Bericht
über das Getto in Lódz
Auf
Befehl der deutschen Verwaltung wurden ab 1940 überall im besetzten Polen
Gettos eingerichtet. Einen armen Stadtteil, in dem ohnehin viele Juden wohnen,
erklärt man zum "jüdischen Wohnbezirk". Alle Juden müssen
dort hinziehen. Ist die "Umsiedlung" abgeschlossen, wird das Getto durch
Polizei abgeriegelt und dann durch Zaun oder Mauer eingeschlossen. Wer es verlässt,
wird zum Tode verurteilt oder erschossen. Die beiden größten Gettos
sind Lódz (Litzmannstadt) im annektierten "Warthegau" (160 000
Einwohner) und Warschau im "Generalgouvernement" (450 000 Einwohner).
|
"Der
Charakter der jüdischen Gemeinde war von der jüdischen ArbeiterInnenschaft
geprägt, über fünfzig Prozent der jüdischen Bevölkerung
waren in der Industrie tätig. Viele der Lódzer Jüdinnen und Juden
beteiligten sich aktiv am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben
der Stadt. Es gab zahlreiche jüdische Parteien, deren Vertreter in der Stadtverwaltung
saßen, jüdische Presseorgane und Bildungseinrichtungen, Theater und
Sportvereine. Neben den kulturellen Errungenschaften waren Fürsorgeeinrichtungen
wie Hospitäler und Waisenhäuser von besonderer Bedeutung." "Am
12. November 1939 begannen die Deportationen, "Umsiedlungsprogramme"
genannt. Da die ins Reich eingegliederte Stadt nach Vorstellung der Deutschen
"volksdeutsch" und "judenfrei" werden sollte, war der Plan,
30 000 Juden und Jüdinnen und ebenso viele nichtjüdische Polen/innen
aus der Stadt zu deportieren. Die jüdische Bevölkerung wurde nach Ostpolen
ins Generalgouvernement verschleppt, auch viele nichtjüdische Polen/innen
wurden ausgewiesen, und Deutsche siedelten sich in der Stadt an. Als sich Generalgouverneur
Hans Frank, Verwaltungschef für die gesamte zivile Verwaltung der besetzten
polnischen Gebiete, gegen die "Umsiedlungspolitik" wehrte, weil auch
er ein "judenfreies" Generalgouvernement haben wollte, erließ
Friedrich Uebelhoer, der verantwortliche Gouverneur für den Kalisz-Lódzer
Distrikt, einen Geheimbefehl zur Errichtung eines Gettos. Er ging davon aus, dass
es sich dabei nur um eine Übergangslösung auf dem Weg zur - so wörtlich
- "Ausbrennung der Pestbeule" handele, erzählte Feuchert. Am 8. Februar
1940 wurden das jüdische Armenviertel Baluty und die Vorstadt Marysin im
nördlichen Stadtgebiet von Lódz offiziell zum Getto erklärt und
die jüdische Bevölkerung dorthin getrieben. Am 30. April 1940 wurde
das Getto hermetisch abgeriegelt, die 164 000 verbleibenden Jüdinnen und
Juden aus Lódz waren auf vier Quadratkilometern in Holzhäusern ohne
Kanalisation und meist ohne Wasserleitungen eingesperrt."
Kinzel, Tanja:
Das Ghetto Lódz - Im Spiegel der Ghettochronik. Internetseite gs/tacheles-reden.de,
13. Juli 2004