshofs sowie der beiden Oberreichsanwälte. (Vgl. Kramer 29)

Auf der Tagung wird die Organisation der Aktion T 4 und damit zusammenhängender juristische Verfahrensweisen eingehend dargestellt, erinnert sich der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt Franz Hagemann (vgl. Klee 1992, 252). Justiz-Staatssekretär Franz Schlegelberger (1876-1970), 1941 und 1942 kommissarischer Reichsminister der Justiz, referiert zum Stillhalten und der administrativen Verdunklung des Mordunternehmens Aktion T 4 durch die Justiz. Unter Verletzung des Legalitätsprinzips der Strafprozessordnung Paragraf 152 werden die Verwaltungsjuristen verpflichtet, alle Eingaben und Strafanzeigen bezüglich der Anstaltstötung unbearbeitet dem Reichsjustizministerium vorzulegen. Schellenberger beauftragt die Oberlandegerichtspräsidenten und Landgerichtspräsidenten über die Aktion T4 mündlich zu unterrichten. (Vgl. Kramer 30)

Danach erhielt Victor Brack das Wort, Oberdienstleiter des Amtes II in der Kanzlei des Führers, verantwortlich für die Durchführung der Aktion T4 und deshalb im Nürnberger Ärzteprozess 1947 zum Tode verurteilt. Er legt den Teilnehmern eine Fotokopie jenes auf den 1. September 1939 datierten Ermächtigungsschreiben von Adolf Hitler vor und betont, es erfolgt damit nicht die Vernichtung unwerten Lebens, sondern es handelt sich um "die Durchführung eines Erlösungsaktes für Schwer- und Schwerstleidende".

Nach Aussage von Brack zerstreute dann Psychiater Professor Werner Heyde (Würzburg) die Bedenken aus medizinischer Sicht.

Gegen diese Juristen brachte Fritz Bauer 1965 ein Ermittlungsverfahren auf den Weg. Die teilnehmenden Juristen auf der Konferenz im Haus der Flieger waren nach seiner Überzeugung verdächtig, "der heimtückischen Tötung von Menschen aus niedrigen Beweggründen durch Rat und Tat wissentlich Hilfe geleistet zu haben."

Dementgegen argumentiert Heiner Lück (2004, 102):

"Allein aus der Vermutung, daß Sattelmacher auf dieser Beratung sich nicht zu Wort gemeldet haben soll, kann auf keinen Fall abgeleitet werden, dass Sattelmacher diese Maßnahmen tolerierte oder gar unterstützte. Diese Beratungen waren nicht von freier Redemöglichkeit, sondern von stabsmäßiger und stringenter Durchführung geprägt."

Das provoziert vier Einwände.

Erstens. Heiner Lück erzeugt den Eindruck, als ob von dem Juristentreffen im Haus der Flieger kaum etwas bekannt ist.

Gewiss, ein Dr. jur. Otto Küster, geboren 1886, seines Zeichens seit 1. April 1935 Oberlandesgerichtspräsident in Stuttgart, gibt 1947 vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg zu Protokoll, dass damals im Haus der Flieger eine Diskussion ausgeschlossen war. Allerdings sieht sich der Jurist dienstlich überhaupt nicht von der Euthanasieaktion berührt. Eine abnorme Einstellung für einen Oberlandesgerichtspräsidenten, bemerkt dazu Ernst Klee in Was sie taten - Was sie wurden (1992, 249 f.), der sich nicht für den Massenmord in der Vergasungsanstalt Grafeneck interessierte, die in seinem Verantwortungsbereich lag.

Ganz anders äussert sich über diese Konferenz Professor Werner Heyde (1902-1964), Leiter der medizinischen Abteilung der Euthanasie-Zentrale. "Diese Tagung war durchaus kein reiner Befehlsempfang; es wurden vielmehr eine ganze Reihe von Fragen erörtert und zur Diskussion gestellt. Auch in diesem Kreise wurde klar ausgesprochen, daß der Wille des Führers Gesetz sei." (Ebenda 248)

Der Generalstaatsanwalt von Karlsruhe gibt zu Protokoll: "Bei dieser Besprechung [im Haus des Fliegers 1941] wurden wir noch angewiesen, strafrechtliche Maßnahmen nicht zu ergreifen, falls wegen der Tötung von Anstaltsinsassen irgendwelche Meldungen kämen." (Ebenda 250)

Zweitens. Diese natürlich nur auszugsweise wiedergegebenen Forschungsergebnisse zur Juristentagung (1941), erlauben durchaus Schlussfolgerungen über die Schuld der Juristen bei der Durchführung der Euthanasie im Sinne des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (1903-1968). In seiner Antragsschrift vom 22. April 1965 führt er aus, "dass die versammelten Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte als hohe Repräsentanten der Justiz kraft

ihrer Stellung und Amtes gehalten gewesen wären,

in einer für die damalige Zeit geeigneten Form auf die Bedenken gegen die Tötung von Menschen, zumal ohne gesetzliche Grundlagen, hinzuweisen, und gegebenenfalls zum Ausdruck zu bringen, dass sie sich persönlich nicht in der Lage sähen, die Weisung an die nachgeordneten Gerichte bzw. Behörden weiterzugeben, nicht gegen die Euthanasie zu unternehmen. Eine solche Rechtspflicht bestand nicht nur für die Generalstaatsanwälte als die an sich berufenen Strafverfolgungsorgane, sondern auch für die Oberlandesgerichtspräsidenten, denen angesonnen wurde, ihre nachgeordneten Gerichte dahin zu unterrichten, das z.B. Vormundschaftsrichter gegen ihre Mitverantwortlichkeit für das Schicksal entmündigter Personen stillhielten." (Kramer 35)

Fritz Bauer stellt deshalb einen Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung gegen Schlegelberger und die an der Beratung im Haus der Flieger teilnehmenden elf Oberlandesgerichtspräsidenten, fünf Generalstaatsanwälte und drei höhere Justizbeamte. Nach seiner Rechtsauffassung bedeutet das Schweigen eine Beihilfe zum Mord. Damit bricht Heiner Lück. Auf Fritz Bauer nimmt er keinen Bezug. Nach dem Tod des hessischen Generalstaatsanwalts wurden die Ermittlungen eingestellt. "Der Prozess zum Thema Spitzenjuristen als Mordgesellen sollte vermieden werden", folgert Götz Aly (1995).

Trotz heftigen Widerstands erzwingt Jahre später der Braunschweiger Oberlandesgerichtsrat Helmut Kramer Zugang zu den Akten und verfasst in der Kritischen Justiz (1984) den Aufsatz: Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte als Gehilfen der NS-"Euthanasie" - Selbstentlastung der Justiz für die Teilnahme am Anstaltsmord.

Drittens. Heiner Lücks Argumentation zum Verhalten von Paul Sattelmacher im Haus der Flieger ist nicht schlüssig, weil er die von ihn verfassten ethischen Grundsätze an den Richter außer Acht lässt. "Ein warmes Herz und ein offner Sinn" "muss dem Richter eigen sein", forderte der Oberlandesgerichtspräsident in Richter und Rechtsfindung (1942, 43). "Mut und fester Sinn" begreift er als "Grundvoraussetzungen für eine gesunde Rechtspflege!"

Weil Sattelmacher die Loyalität zum System über die ethischen Prinzipien des Richterstandes stellte, blieb im Haus der Flieger sein Widerspruch aus.

Entlastend muss man einbringen, dass sich damals in der deutschen Öffentlichkeit zu Sterilisation und Euthanasie tendenziell kein Unrechtsbewusstsein bildete. Bereits zu Kaiserzeiten und in der Weimarer Republik erfolgt unter dem Einfluss namhafter Wissenschaftler die allmähliche Zersetzung elementarer humanistischer Prinzipien im Umgang mit den Kranken und Geschädigten. Erinnert sei an das Recht auf den Tod (Adolf Jost, 1895), die Idee der Tötung von Kindern mit Missbildungen (Alfred Ploetz, 1895), das lebensunwerte Leben (Alfred Hoche, Karl Binding), Unfruchtbarmachung als eine eugenische Maßnahme (Alfred Grotjahn 1925/26), Gesetzliche Unfruchtbarmachung Geisteskranker (Joseph Mayer, 1927), die Kriminalbiologische Kartei (Rainer Fetscher, Dresden) oder die psychiatrische Anstalt als scharfes Schwert gegen die Untermenschen und Minderwertigen in der Hand des himmlischen Meisters (Pastor Fritz von Bodelschwingh, Lübeck).

Als bürgerlich Intellektueller durfte sich Professor Paul Sattelmacher mit den Tendenzen der Enthumanisierung der Medizin und dem Anstalts- und Krankenhauswesen nicht abfinden.

Viertens. Die Akteure der Mordaktion konnten sich lediglich auf ein zum 1. September 1939 zurückdatiertes Schreiben von Adolf Hitler an den Chef der Kanzlei Philipp Bouhler und den Begleitarzt Hitlers Karl Brandt stützen. Gerade das musste bei Juristen, deren Handeln im Selbstverständnis von Recht und Gesetz getragen wird, eher Widerspruch als Schweigen erwarten lassen.

 

Stellung zur NSDAP

Auf über neun Seiten (A 4) erörtert Paul Sattelmacher sein Verhältnis zur NSDAP, der er erst am 15. September 1937 beitritt, weil, wie er mitteilt, es nicht anders ging. Im Parteiapparat begegnete man ihm "meist mit ausgesprochenem Misstrauen" (SE 59). Niemals hat er "irgendein Amt [in der Partei] gehabt oder auch nur eine Rolle gespielt". Niemals trägt er außerhalb des Dienstes das NSDAP-Parteiabzeichen. Uns interessiert nicht, ob er in seinem Dienstzimmer ein Parteiabzeichen trug, sondern vorrangig, welche Entscheidungen er traf oder unterließ. "Ich habe stets", bekennt er, "einem nationalen Sozialismus zugeneigt - sogar einem nationalen Kommunismus hätte ich mich vielleicht verschreiben können - aber eine solche Partei gab es nicht, wobei ich keineswegs etwa sagen will, dass ich dem Nationalsozialismus, so wie er sich entwickelt hat, restlos zustimme." (SE 32) Oder:

"Das, was ich an dem Parteiprogramm [der NSDAP] stets begrüßt habe, sei, so habe ich immer wieder übrigens auch in öffentlichen Reden hervorgehoben, ja nichts weniger als neu, sondern die endliche Wiederherstellung derjenigen Grundsätze, die zu allen Zeiten Gemeingut aller anständigen und ehrenhaft denkenden Menschen gewesen seien." (SE 43)

Diese Unbedarftheit und Naivität erschüttert, aber es verwundert nicht mehr: Der Oberlandesgerichtspräsident steht mit beiden Beinen auf dem Boden der nationalsozialistischen Ideologie, auch wenn er es nicht wahrhaben will.

 

Gegen Judenstürme, aber für die Entjudung der Anwaltschaft!

 

Ein Gegner der Nationalsozialisten war der Rechtsanwalt Doktor Otto Hollaender (1888-1937). Er schrieb in seinem Abituraufsatz:

"Auch bin ich überzeugt, daß das Eintreten für Recht und Gerechtigkeit eine Tätigkeit ist, die dem Menschen ein gewiss immenses Glück verschaffen kann. In der Hoffnung auf diesem Wege zur Weiterentwicklung der Menschheit ein wenig beitragen zu können, will ich Jura studieren."

 

Ende April 1945 ändert Cptn. Lorenz (Naumburg) seine politische Meinung über ihn, was nach Ansicht von Oberbürgermeister Bruno Radwitz auf eine Denunziation zurückzuführen ist, die ihn "als einen der größten Aktivisten der NSDAP" charakterisiert (vgl. Notiz 21.4.1945). Relativiert man diesen Vorwurf stark oder beachtet ihn erst gar nicht, weil er zu ungenau ist, dann bleibt trotzdem festzustellen, dass bei der Entjudung der Rechtsanwälte und Notare sowie der Anwendung politischer Berufsverbote für unliebsame Rechtsanwälte, keine wesentlichen Abweichungen von der nationalsozialistischen Rechtspolitik zu erkennen sind. Lothar Gruchmann untersuchte (1990) derartige Fragen umfassend in der Monographie "Justiz im Dritten Reich 1933-1945". Die hierzu veröffentlichten Ergebnisse und Statistiken (zum Beispiel Seite 151 und 152) sind eindeutig: Im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg gibt es keinen Sonderweg.

Das gleich gilt für die Durchführung von Polizeiaktionen in der Stadt, zum Beispiel am 22. August 1944.

Die Justiz war mit dem Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (1935) tief in die Judenverfolgung einbezogen. Das bewegt Paul Sattelmacher, wenn ich seine Erinnerungen richtig deute. Nur die Rolle des Märtyrers liegt ihm nicht. Ihn empört aber, "dass zur Zeit der großen spontanen Judenstürme Beamte, die der SA angehörten, um Urlaub zum Nachmittagsdienst baten, weil sie zu einem Sturm auf ein jüdisches Geschäftshaus und zu einer an diese Aktion sich anschließenden spontanen Veranstaltung auf dem Marktplatz befohlen seien." (SE 45) Oh, du mein schönes Naumburg, du mein gemütliches Beamtenstädtchen: Vormittags Dienst auf dem Gericht und nachmittags unterwegs zur Judenhatz! Das ist nicht die feine bürgerliche Art, - oder doch? Sattelmacher liebt solche Exzesse und diesen Fanatismus nicht. Das entsprach nicht seiner Lebensart. So suspekt ihm bestimmte Erscheinungen des Nationalsozialismus auch sind, seine grundsätzlich positive Haltung zu ihm und zur "Einordnung" (Kerrl) in das System stellt es nicht in Frage. Und doch sucht er ernsthaft Wege jenseits des Krawalls und politischen Spektakels. Mit gewissen Stolz teilt er mit: "Selbst in der Judenfrage habe ich unbeanstandet außer der Reihe tanzen dürfen. Ich galt in Berlin als ein Mann, der Mut zur Toleranz hatte, und so schickte man mir in meinem Bezirk Mischlinge, die sich an anderer Stelle nicht halten konnten, obwohl nichts anderes gegen sie sprach als der Schuß jüdischen Blutes, der in ihren Adern floß … " (SE 44) "So sagte man mir einmal: Ja, es ist erstaunlich, dass sich solch eine Persönlichkeit auf diesem Posten halten kann. Er [Sattelmacher] ist ein Unikum, ein weißer Rabe." (SE 44)

Das kann nicht darüber hinweghelfen, dass Doktor Noack (Halle) als Vorsitzender der Anwaltskammer am Oberlandesgericht Naumburg mit dem Rechtswahrerbund - und ganz offensichtlich im guten Einvernehmen mit Sattelmacher - exzessiv die Entjudung der Naumburger Anwaltschaft betrieb. Hierfür steht das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte Doktor Otto Hollaender, Konrad Landsberg und Doktor Artur Samter.

 

 

Richter und Rechtsfindung

"Einer Partei habe ich [vor 1937] niemals angehört," teilt er mit. "Das lag daran, dass ich als alter Richter stets der Ansicht bin, ein Richter dürfe nicht parteigebunden sein …." - Aber wie steht es um Wahrheit, Parteilichkeit und Moral des Richters. Wieder bleibt es bei Allgemeinplätzen. Nicht so bei seinem Minister Hanns Kerrl, der ihn 1933 in die Position hievte. Der fordert von seinen Richtern "Opfermut, Kameradschaftlichkeit, Einordnung, nie versiegendes Pflichtgefühl" (Kerrl 31.3.1933)

Was aber versteht Paul Sattelmacher unter der Unabhängigkeit der Richter, von der er in den Erinnerungen so gerne fabuliert? Wir wissen es nicht genau, weil er im Ungefähren verbleibt. Was wir wissen, ist, daß der preußische Minister für Justiz Hanns Kerrl am 26. August 1933 anweist:

"Festnahmen seitens der Staatsanwaltschaft sind - abgesehen von Festnahmen auf frischer Tat - nur im  E i n v e r s t ä n d n i s mit der SA. Führung selbst vorzunehmen und insbesondere dann zu unterlassen, wenn die SA.- oder SS. Führung selbst für die Sicherungsverwahrung des Beschuldigten sorgt und wenn sie für pünktliche Gestellung zu Terminen bürgt. Bei Festnahme auf frischer Tat ist die SA. oder SS.-Führung sofort fernmündlich oder schriftlich über Täter und Tat zu unterrichten." (Kerrl 26.8.1933) (Siehe auch Gesetz über die Vernehmung von Angehörigen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.)

 

Dr. jur. Ludwig Becker,

geboren am 21. Mai 1871 in Lorch, Volksschule in Bensheim, Gymnasium in Frankfurt a.M., Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, Berlin und Marburg, Staatsanwalt in Frankfurt am Main (1905), Oberstaatsanwalt beim Landgericht Halberstadt und Frankfurt am Main, im Weltkrieg als Rittmeister d. R., Eisernes Kreuz 1. Klasse, ab 1927 Oberstaatsanwalt am Oberlandesgericht, nach Wegfall der Strafvollzugsämter Leiter der Strafvollzugsanstalten des Oberlandesgerichts Naumburg, ab 1. Oktober 1936 im Ruhestand, wohnhaft: Naumburg, Breithauptstraße 22, gestorben am 28. August 1950 in Naumburg.

Möglicherweise seit 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP. Aber Unklarheiten in der NSDAP-Mitgliederkartei. (Siehe hierzu Möhring Seite 119)

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An der Unterminierung der Unabhängigkeit von Justiz und der Kollaboration mit SA und SS wirken der Oberlandesgerichtspräsident von Naumburg (in diesem Akt vertreten durch Pistor) und Generalstaatsanwalt (Dr. Becker) mit. Sie teilen den Herrn Landgerichtspräsidenten und Oberstaatsanwälten am 2. September 1933 mit:

"Die sorgfältige Beachtung der Rundverfügung vom 26. August 1933 - I 4830 - wird zur b e s o n d e r e n  P f l i c h t  gemacht." (Pistor 2.9.1933,  Hervorhebung im Zitat vom Autor)

"Im Oberlandesgericht Naumburg (Saale) kam zuerst eine Übereinkunft im Sinne der Gestapo zustande. Dort hatten die Justizbehörden, "die Entlassung von Landesverräterverdächtigen aus der Untersuchungshaft rechtzeitig der Gestapo mitzuteilen, ihn bei Zeitdruck den Betroffenen sogar "zuzuführen" und die Akten zu übergeben". (Heuer 1994, 16)  nach oben

Wie das alles Sattelmacher mit der Unabhängigkeit des Richters vereinbart, bleibt zumindest in den Erinnerungen völlig offen. Im Verlauf seines Lebens mutiert diese Formel zu einer unheimlichen Illusion, die er - oder sie ihn ? - bis nach Buchenwald schleppt.

Eine von Weisungen der ausführenden Gewalt freie und nur dem Gesetz unterworfene Tätigkeit des Richters stellt einen kontradiktorischen Widerspruch dar, weil die drei Gewalten (Judikative, Exekutive, Legislative) nicht getrennt ihre staatlichen Funktionen wahrnehmen und nicht allen Bürgern mit entsprechender Befähigung ohne Rücksicht auf Rasse, Religion und gesellschaftliche Herkunft zugänglich ist. In Paul Sattelmachers Rückzug auf die Unabhängigkeit des Richters äußern sich seine Illusionen über die Herrschaft des Nationalsozialismus. Aber vielleicht verstehen wir ihn falsch? Vielleicht äußert sich im Beharren auf dem Prinzip der Unabhängigkeit des Richters ein Protest gegen die politischen Verhältnisse? Auf Grundlage seiner Erinnerungen (SE) kann man dies kaum bejahen. Allerdings hinterließ er in der Fachzeitschrift die Deutsche Justiz. Rechtspflege und Rechtspolitik (1942) einen aufschlussreichen Aufsatz zum Thema

Richter und Rechtsfindung.

Um ihn zu erschließen, ist es sinnvoll seine historischen Koordinaten zu bestimmen.

Adolf Hitler greift in seiner Rede vor dem Reichstag am 26. April 1942 heftig die Justizbürokraten an. Die Beamten und Angestellten, die auf ihrem Anspruch auf Urlaub bestehen, während die Soldaten an der Ostfront unter Entbehrungen leiden, weist er mit dem Hinweis auf ihre Pflichten in die Schranken. Außerdem müssen sie endlich verstehen, "daß Deutschland leben muß, ganz gleich, wie immer auch formale Auffassungen der Justiz dem widersprechen mögen", womit er im Grunde, wie Lothar Gruchmann (2004) ausführt, fordert, "dass der Richter das Recht beugen solle, wenn es aus politischen Gründen opportun sei." Das System schleift die letzten Reliquien rechtsstaatlichen Denkens.

Am 20. August 1942 übernimmt Dr. Otto Thierack von Franz Schlegelberger (1876-1970) das Amt Reichsminister für Justiz. Als Präsident des Oberlandesgerichts führt sein Staatssekretär Dr. Rothenberger als einer der Ersten die Steuerung der Justiz durch eine sogenannte Vor- und Nachschau ein und führt damit die Frage nach Unabhängigkeit der Richter systemkonformen Endlösung zu.

Trotz aller unsäglichen Verkrüppelung des Rechtssystems übersendet am 11. Oktober 1942 der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (kurz SD) an alle seine Dienststellen im Rahmen der Aktion "Aussprache über Lebensgebietsfragen" das Dokument "Rechtssicherheit und Unabhängigkeit der Richter". Als Verfasser gilt SS-Brigadeführer Otto Ohlendorf, Chef des Amtes III des RSHA [Reichssicherheitshauptamt], 1941/42 Führer der Einsatzgruppe D der Sicherheitspolizei und des SD in Südrussland. Er wird 1951 in Nürnberg hingerichtet. Jeder Bürger, der nur einen oberflächlichen Blick auf die Lage des Rechtslebens wirft, gibt der SD seiner Sorge Ausdruck, müsse den Eindruck bekommen, "als gehe in Deutschland tatsächlich Gewalt vor Recht", weshalb das Wort von einer "Vertrauenskrise der Justiz" die Runde macht. Stimmt es denn, fragt Ohlendorf, daß die richterliche Unabhängigkeit von Willkürakten eines Polizeistaates bedroht ist? Er antwortet: "In Wirklichkeit gäbe es kaum einen Richter, der den Vorwurf verdiene, seine Entscheidungen stimmen nicht mit den politischen Notwendigkeiten unserer Zeit überein." (SD 409) Mitten im Krieg sind Gesetzlichkeit, Unabhängigkeit der Richter und Rechtssicherheit ein Thema der Auseinandersetzung in der herrschenden NS-Elite.


Aufsatz von
Paul Sattelmacher:
Richter und Rechtfindung. Deutsche Justiz, 1942

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So darf man gespannt sein, was Paul Sattelmacher in seinem Aufsatz Richter und Rechtsfindung dazu mitteilt. Zunächst, dies fällt auf, von der Liebe zum Führer steht darin nichts geschrieben. Er fordert, der Richter soll sich dem Volk zuwenden. Nur die "Liebe zum Volk" befähigt den Richter "Menschen richtig zu beurteilen". "Dazu gehört vor allem die Kunst, den anderen ohne innere Voreingenommenheit anzuhören und dabei nicht nur das zu hören, was sich in den eigenen Gedanken einfügt." Dies muss vom Streben nach Wahrheit und Unbefangenheit begleitet sein. Denn richterliche Entscheidungen greifen tief in das Leben des Volksgenossen ein. Und "Deshalb muß ein tiefer Ernst und ein großes Verantwortungsbewusstsein alle seine Berufsarbeit erfüllen und bestimmen und ihn zu peinlicher Akribie, auch in kleinen und unscheinbaren Dingen, anhalten." Immer muss er sich der "Grenzen seines Könnens" bewusst sein. Wichtig ist die "Anteilnahme am Gemeinschaftsleben" (HJ, SA, Arbeitsdienst, Wehrdienst). Nur so kann er "bodenständig" bleiben.

"Die unsympathischsten und bedenklichsten Erscheinungen auf dem Richterstuhl sind solche Männer, die, mit einer starken Eitelkeitshypothek behaftet, immer bestrebt sind, sich in Szene zu setzen." "Schauspielkunst aber ist auf dem Richterstuhl fehl am Platz," so Paul Sattelmacher, "sie ringt nicht Achtung und Anerkennung, sondern sehr bald das Gegenteil." Man kann dies durchaus als Kritik am wilden Roland (Roland Freisler) lesen, und der im Revirement von 1942 auf dem Präsidentenstuhl des Volksgerichtshofs landet. Zumindest gelingt es, den Gegensatz der allgemeinen Prinzipien des Richterberufs zur gesellschaftlichen Realität ansatzweise herauszustellen. So nutzt der Oberlandesgerichtsdirektor 1942 die Deutsche Justiz für eine indirekte, vorsichtige Kritik am System der Rechtspflege. Der Aufsatz wirft auf bestimmte Textstellen in seinen Erinnerungen (SE) ein etwas anderes Licht und hilft, diese tiefer zu verstehen.

Paul Sattelmacher will, dass der Richter ein "rechter Treuhänder des Volkes in der Wahrung des ihm anvertrauten hohen Gutes, des Rechts", ist. Nur leider, ist in den letzten acht Jahren eine gewisse Fixigkeit der erstinstanzlichen Zivilgerichte zu beobachten, was dazu führt, dass die Berufungsinstanz zur Tatsacheninstanz wird. "In den Strafsachen hat die mangelnde Gründlichkeit der Ermittlungen eine weit schlimmere Folge." Deshalb muss die "rein tatsächliche Seite der richterlichen Arbeit" bestimmend sein. "Mut und fester Sinn sind die Grundvoraussetzungen für eine gesunde Rechtspflege." Aber die Einbindung in das Gemeinschaftsleben, schöpft er aus seinen Naumburger Erfahrungen, "führt nun einmal zu Bindungen vielerlei, die restlos zu überwinden oft nicht leicht ist." "… je kleiner der Ort des Gesichtssitzes ist, je kleiner das Format des Menschen, um so größer ist diese Gefahr, da dort die Bindungen sich meist weit stärker fühlbar machen".

Wie Vorarbeiten zum Moralkodex des Richters muten obige Aussagen zur Prestige-Krankheit, Voreingenommenheit, Rechthaberei und die Forderung nach einem warmen Herz oder offenen Sinn an. Allein mit passablen Sonntagsreden, die gemessen an den Problemlagen der Zeit im Allgemeinen entschwinden, gelingt dies nicht. Wie eh und je betrachtet der Autor die Arbeit des Richters abgelöst von der machtpolitischen institutionellen Organisation der Rechtspflege, weshalb seine Ausführungen bisweilen geradezu märchenhafte Züge annehmen.

So könnte man den Aufsatz lesen und verstehen. Aus der Perspektive des Paradigmenkampfes zwischen positiven Recht und Naturrecht ergibt sich noch ein etwas anderer Blick. Vielleicht sind die von ihn formulierten ethischen Grundsätze zur Tätigkeit des Richters eine erste, möglicherweise unbewusste Hinwendung zur Naturrechtslehre? Spürt Sattelmacher, dass er dem Rechtspositivismus in seiner schlimmsten Art, Gesetz ist Gesetz, der ihn als Juristen wehrlos gegen Willkür und Verbrechen machte, aufgesessen ist? Es scheint so, als ob er sich mit dem Satz "Die Aufgaben der Rechtsfindung können nicht, gleich einem Rechenexempel, rein verstandesgemäß gelöst werden" gegen den Vorwurf ein Techniker des Rechts zu sein, verteidigen möchte. Dies passt dann zur nach 1945 in Deutschland-West einsetzenden Renaissance des Naturrechts. Sollte Paul Sattelmacher wirklich diese Wende im Sinn gehabt haben, müsste er das individuelle Gewissen des Richters in den Mittelpunkt rücken. Wohl fordert er "Das der Richter sich auch dessen bewusst [!] sein [muss], dass seine Entscheidungen oft sehr stark in das Leben des Volksgenossen eingreifen …" Allerdings es fehlt das Gewissen, die prüfende Instanz. Diese Leerstelle füllt in Richter und Rechtsordnung die "Liebe zum Volk" und ein "warmes Herz und offener Sinn für die seiner Beurteilung unterbreiteten Lebensvorgänge". Immerhin deutet dies auf eine klare Wertorientierung hin, die als Kritik am Rechtspositivismus interpretiert werden könnte. Andererseits wird mit der Liebe zum Volk eine wenig verlässlich überrechtliche Instanz eingeführt. "Ach Volk, du obermieses, / Auf dich ist kein Verlass. Heute willst du dieses, / Morgen willst du das", reimte Peter Hacks. In der katholischen Naturrechtslehre übernimmt diese Aufgabe Gott. Ein ebenso unsicherer Kantonist, war er doch auf der Judenrampe in Auschwitz-Birkenau gerade wieder außer Dienst.

Um die Wende zum Naturrecht glaubhaft zu vollziehen, müsste Paul Sattelmacher den korrumpierenden (steuernden) Einfluss der Politik auf das Recht erkennen. Und dies läst nun die letzten Hoffnungen bleichen. Sicher, Richter und Rechtsordnung wird mitten im Krieg veröffentlicht. Doch zwingt ihn das, den Volksgenossen und nicht den Bürger in Blick zu nehmen? Zumal sich dessen staatliche Prägung, also die Erziehung zur Anteilnahme am Gemeinschaftsleben, wie er sagt, "in der Volksgemeinschaft" vollzieht, der "HJ, SA., Arbeitsdienst und Wehrdienst" dienstbar sind. Auch seine Haltung zum NS-System nach der Befreiung Naumburgs vom Hitlerfaschismus im April 1945 lässt leider in keiner Weise auf die erhoffte Wende schliessen.

 

1945

Das V. Armeekorps der 1. US-Armee befreit am 12. April 1945 Naumburg vom Hitlerfaschismus. Am 17. April untersagen die Amerikaner dem Oberlandesgerichtspräsidenten den Zutritt zum Dienstgebäude, das sie bald darauf räumen. Daraufhin zieht er mit einem kleinen Stab in zwei Zimmer des Amtsgerichtsgebäudes am Markt. Seine Erinnerungen enthalten viele Neuigkeiten und Details über die Ereignisse in der Stadt Naumburg von April bis Juni 1945, was an anderer Stelle ausgewertet wurde.

Unter dem 21. April notiert Sattelmacher, daß sein Haus in der Claudiusstraße 10 beschlagnahmt wird und er es bis 6 Uhr räumen muss (Vgl. SE 64).

.

Claudiusstraße 10
Das Anwesen umfasst 2 267 Quadratmeter,
die Dienstwohnung zirka 240 Quadratmeter.

Was hält ihn in Naumburg? Sein Reputationssystem? Hoffnungen? Könnte ihn eine Flucht in die Westzonen nutzen? Wohl kaum. 1945 ist der Zorn der Amerikaner auf die NS-Justiz mindestens so groß wie die der Russen, was gelegentlich falsch dargestellt oder nicht ausreichend bedacht wird. Erst 1947 ändert sich dies ….

Anders als Oberbürgermeister Bruno Radwitz findet der Oberlandesgerichtspräsident nicht den Weg aus der gut gepflegten sozialen Isolation.

Seine nie abgelegte Schüchternheit gegenüber sozialen und politischen Realitäten bringt nun geradezu tollkühne Gedanken hervor, wie:

"Unser armes Volk ist in seiner großen Masse gewiss schuldlos an diesen Scheußlichkeiten, die wir alle doch für völlig unmöglich gehalten haben und deren Vorkommen nun unfassbar ist." (SE 69)

"Als dem Volke dann dämmerte, dass es sich verrechnet hatte und betrogen worden war … da war es zu spät …" (SE 72)

Das Volk wurde betrogen? Wirklich? Die meisten Naumburger jubelten als Hitler die Macht ergriff. Sie wollten einen Schlussstrich unter die Erfüllungspolitik, nationale Selbstbestimmung, wirtschaftliche Prosperität und glaubten an die bolschewistische Gefahr, die zerschlagen werden muss. Wie fatal, jetzt stehen die Gehassten auf deutschem Boden. Nun befällt Paul Sattelmacher eine wahnsinnige Angst, wenn er nur daran denkt, wenn s i e über die Saale und Elbe kommen: "Dann heißt es fliehen, wenigstens bis über die Saale herüber, um nicht diesen `Menschenschlächtern` in die Hände zu fallen." (SE 65)

Am 23. April studiert Paul Sattelmacher auf dem Amtsgericht am Markt die neuesten Befehle der Militäradministration. "Danach kann es keinem Zweifel unterliegen," schlussfolgert er, "dass ich aus meinem Amte entlassen bin" (SE 64). In seinem Kopf kreist alles um den Verlust der beruflichen Position. So verkennt er die eigentliche Gefahr für sein Leben. Dies korrespondiert mit der fehlenden Einsicht über die Verbrechen der NS-Justiz. Mehr noch, er sieht sich als Opfer, wenn er klagt:

"Jetzt werde ich ja mit Sicherheit aus dem Amte scheiden, aber nicht mehr als ein Opfer des Nationalsozialismus, sondern als ein solcher der Feinde dieser Bewegung." (SE 71)

Noch immer weist der Techniker des Recht jede Verantwortung für Bernburg, Entjudung, Berufsverbote und Sondergerichtsbarkeit von sich.

Aber was ist aus der (Prozess-) Regel Dem Behauptenden obliegt der Beweis, nicht dem Bestreitenden, die er in seiner Promotionsschrift von 1902 untersucht, in den politischen Prozessen gegen die Naumburger Kommunisten 1935 geworden? Legte er sich jemals diese Frage vor? Will Sattelmacher immer noch nicht erkennen, dass den so unabhängigen Richtern und Staatsanwälten, die über Kommunisten und Sozialdemokraten zu Gericht saßen, allein die Feststellung der Gruppenzugehörigkeit (Mitgliedschaft in der Partei) für einen Schuldspruch des Landesverrats ausreichte? War das Recht und rechtens? Entsprach dies seiner Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit? Warum erkennt er nicht wenigstens jetzt, dass ehrwürdige Prinzipien der Rechtspflege mit Füßen getreten wurden? Ist es denn von einem deutschen Professor der Rechte zu viel verlangt, sich zumindest 1945 beispielsweise kritisch zur Strafrechtsreform (Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 28. Juni 1935) zu stellen, die eine Bestrafung "nach dem gesunden Volksempfinden" verlangt? Ganz offensichtlich! Denn derartige Überlegungen bleibt Paul Sattelmacher dem Leser schuldig. Und deshalb glaube ich, dass er den öffentlichen Anschlag in Naumburg vom Befehlshaber des Obersten Alliierten Hauptquartiers am 26. Mai 1945 mit dem Text:

"In Deutschland muss die Herrschaft des Rechts wieder aufgerichtet werden. Vor dem Gesetz muss jeder gleich sein…."

in seiner politischen Tragweite nicht erfasst. Ja, er sträubt sich dagegen, die grobe und massive Verletzung elementarer Menschen- und Bürgerrechte in seinem Oberlandesgerichtsbezirk anzuerkennen. Kann er damit die notwendige Erneuerung des Rechts mittragen? Wird dem Techniker des Rechts seine Abneigung gegenüber rechtspolitischer Analysen zum Verhängnis?

Max Römer * (1902-1958)

Dazu agiert er im Sommer 1945 in der politischen Kommunikation recht traditionell. Sein gesellschaftlicher Umgang beschränkt sich auf annähernd Statusgleiche. Wie so oft hinderte ihn sein aristokratischer Habitus, aus seinem Kreis von Bekanntschaft und Anerkennung herauszutreten. Nehmen wir daher einmal an, er wäre einen ganz anderen Weg gegangen. Was wäre passiert, wenn er im Juni an die Tür bei Max Römer (siehe auch 1) am Reußenplatz 11 geklopft hätte? Einlass war ihm gewiss. Was sollte er vorbringen oder vortragen? Natürlich seine Überzeugung:

Mir gelang es, viel Schlimmeres zu verhindern.

Wie wäre wohl die Antwort eines Mannes ausgefallen, der dem Nationalsozialismus widerstanden und seine persönliche Erfahrungen mit der NS-Justiz gemacht hat? Zweifel und energische Nachfragen. Aber wahrscheinlich dann ein ernstes Gespräch über sein Verhältnis zu Thierack, den Richterbriefen und sein opponieren gegen die Konzentrationslager, und über manches - was vielleicht längst für immer dem historischen Gedächtnis entschwunden ist. Was hätte dies geändert? Zumindest die Wahrnehmungsperspektive des Antifa-Komitees, in dem Max Römer mitarbeitete. Daraus hätten sich reale Chancen für eine faire Prüfung ergeben. Aber Paul Sattelmacher findet nicht den Weg …..

Am 25. August 1945 tritt er in den Ruhestand. Aus diesem Anlass dankt ihm der Präsident der Provinz Sachsen mit den Worten:

"Für die hervorragenden treuen Dienste, die Sie der Justizverwaltung in über 40-jähriger Dienstzeit geleistet haben, spreche ich Ihnen meinen verbindlichen Dank und meine größte Anerkennung aus. Gezeichnet Dr. Hübener", Präsident der Provinz Sachsen. (Nach Hübener 1945)

Möglicherweise sollte dieser Brief eine Schutzfunktion entfalten. Drei Tage später wird er verhaftet.

Otto Quante
Selbstbildnis
(1875-1947)

Aus:
Georg Speitel: Otto Quante.
Festschrift zu seinem 100. Geburtstage mit einem Werkverzeichnis von Klaus Marowsky, Kunstverein Minden e.V., 1976

 

Otto Quantes Einstellung zum Nationalsozialismus führte dazu, dass er im Haus der Deutschen Kunst in der Prinzregentenstraße (München) nicht mehr ausstellen durfte. "Nach 1933 waren seine Motive des Vaganten, die in Abwandlung immer wiederkehren, nicht der Staatsauffassung entsprechend." "1945 wurde sein Atelier in der Ysenburger Strasse 2 in München zerstört. …. Sein Lebenswerk war dadurch praktisch vernichtet. Das wäre wohl ein Grund gewesen, seinen Humor zu verlieren. Er war dadurch zwar nicht selbst zum Bettler geworden; aber ohne seine Freunde wäre seine Situation sehr ungünstig gewesen. Da aber nahm sich der Oberlandes-gerichts-präsident Dr. Sattelmacher seiner an." (Speitel 10)

Otto Quante stirbt am 20. Februar 1947 in Naumburg (Saale).

 

Umgehend wenden sich Freunde und Bekannte aus dem Katholischen und Evangelischen Pfarramt Naumburg, Studienrat Kegel vom Domgymnasium und der ehemalige Oberlandesgerichtspräsident Werner an den Kommandanten der russischen Sicherheitspolizei und fragen nach dem Verbleib von Paul Sattelmacher. Auch sein Freund Otto Quante (1875-1947) macht eine entsprechende Anfrage. (Vgl. Lück 2004, 110)

Die achtenswerten Bemühungen nutzen wenig. Petitionen, vielleicht von Personen mit der Aura, den Nationalsozialismus läutern und stärken (1933) zu wollen, können nicht die gewünschte Wirkung entfalten. Außerdem berücksichtigten sie zu wenig die herrschenden Auffassungen dieser Zeit. So sieht das Protokoll der Potsdamer Konferenz vom 1. August 1945 vor, "einflussreiche Nazianhänger" und das "leitende Personal der nazistischen Einrichtungen und Organisationen", wozu der Präsident des Oberlandesgerichts nach alliierter Auffassung damals zweifellos gehört, "sind zu verhaften und vor Gericht zu stellen". Das Londoner Abkommen vom 8. August 1945 sieht nicht nur die Bestrafung der Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und gegen die Menschlichkeit vor. NSDAP, Gestapo, SA, SS und SD gelten jetzt als verbrecherische Organisationen. Dies verändert zwangsläufig - besonders zu den Führungskadern - die öffentliche Einstellung der staatlichen Institutionen zur NSDAP-Mitgliedschaft.

Am 20. August ergeht eine Anordnung des NKWD [Narodnyj Komissariat Wnutrennych Del, Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten] zur Einrichtung des Speziallagers Nr. 2 auf dem ehemaligen Gelände des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar. Die Internierung von Oberlandesgerichtspräsident Paul Sattelmacher im Speziallager ist durch alliiertes Recht gedeckt. Nicht aber die von Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und Querköpfen, die mit der neuen Ordnung irgendwie kollidierten.

Bis Weihnachten 1946 soll Paul Sattelmacher im (NKWD) Speziallager Nr. 10 in Forst Zinna / Torgau interniert gewesen sein. Hier geht es ihm noch einigermaßen gut. Es ist nicht zu kalt und die Gefangenen erhalten ausreichend Essen, wird berichtet. Dann kommt die Verlegung nach Buchenwald, wo sich die Versorgungslage drastisch verschlechtert hat. Am 1. November 1946 ergeht ein Befehl zur Kürzung der Lebensmittelzuteilung. Anfang des neuen Jahres bricht eine Ruhrepidemie aus. Die hygienischen Bedingungen im Lager sind schlecht, wahrscheinlich völlig unzureichend.

Paul Sattelmacher stirbt am 19. Juli 1947. Eine Totenliste (Auszug 2007) aus dem Speziallager 2 (Weimar, Buchenwald) gibt als Ursache "Enterokolitis und Dystrophie 3" an.

 

Generalstaatsanwalt Hermann Hahn  nach oben

In den Waldheimer Prozessen (1950) spielte die Frage nach der Verantwortung der Justizbeamten im NS-System eine herausragende Rolle. Unter den Angeklagten befindet sich der alte Hahn aus Naumburg (Saale), wie ihn Oberlandesgerichtspräsident Paul Sattelmacher 1945 in seinen Erinnerungen nennt. Ihm unterstanden die Staatsanwaltschaften Naumburg, Torgau, Halle, Magdeburg, Dessau, Halberstadt und Stendal. Und bis 1943 noch Erfurt und Nordhausen.

 

Michael Viebig berichtet in "Das Zuchthaus Halle / Saale als Richtstätte der nationalsozialistischen Justiz (1942 bis 1945)" über die Tätigkeit von Hahn im Zusammenhang mit dem Bau der Hinrichtungsstätte. 1936 wird das Gerichtsgefängnis Weimar Hinrichtungsort für die Halleschen Gerichte. Die Überführung der Gefangenen dorthin in Verbindung mit dem Anstieg der Vollstreckungszahlen, der unzureichende technische Standard des Hinrichtungsgeräts und die baulichen Voraussetzungen betrachtet die Dritte Gewalt des NS-Staates als unzureichend. 1941 nimmt sich der Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Jena dieser Aufgabe an. In einem Schreiben an den Reichsminister der Justiz führt er aus, dass von sechsundzwanzig Hinrichtungen im Zeitraum 1937 bis 31. März 1941 lediglich sieben das Oberlandesgericht Jena, aber neunzehn das Oberlandesgericht Naumburg betreffen (Vgl. Generalstaatsanwalt 2. April 1941). Deshalb soll die Hinrichtungsstätte in den Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg verlegt werden. Am 4. Mai desselben Jahres erhält Hermann Hahn vom Reichsminister der Justiz den Auftrag, die Einrichtung einer Hinrichtungsstätte zu prüfen. Seine Antwort formuliert er am 25. Mai 1941 wie folgt:

"Meine Feststellungen haben ergeben, dass in dem Zuchthaus Halle die Bereitstellung einer Richtstätte möglich ist." (Generalstaatsanwalt 25. Mai 1941)

 

Hermann Hahn

13. Mai 1882
geboren in Kaiserslautern als Sohn eines Lehrers

seit 1909
Tätigkeit im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst

1915 bis 1918
Teilnahme am Ersten Weltkrieg, zuletzt als Oberleutnant der Reserve

1910 bis 1930
Mitglied der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei

1. März 1933
Oberstaatsanwalt, Leiter der Staatsanwaltschaft Würzburg

1. Mai 1933
Aufnahme in die NSDAP

August 1935
Ernennung zum Generalstaatsanwalt in Zweibrücken

1. Oktober 1936
Versetzung zur Staatsanwaltschaft am Oberlandesgericht Naumburg

23./24. April 1941
Teilnahme an der Konferenz des Reichsjustizministeriums in Berlin

August 1945 bis Februar 1950 Internierung durch die sowjetische Besatzungsmacht, anschließend Übergabe an die DDR-Behörden und Überführung in die Strafvollzugsanstalt Waldheim

7. Juni 1950
Verurteilung durch die Große Strafkammer am Landgericht Chemnitz wegen Verbrechen nach Direktive 38 des Alliierten Kontrollrates, das heißt wegen seiner Verantwortung als Generalstaatsanwalt, zu lebenslänglichem Zuchthaus

7. Juli 1959
Revisionsverhandlung und Todesurteil gegen Hahn

4. November 1950
Hinrichtung in der Strafvollzugsanstalt Waldheim

(Nach Justiz 2009)

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Aufgrund kriegsbedingter Umstände kommt es 1944 bei den Hinrichtungen öfters zu Verzögerungen. Der Reichsjustizminister unterbreitet daher den Vorschlag zu prüfen, ob Gefangene zur Vollstreckung der Todesstrafe eingesetzt werden können. Der Generalstaatsanwalt von Naumburg verneint dies nachdrücklich, weil damit die Würde des staatlichen Hoheitsaktes beschädigt würde (vgl. Viebig 45). Letztlich verliert die Todesstrafe damit an Wirkung. Neben einer Reihe weiterer Argumente führt Hermann Hahn dann noch an:

"Sogar wahrheitsgemäße Einzelheiten der Vollstreckung können diese Wirkung auslösen, so wenn, wie es vorkam, ein ernster Bibelforscher, deren staatsgefährliche Tendenzen den wenigsten bekannt sind, mit den Worten in den Tod geht `Dir, Jehova, weihe ich mich.` Er wird als Märtyrer seines Glaubens angesehen, die an ihm vollstreckte gerechte Strafe wird in den Augen der kritiklosen Masse zum brutalen Gewaltakt des Staates der bisher durchaus sozial und staatsbejahend eingestellte Gefangene gelangt zwangsläufig auf psychologischem Weg zu einer verallgemeinernden negativen Einstellung zum Strafvollzug, zu den Strafvollzugsbeamten und zum Staate überhaupt." (Ebenda 45f.)

Hahn war sich also seiner eminent politischen Aufgabe und Verantwortung im nationalsozialistischen System bewusst, weshalb er in der Begründung zu seinem Todesurteil vom 7. Juli 1950 zu Recht als einer der "bedeutendsten Anhänger der NS-Gewaltherrschaft" bezeichnet wird. Aber das Urteil wurde in einem der Waldheimer-Prozesse gesprochen. Es ist nach dem Strafrehabilitierungsgesetz von 1992 ungültig, weil es aus einem Verfahren resultiert, was hier völlig unbestritten, das nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien geführt wurde. Die Konsequenzen für die Rechtspflege analysiert Dr. Günther Wieland (2002):

"Allein das Verfahren gegen Naumburgs NS-Chefankläger Hermann Hah. wäre geeignet gewesen, die Rolle der Spitzen der deutschen Justiz bei den Morden in den Heil- und Pflegeanstalten aufzuhellen. In Hah.s Zuständigkeitsbereich lag die Vernichtungsanstalt Bernburg. Monate vor der Konferenz erörterte er mit Freisler die Haltung der Justiz zu dieser Mordaktion. Mit Prozessen gegen Repräsentanten des Hitlerregimes hätte man den Beitrag zur Ahndung der Naziverbrechen um ein antifaschistisches, rechtlich und ethisch unanfechtbares Kapitel bereichern können."

Dass dies nicht geschah, ist in erster Linie den politischen Vorgaben für die Waldheimer-Prozesse geschuldet, die Günther Wieland anschließend im Einzelnen analysiert.

Zwar ist das Todesurteil gegen Hermann Hahn ungültig, aber deshalb nicht alle Aussagen zur Begründung des Urteils, wenn die 9. Strafkammer des Landgerichts Chemnitz am 7. Juli 1950 beispielsweise feststellt:

"Die von der NS-Gewaltherrschaft insgesamt begangenen Verbrechen gegen die Antifaschisten, gegen die Bibelforscher, gegen die Juden, die Verschickung der Juden in die Konzentrationsläger, alle diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die die NS-Gewaltherrschaft aus politischen Beweggründen heraus beging, waren dem Angeklagten bekannt. … In seinem Bereich wütete aber auch die Gestapo, und der Angeklagte als Chef der Strafverfolgungsbehörde eines Landes, für den die Polizei Hilfsorgan seiner Tätigkeit ist, kannte die ungesetzlichen Handlungen der Gestapo und der faschistischen Polizeiorgane ….

Diese Verbrechen dienten dazu, um den verbrecherischen Staat in seiner Existenz zu sichern und den von diesem Staat von langer Hand vorbereiteten Angriffskrieg mit dem Ziel der Erringung der Weltherrschaft für die deutschen Imperialisten zu gewährleisten ...." (Hahn-Prozess)

Hermann Hahn wird am 28. August 1945 in seiner Wohnung, Naumburg (Saale), Kösener Straße 28, verhaftet. In einem Journal des NKWD [Narodnyj Komissariat Wnutrennych Del, Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten] - Lagers Buchenwald findet sich unter der Häftlingsnummer 84147 sein Name. Am 7. Juni 1950 verurteilt die Große Strafkammer am Landgericht Chemnitz den Generalstaatsanwalt des Oberlandesgerichts in Naumburg (1936-1945) wegen Verbrechen nach der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrates zu lebenslänglichem Zuchthaus. In der einen Monat später stattfindenden Revisionsverhandlung ergeht gegen ihn das Todesurteil. Es wird am 4. November 1950 in der Strafvollzugsanstalt Waldheim vollstreckt.

 

 

Kurzer Prozess am Sondergericht in Halle  nach oben

Das Naumburger Tageblatt teilt am 24. März 1933 mit: "Nachdem die Verordnung der Reichsregierung vom 21. März 1933 über die Bildung von Sondergerichten in Kraft getreten ist, haben die Landesjustizbehörden in den verschiedenen Teilen des Reiches mit der Organisation der Sondergerichte begonnen. Für die Stadt Naumburg als Sitz eines Oberlandesgerichtes, ist das Sondergericht in Naumburg zuständig. Das Sondergericht Naumburg wird für den Bezirk des Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg, zu dem die Provinz Sachsen gehört, gebildet. Dieses Sondergericht wird aus einem Vorsitzenden und zwei richterlichen Beisitzern bestehen: ihre Berufung erfolgt durch das Präsidium des Landesgerichts. Der Aufgabenkreis des für Naumburg zuständigen Sondergerichts für den Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg regelt sich nach den allgemeinen Richtlinien für alle Sondergerichte.

Das Sondergericht für den Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg wird in aller Kürze seine Tätigkeit aufnehmen. Die Staatsanwaltschaften sind übrigens auch mit den Vorbereitungen beschäftigt; es ist damit zu rechnen, dass im Allgemeinen ein besonderer Dezernent der Staatsanwaltschaft die Anklagen vor dem Sondergericht vertreten wird. Gegen Entscheidungen der Sondergerichte ist kein Rechtsmittel zulässig. Als außerordentliches Rechtsmittel gegen Urteile des Sondergerichts kommt nur das Wiederaufnahme-verfahren in Frage. Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen der Behörden in Vereins-, Versammlungs- und Pressesachen kommen auch vor das Sondergericht."

 

Am 12. April 1933 nimmt das Sondergericht Halle seine Tätigkeit auf (Viebig 1998, 15). Erster Vorsitzender ist Landgerichtsdirektor Dr. Fenner. Als Beisitzer fungieren Landgerichtsrat Dr. Broekmann und Landgerichtsrat Runge. Geführt wird die "Panzertruppe der Rechtspflege", sie nannte sie der Staatssekretär im Reichsjustizministerium Dr. Roland Freisler, vom Oberlandesgerichtspräsidenten in Naumburg. In die Zuständigkeit der Sondergerichte fallen:

Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933

Gesetz gegen Verrat der Deutschen Volkswirtschaft vom 12. Juni 1933

Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung vom 21. März 1933

Heimtückegesetz - Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember 1934

Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939

Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5. September 1939

Preisstrafrechtsverordnung - Verordnung über Strafen und Strafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen Preisvorschriften vom 3. Juni 1939

Kriegssonderrechtsstrafrechtsverordnung (KSSVO) vom 26. August 1939 (Paragraf 5 Absatz 1 Satz Handlungen die geeignet waren den öffentlichen Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen."

Wehrkraft-Schutz-Verordnung - Verordnung zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des deutschen Volkes vom 25. November 1939

Verbrauchsregelungs-Strafverordnung vom 26. November 1941

Kriegswirtschaftsverordnung (KWVO) vom 25. März 1942.

Ziel der Sondergerichte ist die Ausschaltung der politischen Gegner des Nationalsozialismus und die Unterdrückung von Kritik an den NS-Führern, wie es in den Prozessen gegen den Leuna-Arbeiter Wilhelm Kayser (Am Ostbahnhof 2), Bankdirektor in Ruhe Richard Hertel (Pfortastraße 22) oder Tischlergesellen Franz Melchrick (Spechsart 72) sichtbar wird. Richter und Staatsanwälte, die Polizeibeamten der Ortspolizeibehörde (OPB) Naumburg sowie die Stapo aus Weißenfels und Merseburg erfüllen dabei die ihnen zugeordneten Aufgaben.

 

Politische Prozesse gegen Naumburger Bürger
am Sondergericht Halle
(1940 bis 1945)

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Prozess gegen
Richter
Staatsanwalt
Gesetz
Urteil
         

Arbeiter
Wilhelm Kayser
Am Ostbahnhof 2
8. Dezember 1942

Wernicke
Morsbach
Schulze
Dr. Richter
§ 2
Heimtückegesetz
ein Jahr
und
sechs Monate Gefängnis
 

Engroshändler
Karl Ebert
Kanonierstraße 37
28. Dezember 1943

Wernicke
Schulze
Fickel

von Egidy
§ 2
Heimtückegesetz
neun Monate Gefängnis
 

Tischler
Franz Melchrick
Spechsart 72
4. August 1943

Dr. Kappen
Dr. Keim
Dr. Fickel
Dr. Rowoldt
§ 2
Heimtückegesetz
neun Monate Gefängnis
         

Kaufmännische Angestellte
Heinz Reinhold
23. Februar 1942

Weins
Dr. Keim
von Egidy

Dr. Becker
§ 2
Heimtückegesetz
ein Jahr
und
drei Monate Gefängnis
         
Bankdirektor a.D.
Richard Hertel Pfortastraße 23
16. Mai 1944
Wernicke
Morsbach
Schulze
Dr. Rowoldt
§ 2
Heimtückegesetz
ein Jahr
und
sechs Monate Gefängnis
 
Händler
Robert Beck
Georgenstraße 15
16. Juli 1940
Wernicke
Dr. Keim
Dr. Müller
Dr. Becker
§ 2 VO über
außerordentliche
Rundfunkmaß-
nahmen
neun Monate
Gefängnis
 

Elsbeth Wehrhahn
Willibald-Knoll-
Straße 8, heute Utastraße

Angaben nicht ermittelbar.
Akten Kriegsverlust.
§ 1 und 2 VO über
außerordentliche
Rundfunkmaß-
nahmen
neun Monate
Gefängnis
 

Kohlenhändlerin
Rosemarie Böttger
Marienplatz 3
16. Juni 1943

Morsbach
Schulze
Dr. Fickel
von Egidy
§ 4
Wehrkraftschutz-verordnung
25.11.1939
2 Jahre
Zuchthaus
 
Kunstmaler
Otto Gagel
Verurteilt vom Landgericht Naumburg und dem Sondergericht Halle. - Angaben nicht ermittelbar. Akten Kriegsverlust. Verbrechen gegen Paragraf 3 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 21. März 1933  
 

Burgpächter
Hans Wilhelm Stein
Saaleck

Wernicke
Morsbach
Keim
Dr. Rothe
§ 1
Heimtückegesetz
§ 153 und 154 Strafgesetzbuch
3 Jahre
Gefängnis
 
Zusammengestellt aus Quellen des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, Merseburg (Details siehe naumburg1933.de/geschichte/sondergericht.de)
 
 

Die häufig mit dem Satz "Wir konnten nichts machen!" geäußerte Ohnmacht gegenüber den Machtverhältnissen führt sich anhand der Geschehnisse um die Sondergerichtsprozesse selbst ad absurdum. Niemand war in den von mir untersuchten politischen Fällen gezwungen, sich den staatlichen Stellen (OPB, Stapo) oder der NSDAP (Blockwart, Ortsgruppenleiter, Kreisleitung ) mitzuteilen. Niemand musste öffentlich Vermutungen äußern, denunziatorische Gerüchte verbreiten oder gar Anzeige bei der Polizei erstatten. Meistens bestanden konkrete Alternativen zum Handeln. Aber was hatten die Anhänger des Pangermanismus, die Volkstumskämpfer und Freunde der Wehrhaftmachung vereinbart? "Immer sollte er sich als Volksgenosse fühlen und im gleichen Schritt und Tritt mitmarschieren", instruiert am 4. Juni 1934 Parteigenosse Fritz Zimmermann die Teilnehmer einer Schulung der Nationalsozialistischen Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation (NS-Hago). Nix da mit Stöhnerei und Nörgelei. "Jeder nationalsozialistische Volksgenosse eine Propagandazelle!", so lautet der Kampfauftrag für die Mitglieder der NS-Hago. Seine Erfüllung bescherte Anerkennung, erweiterte Geschäftskontakte, vielleicht sogar den Aufstieg, manchen auch nur die ersehnte Ruhe.

Auf den ersten telefonischen Anruf am 16. März 1943 bei der OPB (Ortspolizeibehörde) mit dem Hinweis auf das wilde Treiben der Rosemarie Böttger am Marienplatz 3 - "Dort befindet sich ein Russe in der Wohnung!" - reagiert die Polizei nicht, weil der Denunziant anonym bleiben wollte. Nur, der Ort des Geschehens war doch bekannt - !? Was, es passiert nichts? - das wäre doch gelacht - oder so etwa. Also ruft ein Nachbar von der Marienmauer dann am 24. März noch einmal bei der OPB an! Siehe da: Rosemarie wird verhaftet. Vom 26. März datiert das Verhörprotokoll bei der Stapo in Weißenfels. - Übrigens, am 15. März kündigte die Kohlenhändlerin ihrer Haushaltshilfe. Mit selbiger gab es Differenzen zur Behandlung der Kriegsgefangenen in der Firma. Sie war es, wie sich später herausstellte, die am Sechzehnten bei der OPB anrief.

Man musste mit seinem Wissen über das vermeintliche oder tatsächliche Fehlverhalten des Anderen nicht hervortreten, man konnte sich zurückhalten. Wollte man denn schon intervenieren, weil man es als innere Pflicht ansah, gab es in allen von mir untersuchten Fällen, die Chance zur Privatisierung des Konflikts. Und zwar ohne persönliches Risiko, mit der Macht anzuecken oder bei ihren Institutionen aufzufallen.

Einige - oder sollten wir sagen: verhältnismäßig viele? - Naumburger wollten diesen Weg nicht gehen. In dramatischer Form bestimmt das die Ereignisse um Franz Melchrick in der Werkstatt für deutsche Wohnkultur (Mühlgasse 7), die an einem Großauftrag für die SS arbeitet. Der Tischlergehilfe findet die Führerrede zum Heldengedenktag im Jahr 1943 nicht so großartig wie seine Arbeitskollegen. Darauf inszeniert sein Chef mit großem Eifer den vorbildlichen nationalsozialistischen Kleinbetrieb. Dem 47-jährigen Franz kostet es neun Monate Gefängnis. Seine Frau war bereits gestorben. Die Kinder brauchten ihn dringend ....

Viele Bürger dienen sich der Macht und ihren Behörden durch polizeiliche Anzeigen oder belastende Aussagen über ihre Mitbürger an. Als Gründe für dieses Verhalten waren zu beobachten: menschliche Unbedarftheit, Geltungsbedürfnis, indoktrinierte Vorstellungen von einem guten Staatsbürger, innerer Drang zur Pflichterfüllung und Missgunst. Die Vorstellung vom bösen Richter hier und dem guten Bürger dort ist also ein Zerrbild. Und damit sind viele weitere Fragen verbunden.

Bei den Anzeigen zu Franz Melchrick und Richard Hertel sind spezifische, von der Ideologie des Nationalsozialismus geprägte Handlungsmotive erkennbar. Insgesamt spielen sie aber in diesem Handlungsraum eher eine nachgeordnete Rolle. Ein Ergebnis, was so nicht zu erwarten war. Auffällig allerdings wie die initialen Handlungsabläufe der Denunzianten und Verfolger oft von Motiven der deutschnationalen Stahlhelmfraktion durchzogen, wie sie Hanns Kerrl (547) bei seiner Antrittsrede als Preußischer Justizminister am 31. März 1933 einfordert, nämlich "Opfermut, Kameradschaftlichkeit, Einordnung, nie versiegendes Pflichtgefühl". Überdies bleibt die Beurteilung der politischen Motive der Denunzianten immer schwierig, weil sie praktisch nur selten isoliert von anderen persönlichen Ambitionen auftreten. Berücksichtigt man außerdem das Phänomen der nicht intendierten Handlungseffekte, steigert sich die Komplexität der Frage nochmals erheblich.

 

Im geringen Umfang kommen am Sondergericht Halle Straftaten gemäß dem Strafgesetzbuch zur Verhandlung.

 

Prozesse gegen Naumburger Bürger am Sondergericht Halle
(1940 bis 1945)


Volksschädlingsverordnung, Volkswirtschaftsverordnung,
Gesetz gegen den Verrat der deutschen Volkswirtschaft,
Strafgesetzbuch

         
Prozess gegen
Richter
Anklageschrift
Gesetz
Urteil
 

Rechtsanwalt
Paul Herrmann*
Schönburger Str. 5
24. Februar 1945

Wernicke
Morsbach
Schulze
Dr. Rowoldt
Gesetz gegen
Verrat der deutschen Volkswirtschaft
drei Jahre und sechs Monate Zuchthaus sowie 70000 Reichsmark Geldstraße
 

Gustav Wolf
Naumburg
[Sondergerichts-
urteil?]

Naumburger Gericht unbekannt

Straßenraub

Notzucht

10 Jahre Zuchthaus, dann Hinrichtung am 1. oder 2. Dezember 1939
         
Milchhändlerin
H. Fuhrmann
Marienstraße 20
19. April 1944
Morsbach
Schulze
Dr. Keim
von Egidy
§ 4 VVO
sechs Monate Gefängnis
 

Reichsbahn-
schaffner
Max Thyrassa Herrenstraße 3 und
Zugschaffner
Erich Rudorf (Zeitz)

nicht
ermittelbar
nicht
ermittelbar
§ 4 VVO, § 348 und 349 StGB Todesstrafe
 

Gepäckarbeiter
Fritz B.
Hallesche Straße 56
17. Oktober 1944

Wernicke
Schulze
Dr. Keim
von Egidy
§ 4 VVO in Tateinheit mit
§ 242, 246, 133, und 74 StGB
drei Jahre und sechs Monate
 
Postfacharbeiter
Richard K.
Marienstraße 31
9. September 1941
Wernicke
Morsbach
Schulze
Dr. Rothe
§ 4 VVO
in Tateinheit mit
§ 133 StGB
ein Jahr
Zuchthaus
 
Postarbeiter und Arbeiterin
Kurt K. und Klara H.
Naumburg an der Saale
Wernicke
Morsbach
Schulze
Dr. Beume
§ 4 VVO
drei Jahre beziehungsweise
zwei Jahre und drei Monate Zuchthaus
 

Otto K.
Seilergasse 8

Rudolf M.
Buchholzgraben 30
17. Juli 1942

Wernicke
Morsbach
Schulze

Dr. Rowoldt
§ 1 Kriegswirt-schafts-
verordnung
sechs Monate Gefängnis und
30 Reichsmark Geldstrafe
 

Maschinenmeister
Max G.
20. April 1943

Morsbach
Schulze
Dr. Fickel
von Egidy
§ 1 Kriegswirt-schafts-
verordnung
9 Monate
         
Rollkutscher
Heinz Elste
Jägerplatz 22
7. Dezember 1943
Wernicke
Morsbach
Schulze
von Egidy
§ 242 StGB
neun Monate Gefängnis
         
Milchfahrer
Robert G.
Große Wenzels-
straße 37
28. Mai 1943
Wernicke
Schulze
Dr. Fickel
von Egidy
§ 246 StGB
ein Jahr und
sechs Monate und 100 RM Geldstrafe
 
* Anmerkung: Die Einordnung des Herrmann-Prozesses ist außerordentlich schwierig.
 
Zusammengestellt aus Quellen des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, Merseburg (Details siehe Naumburger vor dem NS-Sondergericht in Halle).

 

Vorsitzender des Sondergerichts I Halle ist Georg Wernicke (geboren 1895 in Magdeburg, NSDAP). Dem Sondergericht II Halle steht Joseph Weins (geboren 1893, NSDAP) vor. Ausserdem sind in den Prozessen am Sondergericht Halle tätig:

Staatsanwalt Dr. Rudolf Beume, geboren 1901 in Magdeburg, Mitglied der DNVP, später NSDAP (1937),

Staatsanwalt Dr. Heinrich Rowoldt, geboren 1901 in Wilhelmshaven, SA-Mitglied,

Staatsanwalt Hans von Egidy (1905-1947),

Friedrich Schulze, geboren 1903 in Zuchau, NSDAP (1933),

Dr. Werner Fickel, geboren 1912 in Ellefeld im Vogtland, NSDAP (1933),

Werner Keim, geboren 1905 in Frankfurt am Main, NSDAP (1933), und

Friedrich Morsbach, geboren 1901, NSDAP (1937).

(Die Aufstellung ist nicht vollständig.)

Die operative Leitung und Organisation der Führung der Sondergerichte (Erfurt, Magdeburg und Halle) im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg liegt in den Händen der Sondergerichtsreferenten Dr. Walter Venediger (1939-1944) und Dr. Ernst Meusel (1944-1945). Die rechtspolitische Verantwortung trägt fraglos ihr Oberlandesgerichtspräsident. Er leitet unter anderem die Beratungen der drei Sondergerichte des Bezirkes und deren Oberstaatsanwälte (zum Beispiel die Tagung vom 15. März 1944 im Zivilgerichtsgebäude in Halle). Themen der Tagung waren "Plädoyer der Rechtsanwälte vor den Sondergerichten", "Abgrenzung zwischen Heimtücke, Wehrkraftzersetzung, Landesverrat", "Strafsachen, die mit der Luftlage in Verbindung stehen", "Strafzumessungen", "Umgang von Soldatenfrauen mit Kriegsgefangenen" und "Entlastung der Sondergerichte". (Vgl. Verbrechen)

Alle Prozesse sind mit der Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze belastet. "Die Ladungsfrist betrug 24 Stunden; sie entfiel, wenn der Täter auf frischer Tat betroffen war oder seine Schuld sonst offen zu Tage lag." Die Urteile sind sofort rechtskräftig. Rechtsmittel dagegen sind nicht zulässig. Ein Antrag auf Wiederaufnahme konnte gestellt werden, worüber das Gericht nach Belieben entschied. "Dagegen konnte die Staatsanwaltschaft eine Korrektur des eigentlich rechtskräftigen Urteils zum Nachteil des Verurteilten herbeiführen: Das "Rechtsmittel" hieß Nichtigkeitsbeschwerde. Es war über das Reichsjustizministerium "anzuregen", wenn das Urteil "wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen ungerecht" war. Einzulegen war es vom Oberreichsanwalt beim Reichsgericht, das dann neu verhandelte." Zwar sind (bei einigen Prozessen?) Verteidiger für die Angeklagten zugelassen. Aber in der Verhandlung selbst spielen sie lediglich eine dekorative Rolle. "Beweisanträgen der Verteidigung brauchte das Gericht nicht zu folgen." Allein bei dem Ersuchen um Begnadigung, Umwandlung der Haftstrafe in eine Geldstrafe oder Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung werden sie für ihre Mandanten aktiv. (Alles Wrobel 6)

In einem politischen Prozess könnte ein unbefangener Rechtsanwalt schnell in Konflikte mit dem Richter und Staatsanwalt geraten. Schwierige Gewissensentscheidungen wären die Folge. Wie soll er sich verhalten? Gau-Rechtsführer und Rechtsanwalt Erwin Noack (Halle) verordnet seinen Kollegen folgende Konfliktprophylaxe:

"Es kann also deutscher Rechtswahrer und damit auch freier Anwalt nur der sein, dem durch seine Blutzugehörigkeit zum deutschen Volke die nationalsozialistische Weltanschauung Gewissen geworden ist."

Gewissen und nationalsozialistische Weltanschauung sind eins geworden.

"Derjenige, bei dem das nicht der Fall ist, hat die Pflicht, aus der deutschen Volksgemeinschaft auszuscheiden …" (Noack 1936, 1749)

Zumindest in den politischen Prozessen gab es vor dem Sondergericht Halle keine Verteidigung der Angeklagten, die dieses Wort verdient.

 

Zur rechtspolitischen Einschätzung
der Kommunisten-Prozesse (1935) nach oben

Ab 12. Juni 1935 finden im Schwurgerichtsgebäude von Naumburg die Kommunisten-Prozesse des 5. Strafsenat des Kammergerichts Berlin gegen den politischen Widerstand von Naumburg und Umgebung statt.

Erstens. Zur Verfolgung der politisch Missliebigen entwarf man die rechtspolitische Konstruktion vom politischen Verbrecher. Er ist ein besonderer Typ von Verbrecher, der nicht nur § 80 des RStGB (Reichsstrafgesetzbuch) verletzt, womit dieser Begriff nach Rechtspfleger Karl Dötzer (geboren 1907) "politisch viel zu eng ausgelegt" und erweitert ihn wie folgt:

"All diejenigen sind politische Verbrecher, welche die rassische Blutgebundenheit eines Volkes zerstören, all die sind politische Verbrecher, die Moral, Sitte und Kultur eines Volkes zersetzen, und alle die sind politische Verbrecher, welche die Gesetze zum Schutz der Staatserhaltung verletzen." (Dötzer in Deutsches Recht, Herausgeber Hans Frank)

Als politische Verbrecher gelten folglich nicht nur Personen, die mit Paragraph 80 RStGB kollidieren, sondern alle, die sich nicht in die Volksgemeinschaft einfügen wollen. Damit erfolgt zugleich die moralische Ausgrenzung der Gegner des Nationalsozialismus, was in der Praxis durchaus gut funktioniert hat. Im Urteil zum Prozess vor dem Landgericht Naumburg gegen Kurt Gutgesell (Moritzstraße 25) vom 3. Januar 1934 liest sich dies so:

"Irgendwelche Milde verdient der Angeklagte nicht, wenn trotzdem das deutsche Volk bei der letzten Abstimmung bei der Reichstagswahl am 12. November 1933 mit über 90 % ein Treuebekenntnis zur jetzigen Regierung abgelegt hat, suchte der Angeklagte weiter durch seine Tat [Vertrieb politischer Schriften], Misstrauen und Zwietracht in das deutsche Volk hineinzutragen. Derartige unbelehrbare Volksschädlinge verdienen die ganze Schwere des Gesetzes."

Und das bedeutet 3 Jahre Zuchthaus.

Zweitens. Um die Angeklagten gesellschaftlich auszugrenzen, bediente man sich einer rassistischen und biologistischen Sprache ("Volksschädling"). Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass diese Prozesse sauber und objektiv geführt wurden. Das Gericht wird in den politischen Prozessen in Naumburg 1934 und 1935 sowie den Berliner-Prozess gegen die SAP-Gruppe um Max Römer 1935 zum Ort nationalsozialistischer Propaganda.

Drittens. Zur Anklageerhebung und Verurteilung genügte es, wenn das Zahlen von Mitgliedsbeiträgen für verbotene kommunistische Organisationen oder der Vertrieb von illegalen politischen Schriften angenommen werden konnte. Allein dies erfüllte bereits den Tatbestand des Hochverrats.

Beispiel. Aus der Urteilsbegründung zum Prozess vom 18. und 19. Juni 1935 gegen die Kommunisten aus Bad Kösen und Freyburg:

"Die KPD, eine Sektion der Kommunistischen Internationale, betreibt, wie gerichtsbekannt ist, den gewaltsamen Sturz der Reichsregierung, die Errichtung einer Diktatur des Proletariats und einer Arbeiter- und Bauernregierung nach russischem Muster. Da ihr heute vollends der Weg abgeschnitten ist, ihr Ziel auf parlamentarischem Wege oder durch andere legale Mittel zu erreichen, hat sie sich bewußt ganz auf illegale Tätigkeit zur Durchsetzung ihres Machtwillen umgestellt. Durch die Herstellung einer geheimen Organisation versucht sie, auf möglichst breite Volksschichten zur Verwirklichung ihrer kommunistischen Ideen und zur Herbeiführung eines bewaffneten Aufstands gegen die verfassungsmäßige Regierung Einfluß zu gewinnen. Die KPD ist daher bemüht, ihren Parteiapparat und ihre früheren Nebenorganisationen insgeheim wieder aufzubauen. Durch Beitragszahlungen ihrer Mitglieder sowie durch Sammlungen für die Rote Hilfe und für die politischen Gefangenen und ihre Angehörigen sollen die Mittel aufgebracht werden, deren sie zur Verfolgung ihrer Ziele bedarf. Dem gleichen Zweck dient auch der Verkauf illegaler Schriften, die neben der mündlichen Verhetzung das wirksame Propagandamittel im Kampfe gegen die bestehende Staatsordnung darstellen.

Seitens der illegalen KPD war bei dem Wiederaufbau ihrer Parteiorganisation unter anderem auch in Halle a. d. Saale eine Bezirksleitung eingesetzt worden, der mehre Unterbezirke unterstanden. Zu ihnen gehörte der Unterbezirk Weißenfels, der die weitere Umgebung dieser Stadt, darunter die Orte Naumburg, Freyburg und Bad Kösen, umfaßte. …" (Kammergericht Berlin, Geschäftsnummer: o. Js. 103/35, V.37.35.)

Viertens. Die Prozesse gegen den politischen Widerstand im Schwurgerichtsgebäude von Naumburg (1935) sowie in Berlin (1935) und Halle (1937) missachten die natürlichen unveräußerlichen politischen und sozialen Rechte der Bürger. Sie sind deshalb naturrechtlich substanz- und gegenstandslos und ihre Urteile nichtig.

Gegen Erich Tatzel oder Max Römer verhandelten die Gerichte Tatbestände, wie das Austeilen verbotener Zeitungen, das Verstreuen von Flugblättern in Vorgärten, das Hören von Radio Moskau, den Besitz sowjetischer Zeitschriften, Treffen zu politischen Gesprächen oder die Beitragskassierung für verbotene Parteien, der KPD. Die Angeklagten nahmen aber damit lediglich elementare Freiheitsrechte wahr. Kein Herrschaftssystem darf ihnen in der aufgeklärten bürgerlichen Gesellschaft die politischen Grundrechte verweigern.

Fünftens. Wenn die naturrechtliche Legitimation der politischen Prozesse gegen die Naumburger Kommunisten faktisch Null war, so fielen doch die Urteile umso härter aus (Beispiele).

Allein damit steht das NS-Recht in einem solchen Gegensatz zur Gerechtigkeit, dass es jeder Rechtsnatur entbehrt. Es dient der brutalen Unterdrückung der politischen Opposition und Systemgegner, der Vorbereitung des Krieges, einer Aggressions- und Rassenpolitik sowie der Vernichtung von Menschen. Auf Grund dessen kann NS-Recht weder als natürliches noch als positives Recht angesehen werden, "vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur", wie Gustav Radbruch 1946 urteilt. - Rechtsgeschichtlich betrachtet ist dies ein Widerruf (Miosge 2010). Wissenschaftstheoretisch gesehen könnte man auch von einem Paradigmenwechsel sprechen, was der historischen Beurteilung der Richter die Struktur gibt. Warum das so ist, kann man gut verstehen, wenn man den Aufsatz Radbruchs Widerruf von Dieter Miosge liest.

Die Ungerechtigkeit und maßlose Härte der Urteile war an sich für viele Naumburger wahrnehmbar. Doch das sichere oder vielleicht nur intuitive Urteil, dass diese politischen Prozesse tiefes Unrecht darstellen, bildete sich in der Öffentlichkeit nicht heraus, weil der zutiefst antiliberale und inhumane Charakter des NS-Rechtsverständnisses nicht erkannt wurde. Es waren ja nur politische Verbrecher - so die vorherrschende Meinung. Wir haben halt weggeschaut.

Sechstens. Recht konstituiert sich im nationalsozialistischen Herrschaftssystem nicht aus den anerkannten Prinzipien der natürlichen Freiheit und der Wahrung elementarer Bürgerrechte. Der Arbeitersportler Richard Locker, das SAP-Mitglied Max Römer, der Rechtsanwalt Otto Hollaender, die Schneiderin Anna Possögel, der Kutscher Erich Tatzel oder die Kohlehändlerin Rosemarie Böttger wiedersetzten sich - zum Teil bewusst, oft spontan und unbewusst - diesem Unrecht. Durch ihren Widerstand bewahrten sie die Idee und den Anspruch auf ein neues, demokratisch legitimiertes Recht, das die Menschen- und Bürgerrechte vorbehaltlos anerkennt.

 

 

Von den Schwierigkeiten des Neuanfangs  nach oben

Sie sprachen doch nur Recht, ist noch heute ein häufig im Stadtalltag gebrauchtes Argument zur Naumburger NS-Justiz. Aber das taten sie eben oftmals nicht, weil die Grundlage ihrer Rechtspflege gesetzliches Unrecht war. Die lieben deutschen Arbeiter am Recht, wie Hans Frank sie nannte, missachteten demokratische Lebensformen und elementare Menschen - sowie Bürgerrechte. Sie exekutierten ein politisches, rassisches und sozialbiologisches Strafrecht und sanktionierten die Arisierung jüdischen Eigentums. Bei der Verfolgung von Glaubensgemeinschaften standen sie dem Staat bei. Sie tragen Schuld für Freiheitsberaubung, Mißhandlung und den Tod von Menschen.

Dies ist eine ungeheure, für uns heute nur sehr schwer vorstellbare Belastung für den Aufbau eines neuen Systems der Rechtspflege in Deutschland nach 1945.

Oberbürgermeister Oswald Schaffernicht verfügt mit dem 26. September 1945 die Einrichtung einer

Betreuungsstelle für die Opfer des Faschismus

mit dem Sachbearbeiter Friedrich Hempel. Alle anderen Abteilungen und Stellen sind angewiesen die Betreuungsstelle in jeder Hinsicht zu unterstützen. Ist nun alles in Ordnung? Wird der Gerechtigkeit genüge getan?

Typisch für diese Zeit, der Fall Heinrich Hedicke (22.3.1881-8.12.1952). Der ehemalige Amtsanwalt aus der Großen Neustraße 27 (1939: Weißenfelser Straße 29) wendet sich am 12. Mai 1945 mit einem Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Naumburg. Keine Schönschrift. Kein eleganter Ausdruck, nur schwerlich sortierte Gedanken. Hier äußert sich ein gebrochener, gesundheitlich gezeichneter und alternder Mensch.

Der Name des Briefschreibers ist in der "Aufstellung derjenigen Opfer des Faschismus, welche in der Zuteilung der Lebensmittelkarten in die nächst höhere Verpflegungsstufe eingegliedert werden" vom 18. Juni 1946 aufgeführt. Ausserdem enthält das Einlieferungsbuch des Konzentrationslagers Buchenwald unter der laufenden Nummer 1277 die Eintragung:

"eingeliefert 7.8.1937, 12 Uhr, Hedink, Heinrich, geboren 22.3.1880 in Dessau, Amtsanwalt, Naumburg, Weißenfelser Str. 29". (Anmerkung: Name und Geburtsdatum sind in diesen Dokumenten nicht korrekt ausgeführt.)

Im Brief an den Oberbürgermeister berichtet der ehemalige Amtsanwalt, dass er wegen Verleumdung, Verächtlichmachung prominenter Parteimitglieder und Staatsfeindlichkeit vom Sondergericht Halle zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Als Verhaftungstermin nennt er den Juni 1937. Gegen das Urteil des Sondergerichts, merkt der Bittsteller an, gab es keine Möglichkeit des Einspruchs oder der Überprüfung. Außerdem verbrachte er den größten Teil der Haft im Konzentrationslager Buchenwald. Als er aus diesem entlassen wurde, bekam er nur gewöhnliche Arbeit, die nicht seiner Qualifikation entsprach, unter anderem bei Käthe Kruse in Bad Kösen. Gegenüber seiner früheren Stellung muss er einen erheblichen jährlichen Einkommensverlust von etwa 2 000 Reichsmark hinnehmen. Folglich weist seine Gesamtrechnung eine respektable Summe auf. Der Brief endet mit:

Vorstehender unterbreitet "dem derzeitigen Herrn Oberbürgermeister der Stadt mit der Bitte um gefl. Bescheid, ob und welche Weise meinem Anspruch wird Genüge geleistet werden können".

Schon zwei Tage später lehnt der Oberbürgermeister das Begehren mit folgender Begründung schriftlich ab:

"Allerdings schreiben Sie darin, Sie seien in eine jahrelange Notlage hineinmanövriert worden. Jedoch geben Sie keinen konkreten Tatbestand an, der eine Amtspflichtverletzung des früheren Oberbürgermeisters Uebelhoer erkennen ließe. Ihre Eingabe vom 13.5.1945 bietet keinen Anhalt dafür, daß ein solcher Tatbestand vorläge."

In Fall Hedecke wird die völlig unzureichende Rechtsstellung der Verfolgten des Naziregimes sichtbar. Wenn man dem Geschädigten seitens der Stadt antwortet, dass nach dem Staatshaftungsgesetz vom 1. August 1909 (!) keine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Amtspflichten eines Beamten der Stadtgemeinde festzustellen ist, nimmt dies grotesk-kuriose Züge an. Das Unrecht des Nationalsozialismus kann nicht mit dem Recht von 1909 bewältigt werden.

Am Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland dienen 80 Richter, die vorher im Justiz- und Staatsdienst der NS-Diktatur tätig waren. Unter anderem spricht man 1956 dort Sturmbannführer Dr. Otto Thorbeck (1912-1976) von der Anklage des Mordes frei. Derselbe hatte im April 1945 im KZ Sachsenhausen in einem durchgeführten Standgerichtsverfahren den christlichen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) zum Tode verurteilt. Ein Verfahren ohne Verteidiger, ohne Protokollführer, aber mit einem KZ-Kommandanten als Beisitzer.

Am Bundesgerichtshof setzt der ehemalige Vizepräsident des Oberlandesgerichts Naumburg (1. Juni 1939 bis 30. Juli 1940) Dr. Hermann Spieler von 1954 bis 1962 als Bundesrichter seine Karriere fort. Vorher war er im Bundeskanzleramt tätig. - Dr. Gerhard Becker (geboren am 28. Oktober 1906), den wir am Sondergericht in Halle kennen lernten (siehe Prozess gegen den Rundfunkverbrecher Robert Beck), wird nach dem Krieg Senatspräsident am Landessozialgericht in Celle.

 

Am Oberlandesgericht Naumburg arbeitet Ende der 30er Jahre der Referendar Walter Ziegler (Jahrgang 1912). Er ist von 1938 bis 1945 Mitglied des NS-Rechtswahrerbundes. Dann assistiert er der Stalinistin Hilde Benjamin am Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik als Beisitzer und leitet über dreißig erstinstanzliche Prozesse an diesem Gericht. Walter Ziegler verantwortet Urteile gegen den jüdischen SED-Funktionär Paul Merker (1884-1969), den Justizminister Max Fechner (1892-1973), den Philosophen Wolfgang Harich (1923-1995) und Walter Janka (1914-1994). Janka war Leiter des Aufbau-Verlages in Ost-Berlin. Er wollte Walter Ulbricht, Erster Sekretär des ZK der SED, die Justizministerin Hilde Benjamin und den Generalstaatsanwalt Doktor Melsheimer ablösen. Der ehemalige Spanienkämpfer wurde im Juli 1957 vom Obersten Gericht der DDR wegen Boykotthetze zu fünf Jahren Zuchthaus mit v e r s c h ä r f t e r  E i n z e l h a f t  verurteilt.

Von 1945 bis 2005 wurden in den westdeutschen Bundesländern 36 000 Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen durchgeführt. Es kam zu 6 656 Verurteilungen, darunter 1 147 wegen Tötungsdelikte und 172 wegen Mordes. Die Bilanz ist "in ihrem Ergebnis besonders in Hinblick auf das Ziel der Gerechtigkeit gegenüber den Opfern mehr als unbefriedigend" (Eichmüller 2008).

 

 

Rechtfertigungsmaschinen für das Unrecht (Winfried Schubert)  nach oben

Zur
Wanderausstellung Justiz im Nationalsozialismus: Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes - 2009

Erst mit der weiteren Aufarbeitung zur Rolle der Justiz im Nationalsozialismus kann sich Naumburg als  G e r i c h t s s t a d t  historisch rehabilitieren. Ein Schritt auf diesem steinigen Weg war die Wanderausstellung

"JUSTIZ IM NATIONALSOZIALISMUS:
Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes"

vom 22. Oktober bis 17. Dezember 2009 am Oberlandesgericht Naumburg (Saale). Unter Leitung der Gedenkstätte Roter Ochse (Halle) wurde die Wanderausstellung des Niedersächsischen Justizministeriums mit Themen aus der Stadt und Region Naumburg wesentlich erweitert und in einem Katalog

Justiz im Nationalsozialismus.
Über Verbrechen im Namen des deutschen Volkes. Naumburg
(Magdeburg 2009)

präsentiert. (Siehe ebenso den Bericht in der Mitteldeutschen Zeitung von Albrecht Günther.)

Blick zum Oberlandesgericht Naumburg,
März 2010

Mit Texten, Bildern und Dokumenten stellt sich die Ausstellung neuen und wissenschaftlich anspruchsvollen, zum Teil äußert schwierigen Fragen, wie der Tätigkeit des Erbgesundheitsgerichts in Naumburg, dem Wirken einzelner Richter am Oberlandesgericht, der Entnazifizierung der Justiz oder den Urteilen des Sondergerichts Halle. Letzteres exemplarisch und eindrucksvoll dargestellt am Todesurteil des Fahrraddiebs Walter Gutmann aus Schkölen. Besonders hervorzuheben ist das Engagement der Richter aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg bei der Forschung und den Vorträgen im Begleitprogramm.

Die ausgewählten Dokumente, Bilder und erstellten Texte für die Ausstellung zeigen das Bemühen um eine differenzierte Bewertung der Tätigkeit der Richter des Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg. Wahrscheinlich erscheint dies den jüngeren Besuchern selbstverständlich. Freilich muste diese Erkenntnisposition erst errungen werden ….

In einem feierlichen Festakt eröffneten am 21. Oktober 2009 in der Marienkirche am Domplatz in Naumburg (Saale) Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die Ausstellung mit inspirativen Ansprachen. Besonders beeindruckend war die Rede von Winfried Schubert mit den Gedanken von den "Rechtfertigungsmaschinen für das Unrecht". Warum war das so, wie können wir das verhindern? - fragt der Präsident des Oberlandesgerichts Naumburg. Die Ausstellung gab darauf Antwort. Sie blieb nicht beim Beschreiben, Informieren oder der Mitteilung von Betroffenheit stehen; sie rekurrierte beispielsweise auf rechtsphilosophische Hintergründe. Damit setzt sie zugleich hohe Ansprüche an die historische und politische Vorbildung des Besuchers. Verdienstvoll ist deshalb das Engagement der Mitarbeiter der Gedenkstätte vom "Roten Ochsen" (Halle) zur Vorbereitung der Naumburger Schüler auf den Besuch der Ausstellung.

In Kongruenz zum Naumburger Ausstellungsteil beginnt der Katalog zur Ausstellung mit der Darstellung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Er erinnert ausführlich an die Tätigkeit des jüdischen Rechtsanwalts Dr. Artur Samter, an Max Bach (KPD), Paul Hein (KPD), Max Römer (SAP-Widerstandsgruppe), Erich Tatzel (KPD) und Rudolf Puschendorf (SPD / SAP). Eine gelungene Hommage an den politischen Widerstand der Region! Sie strahlt Unvoreingenommenheit und eine sympathische Sachlichkeit aus. Berücksichtigung fanden ebenso die Berichte über die Kommunisten-Prozesse des Berliner Kammergerichts in Naumburg (1935) und Berlin. Der damit dokumentierte Fortschritt bei der Aufarbeitung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in der Naumburger Region und dessen Würdigung sind besonders erfreulich. Bürger und politische Gruppen der Stadt Naumburg, die sich mit Persönlichkeiten wie den Rechtsanwalt Otto Hollaender, Max Römer, Otto Wolf oder Rosemarie Böttger mehr als andere verbunden fühlen, nutzten die Gelegenheit nicht. Einfach enttäuschend. So wurde von dieser Seite eine Möglichkeit vertan, den Naumburger Widerstand gegen den Nationalsozialismus tiefer im öffentlichen Bewusstsein der Stadt zu verankern und für eine demokratische Entwicklung zu nutzen.

Der Naumburger Teil der Ausstellung wandte sich mit Texten, Bildern und einer Multimediapräsentation besonders der Tätigkeit des Oberlandesgerichtspräsidenten Paul Sattelmacher (1933-1945) zu. Professor Heiner Lück (Halle) veröffentlichte nach Jahrzehnten des Verdrängens, oder eher Nichtbeachtens, im Jahr 2003 hierzu die erste wissenschaftliche Arbeit. Es muss hier nicht erneut ausgeführt werden, dass sich bei der Bearbeitung des Themas viele Fallstricke aufspannten. Einige erahnten oder befürchteten - je nachdem - wohl das Aufbrechen von ideologischen Hahnenkämpfen in der Podiumsdiskussion am 18. November 2009 im Oberlandesgericht Naumburg. Jedenfalls fand das Forum eine große Resonanz. Neben der Richterschaft erschien aus der Region viel akademische Prominenz. Einige Teilnehmer, so schien mir, waren nicht nur aus wissenschaftlichem oder stadtgeschichtlichem Interesse an der Biografie von Sattelmacher angereist. Dem Thema Paul Sattelmacher stellten sich der Präsident des Oberlandesgerichts Naumburg Winfried Schubert, der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Naumburg und Minister a. D. Dr. Curt Becker (CDU), der ehemalige Landtagsabgeordnete der DIE LINKE Dr. Wolfgang Süß (Naumburg) und Professor Heiner Lück (Halle). Die Anwesenden erlebten einen Diskurs auf hohem Niveau, erfreulicherweise mit vielen interessanten biografischen und stadtgeschichtlichen Details. Zu einigen Fragen traten Meinungsunterschiede auf. Aber in den konturierten und wesentlichen Aussagen dominierten die Gemeinsamkeiten zum historischen Gesamtbild der Tätigkeit des ehemaligen Naumburger Oberlandesgerichtspräsidenten. Ein bemerkenswertes Ergebnis.

Bei der Podiumsdiskussion wie den wissenschaftlichen Vorträgen im Begleitprogramm (PDF-Dokument / 100 Kilobyte) und natürlich vor allem in der Ausstellung selbst, konnte der historisch interessierte Besucher mit Vorkenntnissen unschwer die wissenschaftlich begründeten und sachlichen Korrekturen wahrnehmen. So ist die Ausstellung JUSTIZ IM NATIONALSOZIALISMUS. Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes ein gutes Beispiel, wie das Wissen zur Stadt- und Regionalgeschichte unprätentiös in Frage gestellt, korrigiert und zugleich konstruktiv erweitert wird, ohne in Systemkämpfe von Geschichtsdogmen und abstrusen Debatten zu enden, wie wir es nach 1990 in Ostdeutschland leider oft erleben mussten. Warum war dies hier und jetzt in Naumburg (Saale) im Herbst 2009 in guter Weise möglich? Allein der Versuch einer kurzen Antwort überschreitet das Anliegen, nur eine kurze Rückschau auf die Ausstellung geben zu wollen. Aber die politische Klasse sollte diese Frage nicht vergessen und keinesfalls unbeantwortet lassen. Sie könnte sich für die Festigung der demokratischen Kultur als wichtig erweisen.

Trotzdem muss kritisch angemerkt werden, dass es mit der Ausstellung nicht gelang, die persönliche Verantwortung von Paul Sattelmacher und Hermann Hahn (Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht) für die Tötung der Behinderten in der Euthanasie-Anstalt Bernburg (im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg), für die Verfolgung der jüdischen Rechtsanwälte (Doktor Otto Hollaender, Doktor Artur Samter) und ihre konkrete Rolle bei der Unterdrückung des politischen Widerstandes darzustellen. In dieser Richtung sind durch die universitäre Forschung keine wesentlichen Fortschritte erreicht worden, was meiner Ansicht nach durch die Konzentration auf das Biografische und Personalfragen bedingt ist. Damit blieb der Forschungsgegenstand, die Justiz als Institution im politischen System des Nationalsozialismus zu begreifen und darzustellen, unterrepräsentiert. Tendenziell drohen dadurch Verzerrungen in der Darstellung des Charakters der nationalsozialistischen Rechtspflege.

Ebenso sollten die Leitlinien und Kriterien zur Beurteilung der Tätigkeit der Richter im System des Nationalsozialismus weiter diskutiert und vielleicht durchdacht werden. Kollisions-Symptome (Ereignisse) mit dem System oder Mitgliedschaft in Parteien wie Organisationen sind zwar in mancher Hinsicht interessant, bilden aber nicht die eigentlichen Inhalte und Probleme der Tätigkeit der Richter und Staatsanwälte im nationalsozialistischen Rechtssystem ab.

Im Rahmen des ambitionierten Begleitprogramms zur Ausstellung fanden viele weiterführende und vertiefende Vorträge sowie Filmvorführungen zum Ausstellungsthema statt (siehe PDF-Dokument Veranstaltungskalender). Ideenreich und gut organisiert bot man mehr, als die kleine Stadt bereit war anzunehmen. Der Zuspruch verhielt sich manchmal umgekehrt proportional zur rechtspolitischen und -philosophischen Brisanz des Themas. Überhaupt scheint außerhalb der juristischen Profession die Sensibilität für Fragen der Rechtspolitik nicht sehr groß zu sein. Offenbar wird die Rolle des Rechtsbewusstseins und der Prinzipien der Rechtspflege für den Alltag des Bürgers im Vergleich zu Themen wie Sparkurs, Arbeitsmarkt, Geldpolitik oder Bankenkrise eklatant unterschätzt.

Die Tage der Ausstellung

Justiz im Nationalsozialismus:
Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes

waren Festtage der Demokratie und Stadtgeschichte.

 

 

 

Im Text oben gelegentlich als Abkürzung verwendet:

LVZ = Leipziger Volkszeitung

VB = Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg

WB = Weltbühne, Berlin

ZNN = Zeitzer Neueste Nachrichten

 

Abel, Werner: Der Mord an Karl Gareis. "Die Weltbühne". XXV. Jahrgang, Nummer 41, Berlin, den 8. Oktober 1929, Seite 543 bis 547

Aly, Götz: Seltsame Verschlusssache. "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), 2. September 1996 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/politik/rezension-sachbuch-seltsame-verschlusssache-11310525.html

Anfrage Nummer 87 vom 10. Juli 1920. Verhandlungen des Reichstages. 1. Wahlperiode. 1920. Band 344, Reichstagsprotokolle 1920/24, 20. Aktenstücke 155, 156, 157. Seite 141. http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w1_bsb00000047_00310.html

[Aufruhr] Von der Anklage wegen Aufruhrs freigesprochen. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 24. Oktober 1931

[Ausschuss 1924] Der Untersuchungsausschuss „Politischer Mord (Gumbel)“. (Antrag der SPD vom 30. Mai 1924). In: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages zur Zeit der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Entwicklung, Funktion und politischen Bedeutung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. Droste Verlag Düsseldorf 1960, 153-158

Auszug aus den Totenlisten des NKWD / MWD-Lagers über Herrn Sattelmacher, Paul. Gedenkstätten Buchenwald, Arbeitsstelle Speziallager 2, 99427 Weimar, 2. Mai 2007

[Amtsgericht Naumburg, Richter] Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, C 128 Naumburg 220

Arbeitsgerichte. Der freie Angestellte. Zeitschrift des Zentralverbandes der Angestellten, Sitz Berlin. Nummer 10, 26. Jahrgang, Berlin, den 10. Mai 1922, Seite 80 bis 83

Becker, Curt: Verantwortung der Politik bei der Aufarbeitung der NS Vergangenheit. In: Konferenz zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen und deren Widerspiegelung in der Gedenkkultur. Herausgeber. Die Linkspartei Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Magdeburg 2005, Seite 17 ff.

Berg, Dietrolf: Der Wehrwolf. Vom Wehrverband zur nationalsozialistischen Bewegung. Toppenstedt 2008

Bergholz-Prozesse und Schandurteile Naumburg (Kapp-Putsch Prozesse) - siehe auch Leuna-Aufstand

Thüringen und Provinz Sachsen. Skandalöse Zustände in Naumburg. "Tribüne", Erfurt, den 27. April 1920

Die Märzvorgänge vor Gericht. "Naumburger Tageblatt." Naumburg, den 17. Juli 1920

Immer neue Schandurteile. "Voralberger Wacht. Sozialdemokratisches Tagblatt für Voralberg." Dornbirn, den 25. Juli 1920

Düwell, Abgeordneter Bernhard, Verhandlungen des Deutschen Reichstages. Reichstagsprotokolle 1920. 13. Sitzung. Donnerstag, den 29. Juli 1920. In: Verhandlungen des Reichstags. I. Wahlperiode 1920. Band 344. Stenographische Berichte. Von der ersten Sitzung am 24. Juni 1920 bis zur 17. Sitzung am 3. August 1920. Druck und Verlag der Norddeutsche Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin 1920, Seite 396 bis 401 + 403

Rosenfeld, Abgeordneter Dr. Kurt, Verhandlungen des Deutschen Reichstages, Reichstagsprotokolle 1920, 57. Sitzung, Mittwoch, den 27. Januar 1921 (http://www.reichstagsprotokolle.de)

Bericht über die Versammlung vom 21. Juli 1920 in Naumburg (Saale) mit Bernhard Düwell als Referenten. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg. C 141 Naumburg, Nr. 25-1

Rosenfeld, Abgeordneter Dr. Kurt: Rede im Reichstag. In: Der Justizminister deckt die Klassenjustiz. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, den 27. Januar 1921

Rosenfeld, Abgeordneter Dr. Kurt: Rede im Reichstag. In: Justizreform - Klassenjustiz - Auslieferung. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, den 24. Februar 1921

Der Justizminister deckt die Klassenjustiz. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands." Berlin, den 27. Januar 1921

Blüten der "Rechtsprechung". In: "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 18. Februar 1931

Buck-Zerchin, Dorothea S., Bundesverband Psychiatrie Erfahrener e. V. an Herrn Bundespräsident Dr. Köhler, Berlin, Brief vom 9. Oktober 2006

Cuvelier-Prozess. Henry Cuvelier (geboren 1. Juni 1908), zeitlich geordnet

Neuer deutsch-französischer Zwischenfall. "Leipziger Volkszeitung. Organ für die Interessen des gesamten werktätigen Volkes." Leipzig, den 9. Juli 1920

Ein unbefriedigendes Urteil. "Zeitzer Neueste Nachrichten. Unabhängige Tageszeitung". Zeitz, den 9. Juli 1930

Deutsch-französische Verständigung gefährdet. Nazis-Rowdys besudeln den Namen Zeitz! "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 9. Juli 1930

"Reparationen"? "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 9. Juli 1930

Der Prozess Cuvelier. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 9. Juli 1930

Im Zerrspiegel der Rechtspresse. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 10. Juli 1930

Der Zeitzer Justizskandal. Dem Angeklagten Franzosen wurde die Verteidigung abgeschnitten. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 10. Juli 1930

Ein Nachwort zum Prozess Cuvelier. "Zeitzer Neueste Nachrichten. Unabhängige Tageszeitung". Zeitz, den 10. Juli 1930

Vom Schwimmwettkampf ins Gefängnis. "Volksstimme. Tageszeitung der Sozialdemokratischen Partei im Regierungsbezirk Magdeburg". Magdeburg, den 10. Juli 1930

Riesenprotest gegen Nazimob und Justizskandal. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 11. Juli 1930

Paris zum Urteil gegen Cuvelier. "Zeitzer Neueste Nachrichten. Unabhängige Tageszeitung". Zeitz, den 11. Juli 1930

Zeitzer Juristen zum Prozess Cuvelier. "Zeitzer Neueste Nachrichten. Unabhängige Tageszeitung". Zeitz, den 11. Juli 1930

Echo des Zeitzer Hakenkreuz-Skandals. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 12. Juli 1930

Sensation im Zeitzer Prozess. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 1. August 1930

Cuveliers Berufung verworfen. "Berliner Volks-Zeitung. Morgenausgabe". Berlin, den 2. August 1930

Cuvelier behält die Gefängnisstrafe. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 2. August 1930

Hakenkreuzjustiz in Weißenfels. "Leipziger Volkszeitung. Organ für die Interessen des gesamten werktätigen Volkes." Leipzig, den 2. August 1930

Justizsekretär Hauck. "Leipziger Volkszeitung. Organ für die Interessen des gesamten werktätigen Volkes.", Leipzig, den 2. August 1930

Cuveliers Deutsche Reise. "Prager Tagblatt". Prag, den 2. August 1930

Wieder Gefängnis für Cuvelier. "Vossische Zeitung. Berlinische Zeitung von Staats und gelehrten Sachen." Berlin, den 2. August 1930

Messerstecherei nach einem deutsch-französischen Länderwettkampf. Die Berufung Cuveliers verworfen. "Neue Freie Presse. Morgenblatt". Wien, den 2. August 1930

Siegreich will ein deutscher Gerichtshof Frankreich schlagen. "Arbeiter-Zeitung. Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs." Wien, den 3. August 1930

Dynamit gegen Völkerverständigung. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Naumburger Justiz. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Interpellation zum Cuvelier-Prozess in der französischen Kammer eingebracht. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Was Cuvelier sagt. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Der Zeitzer Schnellrichter gedeckt. Der Cuvelier-Prozess ein Meisterstück der Naumburger Justiz. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Cuvelier-Prozess im Spiegel der Presse. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Naumburger Justiz. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Der Justizminister greift ein. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Naumburg soll Weißenfels korrigieren. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Der Zeitzer Schnellrichter gedeckt. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 4. August 1930

Abbruch der Sportbeziehungen. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 5. August 1930

Naumburger Staatsanwaltschaft gegen die Zeitzer Nazis in der Cuvelier-Affäre. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 5. August 1930

Der französische Schwimmer Cuvelier. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 5. August 1930

Cuvelier-Prozess im Spiegel der Presse. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 5. August 1930

Der neue deutsch-französische Zwischenfall. "Tiroler Anzeiger". Innsbruck, den 5. August 1930

Auswirkungen des Falles Cuvelier. "Jenaer Volksblatt. Unabhängige demokratische Tageszeitung in Thüringen". Jena, den 5. August 1930

Reichsdeutsche Hakenkreuzjustiz. "Tagblatt. Organ für die Interessen des werktätigen Volkes". Linz, den 5. August 1930

Das Schandurteil gegen den französische Schwimmer. "Arbeiter-Zeitung. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Österreichs". Wien, den 5. August 1930

Naumburger Staatsanwaltschaft gegen die Zeitzer-Nazis in der Cuvelier-Affäre. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 6. August 1930

Sport lehnt ab. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 6. August 1930

Aufsehenerregender Antrag im Cuvelier-Prozess. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 6. August 1930

Das Urteil gegen Cuvelier als Hassurteil bestätigt. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 6. August 1930

Noch ein "Fall Zeitz". "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 6. August 1930

Aus einem Sportzwischenfall wird eine Staatsaffäre. "Westböhmische Tageszeitung". 6. August 1930

Fall Cuvelier. "Der Wiener Tag." Wien, den 6. August 1930

Ein französischer Schwimmer in Deutschland verurteilt. "Illustrierte Kronen-Zeitung Zeitung." Wien, den 6. August 1930

Naumburger Staatsanwaltschaft gegen die Zeitzer-Nazis in der Cuvelier-Affäre. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg". Zeitz, den 6. August 1930

Die Folgen des Falls Cuvelier. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 8. August 1930

In Zeitz wird durchgegriffen. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 8. August 1930

Zur Strecke gebracht. "Der Freiheitskampf. Amtliche Tageszeitung der N.S.D.P. Gau Sachsen". Dresden, den 8. August 1930

Nationalsozialisten sind Freiwild. "Der Freiheitskampf. Amtliche Tageszeitung der N.S.D.P. Gau Sachsen". Dresden, den 8. August 1930

Wendung im Fall Cuvelier? "Innsbrucker Nachrichten." Innsbruck, den 9. August 1930

Der Fall Cuvelier erledigt. "Jenaer Volksblatt. Unabhängige demokratische Tageszeitung in Thüringen". Jena, den 11. Februar 1931

Neues Urteil in Naumburg. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 20. Februar 1931

Hyan, Hans: Die Richter unterm` Hakenkreuz. "Die Weltbühne", Nummer 10, Berlin den 10. März 1931, Seite 342 ff.

Kaul, Friedrich Karl: Sportsgeist in Zeitz. Das Verfahren gegen den französischen Schwimmer Gaspard Cuvellier 8. Juli bis 1. August 1930. In: Friedrich Karl Kaul: Prozesse, die Geschichte machten. Deutsches Pitaval von 1887 bis 1933. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1988, Seite 313 bis 326

Das größte Unrecht  zeitlich geordnet

Die Rächer der Enterbten. Der Spiegel. Hamburg, 14. Januar 1953, Seite 6 f.

Keil, Wilhelm: Die Anleiheaufwertung. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 11. Juli 1925

Posadowsky-Wehner, Arthur Graf: Die Technik der Aufwertung. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 5. Dezember 1925

Posadowsky-Wehner, Arthur Graf von: .... In: "Gläubiger und Sparer". 29. Juli 1926. Zitiert nach: Dr. Markus Ettinger: Der Aufwertungskampf in Deutschland. "Neues Grazer Tagblatt." Graz, den 22. August 1926

Posadowsky-Wehner, Graf von: Rede Preußischer Landtag, 53. Sitzung. 27. Februar 1929. In: Sitzungsberichte des Preußischen Landtages. 3. Wahlperiode. 1. Tagung: begonnen am 8. Juni 1928. 3. Band. 40. bis 53. Sitzung (4. bis 27. Februar 1929). R. von Deckers Verlag, G. Schenk, Berlin W 9, Linsstraße 35, Berlin 1929, Seite 4194 bis 4196

[Posadowsky-Wehner] Rede Graf von Posadowsky-Wehner. Preußischer Landtag, 25. Sitzung. 15. Dezember 1928. In: Sitzungsberichte des Preußischen Landtages. 3. Wahlperiode. 1. Tagung: begonnen am 8. Juni 1928. 2. Band. 23. bis 39. Sitzung (13. Dezember 1928 bis 2. Februar 1929). R. von Deckers Verlag, G. Schenk, Berlin W 9, Linsstraße 35, Berlin 1930, Seite 1620 bis 1628

[Posadowsky-Wehner] Rede Graf von Posadowsky-Wehner. Preußischer Landtag, 121. Sitzung. 30. Januar 1930. In: Sitzungsberichte des Preußischen Landtages. 3. Wahlperiode. 1. Tagung: begonnen am 8. Juni 1928. 7. Band. 105. bis 121. Sitzung (26. November 1929 bis 30. Januar 1930). R. von Deckers Verlag, G. Schenk, Berlin W 9, Linsstraße 35, Berlin 1930, Seite 10274 bis 10278

[Posadowsky-Wehner] Rede Graf von Posadowsky-Wehner. Preußischer Landtag, 193. Sitzung. 19. Dezember 1930. In: Sitzungsberichte des Preußischen Landtages. 3. Wahlperiode. 1. Tagung: begonnen am 8. Juni 1928. 12. Band. 189. bis 202. Sitzung (15. Dezember 1930 bis 5. Februar 1931). R. von Deckers Verlag, G. Schenk, Berlin W 9, Linsstraße 35, Berlin 1931, Seite 16634 bis 16637, Seite 16638 bis 16639, Seite 16640 bis 16642

Posadowsky-Wehner, Arthur Graf von: Volk und Regierung im neuen Reich. Aufsätze zur politischen Gegenwart v. Dr. theol. (h.c.), Dr. med. (h.c.), Dr. jur. Arthur Graf Posadowsky-Wehner, Allgemeiner Stellvertreter des Reichskanzlers, Kaiserlicher Staatssekretär des Innern, Königl. Preuß. Staatsminister i. R. Mit Gedenkwort von Staatssekretär Dr. A. Grieser, Berlin. Richard Schröder Verlag, Berlin 1932

Die Klassenkampf-Anschuldigungen gegen die Naumburger Behörde. Vor dem Stadtverordneten-Kollegium. "2. Beilage zum Volksboten". Zeitz, den 24. März 1928

Die politische Justiz der Weimaer Republik 1919-1927. http://www.kritische-polizisten.de/wp-content/uploads/2018/03/00Politische_Justiz_in_der_Weimarer_Republik.pdf

Dötzer, Karl: Der politische Verbrecher. "Deutsches Recht", Herausgegeben von Hans Frank, 3. Jahrgang, Juni 1933, Seite 37-38

[DR] "Deutsches Recht", 6. Jahrgang, 1936, 10

Ein Stahlhelmrichter. Politischer Missbrauch des Richteramtes. In: "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 21. Juni 1931

[Eggeling] Gauleiter von Halle-Merseburg Eggeling am 12. Januar 1945 an den Reichsjustizminister Thierack. In: Justiz im Nationalsozialismus. Über Verbrechen im Namen des deutschen Volkes. Naumburg. Ausstellung in Naumburg Oberlandesgericht. Eröffnung am 21. Oktober 2009, Seite 19

Ehrensalve für Rathenaumörder. "Der Abend. Spätausagabe des "Vorwärts"". Berlin, den 12. September 1930

Eichmüller, Andreas: Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen durch die westdeutschen Justizbehörden seit 1945. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. Jahrgang 56 (2008), Heft 4, Seite 621- 640

Eloesser, Arthur: Florian Geyer. Die Weltbühne. XXIII. Jahrgang, Nummer 20, Berlin, den 17. Mai 1927, Seite 786 und 787

Erklärung [von Eugen Wallbaum, Naumburg]. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg.", Zeitz, 12. März 1931

Frank, Hans: Ansprache des Reichsjustizkommissars Dr. Frank von der Freitreppe des Reichsgerichts an die Versammlung auf dem Reichsgerichtsplatz. In: Deutsche Richterzeitung 25 (1933) 10, 25. Oktober 1933, Seite 271 ff.

Frank, Hans: Erwiderung des Reichsjustizkommissars. In: Deutsche Richterzeitung 25 (1933) 10, 25. Oktober 1933, Seite 271

Freisler, Roland: Nationalsozialistisches Recht und Rechtsdenken. Industrieverlag, Spaeth & Linde, Berlin W 35, 1938

Gautagung des Gau Halle-Merseburg des NSRB. Rede des Reichsrechtsführers - Aufführungen der "Cäcilien-Ode" und des "Frankenburger Würfelspiels". In: Mitteilungsblatt des National-Sozialistischen Rechtswahrerbundes. Herausgeber: Der Reichsgeschäftsführer des NSRB Dr. Heuber, M.d.R. Deutsches Recht, 5. Jahrgang (1936), Heft 15/16, Nummer 8, Seite 203-204

Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, Berlin W 57, Elßholzstraße 32, 27. August 1935, Dokument unveröffentlicht

Generalstaatsanwalt beim Kammergericht Berlin W 57, Elßholzstraße 32, 17. August 1935, Mitteilung an den Reichsminister der Justiz, Dokument unveröffentlicht

Generalstaatsanwalt beim Kammergericht Berlin W 57, Elßholzstraße 32, 29. April 1935, An den Herrn Vorsitzenden des 5. Strafsenats des Kammergerichts, hier. Anklageschrift, Dokument unveröffentlicht

[Gerichtsprozess Gutgesell] Urteil zu Gutgesell, Kurt, 1 K.L. 57/33 (451). Sitzung der Großen Strafkammer des Landgerichts in Naumburg a. S. vom 3. Januar 1934, Dokument unveröffentlicht

[Gerichtsprozess Faber] Der Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht. 10. 0.Js. 100/35. Berlin W 57, den 29. April 1935, Elholzstraße 32, An den Herrn Vorsitzenden des Kammergerichts, Anklageschrift B. [zu Georg Faber und andere], Dokument unveröffentlicht

[Gerichtsprozess Tatzel] Anklageschrift des Generalstaatsanwalts beim Kammergericht, Berlin W 57, 29. April 1935, Elßholzstraße 32, 10.0.Js. 100.35 gegen Tatzel und andere, Dokument unveröffentlicht

[Gerichtsprozess Römer] Der Oberstaatsanwalt beim Kammergericht. 10.0.Js. 226/35. Berlin W 57, den 24. September 1935, Elholzstraße 32, Geheim. An den Herrn Vorsitzenden des 5. Strafsenats des Kammergerichts, Anklageschrift, Dokument, unveröffentlicht. (Siehe auch: Kammergericht, Geschäftsnummer: 10. 0.Js. v. 91.35. 3. Februar 1936. Bundesarchiv Berlin, NJ 15.216 - zitiert als Kammergericht 1936)

[Gerichtsprozess Koch] Anklageschrift vom 24. April 1935, Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht, 10 o. Js. 103/35, Berlin W 57, Elholßstraße 32, gegen Koch und andere und Urteil vom 1. Juli 1935, Dokument unveröffentlicht

[Gerichtsprozess Gutgesell] Urteil zu Gutgesell, Kurt, 1 K.L. 57/33 (451). Sitzung der Großen Strafkammer des Landgerichts in Naumburg a. S. vom 3. Januar 1934, Dokument unveröffentlicht

Grotius, Hugo (alias Kurt Tucholsky): Die Justiz. Die Weltbühne, XVII. Jahrgang, Nummer 21, Berlin, den 26. Mai 1921, Seite 576 ff.

Gruchmann, Lothar: Euthanasie und Justiz im Dritten Reich. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, R. Oldenbourg Verlag, München, 20 (1972) Heft 3, Seite 235-270

Gruchmann, Lothar: "Generalangriff gegen die Justiz"? Der Reichstagsbeschluss vom 26. April 1942 und seine Bedeutung für die Maßregelung der deutschen Richter durch Hitler. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, R. Oldenbourg Verlag, München, Jahrgang 51 (2003) Heft 4, Seite 509 ff.

Der Generalstaatsanwalt Dr. Becker: An den Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten Naumburg, Naumburg, den 4. März 1933. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, MD Rep. C 127, Anh Justiz PA S Nr. Nr. 24/3

Gefängnisstürmer. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 24. März 1924

[Generalstaatsanwalt] Brief des Generalstaatsanwalts des Oberlandesgerichts Jena an den Reichsminister der Justiz vom 2. April 1941. In: Michael Viebig: Das Zuchthaus Halle / Saale als Richtstätte der nationalsozialistischen Justiz /1942 bis 1945, Halle 1998, Dokument 4, Seite 110 bis 111

[Generalstaatsanwalt] Brief des Generalstaatsanwalts des Oberlandesgerichts Naumburg an den Reichsminister der Justiz vom 25. Mai 1941. In: Michael Viebig: Das Zuchthaus Halle / Saale als Richtstätte der nationalsozialistischen Justiz /1942 bis 1945, Halle 1998, Dokument 4, Seite 112 bis 113

[Hahn-Prozess] Lfd. Nr. 2087. Tatkomplex Justizverbrechen. Tatort Naumburg. Tatzeit 3605-4504. In: DDR-Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung ostdeutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen.
- Urteil des Landgerichts Chemnitz - 9. Große Strafkammer - vom 7. Juli 1950 im Strafverfahren gegen Hermann Hahn.
- Urteil des Landgerichts Chemnitz - 6. Große Strafkammer - vom 7. Juni 1950 im Strafverfahren gegen Hermann Hahn.
Band XIV. Professor Dr. C. F. Rüter unter Mitwirkung von L. Hekelaar Gombert und Dr. W. De. Mildt, Amsterdam University Press 2009, 513 ff.

Hedicke, Heinrich, Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Naumburg vom 12. Mai 1945. Stadtarchiv Naumburg. Polizeiverwaltung. Schadenersatzansprüche verschiedener Art. 1929 bis 1945. Band 12301 b, Archivsignatur 6639

[Helldorf, Wolf-Heinrich von] Über die Versammlung der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 25. November 1924

[Heilmann] Rede des Abgeordneten Ernst Heilmann (SPD).Preussen auf der Anklagebank, Preußischer Landtag. 40. Sitzung, Donnerstag, den 14. Juli 1921. "Freiheit. Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands." Berlin, den 15. Jui 1921

Heinze, Dr. Justizminister. Verhandlungen des Deutschen Reichstages. Reichstagsprotokolle 1920. 13. Sitzung. Donnerstag, den 29. Juli 1920. In: Verhandlungen des Reichstags. I. Wahlperiode 1920. Band 344. Stenographische Berichte. Von der ersten Sitzung am 24. Juni 1920 bis zur 17. Sitzung am 3. August 1920. Druck und Verlag der Norddeutsche Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin 1920, Seite 401-403

Hennig, Albrecht, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht: Die Baugeschichte des Oberlandesgerichtsgebäudes zu Naumburg / Saale. Naumburg 1995

Hennig, Albrecht: Gustav Wilhelm Freiherr von Gärtner, der erste Präsident des OLG Naumburg, und die "Polenfeier" in Naumburg 1832. In: Saale-Unstrut Jahrbuch, 3. Jahrgang, 1998, Seite 86 - 93

Heuer, Hans-Joachim: Geheime Staatspolizei. Über das Töten und die Tendenzen der Entzivilisierung. de Gruyter, 1994

Heiber, Helmut: Zur Justiz im Dritten Reich. Der Fall Elias. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, 3 (1955) Heft 3, 275-296

Heinze, Reichsjustizminister Dr. Rudolf, Verhandlungen des Deutschen Reichstages, Reichstagsprotokolle 1920, 13. Sitzung, Donnerstag, den 29. Juli 1920 (http://www.reichstagsprotokolle.de)

Hinkler-Prozess

Aufruhranklage gegen Nazi-MdR. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Morgenausgabe. Berlin, den 8. Oktober 1930

[Zum "unerhörten Naumburger Hakenkreuzurteil]. "Sozialdemokratischer Pressedienst", Berlin, den 24. Oktober 1930

Die Justizschande von Naumburg. "Der Abend. Spätausgabe des Vorwärts". Berlin, den 14. November 1930

Hinkler verhaftet und freigelassen. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Morgenausgabe. Berlin, den 22. Oktober 1931, Seite 2

Der Freyburger Überfall bleibt ungesühnt! "Volksbote." Zeitz, den 24. Oktober 1930

Ein Rohling und ein Urteil. "Potsdamer Volksblatt", 24. Oktober 1930 [Zum Prozess gegen Wilhelm Giessler am 23. Oktober 1930 in Naumburg]

Schweriner, Artur: Sozialisten-Eide gelten nicht! "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 24. Oktober 1930

Hamburger Hakenkreuzurteil. Rheinische Zeitung. 25. Oktober 1920

Justizskandal in Naumburg. "Das Volk" (Jena), 25. Oktober 1930

Sieben Zeugen - aber das Naumburger Gericht beschützt den Nazi Studenten. Rheinische Zeitung. 26. Oktober 1920

Der Nazijustizskandal. Unerhörte Urteilsbegründung. "Volksstimme. SPD im Regierungsbezirk Magdeburg". Magdeburg, den 26. Oktober 1930

Protest gegen Richter. Eine Kundgebung in Naumburg. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 1. November 1930

Die Justizschande von Naumburg. Offene Parteijustiz zugunsten der Hakenkreuzler. Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts". Berlin, Freitag, den 14. November 1930

Nazi-Hinkler, M.d.L. zu 1 Monat Gefängnis verurteilt. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 14. November 1931

Hinkler, Paul: Nationalsozialistische Arbeit im Preußischen Parlament 1928-1932. Itzehoe in Holstein, 1932

Katze- und Mausspiel vor Gericht. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 13. Mai 1932 [Zum Prozess gegen Paul Hinkler]

Freisler, Roland, an das Landgericht Große Strafkammer Naumburg (Saale) am 3. Juni 1932. Strafprozessakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Naumburg. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 141 Naumburg, 59-2

Brief des Preußischen Justizministers zur Aufhebung von Strafverfahren gegen Mitglieder des Preußischen Landtages vom 8. Juni 1932. Strafprozessakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Naumburg. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 141 Naumburg, 59-3

Hitler über Justiz [Das Tischgespräch mit Dr. Lammers, Dr. Thierack und Dr. Rothenberger am 20. August 1942; Abdruck]. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, 12 (1964) 1, Seite 94 bis 104

Hochkonjunktur der Klassenjustiz. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, den 6. Juli 1920

Hoegner, Wilhelm: Flucht vor Hitler. Erinnerungen an die Kapitulation der ersten deutschen Republik 1933. Mit einem Nachwort von Wolfgang Jean Stock. Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, München 1977

[Hübener] Schreiben des Präsidenten der Provinz Sachsen, Halle, den 25. August 1945. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Anh. Justiz PA, Nr. 40

Huth, Otto: An die Redaktion der Volksstimme, Halle. Bad Kösen, den 17. April 1920. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, C 141 Naumburg Nr. 25-1, Blatt 184 bis 185

Jeder nationalsozialistische Volksgenosse eine Propagandazelle! "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 4. Juni 1934

Juristentag in Leipzig. "Salzburger Chronik". Salzburg, den 2. Oktober 1933

Justiz im Nationalsozialismus. Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes. Naumburg. Harzdruckerei GmbH Wernigerode, Magdeburg 2009

Kammergericht [Berlin] Geschäftsnummer: o. Js. 103/35, V.37.35. Im Namen des Volkes gegen 1. den Arbeiter Karl Willi Koch …., unveröffentlicht

Keine Bewilligung für Jubelfeier und Festzug! Zurückgewiesene Verleumdung der kommunistischen Presse. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 22. März 1928

Kerrl: Antrittsworte des Preußischen Justizministers. "Deutsche Juristen-Zeitung", 38 (1933) 8, 546 f.

Kerrl, Hanns: Nationalsozialistische Staatskunst- und Staatrechtserneuerung. In: Nationalsozialistisches Strafrecht. Denkschrift des Preußischen Justizministeriums. R. v. Deckers Verlag. G. Geschenk, Berlin 1933, Seite 3 bis 5

Kerrl, Hanns, Preußischer Justizminister, Rundverfügung. Berlin, den 26. August 1933. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, C 128, Naumburg 180

Kirsche, Hans-Gert: Der Primanerkreuzgang. Internetseite des Stadtmuseums Naumburg, www.museumnaumburg.de, Januar 2006

Klee, Ernst: Was sie taten - Was sie wurden. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt a. M., 1992

Koenen, Wilhelm, Abgeordneter: Rede im Reichstag. In: Der Justizminister deckt die Klassenjustiz. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, den 27. Januar 1921

Kommunistenversammlung in der Reichskrone. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 29. August 1921

Kramer, Helmut: Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte als Gehilfen der NS-"Euthanasie" - Selbstentlastung der Justiz für die Teilnahme am Anstaltsmord. In: "Kritische Justiz", 17 (1984), Seite 25-43

Kunert, Fritz. Biografie. In: Handbuch der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung, Weimar 1919; biographische Notizen und Bilder, Berlin 1919, Seite 204 f.

Leuna-Aufstand (1921) zeitlich geordnet

Entschließung. Gewaltige Kundgebung auf dem Leuna-Werk. "Volksblatt". Halle, den 8. Juli 1920

Streikkrise in Mitteldeutschland. "Die Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, den 10. Februar 1921

Aufruf der Leuna-Arbeiter. "Rote Fahne. Zentralorgan der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands. (Sektion der kommunistischen Internationale)". Berlin, den 22. März 1921

Das mitteldeutsche Proletariat auf dem Posten. "Rote Fahne. Zentralorgan der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands. (Sektion der kommunistischen Internationale)". Berlin, den 22. März 1921

Gefängnisstürmer. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, 24. März 1921

Verpuffte Putschaktion. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, den 26. März 1921

Der Preußische Staatskommissar für öffentliche Ordnung an den Reichskanzler. 26. März 1921. Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik - Das Kabinett Fehrenbach, Band 1, Dokumente, Nr. 219. Der Preußische Staatskommissar für öffentliche Ordnung an den Reichskanzler. 26. März 1921, Seite 609-611. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/feh/feh1p/kap1_2/para2_219.html

Ungerechte Bestrafung Erwerblose. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, den 08. April 1921

Das Leunawerk. Lehren aus der Märzaktion. Frankes Verlag, GmbH Leipzig, Berlin 1921

Kämpfendes Leuna. Die Geschichte des Kampfes der Leuna-Arbeiter. Teil 1. 1. Halbband (1916-1933), Verlag Tribüne, Berlin 1961

Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918 - 1933. Kampf um die Strasse und Furcht vor dem Bürgerkrieg. Klartext Verlag, Essen 2001

Weber, Stefan: Ein kommunistischer Putsch? Märzaktion 1921 in Mitteldeutschland. Dietz Verlag, Berlin 1991

Loewy, Hanno, Betinna Winter (Herausgeber): NS-"Euthanasie" vor Gericht. Fritz Bauer und die Grenzen juristischer Bewältigung. Campus Verlag, Frankfurt 1996

Levi, Dr. Paul: Diskussion. Fortsetzung der zweiten Beratung des Reichshaushaltsplan für 1929. 85. Sitzung. 13. Juni 1929. Verhandlungen des Reichstages. IV. Wahlperiode 1928. Band 425. Druck und Verlag Reichsdruckerei, Berlin 1929, Seite 2385 bis 2390

Lück, Heiner: Von Barop nach Buchenwald: Der Naumburger OLG-Präsident Dr. Paul Sattelmacher (1879-1947). In: Höland, Armin und Heiner Lück (Herausgeber): Juristenkarrieren in der preußischen Provinz Sachsen 1919-1945. Lebenswege und Wirkungen, Mitteldeutscher Verlag 2004, Seite 91 ff.

Marien, Karl: Brief an Genossen Zeitschel. Anbei einige Daten aus der Zeit. Handschriftlich, Naumburg, 14. April 1958, unveröffentlicht

Milderung der Maschinengewehrjustiz. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands." Berlin, den 19. August 1921

Miosge, Dieter: Radbruchs Widerruf. In: Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik, Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, Heft 1, 2010, Seite 24 -27

Möhring, Andreas: Richter im Nationalsozialismus. Personalentwicklung und Personalpolitik am Oberlandesgericht Naumburg 1933-1945. Universitätsverlag, Halle-Wittenberg, Halle 2011

Mommsen, Wolfgang: Die Flucht in den Führerstaat. Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990. Herausgegeben von Carola Stern und Heinrich A. Winkler. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main November 2001, Seite 127 bis 158

Naumburger Urteil: Hakenkreuzurteil. "Volkswille", 25. Oktober 1920

Naumburger Justiz. "Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands". Berlin, 25. Januar 1922

Noack, Erwin: Der freie Anwalt im Dritten Reiche. "Juristische Wochenschrift", 65 (1936) 26, Seite 1746-1749

Nübell, Ferdinand: Bankrott der Rechtspflege. Die Weltbühne. Jahrgang XVII. Nummer 31. Berlin, den 4. August 1921, Seite 116 bis 118

[OLG-Richter] Die Richter des Oberlandesgerichts Naumburg. Justiz im Nationalsozialismus. Über Verbrechen im Namen des deutschen Volkes. Naumburg. Ausstellung in Naumburg Oberlandesgericht, Eröffnung am 21. Oktober 2009, Katalog zur Ausstellung, Magdeburg 2009, Seite 13-14

Passfälscher-Skandal in Naumburg (zeitlich geordnet)

Ludendorffs Emissäre in Budapest. "Wiener Morgenzeitung". Wien , den 14. September 1924

Wer ist Wener Abel? "Das Neue Wiener Tagblatt". Wien den 14. September 1924

Festnahme ehemaliger deutscher Offiziere in Ungarn. [Nachricht über Werner Abel] "Tages-Post". Linz, den 17. Oktober 1924

Fememörder-Paradies in Naumburg. "Klassenkampf, Kommunistisches Organ für den Bezirk Halle-Merseburg mit der Illustrierten Arbeiter-Zeitung "Der Rote Stern"". Halle, Mittwoch, den 8. Februar 1928

Die Zurückgewiesenen Verleumdungen. In: Keine Bewilligung für Jubelfeier und Festzug! "Naumburger Tageblatt". Naumburg, den 22. März 1928

Die Lügen über die "Passfälschungen". Abel und die Kommunisten. 1. Beilage zu Nummer 71 des "Naumburger Tageblatt". Naumburg, den 23. März 1928

Schwere Beschuldigungen gegen die Münchner Polizei. "Neue Freie Presse". München, den 11. August 1928 [Nachricht über Werner Abel]

Passfälscher auf der Polizei. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 11. August 1928

Die "Klassenkampf"-Anschuldigungen gegen die Naumburger Behörde vor dem Stadtverordneten Kollegium. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." 2. Beilage zum Volksboten. Zeitz, den 24. März 1928

Die Münchner Polizei fälscht Pässe. "Arbeiter-Zeitung". München, den 12. August 1928

Die Geheimnisse der bayerischen Feme. "Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten". Graz, den 1. September 1928

Immer noch der Passfälschungsschwindel. "Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg." Zeitz, den 4. September 1929

Die Passfälschungen der Münchner Polizei. "Salzburger Wacht. Organ für das gesamte werktätige Volk im Lande Salzburg." Salzburg, den 13. August 1928

Wieder einmal die Lügen über eine angebliche Passfälscher-Zentrale vor Gericht. "Naumburger Tageblatt". Naumburg, den 26. November 1929

Der Zusammenbruch des Lügenbaues einer angeblichen Passfälscher-Zentrale in Naumburg. "2. Beilage zum Naumburger Tageblatt und zur Bad Kösener Zeitung Allgemeinen Zeitung". Naumburg, den 27. November 1929

Der Hitler-Prozess. "Tages-Post. Abendblatt." Linz an der Donau, den 5. Februar 1930

Verkaufte Hitler Tirol? "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, am 6. Februar 1930

Kommunistische Berufslügner. [Zur Amnestie der Fememörder]. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 17. Dezember 1930

Prozess um Hitler. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 8. Juni 1932

Hitler als Zeuge vor Gericht. "Tages-Post. Abendblatt". Linz an der Donau, den 9. Juni 1932

Die Nationalsozialisten und Südtirol. Zwischenfall im Prozess Werner Abel. "Innsbrucker Nachrichten". Innsbruck, den 10. Juni 1932

Drei Jahre Zuchthaus. Für Hitler-Beleidigung. "Salzburger Wacht". Salzburg, den 14. Juni 1932

[Pinder, Ernst] Military Government of Germany. Fragebogen. Justizpersonalakte Landeshauptarchiv Magdeburg, C 127, Sachsen-Anhalt Justiz, 148/5

[Pinder, Ernst] Justizpersonalakte, Landeshauptarchiv Magdeburg C 127, Sachsen-Anhalt Justiz, 148/1

[Pinder, Ernst] Der Oberlandesgerichtspräsident an den Herrn Landgerichtspräsidenten. Landeshauptarchiv Magdeburg C 127, Anh. Justiz PA P Nr. 148 Band 1

Pistor, in Vertretung des Oberlandesgerichtspräsidenten von Naumburg und Dr. Becker, Generalstaatsanwalt, Naumburg, den 2. September 1933. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, C 128, Naumburg 180

Pistor, Walter. Kontrollbogen des Antifaschistischen Blocks. 22. November 1946. Stadtarchiv Naumburg (Saale)

Polizeiverwaltung, Die. 22. April 1920. Unterzeichnet von Roloff [Bürgermeister]. In: Sonderakten der Polizeiverwaltung Naumburg an der Saale. Massnahmen bei drohenden Unruhen. Angefangen 1919. Beendet 1921 (1933). Stadtarchiv Naumburg

Possögel, Anna: Vor der Verhaftung [Aufzeichnungen]. Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Archiv Weimar Buchenwald, 31/653

Possögel, Anna: Krankheit [Aufzeichnungen]. Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Archiv, Weimar Buchenwald, 31/653

Possögel, Anna: Bericht, handschriftlich. Unterzeichnet mit "Pampfer-Possögel", ohne Datum, nach 1947 geschrieben. Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Archiv Weimar Buchenwald, 31/653

[Prager Erklärung von 1934] Kampf und Ziel des revolutionären Sozialismus. Die Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, XX (1972) Heft 7, Seite 860 ff.

Prick, Georg: Anwalt ohne Recht. Verfolgte Rechtsanwälte jüdischer Herkunft im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg (1933-1945), Seite 98-101, [Magdeburg] 2010.

Prick, Georg: Rechtsanwalt Dr. Erwin Noack - Facetten zu einem Lebensbild. In: Hallesche Schriften zum Recht 29. Heiner Lück / Armin Höland (Herausgeber). Die Staats- und Rechtswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Nationalsozialismus. Universitätsverlag Halle-Wittenberg, ohne Jahresangabe (wahrscheinlich 2011)

Rede Graf von Posadowsky-Wehner. Preußischer Landtag, 25. Sitzung. 15. Dezember 1928. In: Sitzungsberichte des Preußischen Landtages. 3. Wahlperiode. 1. Tagung: begonnen am 8. Juni 1928. 2. Band. 23. bis 39. Sitzung (13. Dezember 1928 bis 2. Februar 1929). R. von Deckers Verlag, G. Schenk, Berlin W 9, Linsstraße 35, Berlin 1929, Seite 1625 bis 1629

Ribbentrop-Prozess

Strafsache gegen den Schriftsteller Manfred Ribbentrop aus Moes, Bayern. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 141, Staatsanwaltschaft Naumburg, Strafverfahren in der Strafsache Ribbentrop

Freibrief für Verleumder. "Der Abend. Spätausgabe des "Vorwärts"". Berlin, den 1. November 1930

Beleidigung eines Toten. "Jenaer Volksblatt. Unabhängige demokratische Tageszeitung". Jena, den 1. September 1931

Riedel-Prozess

Urteil gegen den Arbeiter Fitz R. in Berlin-Wilmersdorf, Güntzelstrasse …, geboren am … 1901 in Labes (Pommern), Wegen Vergehens gegen § 5 Ziffer 3 und 4 des Republikschutzgesetzes. Schöffengericht Naumburg, 11. September 1930. Landes-Archiv Sachsen-Anhalt, Merseburg C 141, Nr. 81

Sattelmacher, Paul: Die juristischen Staatsprüfungen. Prüfungseinrichtung, Verfahren und Anforderungen zugleich eine Anleitung zur Anfertigung von Prüfungsarbeiten. Julius Springer Berlin 1935

Sattelmacher, Paul: Richter und Rechtsfindung. "Deutsche Justiz. Rechtspflege und Rechtspolitik" Berlin, 104 Jahrgang, Ausgabe A, Nr. 6, 6. Februar 1942, Seite 93 bis 94

[Sattelmacher, Paul:] Auszug aus den persönlichen Aufzeichnungen des Oberlandesgerichtpräsidenten Prof. Dr. Paul Sattelmacher (13.4.1879-1947), unveröffentlicht = [SE]

Schmerbach, Folker: Das "Gemeinschaftslager Hanns Kerrl" für Referendare in Jüterbog 1933-1939, Mohr Siebeck, Tübingen 2008

Schmitt, Carl: Der Führer schützt das Recht. Deutsche Juristen-Zeitung. Berlin, 1. August 1934, Seite 945-950

Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918 - 1933. Kampf um die Strasse und Furcht vor dem Bürgerkrieg. Klartext Verlag, Essen 2001

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Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-Weiß-Rot. "Mitteldeutsche Wahlzeitung." Nummer 1, 22. November 1924, Seite 3

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Sonderakten der Polizeiverwaltung Naumburg an der Saale. Maßnahmen bei drohenden Unruhen. Angefangen: 1919, Geschlossen. 1921, Signatur 8355, Stadtarchiv Naumburg

Sondergericht in Naumburg. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 24. März 1933

Speitel, Georg: Otto Quante. Festschrift zu seinem 100. Geburtstage mit einem Werkverzeichnis von Klaus Marowsky, Kunstverein Minden e.V., 1976

Strafprozessakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Naumburg. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 141 Naumburg, 591 bis 594

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Voigt, Arno: Hütet Euch vor der Justiz. Die Weltbühne, XVII. Jahrgang, Nummer 23, Berlin, den 9. Juni 1921, Seite 630 ff.

Wanderschneider, E. Rechtsanwalt Verteidiger des Angeklagten Rothenberger vor dem Militärtribunal Nürnberg. Nürnberg, den 8. März 1947. An das Oberlandesgericht Naumburg. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, C 127, Anh. Justiz PA S Nr. 40

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WAR OFFENDER FLEES FROM A GERMAN JAIL. The New York Times, 31. Januar 1922

Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1995

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Wesel, Uwe: Freispruch für den General. Wie deutsche Kriegsverbrechen nach dem Ersten Weltkrieg geahndet werden. Die Zeit. Nummer 31. Hamburg, den 24. Juli 2003

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Klassiker

Bauer, Fritz: Die ungesühnte Nazijustiz. In: Die Neue Gesellschaft. Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Willy Brandt. Verlag Neues Gesellschaft. 1960, Band 7, Seite 179 bis 191

Engels, Friedrich: Vorrede [zur amerikanischen Ausgabe von 1887 der "Lage der arbeitenden Klasse in England"]. In: Karl Marx / Friedrich Engels: Werke. Band 2. Dietz Verlag, Berlin 1962, Seite 629 f.

Gumbel, Emil Julius: Vier Jahre politischer Mord. Verlag der Neuen Gesellschaft, Berlin-Fichtenau 1922

Hannover, Heinrich: Die NS-"Euthanasie" und die unschuldigen Juristen. Der Fall Dr. Kramer gegen Dr. Jung (1989) In: Heinrich Hannover. Die Republik vor Gericht 1975-1995. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts. Aufbau-Verlag, 1. Auflage 1999, Seite 307 bis 318

[Harich, Wolfgang] Aus der schriftlichen Zeugenaussage von Wolfgang Harichs vom 27. Mai 1957. In: Walter Janka. Der Prozeß gegen Walter Janka und andere. Dokumentation. Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 1990, Seite 54 bis 81

[Janka, Walter] Dokumentation. Der Prozeß gegen Walter Janka und andere. Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 1990

Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht [1784]. In: Immanuel Kant: Von den Träumen der Vernunft. Kleine Schriften zur Kunst, Philosophie, Geschichte und Politik. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1981 (speziell Seite 209)

Kelsen, Hans: Was ist Gerechtigkeit? Erstausgabe 1953, Reclam Verlag, Stuttgart 2000

Kogon, Eugen: Der Terror als Herrschaftssystem. In: Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager. Kindler Verlag, Reinbek bei Hamburg 1974, Seite 4 bis 6

Leopoldt, Adolf: Rote Chronik der Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg. Herausgeber SPD Unterbezirk Zeitz-Weißenfels-Naumburg, Zeitz 1931

Liebknecht, Karl: Rechtsstaat und Klassenjustiz: Bericht über einen Vortrag in einer Massenversammlung in Stuttgart. Vortrag, gehalten zu Stuttgart am 23. August 1907 von Dr. Karl Liebknecht, Stuttgart 1907. In: Karl Liebknecht. Gesammelte Reden und Schriften, Dietz Verlag, Berlin 1958, Band 2, Seite 17-42

Marx, Karl: Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Von einem Rheinländer. Dritter Artikel. Debatten über das Holzdiebstahlgesetz. In: Marx / Egels Werke, Band 1. Dietz Verlag, Berlin 1981, Seite 109 ff., Zitat Seite 114

Marx, Karl, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei. In: Karl Marx / Friedrich Engels. Werke Band 4. Dietz Verlag, Berlin 1977, Seite 458, Zitat Seite 477

Mill, John Stuart: Der Utilitarismus. Pilipp Reclam jun. Stuttgart 1976 [laut Ausgabe von 1871]

Negt, Oskar: Thesen zur marxistischen Rechtstheorie. Dieser Aufsatz ist eine umgearbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrages, den ich im Dezember 1972 in Köln auf Einladung der Basisgruppe Jura vor Studenten der Kölner Universität gehalten habe. Als Protokoll erschien der Vortrag in der Broschüre "Klassenjustiz?, Methoden der bürgerlichen Rechtswissenschaft und marxistische Rechtstheorie", herausgegeben von der Basisgruppe Jura Köln. [Umfang des Aufsatzes in vorliegender Fassung 19 Seiten]

Owen, Robert: Das soziale System. Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1988

Ossietzky, Carl v.: Rotkoller. "Die Weltbühne", den 18. Februar 1930. In: Carl v. Ossietzky: Rechenschaft. Publizistik aus den Jahren 1913-1933. Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1970, Seite 172 ff.

Radbruch, Gustav: Das Recht im sozialen Volksstaat. In: Der Geist der neuen Volksgemeinschaft. Eine Denkschrift für das deutsche Volk. Herausgegeben von der Zentralstelle für Heimatdienst. S. Fischer Verlag, Berlin, 1919, Seite 72 ff [Die Sperrschrift im Radbruch-Zitat wurde von D.B. eingebracht.]

Radbruch, Gustav: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht. Süddeutsche Juristen-Zeitung, 5 (1946) 1, Seite 105-108

Radbruch, Gustav: Rechtsphilosophie. 3. Auflage. 1932, Seite 32 ("Für den Richter ist es Berufspflicht, den Geltungswillen des Gesetzes zur Geltung zu bringen, das eigene Rechtsgefühl dem autoritativen Rechtsbefehl zu opfern, nicht zu fragen, was rechtens ist, und niemals, ob es auch gerecht sei …")

Smith, Adam: Theorie der ethischen Gefühle. [1751] Herausgegeben von Walter Eckstein. Felix Meiner Verlag, Hamburg 1994

 

 

Lenz, Siegfried: Deutschstunde. München 1992

Mann, Thomas: Betrachtungen eines Unpolitischen. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 2004

Salomon, Ernst von: Die Geächteten. Rowohlt, Hamburg 1962 [Erste mal 1930 veröffentlicht]

Wrobel, Ignaz [alias Kurt Tucholsky]: Die Ebert-Legende. Die Weltbühne. Berlin, 1926, Nummer 2, Seite 52 - 55

Zweig, Stefan: Opportunismus, der Weltfeind [Berlin Oktober 1918]. In: Die schlaflose Welt. Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1909-1941. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 1990, Seite 132 ff.

Zweig, Stefan: Die Erziehung zum republikanischen Bewusstsein [Dezember 1918]. In: Die schlaflose Welt. Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 1909-1941. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 1990, Seite 136 ff.

 

 

*Bild von Max Römer. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, K 6 VdN Halle, Nummer  4443, Blatt 34

Das Bild von Bernhard Düwell wurde dem Handbuch zum Deutschen Reichstag entnommen.


Danksagung

Besonderer Dank gilt dem Stadtarchiv Zeitz, dem Leiter Herrn Lautenschläger und seinen Mitarbeitern für die konkrete Unterstützung des Projekts.

Ich bedanke mich für die freundliche Unterstützung durch das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Magdeburg bei der Suche und Überlassung des Bildes von Max Römer (Naumburg). - März 2012

Ich bedanke mich bei Herrn Georg Prick (Magdeburg) für die wertvollen Quellenhinweise. - 6. Mai 2010

Vielen Dank an Michael Thoß vom Hannah-Arendt-Institut in Dresden für die Unterstützung zum Cuvelier-Prozeß (1930).

 

Besonderer Dank gilt dem Stadtarchiv Zeitz, dem Leiter Herrn Lautenschläger und seinen Mitarbeitern für die konkrete Unterstützung des Projekts.

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Autor:
Detlef Belau


Geschrieben: April 2005. Aktualisiert: 29. September 2012