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August von Mackensen (1849-1945)


August von Mackensen besuchte öfters Naumburg (Saale). Seit 1936 ist er Dechant des neugebildeten Vereinigten Domkapitels mit Sitz in Naumburg. Im Buch von Bernd Heinzelmann (1992) Naumburg wie es früher war findet sich ein Foto (Bildausschnitt links), dass den preußischen Generalfeldmarschall im August 1937 mit Schülern des Naumburger Domgymnasiums zeigt. Die Aufnahme suggeriert eine Vorbildfunktion. Wie eine Monstranz trägt er den Heldenmythos vor sich her. Verkörpert er aber wirklich diese moralische Instanz?

Unbeliebt war er nicht. Ein Stabsoffizier des alten Heeres sagt über ihn 1920 (237): Der Feldmarschall ist noch heute eine "populäre Erscheinung, und das mit Recht, denn jeder, der ihn näher kennt, schätzt seinen offenen Charakter."

Trotz dieser Popularität war seine Rolle im Ersten Weltkrieg alles andere als heldenhaft. Als das bedrängte Osmanische Reich nach Waffenlieferungen dürstete, musste die strategische Linie Belgrad - Sofia - Konstantinopel geöffnet werden (vgl. Hankel), und Generalfeldmarschall Mackensen bekam von der Obersten Heeresleitung den Auftrag die serbische Armee vernichtend zu schlagen, um die Verbindung über Belgrad und Sofia nach Konstantinopel zu öffnen. (Siehe auch  Schwarzmüller 92 ff.) Innerhalb von fünfzig Tagen wurde Serbien besiegt. Mackensen ordnete die rücksichtslose Verfolgung der fliehenden Verbände an. (Vgl. Hankel 297) Riesige Mengen an Schlachtvieh und Getreide raubte man für Deutschland, obwohl Mackensen sah: "Die Menschen sterben vor Hunger und Kälte und liegen inmitten gefallener Pferde und Ochsen an der Landstraße." (Schwarzmüller 125)

August von Mackensen (Zeichnung)

 

Nachdem Rumänien im August 1916 in den Krieg eingetreten war, drangen deutsche Truppen zusammen mit österreichisch-ungarischen Verbänden unter dem Oberbefehl von Mackensen in das Land ein. Bei diesem Vormarsch machte die Erbitterung der bulgarischen Soldaten bei den deutschen und österreichischen Soldaten, wie Mackensen in einem Brief festhält, Schule. Es wurde nicht nach Gefangenen gefragt, sondern alles über den Haufen geschossen, was vor die Gewehre kam. (Nach Schwarzmüller 138). Im Dezember war Bukarest erobert und Anfang Januar das Land besetzt. Die Militärverwaltung in Rumänien wurde dem Oberkommando von Mackensen unterstellt. (Vgl. Hankel 297)

Trotz dieser Ungeheuerlichkeiten kommt es bei den Leipziger Kriegsverbrecherprozessen (1922) zur Einstellung des Verfahrens gegen Mackensen. Grundlage dafür bildet nicht die Faktenlage der Tatvorwürfe, sondern die subjektive Tatseite. Tötung von Personen und Eingriffe in das Eigentum können als Teil der Kriegsführung geboten sein, hob der Oberreichsanwalt des Reichsgerichts hervor und folgert: Schon der Glaube der völkerrechtlichen Zulässigkeit schließt bei dem Befehlshaber einen Vorsatz der Strafe aus. So kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte bei seinen Befehlen jemals von dem, was eine Lage völkerrechtlich erlaubt abgewichen ist. Ebenso kann der Beschuldigte nicht mit der willkürlichen Bestätigung der Todesurteile in Verbindung gebracht werden. Eine Persönlichkeit von seinem Ruf und seiner Stellung lasse es vielmehr von vornherein als ausgeschlossen erscheinen, dass er vorsätzlich oder fahrlässig ergangene Todesurteile hatte Vollstrecken lassen. (Nach Hankel 299)

Rechtliche Fragen spielten in der reichsanwaltlichen Ermittlung keine Rolle, und die völkerrechtlichen Einwände, analysiert Gerd Hankel, verblassten gegenüber der Person von Mackensen. In seinem Antrag auf Einstellung des Verfahrens weist der Oberreichsanwalt das Reichsgericht darauf hin, dass der Beschuldigte mit der vom Kaiser unumschränkten verliehenen Befehlsgewalt gehandelt hat. Seine Verwaltungsmassnahmen, argumentiert er, mögen sie nun mit dem Völkerrecht übereinstimmen oder nicht, können daher niemals einen Verstoss gegen ein deutsches Strafgesetz bilden. Tatsächlich sah aber die HLKA (Haager Landkriegsordnung) die Beachtung der Landesgesetze vor, verbot die Plünderung, und Natural- und Dienstleistungen hatten die Leistungsfähigkeit zu beachten.

"Gerade das Beispiel Mackensen zeigt", schliesst Gerd Hankel (300) seine Analyse, "in welchem Maße sich die Justiz zur Helfershelferin einer verhängnisvollen Kontinuität machte und Mackensen - neben Hindenburg - zur Inkarnation eines Deutschlands werden ließ, das sich siegreich behaupten wird, wenn es den unbeugsamen und unerbitterlichen Willen dazu hat."

Am 8. Oktober 1915 wurde August von Mackensen Domherr und 1925 Dechant des Domstifts Merseburg.

"Am 18. Juni 1935 erfolgte die Vereinigung der Domstifter von Merseburg und Naumburg sowie des Kollegiatsstifts Zeitz zu einer einheitlichen öffentlichen Körperschaft. Am 14. Oktober 1936 tritt der Generalfeldmarschall an die Spitze des Merseburger Domkapitels. Am Tage darauf besucht er den Naumburger Dom.

Erst im Vorjahr schenkte Hitler dem Nationalhelden die schuldenfreie Domäne Brüssow mit 400 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche aus dem Besitz Preußens. Kurz zuvor war sie für 350 000 Reichsmark neu hergerichtet worden. Das verpflichtet zur Treue. Freilich ist der (Miss-) Brauch der Dotation schon aus dem Mittelalter und der Monarchie bekannt. Moltke bekam einst Gut Kreisau und Bismarck den Sachsenwald bei Hamburg. Das 1 200 Hektar große Gut in der Uckermark missfällt dem Kaiser im Exil, der Herrn von Mackensen immer noch größte Wertschätzung entgegenbringt. Jedenfalls ist nun offensichtlich, dass sein einstiger Feldmarschall und Armeeführer im Fahrwasser des nationalsozialistischen Deutschlands rudert.

Der Husarenheld findet seine Rolle im Dritten Reich, ganz ähnlich seinem Ehrenplatz bei Görings Hochzeit im April 1934 - platziert gegenüber der Braut und dem Trauzeugen Hitler (vgl. Schwarzmüller 310). Seine Machtergreifung begrüßte er mit "mit tiefer innerer Anteilnahme und freudiger Zustimmung".

Anläßlich seines 80. Geburtstages besucht ihn der Führer und Reichskanzler in Falkenwalde.

 

Am 28. Februar 1935 lädt die Generalstabsvereinigung zu ihrer jährlichen Mitgliederversammlung in das Hotel Kaiserhof nach Berlin ein. Von den 1 303 Mitgliedern sind 470 erschienen. Mackensen sagt zu Begrüssung:

"Es sind ferner noch verstorben die Generäle von Schleicher und von Bredow." (Schwarzmüller 304)

Aber Kurt von Schleicher (1882-1934) und Ferdinand von Bredow (1884-1934) wurden ermordet! Der Generalfeldmarschall hat nicht den Schneid, wenigstens hinter verschlossenen Türen unter seinesgleichen die Wahrheit über die Opfer des Röhm-Putsches zu sagen. Die "persönliche Ehre der genannten Offiziere" betrachtete der Vorsitzende als "nicht berührt". (Vgl. Zur Ermordung) Sein Verhalten gegenüber den ermordeten Kameraden war ohne Haltung und prinzipienlos.

Mit dem Mangel an Zivilcourage und dem ausgeprägten Untertanengeist repräsentiert August von Mackensen die Gebrechen der Monarchisten. Mit Hurra-Rufen auf den Kaiser nahm ihre "Opposition" gegenüber Hitler burleske Züge an. Der Lagebericht der Staatspolizeistelle Halle für Februar 1935 registriert:

"Am Sonntag, den 27.1.35 hielt der Saale-Unstrut-Elster-Gau des Kyffhäuserbundes in den Räumen der Erholungsgesellschaft in Naumburg (Saale) eine Führertagung ab. Anwesend waren etwa 200 Personen. Darunter befand sich auch der Führer des Landesverbandes Mitte, Oberst a. D. von Puttkammer. [richtig: Puttkamer] Dieser wies gelegentlich seiner Ausführungen über die Pflichten und Rechte des Kyffhäuserbundes u. a. auch auf den 27. Januar als den Tag des Geburtstages des ehemaligen Kaisers hin, der in der Einsamkeit leben müsse und dessen die alten Soldaten als ihres ehemaligen obersten Kriegsherren Gedenken müssten. Als der Name des ehemaligen Kaisers genannt wurde, erhob sich der in Naumburg wohnende Major a. D. Schöning von Delitz von seinem Platze. Diesem Beispiel folgten nacheinander alle Anwesenden. V. Puttkammer [richtig: Puttkamer] sprach seinen Dank für diese Ehrung aus.

Im Laufe seiner Rede machte der Landesführer v. Puttkammer [richtig: Puttkamer] die versammelten Vereinsführer drauf aufmerksam, dass die alten Soldaten anstelle des jetzt üblichen "Sieg Heil" das alte schöne "Hurra" setzen sollten. Infolgedessen schloss von Puttkammer [richtig: Puttkamer] die Versammlung mit einem dreifachen "Hurra" auf unser Volk und Vaterland und seinen Reichskanzler Adolf Hitler." (Stapo 1933g, 293)

 

 

Hankel, Gerd: Der Fall Mackensen. In: Die Leipziger Prozesse. Deutsche Kriegsverbrechen und ihre strafrechtliche Verfolgung nach dem Ersten Weltkrieg. Hamburg Edition. Hamburg 2003, Seite 297 ff.

Heinzelmann, Bernhard: Naumburg wie es früher war. Wartenberg Verlag, Kassel 1992, Seite 11

Mühleisen, Horst: Das Testament Hindenburg vom 11. Mai 1934. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 44 (1996) Heft 3, Seite 362

Page, Winfried: Vom Feldherren zum Domherren von Naumburg". "Burgenland-Journal, Naumburger Tageblatt", 27. November 1995

Schwarzmüller, Theo: Zwischen Kaiser und "Führer". Generalfeldmarschall August von Mackensen. Eine politische Biografie, Ferdinand Schöningh Paderborn, München, Wien, Zürich 1995

[Stapo 1933g] Lagebericht der Staatspolizeistelle Halle für Februar 1935. In: Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen 1933 bis 1936. Herausgegeben von Hermann-J. Rupieper und Alexander Sperk, Band 2: Regierungsbezirk Merseburg, mdv, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2004, Seite 277 ff.Zur Ermordung des Generals Schleicher. (Dokumentation) In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, München, Jahrgang 1 (1953) 1, Seite 71 bis 95. (Zur Rolle von August von Mackensen besonders Seite 71 bis 74)

Stabsoffizier: Das alte Heer. XVI. Bülow, Heeringen, Mackensen. Die Weltbühne. Die Schaubühne. Herausgeber Sigfried Jacobsohn, Jahrgang XVI, 235 bis 237

 

Autor:
Detlef Belau

Geschrieben: Oktober 2006.
Aktualisiert: 23. Dezember 2010

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