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Feige, gemein und unmenschlich gegenüber Juden

 

Gliederung Personen
   
Eine kleine Minderheit Pfarrer Karl Iskraut
Radikalisierung der Mitte Adolf Landsberg
Drohung - Behinderung - Schikane Walter Becker
Judenstern und Wahlverbot Familie Otto Hollaender
Gesetz zum Schutze .... Max Cohn und die ....
Verfolgt und ermordet Josef Gross
Pogrom Ehepaar Gutkindt
Arisierung jüdischen Eigentums Kaufhaus Max Ahlfeld
Die Rolle von Leo Hirsch Die Intellektuellen und die Juden
1938 wohnen in Naumburg ...  

 

 

In der Stadt regiert die streng nationale Familie. Früher als an anderen Orten in Mitteldeutschland, erstarkt in Naumburg die nationalsozialistische Bewegung. Nicht minder kräftig schlägt der Stahlhelm und die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in die nationalistische Kerbe. Nationalismus und Antisemitismus, beobachtete Carl von Ossietzky (1932), sind wesensverwandt. Und trotzdem begegnet man noch heute oft der Ansicht, dass die Deutschnationalen mit der Judenfeindlichkeit nichts oder nicht viel zu tun hatten. Das ist ein Irrtum. Der Fehler besteht darin, wenn man das einmal salopp ausdrücken darf, dass hier vom Deutschnationalen ein operettenhaftes Bild gezeichnet wird. Also etwa im Sinne des soliden, klassischen, eben gebildeten Konservativen, der zwar darauf besteht Die beste Staatsform ist für das deutsche Volk die konstitutionelle Erbmonarchie, wie es im Wahlaufruf der DNVP 1924 heisst, aber doch niemals Juden in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert.

Seit dem Tivoli-Programm, genannt nach dem Tagungsort der Deutschkonservativen Partei in einer Berliner Brauerei im Jahr 1892, gehört der Kampf gegen den "zersetzenden jüdischen Einfluss" zum Grundkonsens konservativen Parteien-Denkens. Nun tragen ihn viele von der Ortsgruppe-Deutschnationale Partei (DNVP) unter Führung ihrer Vorsitzenden Oberlandesgerichtsrat Dr. Fritze, Georg Wilhelm Schiele, Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Kosack und Apotheker Doktor Wolfgang Schöbel über die Zeit von 1918 bis 1933 weiter.

 

Arthur Hoffmann-Kutschke tritt 1924 in Leipzig als Reichstagskandidat für die Deutsch-Völkische Freiheitspartei auf. Zuvor machte er sich mit den Hetzschriften wie
Deutschland den
Deutschen
(Halle an der Saale, 1920) oder Der Dolchstoss durch das Judentum (Halle an der Saale, 1922) einen Namen.

 

Bisher kannte man in Deutschland den Salon-Antisemitismus, den Antisemitismus der Berufsverbote und eingeschränkten Bürgerrechte bis hin zur Ausweisung. Hier ordnen sich die nach dem Ersten Weltkrieg in der Stadt stattfindenden Vorträge über die Rolle der Herrenrasse und Untermenschen, über die arische Rasse und den Juden als großen Volksverderber ein. Arthur Hoffmann-Kutschke referiert am 5. September 1919 um 8.15 Uhr abends im Kuchenhaus über Rassenfragen und Deutschtum.

Einen gewaltigen Schub erhält der Antisemitismus durch die Ostjuden-Kampagne. Sie war gegen die aus Polen und Galizien einwandernden Juden gerichtet. Die Freiheit (Berlin) beziffert die seit 1914 eingewanderden Ostjuden auf höchstens 60 bis 70 000. Der grösste Zahl von ihnen kam nicht freiwillig, sondern war von den kaiserlichen Behörden aus den östlichen Ländern zwangsweise zur Arbeit in die deutsche Kriegsindustrie verschleppt worden. Eine weitere Fluchtwelle setze ein als die Polen 1918 ihre Unabhängigkeit erlangten, worauf eine lange Kette von Judenpogrome folgte. Während des Krieges war von den deutschen Behörden der schon länger bestehende Gegensatz von Juden und Polen liebevoll gefördert (Freiheit) worden. In Lodz, kam am 2. August 1920 in der Reichstagsdebatte zur Ostjudenresolution zur Sprache, zerstörten die Deutschen viele Betriebe, weshalb die Menschen dort keine Arbeit fanden. (Bernd 2004, 260ff.)

Unter dem Einfluss der Ost-Judenkampagne verändert der Antisemitismus seinen Charakter. Er wird manifest und aggressiver. Besonders aktiv sind, hebt Hans Dieter Bernd 2004 hervor, die völkischen und antisemitischen Christsozialen. Für sie sind die nach dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland weiter einwandernden Ostjuden ein Mittel, um die Regierung zu destabilisieren. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und ihr Reichstagsabgeordneter Reinhard Mumm heizen mit der Ostjuden-Propaganda die soziale Stimmung weiter auf. Sie stellen die Einwanderung in den Kontext der real vorhandenen und wachsenden Wohnungsnot und Lebensmittelverknappung. Nicht ohne Erfolg setzen DNVP-Agitatoren die Ostjuden mit den Schiebern gleich, um im nächsten Schritt, die Regierung für deren Machenschaften verantwortlich zu machen. Es gelang der antisemitischen Propaganda, die kulturfremden Elemente aus Galizien und Polen als Gegenbild zum sauberen, ordentlichen Deutschen aufzubauen. Damit einher ging in weiten Kreisen der Bevölkerung eine starke Emotionalisierung und Verstärkung von Abneigung und Hass gegen die Juden. (Vgl. Bernd 179 ff.).

 

Aus dem
Wahlaufruf der Deutschnationalen Volkspartei

Wie wir für das ganze Reich deutschen völkischen Geist und Bekämpfung der jüdischen Vorherrschaft verlangen, so fordern wir besonders für Preußen, daß der Zustrom der Ostjuden endgültig abgedämmt wird.

Deutschland den Deutschen!

Aus: Naumburger Tageblatt, 25. November 1924

"Wir wenden uns nachdrücklich gegen die seit der Revolution immer verhängnisvoller hervortretende Vorherrschaft des Judentums in Regierung und Öffentlichkeit", verkündet die Deutschnationale Volkspartei in ihren Grundsätzen von 1920. In der grossen Programmrede vom Absolventen des Naumburger Domgymnasiums Oskar Hergt (1869-1967) am 26. Oktober 1922 auf dem Görlitzer Parteitag der DNVP stand die "antisemitische Grundeinstellung" (Liebe 1956, 69) der DNVP ausser Frage. Und in der Heimatstadt ihres Vorsitzenden war sie eine einflussreiche und mächtige Partei. Orchestriert von Stahlhelm und anderen Vaterländischen Gruppen, dominiert sie das geistig-politische Leben der Stadt. Die Deutschnationale Volkspartei in Naumburg verlangt am 25. November 1924 im Aufruf die "Bekämpfung der jüdischen Vorherrschaft" und "den Zustrom der Ostjuden endgültig" abzudämmen.

"Die Deutsch-Nationalen tolerierten weitgehend das harsche Vorgehen der Nationalsozialisten", analysiert Karim Saab die Lage, "waren aber selbst viel zu bequem, zu anständig und selbstgefällig, um Mitmenschen von sich aus aktiv Leid zuzufügen. Ihre sehr beschränkte Auffassung von Tradition, Moral und Ordnung, ihr nicht reflektiertes Pflichtgefühl gegenüber jedem beliebigen Obrigkeitsstaat waren so etwas wie ein geistiges Hinterland für den Faschismus."

Im deutschnationalen Spektrum existiert eine breite politisch militante und aggressive Strömung, die den Übergang zum Nationalsozialismus findet. Diesen Weg schlägt DNVP-Funktionär Georg Schiele (Naumburg) mit der Wettiner Rede ein. Ihm folgen aber keineswegs alle, was immer wieder betont sei.

DNVP-Mitglied Richard Licht (1878-1945), Richter am Oberlandesgericht Naumburg und von 1932 bis 1945 Senatspräsident, lehnte den Beitritt zur NSDAP entschieden ab.

Richard Hertel, Bankdirektor in Ruhe, geboren 1868, protestiert am 12. November 1938 mit einer anonymen Mitteilung beim Oberbürgermeister der Stadt gegen die Behandlung des Juden Josef Gross in der Salzstrasse 40. Die SA hatte ihm drei Tage zuvor zusammen mit Schülern der Napola das Geschäft zertrümmert und schlimm zugerichtet. Beim einstigen Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei regt sich Anstand. Er hat Mitleid mit dem Juden, was in diesen Tagen nicht selbstverständlich ist.

Mit Kampfparolen wie Deutschland den Deutschen! aus dem Wahlaufruf der DNVP von 1924, befindet sich die Partei bereits auf dem Weg zur Judenverfolgung. In ihrem Wahlaufruf vom 25. November 1925 fordert sie die Bekämpfung der jüdischen Vorherrschaft.

"Die Ausgrenzung der Juden und die Stimmungsmacherei gegen sie [in Naumburg] verhalf vielen gesichtslosen Bürgern zu einer Art Identität", beschreibt Karim Saab 1983 die Funktion des Antisemitismus treffend.

Im Wahljahr 1932 nähern sich Deutschnationale und Nationalsozialisten weiter an.

Auch die Deutsche Volkspartei (DVP) will dem Antisemitismus nicht abschwören. Zwar treibt sie "keinen Antisemitismus wie ein Teil der Deutschnationalen, wenigstens kein Rassenantisemitismus," erklärt Carl Cremer (1876-1953) den Naumburger Parteifreunden in Anwesenheit ihres langjährigen Ortsgruppen-Vorsitzenden Landgerichtsrat Lohmeyer auf ihrer ersten öffentlichen Versammlung am 8. Dezember 1919 in Saal des Ratskellers. Doch behält er sich das Recht, und das wiegt schwer, für einen "Kulturantisemitismus vor, wenn der jüdische Einfluss zersetzend auf unser Geistesleben wirkt".

Ebenso tragen der Wehrwolf und Stahlhelm zum alltäglichen Antisemitismus bei. Sie generieren und transportieren das militant deutschnationale Bewusstsein zum Bürger. Zum Wehrwolf-Treffen im Juni 1930 hetzen die judenfeindlichen Parolen nur so durch die Straßen und Gassen.

Am 1. März 1928 findet im Dorfgasthaus von Flemmingen bei Naumburg eine Volksversammlung statt. Hierzu lädt die Ortsgruppe des Wehrwolfs ein.

Als Referent ist Karl Iskraut (1854-1942) angekündigt. Der evangelische Pfarrer ist kein unbeschriebenes Blatt. Bereits als Mitglied der zwölf Mann starken Fraktion Deutschsozialen Reformpartei (DSRP) im Deutschen Reichstag, 9. Legislaturperiode, 3. Sezession (1894/95), glänzt er mit Hasstiraden auf die Juden. Die gesamte Tätigkeit der DSRP markiert einen ersten Höhepunkt des politischen Antisemitismus in Deutschland. Weitere Lebensstationen von Karl Iskraut sind: Kemnitz (Brandenburg), 1890 Bielefeld und 1892 - wo er bis 1898 wohnt - Gohfeld bei Löhne. Über Berlin kommt er schließlich 1900 nach Krössuln bei Teuchern (heute Sachsen-Anhalt), um dann weiter nach Naumburg zu ziehen. 1924 geht er in den Ruhestand. Im Alter von 87 Jahren stirbt er 1942 in Naumburg.  nach oben

Der Pfarrer im Ruhestand enttäuscht die Organisatoren im Dorfgasthof von Flemmingen nicht. Nach Kräften beschimpft er die republikanische Staatsform, wettert über die Judenregierung und bezeichnet Reichsaußenminister Gustav Stresemann als Judenknecht und Judenhäuptling.

Anwesende Mitglieder der Arbeiterparteien, darunter der allseits bekannte Adolf Schuster (siehe 1 2) aus Almrich, Flemminger Straße 6, erheben Einwände, stellen Rückfragen, machen dagegen Stimmung. Es überschreitet aber nicht den Rahmen kritischer Meinungs- bis Unmutsäußerung. Freilich ist die Versammlung schwierig zu beherrschen. Und sie hat ein Nachspiel. Das Schöffengericht Naumburg verurteilt Karl Iskraut am 3. Oktober 1929 wegen Verstoß gegen das Republikschutzgesetz vom 21. Juli 1927 zu einer Geldstraße von 300 Reichsmark. "Der Angeklagte gibt selbst an, er halte die Juden für eine andere, der deutschen völlig wesensfremde und ihr gegenüber sittlich minderwertigen Menschenart."  nach oben

Am 26. April 1930 tönt es auf der NSDAP-Mitgliederversammlung im großen Ratskellersaal (Naumburg):

"Alljuda, der Todfeind des deutschen Volkes" - Juden "als ewige soziale und kulturelle Parasiten" - Juden als "ewige Gift- und Satanspilze".

Kein Intellektueller, Lehrer, Pfarrer oder Journalist wandte sich in Naumburg im öffentlichen Raum gegen solche bösartigen Äußerungen. Auch das Naumburger Tageblatt distanziert sich von derartigen geistigen Ausschreitungen nicht. Wie sollte es auch, schwamm es doch im Strom der deutschnationalen Propaganda mit.

Seit Ostern 1930 rekrutiert der Nationalsozialistische Schülerbund (NSS) am Domgymnasium Mitglieder. Studiendirektor Professor Bruno Kaiser verbietet in Absprache mit dem Lehrerkollegium derartige Aktivitäten. Jedoch muss Wilhelm Schwencke von der Ortsgruppe des Reichsbanners im Brief vom 24. April 1930 an Studiendirektor Kayser feststellen, daß ein großer Teil der Schüler des Domgymnasiums sich nicht um dieses Verbot schert.

Friedrich Uebelhoer (NSDAP) organisiert unter der Losung "Kulturkampf in Naumburg" eine Kampagne gegen die Maßnahmen von Professor Bruno Kaiser.

"Die Schule ist
vollkommen nationalsozialistisch verseucht,"

konstatiert die Schulprovinzialverwaltung Magdeburg am 7. November 1930. Aus dieser Zeit stammt der vom NSS am Domgymnasium verteilte und hier abgebildete etwa 7 mal 13 Zentimeter große Handzettel, der nur weiteres Beispiel für die sublime, bösartige und demagogische Hetze gegen die Juden in Naumburg ist.

Hepp, hepp, Jude und mit Knoblochschwein beschimpfen SA-Leute Doktor Artur Schweriner (SPD) am 11. Mai 1931 in Naumburg vor dem Präsidentenhaus (Kramerplatz) ....

Rassismus und Judenfeindlichkeit waren lange vor 1933 ein prägendes Moment der Alltagskultur, was nach dem Machtwechsel die komplikationslose Installation in die verschiedensten Institutionen, Schulen, Krankenhäuser, Gerichte, erleichterte. Die Schuljugend wird dann, worauf die Lehrpläne in den Unterrichtsfächern Geschichte, Biologie und Deutsch-Literatur ausgerichtet sind, nach den neusten Erkenntnissen der Rassenbiologie und Vererbungslehre erzogen.

Auf Kundgebungen hetzt man gegen die Juden und boykottiert 1933 ihre Geschäfte. Sie verlieren ihre Arbeit und berufliche Position, werden beleidigt, schikaniert, verfolgt und umgebracht. Gegen Professor Walter Kranz, Rektor von Schulpforta, organisiert die NSDAP-Naumburg eine gemeine Kampagne.

Über die Frage des Ausschlusses jüdischer Mitglieder kommt es am 31. Mai 1933 auf dem Kongress des Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) in Naumburg zu Auseinandersetzungen.

 

"Ich besuchte", schreibt Winfried Gisske, "in Weißenfels die Volksschule bis 1942 und da meine Leistungen gut waren, wechselte ich ab Herbst dieses Jahres in die Oberschule, die ich aber nach 6 Wochen wieder verlassen musste, "denn ein Halbjude brauche keine Oberschulbildung und kein Abitur", so lautete die Begründung. Ich ging nun weiter in die Volksschule bis zum November 1944." (Gisske)

 

Der Jude ist eine andere Rasse. Dessen muss man sich immer bewusst sein, hetzt Martin Schmidt am 14. Oktober 1935 in der NS-HAGO Versammlung in Naumburg. Und doch muss einigen Volksgenossen diese zentrale politische Distinktion der NSDAP, der Antisemitismus der Verfolgung, nicht eingängig gewesen sein. Warum sonst fügt der Kreisgeschäftsführer der NSDAP-Kreisleitung folgende zwei Sätze hinzu:

"Für Parteigenossen gibt es darin gar keine Bedenken.

Für viele Volksgenossen aber ist hier der Feind noch immer nicht ersichtlich."

Es bereitet offenbar einige Mühe, die Rassenideologie und -pflege in der Stadtkultur zu etablieren und zur allgemeinen Akzeptanz zu verhelfen. Dieser Aufgabe widmet sich das Rassenpolitische Amt der NSDAP-Kreisleitung, der NS-Juristenbund (Doktor Werner Rieling), der NS-Lehrerbund (Walter Schieke) und die NS-Kulturgemeinde. Dabei tun sich besonders Direktor Doktor Heinrich Lemcke von der Städtischen Oberschule für Jungen, Lehrer Wilhelm Zils, Napola- Geographielehrer Hans Wildgrube und Studiendirektor Professor Doktor Steche vom Domgymnasium hervor.

Erich Dietze, Rechtsanwalt am Oberlandesgericht und Präsident der Naumburger Rechtsanwaltskammer, betreibt die Berufsverbotspraxis gegen die jüdischen Rechtsanwälte.

Der Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes mit Martin Schmidt, Sattlermeister Schröter und Eisenhändler Forwergk bereitet mit der NSDAP-Kreisleitung Naumburg das Handelsboykott gegen die Juden vor. Sie missachten elementare moralische Grundsätze des wirtschaftlichen Wettbewerbs.

Der ehemalige Naumburger NSDAP-Kreisleiter Friedrich Uebelhoer gibt 1941 in der Litzmannstädter Zeitung mit der kostengünstig arbeitenden Juden-Vernichtungsmaschine an.

Persönliche politische und organisatorische Verantwortung für die Judenverfolgung in Naumburg tragen die Oberbürgermeister (Uebelhoer, Radwitz), Bürgermeister (Roloff, Schröder), Richter vom Amts-, Land- und Oberlandesgericht sowie Doktor Werner Rieling (Hochstrasse 9) vom Bund der Nationalsozialistischen Juristen bzw. des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes Halle-Merseburg.

Die Stadtverwaltung Naumburg nebst Ortspolizeibehörde (Handelseinschränkungen, Diskriminierung, Judenstern, Wahlverbot, Arisierung), das Amtsgericht (politische Berufsverbote gegen Juden, Familienrecht) und das Oberlandesgericht (Entjudung der Naumburger Rechtsanwälte und Notare) organisieren die Banalität des Bösen (Hannah Arendt).

Ohne die falsche Toleranz der Bürger gegenüber der verrohenden Gesellschaftsmoral, ohne die Gleichgültigkeit gegenüber leicht erkennbarem Unrecht und ohne den weit verbreiteten Wohlstandschauvinismus - Egal wie die anderen leben. Hauptsache, mir geht es gut! - wäre dies nicht möglich gewesen.

 

 

Eine kleine Minderheit wird dezimiert und vernichtet  nach oben

1939 leben in Naumburg 36 940 Bürger. 91,4 Prozent sind davon evangelisch, 4,1 Prozent katholisch, 3,4 Prozent gottgläubig und 0,6 Prozent glaubenslos.

1933 sind in der Stadt etwa dreißig jüdische Familien ansässig.

1938 lebten noch folgende Juden in Naumburg:

Gross Josef, Kaufmann,
geboren 31. Dezember 1889, Große Salzstraße 40,

Gutkindt Gustav, Kaufmann,
geboren 5. Januar 1860, Roßbacher Straße 50,

Gutkindt Jenny, Ehefrau,
geboren 11. Oktober 1867, Roßbacher Straße 50,

Gutkindt Annemarie,
Tochter, geboren 3. Oktober 1906, Roßbacher Straße 50,

Landsberg Adolf,
Justizrat, geboren 5. Februar 1861, Kösener Straße 27,

Landsberg Elly Ehefrau,
geboren 14. August 1873, Kösener Straße 27. (Nach Liste)

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Nach der Volkszählung von 1939 leben in Naumburg noch neun jüdische Personen, davon vier männliche.


Radikalisierung der Mitte: “Kauft nicht bei Juden!”  nach oben

1933 sieht die radikale Mitte den Zeitpunkt gekommen, die unliebsame Konkurrenz auszuschalten. Am 1. April beginnt die Boykottaktion gegen die jüdischen Geschäfte. An diesem Tag findet gegen 8 Uhr abends auf dem Markt eine Kundgebung gegen das Judentum statt.

Martin Schmidt
(Bildinhalt verändert; Person rechts wurde entfernt.)

Der Kreiskampfbundleiter des gewerblichen Mittelstandes Martin Schmidt ruft den Teilnehmern zu:

Der Jude hat die Arbeitslosigkeit gebracht. Der Jude muss jetzt da getroffen werden, wo er am empfindlichsten ist: am Geldbeutel. Sie sollen ihre Verbindungen mit dem Ausland ausnutzen und dorthin mitteilen, dass man in Deutschland keinen Juden schlägt.

Danach ergreift Friedrich Uebelhoer das Wort. Der Jude, sagt er, hat der deutschen Wirtschaft das Unglück gebracht und den deutschen Bauern ausgesogen, durch die Literatur und Presse hat er die deutsche Seele vergiftet, und das, was wir 1918 erlebten, ist das Ergebnis dieser jüdischen Zersetzungsarbeit gewesen. Nach 1918 hatten die Juden alle maßgebenden Stellen besetzt. Der Jude will noch weitere Millionen Arbeitslose schaffen. Der Juden-Boykott wird fortgesetzt, wenn die Hetze im Ausland gegen die Deutschen weitergeht. Nun erhält das Judentum seine Galgenfrist. Sieg Heil. - Die Menge singt das Horst-Wessel-Lied.

Was für ein historischer Rückschlag für das sittliche Verhalten! 1664 ordiniert die Schulordnung der Domschule Naumburg: Blasphemi ne sunto, nullius caput, diris devovento, de nemine male & intemere loquuntor. (Sie sollen nicht lästern, sollen niemanden verfluchen, über niemanden schlecht und verletzend reden.)

 

"Anders war es bei Frau Gräfe, von Beruf Schneiderin, die ebenfalls zu ihrer verfemten Arbeitgeberfamilie hielt. Der Medizinalrat und Kreisarzt Herr Dr. Arno Kirsche, der seine Praxis im "Schlösschen", Markt 6, hatte, fiel in Ungnade, da er mit einer Jüdin verheiratet war. Frau Gräfe war Augenzeuge, als eines Tages ein Mann mit vielen Abzeichen und Orden am Jackett vor der Tür stand. Er stellte sich als der neue Obermedizinalrat aus Berlin vor und kam, um Herrn Dr. Kirsche die Entlassung auszusprechen. Jahre später - die Familie Kirsche war längst in Hannover untergetaucht - richtet sich der Zorn der Naumburger Behörden gegen Frau Gräfe. Sie wurde sieben Wochen in Untersuchungshaft gehalten und tagtäglich über ihre Arbeit bei den Juden befragt.

Am Entlassungstage zahlte man ihr für die Woche einen Groschen, insgesamt 70 Pfennige." (Saab)

Das Naumburger Tageblatt veröffentlicht am 3. April 1933 eine Liste mit zwanzig jüdischen Geschäften und Rechtsanwälten mit dem Aufruf, diese zu boykottieren. Wahlweise nenne ich: das Haus der Damenhüte, Inhaber William Wolff, Lindenring 14, die Darmgroßhandlung & Fleischereiartikel von Friedmann, Am Georgentor 16, Viehhändler Gebrüder Mannheim, Roßbacher Straße 4, die Rechtsanwälte Adolf Landsberg (Kösener Straße 27) und Dr. Otto Hollaender (Spechsart 5).

Dann erscheint im Naumburger Tageblatt eine Berichtigung zu Firmen, die fälschlicherweise als Judenfirmen oder Judengeschäfte gebrandmarkt wurden.

"Viele alte Kämpfer hätten damals gerne gesehen," trägt am 10. Juli 1935 im Ratskeller (Naumburg) Parteigenosse Schneider vom Rassenpolitischen Amt der NSDAP, Gau Halle-Merseburg, vor, "wenn viele Massnahmen nicht nur einen Tag, sondern 14 Tage oder 3 Wochen angedauert hätte. Dann wären die Juden restlos ruiniert gewesen. Da die Juden so eng mit der deutschen Wirtschaft verflochten waren, hätten wir uns selbst geschadet. Die Zahl der Erwerbslosen wäre angestiegen." (Schneider)

Im öffentlichen Bewusstsein konzentriert sich das Gedenken an die Judenverfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus auf die "Kristallnacht" (1938). Dies ist problematisch, weil es die Tatsache verdeckt, dass die Juden bereits kurz nach der nationalen Erhebung (Hitler) verfolgt und als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt werden.

„Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein,“

repetiert Alfred Rosenberg die Grundsätze des Nationalsozialismus.

Im März 1933 konstituiert sich unter Leitung von NSDAP-Kreisleiter Friedrich Uebelhoer das Aktionskomitee zur Abwehr der jüdischen Gräuel und Boykotthetze. Dieses erhält Unterstützung vom Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand, der sich erst im Februar 1932 unter Führung des Nähmaschinen- und Fahrradhändlers Martin Schmidt (Lindenring 13) und Sattlermeister C. Schröter (Herrenstraße 6) zusammenfindet.

 

"Die jüdischen Geschäfte waren bekannt für ihre preiswerten Angebote. Herr Weiseck, ein alter Naumburger, schwärmt heute noch von seinem unerhört günstigen Einkauf: Ein Beil und ein Schlitten für je 1,95 M." (Saab)

 

Der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung am 12. März 1933 stellt man sich dann unter der Bezeichnung Geeinter Mittelstand, Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes, Haus- und Grundbesitzer, Beamte. Geschickt wird an die traditionell im gewerblichen Mittelstand vorhandenen Ressentiments gegenüber den Warenhäusern, Filialgeschäften und Konsumgenossenschaften angeknüpft. Und die Nationalsozialisten schüren sie noch, wie das Programm der NSDAP-Ortsgruppe Naumburg von 1929 und der Nazi-Sturm auf den Konsum im Spechsart 1932 zeigen.

Ein bitteres Kapitel der Naumburger Stadtgeschichte beginnt im Frühjahr 1933. Der Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand organisiert Boykottmaßnahmen gegen die jüdischen Geschäfte und greift massiv in die Auftragsvergabe der Stadtverwaltung an Geschäfte sowie Firmen ein.


 

[Abschrift]

Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes.
Arbeitsgemeinschaft deutscher Geschäftsleute
Ortsgruppe Naumburg (Saale)
                                                den 13. April 1933

Geschäftsstelle
Fernruf 639
C. Schröter
Herrenstraße 6


An den Magistrat
z. Hd. von Herrn Bürgermeister Roloff
Naumburg / Saale

Es ist uns bekannt …..

Die Reichsregierung hat die Strafvollzugsämter angewiesen, sich bei der Vergebung von Aufträgen der Organisation des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes zu bedienen. Wir richten an die Magistrat die Bitte, sich bei der Auftragserteilung von Wäsche, gummi- und fotografischen Artikeln etc. für das städtische Krankenhaus, von Uniformen für die Strassenbahnangestellten, von Lebensmitteln usw. usw. [!] sich das gleiche Verfahren zu eigen zu machen. Der Kampfbund ist gern bereit, von seinen Mitgliedern Offerten einzuholen und für gleichmässige Verteilung und einwandfreie Ausführung der Aufträge Sorge zu tragen.

In diesem Zusammenhang sprechen wir ferner den dringenden Wunsch aus, dass vom Wohlfahrtsamt keine Lieferscheine mehr für die hiesigen jüdischen Geschäfte und bekannte Schleuderkonkurrenz ausgefertigt werden.

……

Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes.
gez. Schröter
Kampfbundführer.


Vfg. [Verfügung]
1. Den Herren Dezernenten und Dienststellenvorstehern ist vorstehendes Schreiben zur Kenntnis und Beachtung mitzuteilen.
….

Naumburg/S., den 19. April 1933
Der Oberbürgermeister
J. V.: Roloff

(KdgM 1)

 

 

 

 

[Abschrift]

Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes.
Arbeitsgemeinschaft deutscher Geschäftsleute
Ortsgruppe Naumburg (Saale)
                                              den 13. April 1933

Geschäftsstelle
Fernruf 639
C. Schröter
Herrenstraße 6


an den Magistrat
z. Hd. von Herrn Bürgermeister Roloff
Naumburg / Saale

Wir haben einwandfrei festgestellt, dass eine grosse Zahl städtischer Beamter, Angestellter und Arbeiter, bzw. deren Frauen ihren Bedarf nach wie vor noch in den hiesigen jüdischen Geschäften, den Grossfilialen und dem Konsumverein decken und auch sogar von auswärts Waren beziehen.

Gegen ein solches Verfahren müssen wir mit aller Entschiedenheit Einspruch erheben, da es dem Bestreben der nationalen Regierung, den schwer um seine Existenz kämpfenden gewerblichen Mittelstand zu stützen, direkt zuwiderläuft. Ausserdem muss die Handlungsweise der infrage kommenden städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter um so schärfer verurteilt werden, als diese von den Steuern der Naumburger Bevölkerung besoldet werden, woraus für sie die moralische Verpflichtung erwächst, diese Gelder auch wieder dem hiesigen gewerblichen Mittelstand zuzuführen.

Wir richten deshalb an den Magistrat das dringende Ersuchen, die in städtischen Diensten stehenden Beamten, Angestellten und Arbeiter durch Runderlass zu veranlassen, alle Einkäufe zukünftig nur noch in den "Deutschen Geschäften", das sind die im Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes angeschlossenen Geschäfte, zu tätigen."

Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes
Schröter
Kampfbundführer.

Vfg. [Verfügung]
1. Den Herren Dienststellenvorstehern ist dieses Schreiben zwecks Bekanntgabe an die Beamten, Angestellten und Arbeiter ihrer Dienststelle mitzuteilen.
….
Naumburg/S., den 19. April 1933
Der Oberbürgermeister
J.V.: Roloff

(KdgM 2)

 

 

Außerdem nimmt er aktiven Einfluss auf das Konsumverhalten der Bürger, um die jüdischen Geschäfte "auszuschalten". Judenhetze wird zu einem Moment des wirtschaftlichen Wettbewerbs! Judenhetze lohnt sich wirtschaftlich. Wer wird da nicht an die Worte von Carl von Ossietzky (1932, 292) erinnert, dass der Antisemitismus "von je Sache des Mittelstandes und des kleinen Bauerntums; heute wo sich diese Schichten in ihrer größten Krise befinden ....".

 

 

Drohung - Behinderung - Schikane nach oben

Vom 21. bis 24. April 1933 findet in Naumburg wieder der Topfmarkt statt. "Am 21. April 1933 vormittags 10 Uhr rief der Kreisleiter der NSDAP fernmündlich an", schreibt Karl Roloff, "und machte darauf aufmerksam, daß trotz Warnung des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes jüdische Händler zum Markt erschienen seien. Der Kreisleiter wies darauf hin, daß die Erregung der Geschäftswelt, insbesondere der im Kampfbund zusammengeschlossenen Geschäftsleute, über diese Tatsache außerordentlich groß sei und erklärte, daß, falls die Juden nicht verschwänden, für ihre eigene Sicherheit nicht garantiert werden könne. Er riet im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung an, die jüdischen Händler in Schutzhaft zu nehmen. Ich habe daraufhin den jüdischen Händlern eröffnen lassen, daß, die Erregung der Bevölkerung über ihr Erscheinen außerordentlich stark sei und daß mit Gewaltmaßnahmen gegen ihre Person gerechnet werden müsse; im Interesse ihrer eigenen Sicherheit und im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung müßte, falls sie nach 12 Uhr noch auf dem Markt angetroffen würden, in ihrem eigenen Interesse die Schutzhaft über sie verhängt werden. Daraufhin haben die jüdischen Händler den Markt verlassen." (Roloff 29.8.1933)

 

"In Karsdorf lebte ein Pfarrer Mendelsohn mit einer arischen Frau und zwei Kindern …. 1936 machte der Karsdorfer Pfarrer aus Verzweiflung Selbstmord. Die Witwe zog mit den Kindern nach Naumburg. Wer jüdische Verwandte dritten Grades hatte, galt dem Nürnberger Gesetz nach schon als "deutschblütig". Daher konnte die Familie ihren alten jüdischen Namen gegen einen deutschen eintauschen. Allerdings wurde die eine Tochter von der NS Wohlfahrt gefeuert, wo sie als Kindergärtnerin angestellt war." (Saab)

 

Also, auf der einen Seite eine kleine Gruppe von Menschen, denen man bereits in den zwanziger Jahren durch schlimme Hetze von Stahlhelm, Wehrwolf, den Nationalsozialisten und Deutschnationalen jede öffentliche Reputation nahm. Und auf der anderen Seite die Stadtadministration und die Nationalsozialisten mit der entsprechenden Macht und dem Führerauftrag zur rücksichtslosen Bekämpfung der Juden. Mit der zynischen Androhung von Schutzhaft und im Wissen der eigenen Überlegenheit geht der Bürgermeister Karl Roloff gegen die Juden vor. Für den Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes eine willkommene Gelegenheit der Marktsegmentierung und Begradigung des wirtschaftlichen Wettbewerbs, also der Ausschaltung der Konkurrenz.

Das also war der Kampf gegen die Juden, den man so lange vorbereitet und angekündigt hatte: feige, gemein und unmenschlich! Und doch passierte nur, was die Naumburger wussten und viele von ihnen wollten oder gleichgültig hinnahmen. Angesichts dessen kann keine Rede von einem Kampf gegen die Juden sein. Eine solche Formulierung wäre den Ereignissen völlig unangemessen. Es war eine grausame Vernichtungspolitik gegen Menschen - geleitet vom Führer, von den zuständigen Stellen des Reiches sowie der NSDAP-Kreisleitung und der Stadt Naumburg.

 

 

Judenstern und Wahlverbot für Juden  nach oben

 

Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden
vom 1. September 1941

Auf Grund der Verordnung über die Polizeiverordnungen der Reichsminister vom 14. November 1938 (RGBl. I. S. 1582) und der Verordnung über das Rechtsetzungsrecht im Protektorat Böhmen und Mähren vom 7. Juni 1939 (RGBl. I. S. 1039) wird im Einvernehmen mit dem Reichsprotektor in Böhmen und Mähren verordnet:

§ 1. (1) Juden (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 - RGBl. I. S. 1333), die das sechste Lebensjahr vollendet haben, ist es verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne einen Judenstern zu zeigen.

(2) Der Judenstern besteht aus einem handtellergroßen, schwarz ausgezogenen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der schwarzen Aufschrift "Jude". Er ist sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht zu tragen.

§ 2. Juden ist er verboten,
a) den Bereich ihrer Wohngemeinde zu verlassen, ohne eine schriftliche Erlaubnis der Ortspolizeibehörde bei sich zu führen;
b) Orden, Ehrenzeichen und sonstige Abzeichen zu tragen.

§ 3. Die §§ 1 und 2 finden keine Anwendung
a) auf den in einer Mischehe lebenden jüdischen Ehegatten, sofern Abkömmlinge aus der Ehe vorhanden sind und diese nicht als Juden gelten, und zwar auch dann, wenn die Ehe nicht mehr besteht oder der einzige Sohn im gegenwärtigen Kriege gefallen ist;
b) auf die jüdische Ehefrau bei kinderloser Mischehe während der Dauer der Ehe.

§ 4. (1) Wer dem Verbot der §§ 1 und 2 vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder mit Haft bis zu sechs Wochen bestraft.

(2) Weitergehende polizeiliche Sicherungsmaßnahmen sowie Strafvorschriften, nach denen eine höhere Strafe verwirkt ist, bleiben unberührt.

§ 5. Die Polizeiverordnung gilt auch im Protektorat Böhmen und Mähren mit der Maßgabe, daß der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren die Vorschrift des § 2 Buchst. a den örtlichen Verhältnissen im Protektorat Böhmen und Mähren anpassen kann.

§ 6. Die Polizeiverordnung tritt 14 Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

in Kraft getreten am 19. September 1941.

Berlin, den 1. September 1941.

Der Reichsminister des Innern
Im Auftrag
Heydrich

 

Mit großem Agitprop-Aufwand werden die Naumburger 1936 aufgefordert, am 29. März der "Einheitsliste" der NSDAP bei den bevorstehenden Reichstagswahlen ihre Stimmen zu geben. Denn "die Wahl am 29. März werde über die Zukunft Deutschlands entscheiden", sagte Baldur von Schirach in seiner Ansprache am 17. März 1936 vor der Reichskrone. Das Ergebnis ist 99-prozentig. In Vorbereitung dieser Scheinwahl wendet sich der Naumburger Bürger Max Lorenz (Kroppentalstraße 26) an den Wahlleiter Friedrich Uebelhoer. Der wachsame Bürger weiß etwas über Frau Fuji Opry (Kroppentalstraße 4), Hildegard Opry und Josefine Thiele, geborene Opry (beide Nordstraße 2), zu melden:

"Frau Opry ist der Rasse nach ´Japaner`, also ´farbigen Blutes`, und die anderen beiden Personen sind ´Mischlinge´". "Die Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes sind die alleinigen Träger der vollen politischen Rechte und Pflichten der Nation."

Roloff antwortet im Auftrag des Oberbürgermeisters der Stadt Naumburg am 4. April 1936, dass gegen die Teilnahme der betreffenden Bürger an den Wahlen keine Bedenken bestehen. Vom Wahlgesetz, so der Bürgermeister, seien

"lediglich Juden und unter bestimmten Voraussetzungen auch jüdische Mischlinge betroffen."

Dies verlangte die Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, wo es heisst:

"§ 4. (1) Ein Jude kann nicht Reichsbürger sein. Im steht ein Stimmrecht in politischen Angelegenheiten nicht zu; er kann ein öffentliches Amt nicht bekleiden."

Rechtsanwalt Werner Rieling, der Schriftführer des Vorstandes der Anwaltskammer beim Oberlandesgericht Naumburg (1934), hält am 1. Februar 1935 vor der Ortsgruppe Naumburg des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen einen Vortrag über die Lösung der Judenfrage durch die NSDAP. "Er betonte hierbei, dass der Jude fortan im deutschen Vaterland als Fremder zu gelten habe, der jederzeit ausgewiesen werden könne kann."

Der Stürmer, das Deutsche Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit, herausgegeben von Julius Streicher, für den 1935 fünf Schaukästen in der Stadt aufgestellt werden, teilt auf jedem Schreiben, so auch an die Stadtverwaltung Naumburg vom 4. Mai 1936, sein Credo mit:

"Ohne Lösung der Judenfrage
keine Erlösung des deutschen Volkes!"

Allein die Einführung des Ahnen-Passes zum Nachweis der arischen Abstammung im Dezember 1935 entfaltete ein ungeheuerliches Diskriminierungspotenzial.

 

"Ich bin gern bereit, zu glauben", schreibt Karim Saab (1983) in seiner kleinen, aber unglaublich engagierten Studie zu den Naumburger Juden, "dass die Vertreibung der jüdischen Mitbürger den meisten Naumburgern kein Bedürfnis war. Allerdings hat sich auch kaum ein Naumburger Einwohner aus seinem deutschnationalen Trott bringen lassen, als den Juden der Garaus gemacht wurde. Warum auch? Es hatte seine Ordnung, es war gesetzlich geregelt und die Kirche …? Ich weiß nicht, was die Pfarrer gedacht, getan und gepredigt haben. Ich wünschte mir, die Wenzelskirche wäre den Juden ein Zufluchtsort geworden."

 

Das Winterhilfswerk (WHW) betreut in Naumburg seit 1937 keine Juden mehr. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges durften sich die Juden im Reichsgebiet sich nicht mehr frei bewegen. Ihre Arbeitsverhältnisse galten ab 1941 als Beschäftigungsverhältnisse besonderer Art (Verordnung vom 31. Oktober 1941). Ihnen war es verboten öffentliche Fernsprechzellen und öffentliche Verkehrsmittel oder elektrische Geräte, Telefon, Fahrräder, Schreibmaschinen und anderes zu benutzen.

Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen mussten die Juden in Polen zunächst den gelben Winkel und dann eine Armbinde mit dem blauen Davidstern tragen. Die Polizeiverordnung vom 1. September 1941 verfügt, das forthin im Deutschen Reich alle Juden über 6. Jahre auf der linken Brustseite der Kleidung einen sechszackigen gelbe Stern mit der Aufschrift "Jude" aufbringen müssen. In Strafsachen wurde ihnen die Einlegung von Rechtsmitteln untersagt. Die 13. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 1. Juli 1943 bestimmte, dass strafbare Handlungen von Juden nicht mehr durch die ordentlichen Gerichte geahndet werden, sondern durch die Polizei. Nach dem Tod eines Juden fiel sein gesamtes Vermögen dem Reich zu.

 

 

Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes  nach oben

Aus: "Der Stürmer", Nummer 25, Juni 1937, Herausgeber Julius Streicher

Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 beginnt die Entjudung der Naumburger Anwaltschaft. Es war mit seinem Arierparagraphen zugleich das erste antisemitische Gesetz. Ihm fielen Dr. Otto Hollaender (siehe unten), Dr. Artur Samter und Konrad Landsberg zum Opfer.

Im Reich erteilt man bis Ende 1933 1 500 jüdischen Rechtsanwälten Berufsverbot. Von den insgesamt 17 360 jüdischen Rechtsanwälten dürfen bis 1938 lediglich noch 1 753 ihrer Tätigkeit nachgehen. Rechtsanwalt Erwin Noack (1899-1967) goutiert in der Juristischen Wochenschrift 1938 die Ausschaltung der jüdischen Konkurrenz mit den Worten:

"Um so größer ist unser Dank dem Führer gegenüber, dessen Ideen die Voraussetzungen zu der uns von den jüdischen Schädlingen befreienden Tat schufen, und Dank unserem Reichsrechtsführer [Hans Frank], der nie davon abließ, in glühend fanatischen Worten die Entfernung des letzten Juden aus dem deutschen Rechtsleben zu fordern." (Noack 1938)

Neues Verhängnis zieht für die Juden mit dem Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (Fassung vom 15. September 1935, Reichsgesetzblatt 1935 I, Seite 1146-1147) Paragraf 3 herauf, der bestimmt:

"Juden dürfen weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren in ihrem Haushalt nicht beschäftigen."

Adolf Landsberg (geboren am 5. Februar 1861) ist aber auf seine Hausgehilfin Berta Strobel, 27 Jahre alt, seit 30. Juni 1934 bei ihm in Stellung, angewiesen. Der Justizrat ist jetzt 75 Jahre alt. Fast fünfzig Jahre war er als Rechtsanwalt tätig und führte über dreißig Jahre ein Notariat. "Ganz ergebenst" wendet er sich am 16. November 1935 gemäß Paragraph 16 Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre wegen einer Ausnahmegenehmigung an den Führer des Deutschen Reiches. Schließlich genoss Herr Justizrat in Naumburg einen hervorragenden Ruf bis hin zum Oberlandesgericht.

"Mein Haushalt",

schreibt er an den Reichskanzler,

"besteht nur aus meiner 62-jährigen Frau und mir. Berta Strobel hat sich bei uns als hochanständig und zuverlässig bewährt, und es würde uns kaum gelingen, in der Weihnachtszeit hier für sie ausreichend Ersatz zu finden, auf den wir in unserm Alter angewiesen sind." (Landsberg 16.11.1935)

"Der Befreiungsantrag wird befürwortet", bescheidet der Oberbürgermeister am 20. Dezember 1935.

Justizrat Rudolf Melzer kauft für 35 000 Reichsmark das Haus von Justizrat Landsberg (Grundstücksübertragung ab 1938).  nach oben

 

 

Verfolgt und ermordet  nach oben

"Der Stürmer", das "Deutsche Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit, herausgegeben von Julius Streicher, für den 1935 fünf Schaukästen in der Stadt aufgestellt werden, teilt auf jedem Schreiben, so auch an die Stadtverwaltung Naumburg vom 4. Mai 1936, sein Credo mit: "Ohne Lösung der Judenfrage keine Erlösung des deutschen Volkes!"

 

Walter Becker  nach oben

 

Familie Klein

Gebrüder Mannheimer

Familie Gross

Familie Gutkindt

Familie Hollaender

Geschwister Jonas

Familie Landsberg

Hier als PDF lesen oder downloaden (3,6 MB).

Martin Onasch: verfolgt - vertrieben - umgebracht. Aus: Saale-Unstrut Jahrbuch, 4. Jahrgang, 1999, Seite 91 bis 99.

 

1937 stellt Walter Becker, wohnhaft Naumburg (Saale), Weißenfelserstraße 29, geboren am 15. Dezember 1904 in Danzig, gelernter Schaufensterdekorateurs, seit 1. November 1935 im Kaufhaus von Max Ahlfeld zu einem Verdienst von monatlich 154 Reichsmark (netto) beschäftigt, einen Antrag auf Auswanderung. (Irrtümlicherweise bezeichnet ihn Martin Onasch in Verfolgung von Juden in Naumburg von 1933-1945 als "Werner Becker".)

"Ich kann ihm in Bezug auf Fleiss, Ehrenhaftigkeit und Charaktereigenschaften nur das beste Zeugnis ausstellen. Walter Becker ist verheiratet [mit Gertrud Becker, geboren am 16. Januar 1905]", schreibt Max Ahlfeld am 15. Januar 1938 an die Wirtschaftshilfe der Synagogengemeinde Halle (Germarstraße 12) zum Antrag auf finanzielle Unterstützung für die Auswanderung nach Kolumbien. Sein Angestellter hat keine Verwandten im Ausland und ist ohne Vermögen, teilt der Chef weiter mit. Mit der Arisierung des Kaufhauses Ahlfeld verliert Walter Becker seine Stellung und siedelt im März 1938 nach Harzgerode (Münzstraße 6) um, wo es ihm gelingt eine bezahlte Arbeit zu erhalten. Trotzdem bleibt seine wirtschaftliche Lage äußerst misslich. Es fällt ihm schwer, das Geld für die Ausreise aufzubringen. Im Oktober 1938 verlieren sich die Spuren von Walter Becker. nach oben

 

Familie Doktor Otto Hollaender  nach oben
Mitautor: Anja Hollaender

 
Blick zum Spechsart 5 (2009)

"Die Familie Hollaender lebt hier [Naumburg, Spechsart 5] in einem großen Haus mit Garten," sagte Anja Hollaender am Grabe von Chris (geboren 1924), dem Sohn von Otto Hollaender, im August 2009, "wo jeder immer willkommen ist. Es geht sehr gesellig zu. Mutter Hilde liest auf dem Sofa gern Bücher, mit einer Tafel Schokolade in Reichweite. Eines Tages steht das Auto vor dem Haus. Damit es nicht den Abhang hinunterrollt, liegen Steine vor den Rädern. Chris setzt sich hinter das Lenkrad. Sein älterer Bruder Jürgen nimmt die Steine weg. Erst langsam, dann schneller rollt das Auto bergab, bis es unten am Platz mit dem Denkmal [Jägerdenkmal] zum Stillstand kommt. Das Auto ist längst verschwunden, aber das Denkmal steht noch immer. Nicht nur zu Ehren einer unbekannten Person oder eines unbekannten Ereignisses, sondern für mich vor allem zu Ehren von Chris. Bei genauer Betrachtung des Denkmals kann man noch die Spuren des Autos vermuten." (Anja Hollaender 2009)

Otto und Hildegard Hollaender während des Ersten Weltkrieges

Die Eltern von Otto Hollaender gehören der evangelisch-lutherischen Kirche an. Der Vater, Doktor Ludwig Hollaender, war Oberlehrer an der ehrwürdigen Domschule in Naumburg. Seine Mutter, Julie Auerbach, stammt aus einer berühmten jüdischen Gelehrtenfamilie.

Otto Hollaender, damals Gerichtsassessor, ehelicht in einer Kriegstrauung am 7. Dezember 1914 die nicht-jüdische Hildegard Wollesen. Sie hatte in Brandenburg (Havel) das Oberlyzeum besucht und hier am 19. April 1912 die Reifeprüfung abgelegt. Schon zehn Monate später erwarb sie das Zeugnis der Lehrbefähigung für Volks-, mittlere und höhere Schulen. Ihr erste Lehrerstelle erhielt sie in Zeitz, wo ihre Eltern lebten. Vertretungsweise unterrichtete sie in den Orten Streckau und Theissen.

Ein Prozessbericht mit Otto Hollaender als Strafverteidiger - Vollbild

Durch die Heirat mit Otto kam Hildegard Hollaender nach Berlin-Spandau und unterrichtete im hiesigen Lyzeum. Ihr Mann meldet sich als Freiwilliger in den Krieg, kam leidend zurück, wie wir aus den Aufzeichnungen seiner Ehefrau wissen, und wurde dann Garnisonsverwendungsfähig geschrieben. Hernach ist er in Berlin als Hilfsrichter und dann ab 1917 in Posen als Kriegsgerichtsrat tätig.

1918 kehrt Otto Hollaender mit seiner Familie in die Heimatstadt Naumburg zurück. Sein Vater Luwig Hollaender stirbt am 4. Oktober 1919. Die Mutter Julie Fanny Hollaender, geboren 1860, lebt weiter in ihrem Haus an der Grochlitzer Straße 18. Zunächst zieht die Familie Otto Hollaender in die Burgstraße 57 (oberer Stock), später zur Miete in das Haus am Spechsart 5. Er ließ sich in der Stadt als Rechtsanwalt nieder. Im Stadtverband der Demokratischen Partei übernahm er die Funktion als Schriftführer. Seine Ehefrau ist Mitglied der Ortsgruppe der SPD.

 

Naumburger Tageblatt, 24. Januar 1919

Bald brachen in der Stadt die Konfrontationslinien zwischen Nationalsozialisten und Demokraten auf. In seinen Reden tritt er offen dem Faschismus entgegen, kritisiert die politische Ansichten der Nationalsozialisten und ihr öffentliches Gebaren. Als Vorsitzender der Esperantisten erstrebt er eine offene und tolerante Gesellschaft. Mit seinen demokratischen Ansichten, offenen Angriffen auf die Nazis und modernen weltbürgerlichen Ansichten zieht er rasch den Hass der Nationalsozialisten auf sich.

Anna (*1860) und Felix Auerbach (*1856) wählten am 26. Februar 1933 gemeinsam den Freitod. Felix Auerbach arbeitete als Professor für theoretische Physik an der Universität Jena. 1927 war er emeritiert worden. Otto Hollaender verwaltete den Nachlass des Ehpaars. Zu diesem Zweck weilte er in Jena. Sein Sohn Christoph Hollaender schreibt später über diesen Moment:

Felix Auerbach (Jena) - Porträt von Edvard Munch (1906)

"Aus Jena kommend hat ihn mein ältester Bruder Peter am Bahnhof in Naumburg aufgewartet, ihm einen Koffer mit dem Nötigsten in die Hand gedrückt und ihn im Namen meiner Mutter heranlaßt nicht erst nach Hause zu kommen, sondern sofort zu einem Studienfreund nach Worms zu fahren.

Die SA stand an diesem Abend vor unserer Haustür, um meinen Vater gefangen zu nehmen. Über Saarbrücken, Rechtsanwalt Levy, ist mein Vater dann nach Paris geflüchtet."

Seine Ehefrau nennt als Fluchttermin Anfang April 1933.

 

Das Aktionskomitee zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze ruft am 3. April 1933 zum Boykott von jüdischen Geschäften und Rechtsanwälten auf. Dies trifft auch Rechtsanwalt Dr. Otto Hollaender. Karim Saab konnte zu diesen Vorgängen noch Zeitzeugen befragen, die bezeugten:

"Ich habe zwei alte Naumburger kennen gelernt, die damals bei Juden angestellt waren. Mit der Verfolgung ihrer Arbeitgeber kamen sie selber in eine sehr schwierige Lage. Man erwartete von ihnen ihre Distanzierung. Herr Alfred Weineck war Bürovorsteher bei dem Rechtsanwalt Dr. Hollaender. Er hielt zu seinem Chef, indem er die Praxis weiterhin aufrecht hielt. Wenn er das Büro im Steinweg betrat, kam es vor, dass er von einem wacheschiebenden Nazi angepöbelt wurde. Einmal, erzählte er mir, brachte er spaßeshalber seinem Bewacher einen Stuhl runter auf den Bürgersteig."

Mit dem Charme formaler Rechtmäßigkeit erscheint am 21. April 1933 im Justiz-Ministerial-Blatt  die Mitteilung über die Löschung von Otto Hollaender aus der Liste der Rechtsanwälte.

Von seiner Flucht nach Paris kann sich der Emigrant aufgrund der schwierigen Lebensumstände nicht mehr erholen. Otto Hollaender stirbt infolge einer Grippe am 24. Januar 1937 in Paris. Sein Grab befindet sich in Neuilly.

Was für ein Mensch war er? Wie prägte ihn seine Familie? was begeisterte ihn? Welche Ideale leiteten ihn? Wie verstand er seinen Beruf? Welche moralischen Werte bestimmten sein Leben? Auf solche Fragen zu den Naumburger Juden schweigen die Archive gewöhnlich. Nicht so im Fall von Otto Hollaender. Hier hilft uns ein glücklicher Umstand: Sein Lebenslauf ist erhalten, geschrieben als Aufsatz, kurz bevor er nach neunjähriger Schulzeit das Domgymnasium Naumburg am 14. Februar 1907 mit dem Zeugnis der Reife verlässt. Durch ihn erhalten wir Antwort auf einige Fragen.

 

 

Otto Hollaender, Naumburg a. S. 1907

Lebenslauf

Otto Hollaender um 1930

Am 13. August 1888 wurde ich zu Naumburg / S. als Sohn des Gymnasialoberlehrers Dr. Hollaender geboren. Zur Schule kam ich 1895, auf das Domgymnasium 1898, Ostern 1904 wurde ich im evangelischen Glauben, in dem ich getauft und erzogen war, konfirmiert. Ostern 1907 hoffe ich, die Schule nach bestandenem Examen verlassen zu können.

Durch Reisen habe ich einige Strecken unseres Vaterlandes kennen gelernt. Zweimal war ich an der Ostsee, und erinnere mich gern an die herrliche Zeit, wo wir täglich am Strand des Meeres uns aufhalten konnten. Die Großstadt, besonders Halle, Breslau und Berlin habe ich öfters besucht, bin gern in die Museen gegangen, und das Großstadtleben überhaupt hatte viele Reize für mich.

Später hatte ich das Glück, zweimal auf ein Rittergut eingeladen zu werden. Die schönen Tage, die ich dort auf dem Lande verbracht habe, werde ich gewiss nie vergessen.

Klassenfoto mit Otto Hollaender am Domgymnasium - Vollbild
Quelle: Bildarchiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, Bildarchiv Naumburg BA I 11 Nr. 89.4

Am genauesten kenne ich natürlich meine engere Heimat, die ich mit meinen Angehörigen oder Freuden oft durchwandert habe. Die Schönheit der Natur in Naumburg und Jena schätze ich so sehr, daß ich von Thüringen, wo meine Eltern mit uns Kindern im letzten Sommer eine Zeit lang gewesen sind, nicht so begeistert war, wie man es erwarten könnte. Das hat seine Ursache auch darin, daß wir dort viele Tage nichts unternahmen, um bloß die Natur zu genießen. Das bloße Nichtstun aber, wenn es nicht nach Stunden angestrengter Arbeit als Erholung dienen soll, kann ich nicht lange ertragen. Stunden des Nichtstuns sind mir sonst ja auch bei dem Sport, der jetzt getrieben wird, und bei der geistigen Anregung in unserem Elternhaus erspart geblieben. Beim Turnen, Tennisspielen, Tanzen, Radeln, Schlittschuhlaufen war ich stets mit ganzer Seele dabei und habe mir so viele schöne Stunden verschafft.

Zur Steigerung der Lebensfreude scheint mir neben dem Sport die freiwillige geistige Beschäftigung beizutragen.

Zu einer solchen hatte ich in unserem Elternhause die mannigfaltigste Anregung. Am meisten liebte ich stets die Kunst, die bei uns besonders gepflegt wird. Wir haben viel Musik getrieben und uns oft Werke der bildenden Kunst eingehend angesehen.

Mein wissenschaftliches Interesse richtete sich zunächst auf die alten Sprachen. Bald jedoch überwog in mir das Interesse für die deutsche Literatur, für die klassische wie für die moderne. Lange Zeit dachte ich daran, später Literatur zu studieren. Mein Vater hat mir aber von vornherein erklärt, daß ich dann nur den Lehrerberuf ergreifen könnte.

Nun habe ich ja stets gern Privatstunden gegeben und meine pädagogische Begabung ist mir von vielen nicht abgesprochen worden. Aber meine Ansichten über Unterricht und Erziehung stimmen mit dem herrschenden so wenig überein, daß ich in arge Konflikte kommen würde und somit gar nicht daran denken kann, diesen Weg einzuschlagen.

Als Kind hatte ich mir die Theologie als Feld meiner Tätigkeiten gedacht, aber meine kritische Verantwortung und die mir mehr reale Weltauffassung, die ich mir auf Grund jener Veranlagung geschaffen habe, hat mich schon zur Zeit meiner Konfirmation ganz davon abgebracht.

Eine wissenschaftliche
Veröffentlichung von Otto Hollaender von 1920

Das Studium der Jura und Nationalökonomie ist mir von vielen, besonders von meinem Vater nahe gelegt worden. Aber erst in meiner letzten Schulzeit habe ich ernstlich daran gedacht, dies Studium zu wählen. In der Oberprima habe ich dann einige nationalökonomische Bücher von Sombart gelesen und mich über das juristische Studium ein wenig unterrichtet. Die Fähigkeit logisch zu denken, die mir trotz meiner Neigung zu einer goetischen [Wort schwer lesebar] Lebensbetrachtung nicht abgeht, wird mir, wie ich denke, gerade bei diesem Studium viel nützen.

Auch bin ich überzeugt, daß das Eintreten für Recht und Gerechtigkeit eine Tätigkeit ist, die dem Menschen ein gewiss immenses Glück verschaffen kann. In der Hoffnung auf diesem Wege zur Weiterentwicklung der Menschheit ein wenig beitragen zu können, will ich Jura studieren. Und zwar gedenke ich mein Studium in Heidelberg zu beginnen.


Abschrift. Lebenslauf von Otto Hollaender, Naumburg a. S. 1907. Archiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz

 

 

Der junge Mann besitzt Ehrgeiz. Sein Leben braucht ein wirtschaftliches Fundament. Tüchtigkeit und Glück finden zueinander. Das Notariat und die Kanzlei in Naumburg auf dem Steinweg 2 werfen einen ausreichenden Ertrag ab. So lebt die Familie Otto Hollaender in guten und sicheren wirtschaftlichen Verhältnissen. Daran schätzt der Jurist die gewonnene Freiheit zur eigenen Entscheidung, - was ihm ungeheuer wichtig war. Nicht zum Selbstzweck, aber beispielsweise um sich mehr den Kindern zuwenden zu können oder um als Mitglied der Demokratischen Partei und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold Naumburg aktiv zu werden.

Gerda, Otto, Hildegard, Christoph, Jürgen und Peter Hollaender (Foto: Fritz Hege)

Das Ehepaar Hollaender hatte sechs Kinder, davon ist eines früh verstorben. Alle anderen Kinder - Gerda (1917), Peter (1919), Jürgen (1921), Christoph (1924) und Johannes (1928) - wurden evangelisch getauft. Ihre Mutter war keine Jüdin. Der Vater gehörte ebenfalls nicht mehr zu den religiösen Juden. Bereits der Urgrossvater, Professor Ludwig Hollaender, liess sich als Erwachsener in Berlin taufen. Diesen Ritus aus der Zeit des Neuen Testaments verstanden sie als ein Bekenntnis zum reformierten Christen- und Deutschtum.

 

Sohn Jürgen

Sohn Jürgen, geboren 1921, folgt dem Vater noch 1933 als Erster ins Exil nach Paris, um ihm vor Ort zu helfen. Lord Buxton (England) übernimmt die Kosten für den Besuch des Quäker-College in Waterford (Irland). Hier bleibt er bis zum erfolgreichen Abiturabschluss im Jahre 1938. Als es für ihn kein Geld mehr gibt, finanzieren ihm seine Lehrer die Überfahrt mit einem Frachtschiff nach Australien. Als George Holland lebt er dann in Melbourne.

 

Sohn Christoph

Kindheitsfoto von Christoph, Gerda, Johannes, Peter und Jürgen Hollaender (Foto: Fritz Hege)

Der Vater schickt Christoph am 16. März 1935 allein nach Holland, wo er im Haus der deutschen Quäker-Familie Pollatz aus Dresden den Krieg überleben kann. Vorerst muss er, solange Holland durch die Wehrmacht besetzt ist, dort illegal leben. Dann arbeitet Christoph in Castricum als Lehrer für Deutsch und Französisch, später als koordinierender Inspektor von Grundschulen in Amsterdam und anderen europäischen Schulen. Christoph Hollaender ist in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens aktiv und erhält dafür einen hohen königlichen Orden. Im August 2009 stirbt er.

In Juli 1933 kommen mit der Mutter die Kinder Gerda und Christoph nach Paris. Sohn Johannes (Jahrgang 1928), geistig behindert und von epileptischen Anfällen geplagt, verbleibt in einem anthroposophischen Heim in Deutschland.

 

Ehefrau Hildegard

Frau Hildegard Hollaender kehrt nach dem Tod ihres Mannes im Oktober 1937 aus Paris nach Deutschland zurück, um ihren kranken Sohn in der Pflegeanstalt helfen zu können, die ihn nicht länger behalten will, weil sich die epileptischen Anfälle häuften. Ihre anderen Kinder darf sie nicht nach Deutschland mitbringen oder einreisen lassen, fordert die Gestapo. Als Mutter steht sie vor einem Dilemma: Soll sie wegen Peter in Frankreich bleiben oder soll zurück nach Nazideutschland, um Johannes helfen zu können? Viel später erklärt sie in einem Brief an ihren Enkel Robert Wieland:

"Seinetwegen [Peters, R.W.] hätte ich bleiben müssen, aber der kleine kranke Johannes, den das Kinderheim verstieß und der erst recht auf mich angewiesen war, rief mich zurück, was auch recht abenteuerlich war."

Außerdem fühlte sie sich nach eigenen Aussagen unter den jüdischen Emigranten in Paris nicht wohl. Die Emigration war kein Zuckerschlecken:

"Für arme Emigranten war es ein ewiges Gehetztsein, eine ständige Bedrohung und Unsicherheit, das Leben von der Hand in den Mund, 'sur la branche'." (Brief an Robert Wieland vom 10.9.1970)

Hildegard Hollaender zieht in ein winziges Häuschen nach Bad Kösen, Saalberge 10, das dem Patenonkel von Christoph, Dr. Richard Kurth, gehört. Sie teilte es sich mit einem Ehepaar. Es lag auf einer kleinen Anhöhe, umgeben von Gras, Gemüsegarten und Obstbäumen. Sie wohnt zu ebener Erde in einem Wohnzimmer und Küche. Neben dem Kohlenschuppen befand sich das Plumpsklo (Außentoilette ohne Wasserspülung). Als Kontoristin findet sie eine Arbeit in Bad Kösen und Naumburg. In Leipzig ist sie jahrelang im großen Verlagshaus von Haessel tätig, bis sie nach dem Ende des Krieges wieder als Lehrerin in Bad Kösen Kinder unterrichtet.

 

Sohn Johannes

Sohn Johannes, geboren 1928, wird am 14. April 1933 in Naumburg getauft. Er leidet an epileptischen Anfällen und Schwachsinn. Zunächst pflegten ihn die Neinstedter Anstalten bei Thale. Diese geben ihn an die Landesanstalt Altscherbitz weiter. Von dort verlegte man Johannes in die Landesheilanstalt Uchtspringe. Hier bestand eine der sogenannten Kinderfachabteilung, in denen von Oktober 1939 bis 1945 in Deutschland insgesamt etwa 5 000 geistig oder körperlich schwerbehinderte Kinder getötet wurden. Johannes Hollaender stirbt in der Landesheilanstalt Uchtspringe am 26. Oktober 1941 laut amtlicher Dokumentation an "Bronchopneumonie". Sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei um einen Anstaltsmord.

 

Tochter Gerda

Gerda, die Älteste, bekommt zwei Söhne in Frankreich, im Jahr 1941 und 1942. Diese muss sie dort zurücklassen, als sie mit ihrem Mann weiter nach Marokko flüchtet. Dort wird eine Tochter geboren. Nach dem Krieg kehrt sie nach Deutschland zurück und lebt überwiegend in Frankfurt, wo sie 2003 stirbt.

 

Sohn Peter

Klassenfoto mit Peter Hollaender (Vollbild)

Die Großmutter väterlicherseits wohnt noch im großen Haus an der Grochlitzerstrasse 18 in Naumburg. Sie war Lungenkrank. Peter besucht das Domgymnasium und wohnt bei ihr, bis er 1935 nach Frankreich flüchtet. 1938 lernt er in Paris Brigitte Marum kennen. Sie ist die Tochter des jüdischen, von den Nazis ermordeten SPD-Reichstagsabgeordneten Ludwig Marum (1882-1934) aus Karlsruhe und seiner Frau Johanna Marum (1886-1964). Am 15. Mai 1940 wird sie verhaftet und im Vélodrome d`hiver (Winterradrennbahn in Paris) interniert. Im Sommer desselben Jahres erreicht Peter die Entlassung von Brigitte und seiner Schwester Gerda aus dem Lager in Gurs, wo die von der französischen Verwaltung als „für die Volkswirtschaft überzählige Ausländer“ gefangen gehalten werden. Anschließend leben sie unter schlechten Bedingungen in Toulouse. Im September wird Peter interniert. Brigitte trennt sich aus uns nicht überlieferten Gründen von ihm. Ende März 1941 kehrt er wieder nach Deutschland zurück. Weshalb ist nicht vollständig klar. Es besteht die Vermutung, daß er im Auftrag der Kommunistischen Partei im Untergrund arbeiten wollte. Seine Freundin Brigitte Marum ist schwanger. Ob er das weiß, ist nicht bekannt. Ihr Sohn, geboren am 31. Juli 1941 in Marseille, lebt unter dem Namen Eli Barzilai mit seiner Familie in Jerusalem (2004). Brigitte Marum wird am 30. März 1943 in Sobibor vergast.

Peter verhaftet die Gestapo am 10. April 1941 im Häuschen seiner Mutter an den Saalbergen in Bad Kösen und verbringt ihn zunächst nach Halle (Saale). Am 3. April 1942 ermordet man ihn im KZ Sachsenhausen.

 

 

[Abschrift]

Bad Kösen, den 4. April 1942, 20.15h


Die Staatspolizeistelle Halle/Saale teilt mit:

Für Frau Hildegard Holländer, Bad Kösen:
Der im Konzentrationslager Sachsenhausen befindliche Sohn Peter Holländer, geb. am 3.8.1919 in Naumburg/Saale ist am 3. April 1942 gegen 7.50 Uhr an Kreislaufschwäche bei Ruhr gestorben. Eine Besichtigung der Leiche ist aus hygienischen Umständen unter keinen Umständen möglich. Die Leiche wird im Krematorium Sachsenhausen eingeäschert. Die Urne kann innerhalb 4 Wochen schriftlich von der Verwaltung des Krematoriums des K.Z.Lagers Sachsenhausen angefordert werden. Sollte die Urne von der Mutter angefordert werden, ist zugleich eine Bescheinigung des Friedhofes beizulegen auf welchem die Urne beigesetzt werden soll. Wird die Urne innerhalb 4 Wochen nicht angefordert, wird sie auf Amtskosten im Urnenhain in Sachsenhausen beigesetzt werden.

Aufgenommen:
Polizeimeister.

 

 

 

Novemberpogrom 1938 nach oben

 

Der evangelisch-lutherische Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach kommentiert:

"Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen. Vom deutschen Volk wird ... die Macht der Juden auf wirtschaftlichem Gebiet im neuen Deutschland endgültig gebrochen und damit der gottgesegnete Kampf des Führers zu völligen Befreiung unseres Volkes gekrönt. In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutschen Prophet im 16. Jahrhundert einst als Freund der Juden begann, der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden."

 

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 kommt es in Naumburg zu schweren Ausschreitungen gegen die Juden. Nicht selten bezeichnet man sie verharmlosend als Reichskristallnacht. Als Vorwand nutzten die Nazis die Schüsse Tags zuvor auf den Legationssekretär der deutschen Botschaft in Paris, Ernst Rath, durch den siebzehnjährigen Herschel Grynszpan. Der war über die Vertreibung seiner Familie aus Hannover an die Grenze zu Polen erzürnt. Dort waren 17 000 im Reich wohnende polnische Juden unter elenden Bedingungen zusammengepfercht.

Am Tag darauf erscheint in der Mitteldeutschen National-Zeitung zu den Ereignissen in Naumburg folgende Mitteilung:

"In Naumburg kam es gestern in den späten Abendstunden zu einer Ansammlung vor einem jüdischen Geschäft in der Salzstraße. Da die Tür des jüdischen Geschäfts geschlossen blieb, drang man in die Räume ein und warf die Waren durcheinander. Das Schaufenster wurde ausgeräumt und mit Aufschriften Ab nach Palästina versehen. Diesen wohlgemeinten Rat gaben die sich rasch bildenden

Sprechchöre dem Inhaber des Geschäftes, der allerdings unsichtbar blieb. Dann zogen die Teilnehmer der Kundgebung zum Markt ….

Der Kreisleiter und Oberbürgermeister Parteigenosse Uebelhoer trat aus dem Rathaus und richtete einige Worte an die Volksmenge. Er könne verstehen, dass das deutsche Volk über den Mord an dem deutschen Gesandtschaftsrat von Rath in der deutschen Botschaft in Paris durch den Judenlümmel Grünspan empört sei. Dem Weltjudentum passe es nicht, dass wir den zersetzenden und schädlichen Einfluss der Juden bei uns ausgeschaltet, die Volksgemeinschaft der Deutschen aufgerichtet hätten und dieses Reich im Frieden aufbauten."

Arved Klein, Naumburg (Saale), Marienstrasse 15,
1938 nach Palästina ausgewandert

Bild: Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum

Der Name Reichskristallnacht bedeutet eine Verharmlosung des Geschehens. Als gingen nur ein paar Scheiben zu Bruch. Menschen werden geschlagen, angegriffen, schwer verletzt und um ihr Eigentum gebracht. Es ist ein Novemberpogrom. Sprüche skandierend bewegten sich die Nazis durch die Straßen und Gassen. Sie hetzten und suchten die Juden auf.

"Ausgeführt wurde dieser Sturm übrigens von der Oberklasse der Napola in Naumburg, die dazu eingesetzt war", vertraut Oberlandesgerichtspräsident Paul Sattelmacher seinen Erinnerungen an. (SE 45)

"So brachte der Inhaber des Hutgeschäftes Salzstraße / Ecke Lindenring aus Sorge vor dem randalierenden Napola-Jungvolk an einer Schaufensterscheibe ein Schild an, auf dem stand:

ICH BIN KEIN JUDE!" (Saab)

"Ich, Jahrgang 1921, in der Salzstraße wohnend (bis 1941), kann mich noch genau erinnern," schreibt Frau Rühlmann aus Bad Kösen 1994, "daß etwa gegen 15.15 Uhr ein LKW mit jungen Männern - wie in meinem Alter - vom Fahrzeug sprangen und tumultartig sich in unflätiger Weise gegen den Inhaber des Textilgeschäftes Josef Groß, Salzstraße 40, verhielten. Aufgeschreckt durch solch eine provokative Haltung stellte sich heraus, daß diese Personen Angehörige der Napola waren. Ansonsten waren Napola-Angehörige uniformiert."

Blicke zum ehemaligen Textilgeschäft von Josef Gross in der Salzstraße 40 (2005)

Ein Opfer dieser Pogromnacht von 1938 ist Josef [oder Joseph] Gross mit seinem Textilgeschäft in der Salzstraße 40, wo sich lange Zeit nach dem Krieg ein An-und-Verkauf-Geschäft befand. Auch bei ihm wurde [am 9. November 1938] schwer randaliert. "Eine Frau erzählte mir", lesen wir bei Karim Saab (1990), "dass Josef Groß an jenem Tag verhaftet worden sei. Um das zu verhindern soll er sich angeblich sein Verdienstkreuz aus dem ersten Weltkrieg an die Brust geheftet haben." Die SA zerstört sein Geschäft. Er versteckt sich im Hof. Als ihn die Nazis finden, wird er misshandelt.  nach oben

Zu dieser Gemeinheit schreibt am 12. November 1938 Richard Hertel, geboren am 13. April 1868, wohnhaft Naumburg, Pforta Straße 23, seit 1932 Pensionär mit 3 300 Reichsmark im Jahr, an den Oberbürgermeister und NSDAP-Kreisleiter auf einer Postkarte:

"Sehr geehrte P. G. [Parteigenossen],
der Jude in der Salzstraße hat sich 1914 - 1918 das eiserne Kreuz i er und 2 er Klasse verdient. Ist es in Ordnung, dass Schüler der Napola den Laden zertrümmern Die Ortspolizei verhindert es nicht.
Sehr bedauerlich.
Heil Hitler Volksgenossen." (Hertel)

Die Nationalsozialisten bringen den Einzelhandelskaufmann um seinen Besitz.

Tochter Betty, geboren 10. April 1921 in Kupin, konnte öglicherweise am 30. August 1938 in die USA zu Charles Grossmann, ein Bruder der Mutter, New York, 613 West 183 Street City, ausreisen (Stand 8. Juli 1938). Wahrscheinlich erfolgte ihre Überfahrt mit der 1932 in den Dienst gestellten Georgic via Southampton am 2. September 1938 auf der Linie Hamburg - New York, Kabine D 188, Bett 3. Mit ihr reiste vielleicht - laut Hinweis vom 22. Juli 1938 - die Familie Mannheimer (Naumburg, Saale) aus.

Josef Gross,

geboren am 13. Dezember 1889 in Brzesko. Ermordet 1942 im Vernichtungslager Sobibor. Foto: Betty Fox (Tochter)*.

Eva Gross,

geboren 25. November 1896 in Gorodok. Ermordet 1942 im Vernichtungslager Sobibor. Foto: Betty Fox (Tochter)*.

1941 leben in Naumburg noch Josef und Eva Gross.

Von ihnen existiert vom 11. Dezember ein Meldebogen mit der Adresse: Naumburg (Saale), Salzstraße 40. Mit Angabe der Judenkennkarte A oooo 12 geben die Eheleute am 15. Januar 1942 eine Aufstellung über ihr Hab und Gut an die Jüdische Kultusvereinigung Halle (Saale). Josef Gross besitzt noch ein Sparbuch No. 5317 des Halleschen Bankvereins, Filiale Naumburg (Saale), ausgestellt auf den Namen Eva Gross.

"Die Transportliste v. 30. Mai 1942 enthält Josef Gross’ Namen für den Transport "nach Osten“. Der Deportationszug kam am 01.06.1942 aus Kassel und fuhr über Halle nach Lublin/ Polen, das er am 03.06.1942 erreichte. Von dort endete der Transport im Vernichtungslager Sobibor." (Gedenkbuch 2011) Hier wurden Josef und Eva Gross ermordet.  nach oben

 

 

Zwischen 2009 und 2010 sind im Gedenken an die während des Nationalsozialismus verfolgten Juden in Naumburg Stolpersteine verlegt worden.

Siehe hierzu "Liste der Stolpersteine in Naumburg (Saale)".
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_
in_Naumburg_(Saale)

 

 

 

Arisierung  nach oben

 

Martin Sasse (1890-1942), Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen:

"In dem entscheidenden Endkampf des deutschen Volkes gegen die Judenheit stehen mit an der Front die besten Kräfte der deutschen Vergangenheit. Es bedeutet eine Stärkung unserer Kampfkraft, wenn in vorderster Linie der große deutsche Prophet Dr. Martin Luther seine Stimme erhebt, und zur Befreiung des deutschen Volkes von den Juden fordert:

weg mit ihnen."

(Landesbischof 1938)

 

Nach dem Novemberpogrom von 1938 weitet sich der gesetzlich verordnete Raub am jüdischen Eigentum weiter aus. Als Zeichen der Sühne des Mords von Herschel Grynszpan (geboren 1921) am Legationssekretär Ernst vom Rath - so die offizielle Begründung - müssen die Juden eine Vermögensabgabe erbringen und beläuft sich Reich auf insgesamt etwa eine Milliarde Reichsmark.

Das sind etwa sechs Prozent der laufenden Staatseinnahmen. Mit der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 findet die Arisierung ihren vorläufigen Abschluss. Sie diente der Bereicherung an fremdem Eigentum. Im Januar 1939 müssen sämtliche Betriebe mit jüdischen Eigentümern schließen. Den Juden ist praktisch die Ausübung eines Berufes verboten.

Blick in die Herrenstraße16/17, Richtung Kaufhaus Cohn (2004)

 

"Die Max und Luise Cohn-Stiftung soll, weil der Fortbestand dieser jüdischen Stiftung das Gemeinwohl gefährdet und das Rechtsempfinden verletzt aufgehoben und das Stiftungsvermögen der Stiftung zum St. Jakob und zum Heiligen Geist überwiesen werden."

Sitzung der Ratsherren am 28. September 1939, 18 Uhr, Rathaus Naumburg, Zimmer 103

 

Max Cohn (22.9.1859-28.4.1928) gründet am 12. Oktober 1886 das erste Kaufhaus von Naumburg. Als seine Frau Luise Cohn (17.4.1865-23.2.1917) 1917 starb, rief der Geschäftsmann, der durch Güte und wahrhafte Vornehmheit bestach, ihr zu Ehren die Luise-Cohn-Stiftung ins Leben. Besonders in den Inflationsjahren wirkte sie segensreich und unterstützte arme und hilfebedürftige Bürger. 1939 gefährdet diese Stiftung dann das Gemeinwohl! So steht es in einer Protokollnotiz zu einer Ratsherrensitzung. - Charlotte (Lotte) Jonas (geboren 1887) erbt nach dem Tod von Max Cohn 1928 das gesamte Vermögen. Sie ist Eigentümerin der Grundstücke Herrenstraße 16 / 17. Als Inhaber des Kaufhauses treten sie und ihr Bruder Fritz (geboren 1889) auf. Ihre allgemeine Lage war unter der Herrschaft des Nationalsozialismus schon lange unerfreulich gewesen sein. Darüber berichtet Karim Saab (1983):

"Mehrere alte Naumburger erzählten mir, dass in der Herrenstraße, gegenüber von Cohn, ein Nazispitzel wohnte. Sie hatten Angst, als Kunden von ihm fotografiert zu werden."  nach oben

Herrenstraße16/17 (2004), ehemals Kaufhaus Cohn,
gegründet am 12. Oktober 1886

Ende 1938 musste Charlotte Jonas das Anwesen zu einem (Unter-) Preis von einigen 80 000 Reichsmark verkaufen, teilen die Rechtsanwälte Dr. A. Bobasch und Dr. G. Kush, London, Queen Street 11, in einem Schreiben vom 13. Dezember 1956 an die Israelitsche Religionsgemeinde in Halle mit.

Charlotte und Fritz Jonas wurden wahrscheinlich in Riga ermordet. Ihr Geschäft und Grundstück in der Herrenstraße 16/17 und Anwesen Reußenplatz 12 mussten sie für 89 000 Reichsmark am 5. November 1938 an Luise Hoffmann verkaufen. Die Industrie- und Handelskammer Halle reklamiert am 8. Dezember 1941 nach Prüfung des Entjudungsgeschäfts 10 000 Reichsmark als Ausgleichsabgabe für den erzielten Arisierungsgewinn. Der Ehemann der Käuferin, Richard Hoffmann, hingegen rechnet vor, daß er für das Grundstück 51 872,32 Reichsmark an Aufwendungen tätigte. Davon dienten 33 465,24 Reichsmark der Verbesserung und dringend notwendigen Instandsetzungen. Wenn daher nach Schätzungen des Grundstücks- und Stadtbauamtes Naumburg die Herrenstraße 16/17 einen Wert von 112 000 Reichsmark hatte, dann bleiben nach Abzug von 33 465,24 Reichsmark, lediglich 78 534,26 als Kauf-Wert. Berücksichtigt man daher die versteckten Mängel, dann liegt der Kaufpreis 10 465,74 Reichsmark über den von der Stadt ermittelten Wert des Objekts. Deshalb ist kein Arisierungsgewinn entstanden, argumentiert Richard Hoffmann. Noch im Mai 1944 protestiert er gegen die Festlegung einer Ausgleichsabgabe für einen erzielten Arisierungsgewinn. (Vgl. Ausgleichsabgabe)

Walter Werner, Naumburg, Wilhelm-Pieck-Platz, heute Markt 14, Treuhänder für den ehemaligen jüdischen Grundbesitz im Stadtkreis Naumburg, bezeichnet am 19. Juli 1952 den Verkaufswert des Grundstücks Herrenstraße 16/17 als "unter Wert und offenbar unter dem Druck damaligen Verhältnisse" entstanden.

 

 

Enteignung ("Arisierung") jüdischer Geschäfte
in Naumburg nach dem 31. Januar 1933

 

Name
Straße
Nach- beziehungsweise Zwischenbesitzer

 

Max Cohn
Inhaber Jonas
Arisierung 1937
Geschäftstätigkeit eingestellt zum 31.12.1938

 

Kaufhaus
Herrenstraße 16/17

Fritz Ziegler
Zwischenbesitzer
Richard Hoffmann

 

Max Ahlfeld
Arisierung 1938

 


Kaufhaus
Große Salzstraße 35

 

Karl Böhme

 

Hardt
Arisierung 1937

 

Konfektionsgeschäft Markt 15

Hermann Uhlmann

Josef Gross
Arisierung 1937
Geschäftstätigkeit eingestellt zum 31.12.1938

Kurzwaren
Große Salzstraße 40



Konsumgenossenschaft
Zwischenbesitzer: Gertrud Röbbecke

 


Mannheimer
Arisierung 1937

 

Viehhandlung,
Roßbacher Straße 5c



Übernahme durch Viehhändler Kurt Bamberg; nach dessen Tode (1944) ging das Geschäft an die Firma
Franz Zeigermann & Sohn

 

 

Quelle: Verzeichnis der jüdischen Geschäfte

Information zur Einstellung zur Geschäftstätigkeit von Cohn und Gross aus Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 100. Handelskammer Halle, Nummer 1130

 

Nach dem Zusammenbruch flüchtet Richard Hoffmann unter Mitnahme umfangreicher Textilbestände in den Westen. Seine Ehefrau veräußerte das Geschäft am 23. Oktober 1945 an Fritz Ziegler für angeblich 70 000 Reichsmark. Der war nicht Mitglied der Hitler-Partei, pflegte aber gute Kontakte zu Prominenten NSDAP-Führern von Naumburg. Während des Krieges war er bei der Heeresstandort-Kasse beschäftigt und betrieb nebenbei einen lebhaften Weinhandel. Ziegler verzog nach der Befreiung (1945) ebenfalls alsbald in den Westen.

"Das Ehepaar Gutkindt, verwandt mit den Gebrüdern Mannheimer [Siegmund und Simon], die in der Roßbacher Straße [4] eine Viehhandlung hatten, [zogen zunächst 1933 nach Jena und] kamen 1943 in das KZ Theresienstadt. Ihre Tochter Annemarie kam in ein KZ "im Osten".  nach oben

Markt 15 (2005), ehemals Kaufhaus Hartd,
seit 1930 Inhaber Paul

Elly Landsberg, die Witwe des Justizrates Landsberg, musste ihr Haus in der Kösener Straße [27] und ihr gesamtes Vermögen abtreten und kam wie die Gutkindts nach Theresienstadt." (Onasch 1994, 12)

Am Markt 15 befindet sich ein Konfektionsgeschäft, ehemals Kaufhaus Hardt, Inhaber Paul. Sein Eigentümer, Markus Hardt, muss an Hermann Uhlmann verkaufen. "Der Inhaber [vom Konfektionsgeschäft Markt 15], Paul A, wurde nach der Enteignung noch einmal in Leipzig als Kohlenträger mit gelbem Stern gesehen." (Karim Saab wähnt aber Paul als Inhaber des Kaufhauses Cohn. Nach dem Arisierungsverzeichnis des Archivs der Stiftung Neue Synagoge Berlin sind dies, wie bereits festgestellt, die Geschwister Jonas. Paul ist Inhaber des Konfektionsgeschäftes am Markt.)

Auch das Große Kaufhaus in der Salzstraße 35 von Max Ahlfeld wird arisiert. Karl Böhme kündigt die Übernahme mit dem Motto an:

"Leistung nach deutschen Grundsätzen!"

Naumburger Tageblatt, Naumburg, den 1. März 1938

 

Er schloss am 27. Januar 1938 mit Max Ahlfeld zum 1. März 1938 einen Kaufvertrag. Doch der jüdische Kaufhausbesitzer befand sich in einer Zwangslage. Es handelt sich um eine besondere Form der Enteignung.

Werbung für Max Ahlfeld,
vielleicht um 1925

"Max Ahlfeld war - das sagten mir mehrere Gesprächspartner - sehr beliebt in Naumburg", berichtet Karem Saab in seiner Studie über die Naumburger Juden. "Vor allem bei den armen Leuten, da er jedes Jahr mehrere Konfirmanden kostenlos einkleidete und in der Weihnachtszeit so manchem half, indem er ihnen Kohlelieferungen finanzierte. Außerdem soll sich der Pfarrer von St. Wenzel, ein Herr Müller, bei Finanzschwierigkeiten einige Male erfolgreich an Ahlfeld gewendet haben. Es heißt, Max Ahlfeld konnte gerade noch rechtzeitig nach England fliehen." - Er wohnte zusammen mit seinem Schwiegersohn Martin Neugedachter in der Buchholzstraße 21.

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Karl Böhme ist ein sehr netter Mensch. Er besticht durch seine Exaktheit. Mit seinen Mitarbeitern geht er freundlich um. Der Geschäftsmann hatte sich hochgearbeitet. "Mit dem Koffer ist er über die Dörfer gezogen", so berichtet Frau Margot B., geboren 1924 in Naumburg, damals wohnhaft Buchholzgraben 65. Sie lernte vom 1. April 1940 bis 31. März 1943 im Kaufhaus Böhm in der Großen Salzstraße 35.

Blick zur Salzstraße 35 (2005). Hier befand sich früher das Kaufhaus von Max Ahlfeld. Nach 1945 verkaufte hier ein Wohnraum- und Polstermöbelgeschäft seine Waren.

Dies sollten wir nicht übergehen: Ein netter Mensch eignet sich das Eigentum eines Juden an. Wie das, fragt man sich. Mögliche soziale Handlungen sind selektiv kopierte Varianten aus vorgegebenen politischen Denkmatrizen, die durch die Machtverhältnisse und Kultur konstituiert. Unter den Bedingungen der Gewaltherrschaft sind sie durch unmenschliches Recht und inhumane Werte, wie Rassismus, Chauvinismus, charakterisiert.

"Nicht unerwähnt sollen die Gebrüder Simon und Siegmund Mannheimer bleiben, die in der Roßbacher Straße 4 [richtig: 5c] eine Vieh- und Pferdehandlung hatten. Man sagt, sie hätten damals rechtzeitig ihr Geschäft aufgelöst, Traktoren gekauft und seinen nach Amerika emigriert." (Saab)

 

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik macht die Arisierung nicht rückgängig. Ein historischer Fehler. Denn die Enteignung der Juden im Dritten Reich war schreckliches Unrecht. Als das Politbüromitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) Paul Merker (1894-1969) sich aus dem mexikanischen Exil für Wiedergutmachungsleistungen gegenüber dem jüdischen Volk ausspricht, verliert er auf dem 3. Parteitag der SED seine Funktion und wird im August des gleichen Jahres aus der Partei ausgeschlossen. Wer sich für die Entschädigung jüdischer Kapitalisten einsetzt, ist ein Zionist, auch wenn er, wie Merker, seit 1929 Mitglied des Zentralkomitees der KPD war. Im Beschluss des Zentralkomitees der SED über die "Lehren aus dem Slànský-Prozess" [Rudolf Slánský, KPC-Generalsekretär, 1951 gestürzt] vom 20. Dezember 1952 heißt es: "Merker fälschte die aus den deutschen und ausländischen Arbeitern herausgepreßten Maximalprofite der Monopolkapitalisten in angebliches jüdisches Eigentum des jüdischen Volkes um."

Ernst Bloch entfachte 1956 im Anschluss an den XX. Parteitag die Diskussion um den "deutschen Weg zum Sozialismus". An den Universitäten Jena und Leipzig war ein deutliches Echo zu vernehmen. Die Reformstimmung griff auf den "Sonntag", einer Zeitschrift des Kulturbundes über, die der Aufbau Verlag herausgab. Ihm standen Walter Janka und Wolfgang Harich vor. Daraufhin wurde der "Gruppe Harich" in Ost-Berlin der Prozess gemacht. Merker sagte mit erstickter Stimme im Schauprozess vor dem Obersten Gericht der DDR gegen Walter Janka aus, der am 26. Juli 1957 ein furchtbar hartes Urteil empfing.


Leo Hirsch ein Kollaborateur   nach oben

Wer die Spuren der Naumburger Juden in der Nazizeit sucht, stösst bald auf ihren Briefverkehr mit Leo Hirsch, Vorstand der jüdischen Kultusvereinigung, Synagogengemeinde Halle, Germerstrasse 12. Gegenstand des Schriftwechsels sind Anträge, Anfragen oder Bitten. Leo Hirsch informiert, fordert oder erteilt Bescheide. Doch wie er das tut, bedrückt. Beim Lesen der Korrespondenzen kommt ein beklemmendes Gefühl auf. Allmählich drängt sich ein ungeheuerlicher Gedanke in den Kopf: War Leo Hirsch ein Kollaborateur?

Mittlerweile liegt ein aufschlussreicher Zeugenbericht vor. Am 19. September 1942 ging ein Transport vom Güterbahnhof Engelsdorf (bei Leipzig) in das KZ Theresienstadt. "Ich war", berichtet der Augenzeuge, "mit einem anderen Juden zugeteilt für den Hilfsdienst, um den alten Leuten beim Packen und Abtransport behilflich zu sein. … Nach einigen Stunden war es soweit, dass der Zug einlief … Als unsere Menschen in die Abteile einsteigen wollten und es nicht schnell ging, hat sich Leo Hirsch (Informant der Gestapo) in einer widerwärtigen Art und Weise gegen unsere alten Menschen benommen, indem er sie teilweise, weil es ihm nicht schnell genug ging, in die Abteile gewaltsam hineinstiess. Auch mit den schlimmsten Redensarten hat er sie bei dieser Gelegenheit belegt.
…..

Es war allgemein bekannt, dass Hirsch eine hervorragende Zusammenarbeit mit der Geheimen Staatspolizei hatte, jedoch nicht um die Juden gut zu vertreten, sondern gegen dieselben zu arbeiten, um persönliche egoistische Ziele für sich zu erreichen. Die damals nach Leipzig zugeführten Hallenser haben bestätigt, das der Name Hirsch für sämtliche Juden ein Schrecken gewesen ist." (Verbrannt)

"Verbote und wohlgemeinte Ratschläge, Drohungen mit Polizei, Gestapo und Deportationen," stellen Clemens Krause und Susanne Meinicke 1992 fest, "scheinen das Verhältnis des Gemeindevorstandes Leo Hirsch, der sich als diensteifriger Befehlsempfänger der Gestapo erwies, zu den Heiminsassen (und den Gemeindemitgliedern überhaupt) entscheidend geprägt zu haben." Aus der Naumburger Perspektive erhärtet sich diese Aussage. Ebenso ihr Urteil: "Es gehört zu den traurigen Kapiteln der Geschichte der Juden in Halle, dass sich in der Zeit der Verfolgung Leute fanden, die ihren Glaubensgenossen das ohnehin schon schwere Leben noch schwerer machten." (Krause 206)


 

 
Jüdengasse Naumburg
Blick in die Jüdengasse
 
Gedenktafel in der
Jüdengasse

 


Die Intellektuellen und die Judenfrage  nach oben

 

Aus dem Programm der NSDAP

"Rücksichtslose Bekämpfung der pestilenzartigen jüdischen Aufklärung und jüdischen Schmutzes in der Volksbildung und Kunst …"

Naumburg zur Provinzial- und Stadtverordnetenwahl am 17. November 1929

 

1791 sprach der Berliner Justizrat und Anwalt Carl Wilhelm Friedrich Grattenauer in seiner Schrift "Wider die Juden" davon, dass die Juden aus der deutschen Gesellschaft eliminiert werden müssen. Heinrich von Treitschke (1834-1896), Historiker an der Berliner Universität, ist davon überzeugt: "Die Juden sind unser Unglück!" (1879). Richard Wagner (1813-1883) schreibt, als er sich am Parzival schaffte, 1881 in einem Brief an Ludwig II., dass er die jüdische "Rasse" als den geborenen Feind der Menschen betrachtet. Er - der 1813 in einem Judenviertel in Leipzig geboren - war es, der in seiner Schrift "Judentum und Musik" (1850) den Hass auf die Juden gewaltig anfacht. Die von Nietzsche verehrte Cosima stellte ihr Leben unter das Motto: "Der Jude ist an allem Schuld." Seit den Münchner Tagen trieb Wagner und seine Cosima die Angst vor der jüdischen Konspiration um.

"Alles verjüdelt oder verchristlicht oder verpöbelt sich zusehends", diagnostiziert Friedrich Nietzsches 1887 in Zur Genealogie der Moral. Im Antichristen (1888) bezeichnet der Pforta-Schüler die Juden als "das verhängnisvollste Volk der Weltgeschichte". Dann sagt er wieder in Jenseits von Gut und Böse (1886), es sei genauso idiotisch, antisemitisch zu sein, wie antifranzösisch, antipolnisch, um dann aber auch gleich Einreiseverbot für die Juden nach Deutschland zu fordern, weil das Land schon zu viel davon habe. Seinem Freund Franz Overbeck teilt er mit, dass er gerne alle Antisemiten erschießen würde. In seinem Vortrag Sokrates und die Tragödie 1870 im Basler Museum macht er den Vater des vernunftgeleiteten Handelns für den Verfall der Kultur verantwortlich. "Dieser Sokratismus ist die heutige jüdische Presse." Man mag es nun hin und her wenden wie man will: Friedrich Nietzsche (1844-1900) leistete sich schlimme Ausfälle gegenüber den Juden.

Nietzsche-Hauses (2005)
im Weingarten

"Nach der Hochzeit zwischen Bernhard Förster und Elisabeth Nietzsche [1885] wurde das Haus Franziska Nietzsches am Weingarten 18 in Naumburg Propagandazentrum für Neu Germania." (Kraus 153)
______________

Am 7. Januar 1889 bricht Friedrich Nietzsche in Turin auf der Straße zusammen. Es folgen Aufenthalte in Basel und bei Professor Binswanger in Jena. Am 13. Mai 1890 holt die Mutter den Schwerkranken nach Naumburg.
Anfangs kann er noch regelmäßige Kontakte mit den befreundeten Familien Krug und Pinder pflegen. Bisweilen kamen Professor Heinze und Frau aus Leipzig zu Besuch. Von der Veranda aus hörte er gern die Promenadenkonzerte im Bürgergarten. Manchmal spielte er noch selbst Klavier. Nach dem Frühstück ging seine Mutter oft mit ihm im Bürgergarten spazieren. Rentner Tittel, Mieter mit freier Kost und Logie, begleitete sie und achtete auf die Sicherheit. Er ging aber immer in gebührendem Abstand hinter ihnen. Friedrich durfte es nicht merken oder wissen. Nietzsches Mutter bezog jährlich eine Pension von 300 bis 400 Mark. Auf dem Haus lag eine Hypothek. Franziska Nietzsche vermietet in ihrem Haus am Weingarten das Erdgeschoss, meist an Herren vom Gericht. Als Nietzsche im Haus krank dar nieder lag, und sich das Mitleid für die Wirtin und den kranken Sohn erschöpft hatten, blieben freilich die Mieter aus. Friedrichs Zustand verschlechtert sich. Im Sommer 1897 erfolgt mit einem eigens bestellten Salonwagen der Eisenbahn die Übersiedlung nach Weimar in die "Villa Silberblick", heute Humboldtstraße 36. Nur Weimar erschien seiner Schwester Elisabeth als Sterbeort angemessen.

1932 besucht Hitler das Nietzsche-Archiv in Weimar. Hier begrüsst ihn Nietzsches Schwester Elisabeth. Sie schenkt ihrem Bewunderer den Spazierstock ihres Bruders. Ein Foto zeigt Hitler vor der Büste seines philosophischen Mentors. Reichsjugendführer Baldur von Schirach notiert unter einem Bild im Nietzsche-Archiv in Weimar: "Der Führer an der Büste des deutschen Philosophen, dessen Ideen zwei große Volksbewegungen befruchteten, die nationalsozialistische Deutschlands und die faschistische Italiens.“ Alfred Rosenberg erhob Nietzsche, neben Richard Wagner und Houston Stewart Chamberlain, zum „wirklichen Ahnen des Nationalsozialismus“.

 

Mit dem „Übermenschen“ und der „Umwertung aller Werte“ dient sich der Gelehrte allemal jeder aristokratischen Elite an. In der Fröhlichen Wissenschaft (1882) und in seinem Hauptwerk Also sprach Zarathustra (1885) gebiert er die Gedanken zum „besten Tod“ und der „Ausscheidung der Schwachen“. Wohl kann und darf man Nietzsche deshalb nicht als Nationalsozialisten bezeichnen. Doch spiegeln sich in seinem Werk die antidemokratischen Tendenzen von Teilen des Bürgertums und der Elite. Die Philosophie mit dem Hammer (Götzen-Dämmerung) prägt das rechtsnationale, konservative und antiliberale Bildungsbürgertum, wie auch reaktionäre, nationalkonservative und profaschistische Kreise bis hinein nach Großbritannien, Frankreich und Italien.

Nietzsches Ausfälle gegen die Juden sind nicht tolerierbar und die antihumanistischen Sentenzen erfordern eine kritische Distanz. Wie gehen wir nun damit in der Stadtgeschichte um? Wir ehren in der Jüdengasse die Opfer der militärisch-industriellen Judenvernichtung und fünfhundert Meter davon entfernt im Weingarten ein Genie des deutschen Geisteslebens mit antisemitischen Tendenzen. Warum wird der Besucher des Nietzsche-Hauses im Weingarten darüber nicht sachlich informiert? Noch besser wäre der Versuch einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Schaffen.

Was ist hieran so schwierig, fragt man sich. Eine  k r i t i s c h e  Aneignung unserer Meisterdenker von Aristoteles über Karl Marx bis John Maynard Keynes gehört zu den Selbstverständlichkeiten in unserer Kultur und gelingt doch im Ganzen auch. Warum immer diese Schwierigkeiten mit Nietzsche oder der Skandal um Paul Schultze-Naumburg!

 

 

 

Liste:
Juden in Naumburg 1933-1945

Max Ahlfeld, geboren am 2. Februar 1872 in Harzgerode, Buchholzstraße 21, mit Frau 1938 nach Berlin, am 8. Dezember 1938 ausgewandert nach Brasilien

Werner Anders, Breithauptstr. 8

Werner (richtig: Walter) Becker, Weißenfelser Str. 29, 1938 nach Harzgerode, ausgewandert (?)

Martha Bill, Steinkreuzweg 11

Erna Blauberg, Große Jakobsstr. 21

Lotte Blauberg, Große Jakobsstr. 21

Anna von Chaullin-Egersberg, Buchholzstr. 32

Gertrud Czaskowski, Kleine Jakobsgasse 2

Oaule Dehme, Steinkreuzweg 11

Betty Gross, Salzstr. 40, September 1938 in die USA ausgewandert

Eva Gross, Große Salzstr. 40, 1942 nach Halle, 1943 ins KZ Sobibor deportiert

Josef Salomon Gross, Salzstr. 40, 1942 nach Halle, 1943 ins KZ Sobibor  deportiert

Annemarie Gutkindt, Rossbacher Straße 5d, 1942 nach Halle, 1943 „nach Osten“ deportiert

Gustav Gutkindt, Rossbacher Straße 5d, 1942 nach Halle, Am 27.2.1943 in das KZ Theresienstadt deportiert

Jenny Gutkindt, Rossbacher Straße 5d, 1942 nach Halle, Am 27.2.1943 ins KZ Theresienstadt deportiert, hat überlebt

Ernst Heilbrunn, Schönburger Str. 20, 1938 nicht mehr in Naumburg

Johannes Herz, Jenaer Str. 16

Otto Hollaender, Spechsart 5, im April 1933 nach Paris ausgewandert

Kurt Jänicke, Klingerplatz 19

Fritz Jonas, Herrenstr. 15/16, 1938 nach Leipzig, am 21.4.1942 in dass KZ Riga deportiert

Lotte Jonas, Herrenstr. 15/16, 1938 nach Leipzig, am
21.4.1942 in das KZ Riga deportiert

Arved Klein, Marienstrasse 15, 1938 ausgewandert nach Palästina

Ellen Klein, Marienstrasse 15, März 1939 ausgewandert nach Holland

Gernot Klein, Große Neustrasse 2, umgekommen (?)

Hugo Klein, geboren am 18. November 1884 in Wirsitz (Polen), Marienstraße 15, ausgewandert am 25. April 1939 nach Shanghai

Norbert Klein, Marienstrasse, 15. März 1939 ausgewandert nach Holland

Helena Klemann, Ulrich-von-Hutten-Strasse 2

Mathilde Küntzel, Grochlitzer Strasse 34

Harry Kißner, Buchholzstrasse 43/44

Adolf Landsberg, Kösener Strasse 27

Elly Landsberg, geboren 1873, Mädchenname Mockrauer, Kösener Str. 27, 1942 nach Halle, 27. Februar 1943 ins KZ Theresienstadt deportiert, sie kam 1944 ums Leben (Mord?)

Julius Landsberg, Lepsiusstrasse 4

Konrad Landsberg, Rechtsanwalt, geboren am 24. März 1901 in Posen, Kösener Str. 27, am 8. August 1933 nach Scheveningen (Holland) ausgewandert

Margarete Latowsky, Eupener Strasse 22

Gertrud von Ledebur, Eupener Strasse 22

Sigmund Mannheimer, Rossbacher Str. 4, ausgewandert in die USA am 31. August 1938 nach New York

Simon Mannheimer, Rossbacher Strasse 4, ausgewandert in die USA

Max Mannheimer , Rossbacher Strasse 5d, geboren 7. Februar 1902      in Naumburg, ausgewandert am 31. August 1938 nach New York

Babette Mannheinmer, geboren am 2. Juli 1906 in Naumburg, Rossbacher Straße 5 d, am 21. September 1937 nach York ausgewandert

Paul Marcus, geboren am 17. Mai 1873 in Dresden, Kaufmann, Markt 15, am 29. Februar 1936 nach Haifa (Palästina) ausgewandert

Heinz Marcus, Kaufmann, geboren am 10. April 1911 in Naumburg, Markt 15, am 29. Februar 1936 nach Haifa (Palästina) ausgewandert

Ernst Nähler, Grochlitzer Strasse 49

Edith Naumann, Kleine Jakobsstrasse 20

Martin Neugedachter, Buchholzstr. 21, mit Frau und zwei Kindern, nach England ausgewandert (?)

Heinz Kurt Peller, Friedenstr. 4

Max Peller, Friedenstr. 4

Rubin Peller, Friedenstr. 4

Elfriede Pohle, Kleine Fischgasse 8

Gisela Pohle, Kleine Fischgasse 8

Jean Pohle, Kleine Fischgasse 8

Gerhard Radt, geboren am 28. März 1904 in Burg, Sedanstr. 5,      ausgewandert am 2. Juli 1933 nach Haifa (Palästina)


Anna Riemschneider, Bürgergartenstr. 5, seit 1939 in Kleinmachnow

Artur Samter, Parkstr. 21, 1937 nach Berlin, Februar 1943 im KZ Auschwitz umgebracht

Franziska Schilder, Große Jakobsstr. 27

Maria Schilder, Große Jakobsstr. 27

Erna Stern, Dietrich-Eckardt-Str. 32

Hans Stern, Dietrich-Eckardt-Str. 32



Quellen:

Martin Onasch: Verfolgungen von Juden in Naumburg 1933-1945. Eine Liste der von den Rassengesetzen betroffenen Bewohner. In: Saale-Unstrut Jahrbuch, 1. Jahrgang, 1996, Seite 96 ff. - - In kursiver Schrift Vervollständigung durch Detlef Belau am 18. Mai 2011.

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C  100. Handelskammer Halle, Nummer 1130

Stadtarchiv Naumburg (Saale)

 

Anmerkung:

Mit den in dieser Liste vorliegenden Informationen sollte man umsichtig umgehen. Ihre Nutzung erfordert tiefere Kenntnisse über die Lebensläufe und Aktivitäten der genannten Personen in der Zeit von 1933 bis 1945.

 

 

 

 

Ausgleichsabgabe für den Kauf des Grundstücks Herrenstraße 16./17 am 5. November 1938 durch Luise Hoffmann. Siehe hierzu: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 48 I f, Nr. 92 h 1

Bernd, Hans Dieter: Die Beseitigung der Weimarer Republik auf "legalem" Weg. Die Funktion des Antisemitismus und der Agitation der Führungsschicht der DNVP. Dissertation. Angefertigt im Fachbereich ESGW. Neue Deutsche Geschichte, Fernuniversität Hagen. Aachen, Dezember 2004

[Cremer, Dr. Rechtsanwalt Carl: Rede. Zitiert nach:] Die erste öffentliche: Versammlung: der Deutschen Volkspartei, Ortsgruppe Naumburg. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 13. Dezember 1919

Der Landesbischof der thüringischen evangelischen Kirche. Eisenach, den 3. Dezember 1938. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 48 I e, 1172

Der Wahlaufruf der Deutschnationalen Volkspartei. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 25. November 1924

[DNVP] Der Wahlaufruf der Deutschnationalen Volkspartei. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 25. November 1925

Gisske, Dr. Winfried: Der Neue - Erinnerungen an das Domgymnasium. Internet-Seite des Stadtmuseums Naumburg, Januar 2006

[Gedenkbuch] Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle (Saale). http://www.gedenkbuch.halle.de/gbdatensatz.php?num=334 - 15. Januar 2011

Grundsätze der Deutschnationalen Volkspartei vom Jahre 1920. In: Werner Liebe: Die Deutschnationale Volkspartei 1918 bis 1924. Droste Verlag, Düsseldorf 1956, Seite 112 bis 119

Handel und Handwerk im politischen Soldatentum des Führers. Versammlung der NS-Hago und Reichsbetriebsgemeinschaft Handel und Handwerk in Naumburg. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 15. Oktober 1935

[Hertel, Richard] Sondergerichtsanklage. Der Oberstaatsanwalt als Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergericht. Anklageverfasser: Staatsanwalt Dr. Rowohlt. 2a SG Js 60/44 J, Halle/Saale 20. April 1944, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Akte C 134 S G Halle Sondergericht 832/2, Staatsanwaltschaft

Hollaender, Anja (Niederlande): Briefe an Detlef Belau in Naumburg an der Saale, 17. Juli 2009 bis März 2010

Hollaender, Anja (Niederlande): Rede am Grabe von Christoph Hollaender, 2009

Hollaender, Ludwig. Personalblatt. Archiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz (2010)

[KdgM 1] Brief vom Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes. Arbeitsgemeinschaft deutscher Geschäftsleute - Ortsgruppe Naumburg (Saale) vom 13. April 1933 an den Magistrat der Stadt Naumburg (Saale) mit Verfügung von Roloff vom 19. April 1933. In: Allgemeine Verfügung des Oberbürgermeisters 1931 bis 1937. Stadtarchiv Naumburg (Saale), Signatur 8545

[KdgM 2] Brief vom Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes. Arbeitsgemeinschaft deutscher Geschäftsleute - Ortsgruppe Naumburg (Saale) vom 13. April 1933 an den Magistrat der Stadt Naumburg (Saale) mit Verfügung von Roloff vom 19. April 1933. In: Allgemeine Verfügung des Oberbürgermeisters 1931 bis 1937. Stadtarchiv Naumburg (Saale), Signatur 8545

Kraus, Daniela: Bernhard und Elisabeth Försters NUEVA GERMANIA in Paraguay. Eine antisemitische Utopie. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Dezember 1999

Krause, Clemens und Susane Meinicke: Zur Geschichte der Juden in Halle (1933-1945) - eine Bilanz. In: 300 Jahre Juden in Halle. Leben - Leistung - Leiden - Lohn. Herausgegeben von der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Mitteldeutscher Verlag, Halle 1992, Seite 83 ff.

Landsberg, Adolf. Brief an den Herrn Führer und Reichskanzler, Naumburg, den 16. November 1935. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 48 I e, 1172

Lebenslauf von Otto Hollaender, Naumburg a. S. 1907. Archiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz

Liebe, Werner: Die Deutschnationale Volkspartei 1818-1924. Droste Verlag, Düssedorf 1956

Liste der im Stadtbezirk Naumburg ansässigen Juden. [Dokument ohne Datum. Nach Rücksprache mit dem Archiv wahrscheinlich 1938 erstellt.] Archiv der Stiftung Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum CJA 2A2, Nr: 2769

Marum-Lunau, Elisabeth: Auf der Flucht in Frankreich, Hentrich & Hentrich, Juli 2000

Noack: Entjudung der deutschen Anwaltschaft. In: Juristische Wochenschrift, 67 (1938) 45, Seite 2796 f.

Der Oberbürgermeister, als Leiter der Ortspolizeibehörde, Tgb. Kr. P., Naumburg, den 20. Dezember 1935, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 48 I e, 1172

Onasch, Martin: Erläuterung zu einer Namenstafel jüdischer Opfer in Naumburg am 19.1.1994 vor dem Hauptausschuß der Stadt Naumburg. Naumburg, den 22.1.1994, 6 Seiten, unveröffentlicht

Onasch, Martin: Die Ausweisung der Juden aus Naumburg vor 500 Jahren. Vortrag am 14. Mai 1994 in der Marienkirche zu Naumburg, unveröffentlicht

Onasch, Martin: Verfolgung von Juden in Naumburg von 1933-1945. Eine Liste der von den "Rassengesetzen" betroffenen Bewohner. In: Saale-Unstrut Jahrbuch, 1. Jahrgang 1996, Seite 92 bis 94

Onasch, Martin: verfolgt - vertrieben - umgebracht. Naumburger Juden 1933-1945. Aus: Saale-Unstrut Jahrbuch. Jahrbuch für Kulturgeschichte und Naturkunde der Saale-Unstrut Region, Druckhaus Naumburg GmbH, 4. Jahrgang 1999, Seite 91 bis 100

[Ostjuden-Kampagne] Die Ostjudenfrage. "Berliner Organ der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Berlin, den 1. Juli 1920

Ossietzky, Carl von: Antisemitien. Die Weltbühne. Berlin, 19. Juli 1932. In: Carl von Ossietzky: Rechenschaft. Publizistik aus den Jahren 1913-1933. Aufbau Verlag, Berlin und Weimar 1970, Seite 292 bis 306

[Rieling, Werner] Rechtsanwalt Dr. Rieling über die Judenfrage, Vortrag im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, Ortsgruppe Naumburg. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 2. Februar 1935

[Roloff] Der Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde Tgb. Nr. P.V. 105, Naumburg, den 29. August 1933, an den Regierungspräsidenten in Merseburg, unveröffentlicht

Rosenberg, Alfred: Wesen, Grundsätze und Ziele der NSDAP. Herausgegeben und erläutert von Alfred Rosenberg , Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher, Nachf. , München 1943

Rühlmann, H.: Zum Tageblatt-Artikel über die Pogrom-Nacht. In: "Naumburger Tageblatt", Burgenland, Naumburg, den 8. Dezember 1994

Saab, Karim. [Thema: Die Juden zur Nazizeit in Naumburg. Titel des Aufsatzes nicht eindeutig lesbar. Der erste Satz lautet: "Ich möchte Ihnen erzählen, was ich im Verlauf der vergangenen Woche über den Hergang der Kristallnacht in Naumburg und über das Schicksal der Juden in Erfahrung bringen konnte."] Schreibmaschinentext 6 Seiten, ohne Jahresangabe [um 1983], Stadtarchiv Naumburg, Einzeldokument. Der Autor lebt heute in Potsdam (2011).

[Schneider] Rassenpolitische Fragen, die jeden Einzelnen angehen. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 11. Juli 1935

[SE] [Sattelmacher, Paul:] Auszug aus den persönlichen Aufzeichnungen des Oberlandesgerichtpräsidenten Prof. Dr. Paul Sattelmacher (13.4.1879-1947), unveröffentlicht

The Central Database of Shoah Victims' Names

Verbrannt vergessen? Verband deutscher Schriftsteller, Recherche Regine Möbius, 2007, Seite 82

Verzeichnis der jüdischen Geschäfte die nach dem 31. Januar 1933 zwangsweise arisiert wurden. Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Archiv, Archivsignatur 2A2 74

 

Ich danke Frau Anja Hollaender (Niederlande) für die Überlassung der Fotos von ihrer Familie. Sie wurden digital bearbeitet, aber nicht inhaltlich verändert. - Januar 2010

Ich bedanke mich beim Archiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, für die allseitige Unterstützung der Forschung zur Familie Otto Hollaender. - 25. September 2010

Ich bedanke mich für ein Gespräch mit Herrn Aaron Guttstein aus Zeitz. Es trug zur Klärung einiger Fragen bei. Von ihm erhielt ich Bilder von Personen, die mit einem Stern [*] gekennzeichnet sind. - 2013

 

Autor: Detlef Belau        
                             

Geschrieben: April 2005.
 Aktualisiert: 9. März 2013

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