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Politische Berufsverbote.
Der Erste war Demokrat,
der Zweite Logenbruder und
der Dritte ebenfalls nicht einwandfrei.


Bereits um 1865 arrangierten Unternehmer in Reaktion auf die Organisationsbestrebungen der Arbeiterbewegung Berufsverbote. "Reiche Oekonomen und wohlhabende Kunden" trachteten dem Bürstenmacher F. Krall nach der wirtschaftlichen Existenz, weil er am 22. Juni 1864 in Naumburg zusammen mit dem Tischlergesellen August Schlag die Ortgruppe des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) ins Leben gerufen hatte. Seitdem bedrängte einige Bürger seinen Prinzipal, er möge ihn doch entlassen, andernfalls, drohten sie, werden sie nicht mehr bei ihm arbeiten lassen, und kaufen künftig woanders. Krall teilt sich am 26. Juli 1865 den Social-Demokrat in Berlin mit:

"Jene Leute hoffen und glauben nemlich, dass wenn ich gezwungen bin, Naumburg zu verlassen, kein Anderer mit der gleichen Ausdauer, Ernergie und demselben Geschick wie ich, ihren reaktionären Absichten und Wühlereien entgegen treten würde."

Sein Meister kündigte ihn. "… und ich bin jetzt," schreibt er im Social-Demokrat, "mit Weib und Kindern brodlos und soll Naumburg verlassen, da ich hier nirgends Arbeit finden kann." Bald darauf zogen sie nach Zeitz in die Rahnegasse 361. Zur Unterstützung des Umzugs spendete die Apoldaer Gemeinde freundlicherweise der Familie drei Taler für den Lebensunterhalt.

Vier Jahre später ereignete sich ein ähnlicher Fall der Maßreglung. Diesmal trifft es den Tischlermeister G. Klahre, Bevollmächtigter des Allgemeinen deutschen Arbeitervereines und Gewerkvereins der Holzarbeiter für Naumburg a. S. / Georgenberg.

Seit eh und je dienen Berufsverbote den Machthabern dazu, politisch missliebige Personen zu knechten und systemkritische Verhaltensweisen zu unterbinden. Initiert und organisiert werden die Drohungen, Schikanen und Freiheitsentzug von einem entsprechend ausgerichteten ideologischen Apparat des Staates.

Die Berufsverbote haben die Nationalsozialisten nicht erfunden. Sie übernahmen diese Sozial- und Repressionstechnik für ihre Zwecke und gossen sie in neue gesetzliche und institutionelle Formen. Zum Beispiel verbietet Paragraph 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 die Beschäftigung von "Nichtariern" im öffentlichen Dienst.

 

 

Berufsverbote per Gesetz

Aus den Reichstags- und Stadtratswahlen in der ersten Märzhälfte 1933 geht die Nationalsozialistisch Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) als Sieger hervor. Als wichtigstes Instrument zur Säuberung der Stadtverwaltungen und des übrigen öffentlichen Beschäftigungssektors dient das

Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
vom 7. April 1933.

Es erlaubt die Entfernung von SPD und KP-Mitgliedern, Juden und Andersdenkenden aus dem öffentlichen Dienst. Sofort beginnt der Austausch des Führungspersonals. Verwaltungen, Post, Bahn und Schulen werden von System-Beamten - wie es damals hiess - gesäubert.

 

 

Dokument der Stadtverwaltung Naumburg (Saale)

Stadtarchiv Naumburg, Allgemeine Verfügungen des Oberbürgermeisters 1931 bis 1937, Signatur 85 45

 

Der NSDAP-Kreistagsabgeordnete Alfred Pape stellt auf der konstituierenden Sitzung des Kreistages Weißenfels am 12. April 1933 den Antrag,

Landrat Dr. Zimmermann

gemäß § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums abzulösen. Dem Antrag wird mit siebzehn zu sechs Stimmen entsprochen.

1933 müssen bei weitem nicht alle von den Nazis gewünschten personellen Veränderungen mit staatlicher Gewalt oder Druck herbeigeführt werden. Einige SPD-Mitglieder trugen doppelte Mitgliedsbücher in der Tasche. In der Hauptsache betraf dies Beschäftigte der Stadtverwaltung. Nach der Wahl vom 5. März zerrissen sie ihre SPD-Mitgliedsbücher und wurden legale Mitglieder der Nazipartei, berichtet Eugen Wallbaum (1950). Persönlichkeiten mit dem politischen Charme von Doktor Heinrich Lemcke dürfen im Amt bleiben. Er empfahl sich bereits lange vor dem Machtantritt der NSDAP mit dem Bekenntnis zur Dolchstoß-Legende und Stigmatisierung der November-Verbrecher für das neue System. Als Direktor der Städtischen Oberschule für Jungen (heute Theaterplatz) unternimmt er besondere Aktivitäten auf dem Gebiet der Rassenpflege. Derartige politische Leistungen hat der Lehrer und Sozialdemokrat Friedrich Blüthgen nicht aufzuweisen, weshalb ihn die NSDAP [12] aus dem Schuldienst entfernt.

Unruhe in der Stadt? Aufbegehren? Ausgeschlossen, es geschah doch nur, was die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands schon lange vorher angekündigt hat.

Alle die in Opposition zum Nationalsozialismus stehen sind ohne berufliche Aufstiegschancen. Und das gilt nicht nur für die Stadtverwaltung, Post oder Bahn. Deshalb sind Parteiübertritte und Wendemanöver in diesen Tagen nichts Besonderes. Am Tage nach der Machtübergabe an die Nazis trifft der Sozialdemokrat Karl Marien (1958) den ehemaligen Vorsitzenden des Arbeiterrates und (Mit-) Gründer der USPD Naumburg, den Maler Heinrich „und noch zwei andere Genossen“ in SA-Uniform, vor dem Postamt in Naumburg. An den politischen Verhältnissen der Diktatur sind viele Beziehungen und Freundschaften zerbrochen ….

 

KPD

„Am 6.4.1933 wurde ich von der Eisenbahn entlassen“, schreibt das KPD-Mitglied Karl Bley in seinen Erinnerungen. Für eine Entlassung reichte es allerdings schon, wenn man mit den Kommunisten (KPD) sympathisierte oder Kontakte mit den Freidenkern unterhielt.

Im Frühjahr und Sommer 1933 sucht man in der Stadtverwaltung Naumburg und in den öffentlichen Institutionen nach Kommunisten und Sozialdemokraten. Von einigen ihrer Abteilungen finden sich im Stadtarchiv schriftliche Meldungen, worauf geschrieben steht:

Keine Kommunisten beschäftigt.

Hierbei handelt es sich um eine besondere Form symbolischer Politik, denn niemand konnte ernsthaft daran denken, bei der Ortspolizeibehörde oder Stadtverwaltung Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die fast ausschliesslich dem Stand der Handarbeiter angehörten, zu finden. Wenn dann die Gemeindepolizei gar dem Bürgermeister meldet:

„Keine Kommunisten im Dienst“,

nimmt die Diktatur bizarre Züge an.

In der konstituierenden Sitzung des Kreistages Weißenfels am 12. April 1933 macht der neue NSDAP-Landrat Alfred Pape ein besonderes Angebot:

„Auch im Marxismus befindet sich eine große Zahl von Menschen, die anständig und wert sind, in die deutsche Volksgemeinschaft aufgenommen zu werden.“

 

SPD

Vom 24. Juli 1933 datiert im Runderlass des Ministers des Inneren, wonach alle Sozis aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden sollen. Im Schreiben des Mitteldeutschen Arbeitgeberverbandes öffentlicher Verwaltung und Betriebe e. V. vom 3. August 1933 an die Stadtverwaltung Naumburg betreffs

„Zugehörigkeit von Beamten, Angestellten und Arbeitern zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“

fordert man nochmals den Ausschluss der SPD-Mitglieder aus der Beamtenlaufbahn, weil dies mit einer landesverräterischen Tätigkeit nicht vereinbar ist. Der Mitteldeutsche Arbeitgeberverband verlangt die Meldung der sozialdemokratischen Beamten.

 

 

(Abschrift)

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Gau Halle Merseburg
Kreisleitung Naumburg
Geschäftsstelle

 

                  Naumburg S., den 24. August 1933

An
Magistrat der Stadt Naumburg

„Von der Führung der SA. wird uns mitgeteilt, daß von der Stadt noch folgende marxistisch eingestellte Personen beschäftigt werden:

Limmer, Kaiser-Friedrich- Straße 21 (Elektrizitätswerk)
Müller (Gaswerk)
Klose, ( “ “ )
Fillies, (Elektrizitätswerk)
Eichstädt, Rudolf ( “ “ )
Eichstädt, (Sparkasse)
Herfurth, Oberstadtsekretär (Magistrat)
Hoffmann, Walter, Georgentor 17 (Elektrizitätswerk)
Unbehaun, (Wohlfahrtsamt)

Wir bitten um Prüfung und zutreffendenfalls sofort dafür zu sorgen, dass diese Leute durch national einwandfreie aus dem Kreis der SA. bezw. N.S.D.A.P. ersetzt werden.

[Stempel] Heil Hitler! Lehmann, Adjutant.“

 

 

Der Oberbürgermeister fordert am 23. Oktober 1933

Alfred Fillies

auf, seine Verbindung zur SPD und ihren Hilfsorganisationen darzulegen. Er geht davon aus, dass sein Mitarbeiter bis zum 1. März 1933 der SPD angehörte. Der Betroffene erklärt am 9. Oktober 1933, dass er keiner Verbindung mehr zur SPD und ihren Hilfsorganisationen unterhält. Der Name Alfred Fillies findet sich in einem Stellenplan des Elektrizitätswerkes von 1935 wieder.

 

Doktor Robert Sommer (1883-1956) war von 26. Juli 1932 bis September 1943 Regierungspräsident von Merseburg. Er stammte aus dem Mansfelder Seekreis (Volkmaritz) und besuchte das Gymnasium in Dessau. Anschließend Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft in Freiburg / Breisgau, Berlin und Halle. Seit 1904 Referendar. Im Ersten Weltkrieg Offizier an der Westfront. Eisernes Kreuz I. und II. Klasse. Mitglied der DVP. Seit 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP. Obgleich sich genügend Belege, die ich auf Grund meines Themas nicht systematisch suchte, dafür finden, dass er massive Repressionen gegen politisch Andersdenkende ergriff, wurde er ab 1. August 1945 Leiter der Abteilung Finanzen der Provinzialverwaltung der Provinz Sachsen. Zwischenzeitlich war er gar Oberbürgermeister von Merseburg. Im Juni 1946 wurde er pensioniert.

 

Am 6. Mai 1933 beurlaubt der Regierungspräsident von Merseburg Dr. Sommer, den Lehrer und aktiven Sozialdemokraten

Friedrich Blüthgen.

Am 22. Juni 1933 stellt die NSDAP-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung einen Dringlichkeitsantrag an den Magistrat der Stadt. Unterzeichner sind Martin Schmidt, Roland Langermann und Max Richter. Sie fordern darin, dem Regierungspräsidenten vom Merseburg mitzuteilen, dass der Lehrer Friedrich Blüthgen als Lehrer wegen „marxistischer (sozialdemokratischer) Betätigung“ "nicht tragbar" ist. Mit dem 3. November 1933 teilt das Regierungspräsidium Merseburg die Entscheidung des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung mit, dass Friedrich Blüthgen aus dem öffentlichen Schuldienst unter Gewährung des ihm zustehenden Ruhegehalts zu entlassen ist.

Oberlandesgerichtsrat Dr. rer. nat. h. c. Paul Blüthgen, geboren am 25. August 1880 in Mühlhausen, Senatspräsident am OLG, Richter, Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Zoologie, verwendet sich am 1. Juni 1945 für den zwangspensionierten Lehrer beim Magistrat Naumburg mit der Anfrage, „ob es nicht angängig und im Interesse der Wiedergutmachung früheren Unrechts angezeigt oder geboten erscheint, den Mittelschullehrer wieder in den Schuldienst zu übernehmen.“ Blüthgen übernimmt mit einem monatlichen Gehalt von 681,87 Reichsmark ab 1. Oktober 1945 als Rektor die Leitung der Salztorschule (Schulstraße).

 


Rücktritt von Doktor Walter Kranz

Am 1. April 1928 wird der Philologe Doktor Walter Kranz (1884-1960) zum Rektor von Schulpforta berufen. Im gleichen Jahr kommt der junge Studienassessor Dr. Vorbrodt als Lehrer und Erzieher an die Schule. Er vertritt deutsch-völkische, antisemitische Überzeugungen und inszenierte eine bösartige und gemeine Kampagne gegen seinen Chef (vgl. Doerfel, Dr. Fichtner). NSDAP-Kreisleiter Uebelhoer war´s schon recht. Die Naumburger NSDAP Kampf-Postille Der Wecker vom 11. August 1933 hetzt:

„An der Spitze der berühmtesten Schule Deutschlands mußte ausgerechnet ein Jude stehen. Nur ein Jude konnte zweifelsfrei berufen sein, das Erbe einer Pflanzstätte deutschen Wesens sorgsam zu hüten und eine alte Tradition würdig fortzusetzen." (Zitiert nach Schulpforta 1993, 93)

"Rektor Kranz scheint", schlussfolgert Marianne Doerfel (421), "sich gegen die Intrigen des im übrigen als sehr befähigt geltenden Lehrers nicht rechtzeitig und energisch gewehrt zu haben, obwohl dessen homosexuelle Neigungen disziplinarisch Massnahmen gerechtfertigt hätten."


Walther Kranz

geboren am 23. November 1884, erwarb 1903 am Bismarck-Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf das Reifezeugnis. Darauf folgt die Studienzeit im Fach klassische Philologie in Göttingen und Berlin bis 1907. Anschließend Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim 5. Garde-Regiment. 1911 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Berlin. Im Ersten Weltkrieg Offiziersstellvertreter und Leutnant. Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse. 1915 schwer verwundet (Beinverletzung). Ostern 1928 übernimmt er als Oberstudiendirektor die Leitung der Internatsschule Pforta. Die Universität Halle ernennt ihn 1932 zum Honorarprofessor für Didaktik der alten Sprachen. Naumburgs Nationalsozialisten hetzen im Frühjahr 1933 gegen ihn. Er war kein Jude, wie die Nazis vorgaben, lässt sich aber daraufhin beurlauben. Am 4. April 1935 erhält er schließlich eine Stelle als Studienrat an der Lateinischen Hauptschule in Halle. (Vgl. Dorfmüller 80) Im Juli 1937 verliert er wegen seiner jüdischen Frau die Lehrberechtigung und wird zwangspensioniert. 1943 Flucht in die Türkei. Anstellung bei der Universität Istanbul. 1950 Professor für Geschichte der Philosophie und klassische Philologie. Von 1950 bis 1955 lehrt er als Honorarprofessor Didaktik der alten Sprachen an der Universität Bonn. Jeder Philosophiestudent kennt das Buch von Hermann Diels und Walther Kranz "Die Fragmente der Vorsokratiker" (1903 / Zürich 1985).

Walter Kranz stirbt 1960.

 

Unmittelbar nach dem 390-jährigen Stiftungsfest im Mai 1933 reicht Walter Kranz seinen Rücktritt ein (Vgl. Doerfel).

Kranz war keine Jude, aber, wie es die Nazis nannten, "jüdisch versippt". Die jüdische Abstammung seiner Frau hat den Abschied vom Rektorat zum 1. Oktober 1934 und schließlich seine Pensionierung 1937 zur Folge. 1943 erreicht ihn ein Ruf der Universität Istanbul, den er am 1. April 1944 annehmen kann. (Vgl. Mensching 37)

Im übrigen war ihm nichts vorzuwerfen. Immerhin kam Kranz 1928 mit einer Empfehlung seines Lehrers, den erzkonservativen Ulrich von Willamowitz-Moellendorff (1848-1931) an die Schule. Wie eine Festrede von ihm dokumentiert, definiert er die Aufgabe der Schule bei der Herausbildung der Elite ganz staatstreu. Sie befähigt die Schüler mit dem Glauben an Gott „nicht nur das Elend der Zeit zu ertragen, sondern zu überwinden und Meister und Mitgestalter der Zeit zu werden“. Er spricht von der Schwere und dem Segen des Pfortners, weil wir vom Standpunkt der Mitverantwortlichen herantreten. (Vgl. Kranz 1932)

 

 

Fritz Weidner und Max Bischof bleiben im Amt (1934)

„Bezüglich der an der Berufsschule beamteten Lehrkräfte hat der Magistrat lediglich hinsichtlich des Direktors [Max] Bischoff [Jenaer Straße 22] und des Gewerbeoberlehrers [Fritz] Weidners [Bürgergartenstraße 22] Bedenken“, heißt es im Beschluss des Magistrats vom 3. August 1933. „Beide Herren waren seit der Umwälzung im Jahre 1919

immer im demokratischen Sinne tätig

und sind für die demokratische Partei [DDP] und später Staatspartei [DStP] stets eingetreten. Hinsichtlich des Gewerbeoberlehrers Weidner wird auf die anliegende beglaubigte Abschrift aus dem Protokoll über die Lehrerkonferenz vom 17. März 1931 Bezug genommen. Weidner hat durch die Art und Weise, wie er die Bürgerkunde seinen Schülern erteilte, wiederholt in nationalen Kreisen Anstoß erregt.

Dann teilt aber der Regierungspräsident von Merseburg am 5. April 1934 im Auftrag des Ministers für Wirtschaft und Arbeit mit: Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums §§ 2 bis 4 ist auf Weidner und Bischoff nicht anzuwenden.

 

Haben Sie Erbarmen!

Feuerwehrmann Erwin Freitag, geboren am 13. Mai 1898 in Stuttgart, seit dem 24. Mai 1924 in den Städtischen Gaswerken beschäftigt, erhält am 7. Juli 1933 durch Bürgermeister Roloff wegen seiner Mitgliedschaft im proletarischen Freidenkerverband und der Betätigung in der verbotenen KPD seine Kündigung. Er wird darauf hingewiesen, dass eine Beschwerde beim Regierungspräsidenten möglich ist.

„Die Kriminalpolizei berichtet unter dem 28. und 30.10.1933, dass Freitag bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Veranstaltungen der KPD verboten wurden, häufig kommunistische Versammlungen besucht habe und das er bei öffentlichen Aufzügen der K.P.D. im Zuge mitmarschiert sei.“ (Freitag 9.11.1933)

Der Entlassene war vom 1. August 1930 bis 1. Februar 1933 Mitglied der KPD. Demgegenüber ist zweitrangig, dass er im Ersten Weltkrieg tapfer in der 2. Batterie des Feldartillerieregiments 238 kämpfte. In seiner handschriftlichen Erwiderung auf die Kündigung schreibt der Mann aus der Oststraße 23 am 20. Juli 1933 an den Regierungspräsidenten:

„Haben Sie Erbarmen mit meinen sechs Kindern.“ (Freitag 1933)

Karl Roloff antwortet am 27. Juli 1933:

„Freitag ist als Feuerwehrmann in unserem Gaswerk gewesen. Da es sich um einen lebenswichtigen Betrieb handelt, können sie sein verbleiben nicht verantworten.“

Aber der Feuerwehrmann kämpft weiter um sein Anstellungsverhältnis und wendet sich an den Regierungspräsidenten von Merseburg. "Freitag gibt in seinem Gesuch vom 20.7.1933 selbst an," schreibt Bürgermeister Roloff am 9. November 1933 in dieser Angelegenheit an den Regierungspräsidenten,

"er sei marxistisch eingestellt. Er kann nicht leugnen, nicht nur Marxist, sondern sogar Kommunist gewesen zu sein." (Freitag 9.11.1933)

Schließlich erhält Erwin Freitag antwort vom Preußischen Minister des Inneren: "Ihre Beschwerde vom 20. Juli 1933 gegen die Kündigung Ihres Dienstverhältnisses wird hierdurch abgewiesen. Dieser Bescheid ist endgültig. Das betreten der Dienstgebäude des Dienstberechtigten und der Aufsichtshörde aus Anlass von Vorstellungen gegen die Kündigung wird Ihnen verboten."

 

Rücknahme der Kündigung von Kurt Schwabe

Am 5. Juli 1933 kündigt die Stadtverwaltung von Naumburg dem Straßenbahnführer Kurt Schwabe (Moritzplatz 6 E) sein Dienstverhältnis. Ihm wird vorgeworfen dem Freidenkerverband anzugehören. Außerdem muss "angenommen werden", daß er "kommunistischer Tendenzen zumindestens nahe gestanden" (Bürgermeister Roloff) haben muss. Der Beschuldigte reagiert darauf mit einer Beschwerde beim Regierungspräsidenten. Nach eingehender Prüfung am 4. Oktober 1933 gibt er dieser statt und empfiehlt, nach Rücksprache mit der NSDAP-Gauleitung, die Aufhebung der Kündigung. Bereits am 18. Juli 1933 bescheinigte die Kreisgruppe des Stahlhelms Naumburg dem Strassenbahnfahrer, daß gegen ihn nichts einzuwenden ist. Da war gerade er gerade noch rechtzeitig, nach eigenen Angaben im März 1933, dem Wehrverband beigetreten. Kriminalkommissar Kasper von der Ortspolizeibehörde erhebt keine Einwände gegen ihn. Am 21. Dezember 1933 zieht der Magistrat der Stadtverwaltung die Kündigung gegen Kurt Schwabe zurück.

 

..... als Kommunist bekannt

In das Visier von Polizeioberkommissar Mollenhauer (Naumburg) gerät Willy Wetzel (Jägerplatz 1).

„Wetzel ist mir persönlich als Kommunist bekannt“,

schreibt Polizeikommissar Mollenhauer von der Ortspolizeibehörde Naumburg am 21. August 1933 an den Bürgermeister.

"Daß er nicht nur, wie die Kriminalabteilung berichtet, bis zum Jahre 1930 der KPD angehört hat, beweist allein die Tatsache, daß er bei der letzten Wahl von der KPD als Stadtverordneter vorgeschlagen worden ist. Außerdem unterhielt W. noch im letzten Jahre einen regelmäßigen Schriftwechsel mit dem kommunistischen Funktionär Schüchel von hier, der sich jetzt mit seiner Familie in Moskau befindet. … Diese Tatsachen dürften dem W. [Wetzel] ohne weiteres das Recht nehmen, sich noch weiter städtischer Arbeiter zu nennen.“ (Mitteilung, 21. August 1933)

Einmal mehr erfahren wir hier, dass politisch Andersdenkende in der Stadt schon lange überwacht werden. Über ihren Briefverkehr wusste die Polizei offenbar bestens Bescheid. Sie bewertete die Kandidaten der SPD und KPD zu den demokratischen Wahlen, die bis 1933 staatlich abgesegnet waren, als Staatsfeinde.

Großspurig lobt die Stapo ihre Ermittlungsarbeit, wie in den Lageberichten der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen 1933-1936 nachzulesen ist (siehe Lageberichte). Die politischen Kerndaten zu Personen sind zumeist Ergebnis der Sammlung von Informationen aus dem Stadtleben, die jedem politisch Interessierten ohnehin bekannt sein konnten. Überdies sind viele Angaben zu Sachverhalten und Personen von ihr nicht korrekt oder gar falsch.

 

Ich stehe daher jetzt
also unverschuldet vor dem Nichts
.

Almrich um 1930

Otto Paschke, Almrich, Hauptstraße 37 (1946 wohnhaft Topfmarkt 14), soll aus dem Wasserwerk im Almrich entfernt werden. Nach Auffassung des Oberbürgermeisters „steht außer Zweifel, dass Paschke marxistisch eingestellt war und sein Verhalten in der kleinen Gemeinde Altenburg vielfach berechtigtes Aufsehen erregte.“ (Uebelhoer, 17. 1.1934)

Der Maschinenmeister legt gegen seine Kündigung am 10. Oktober 1934 beim Minister des Inneren in Berlin Beschwerde ein:

„Meine Dienststelle wurde für unentbehrlich gehalten, da sie als Dauerstellung besetzt wurde. Sie konnte auch nicht … unbesetzt bleiben … Da eine Kündigung zur Vereinfachung oder Einschränkung gar nicht in Frage kam, wurde ich im Jahre 1921 vom Magistrat der Stadt Naumburg/S. aus der Arbeitslosenversicherung sowie aus der Krankenversicherung herausgenommen. Ich stehe daher jetzt also unverschuldet vor dem Nichts.“

 

Gesetz zur Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums
vom 7. April 1933

§ 4. Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden. Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen. Von dieser Zeit an erhalten sie drei Viertel des Ruhegeldes (§ 8) und entsprechende Hinterbliebenenversorgung.

§ 6. Zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte in den Ruhestand versetzt werden, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind. Wenn Beamte aus diesem Grunde in den Ruhestand versetzt werden, so dürfen ihre Stellen nicht wieder besetzt werden.


Im Fall Paschke wird deutlich, worum es geht, nämlich nicht schlechthin um die Mitgliedschaft in der KPD oder SPD, sondern um politische Einstellungen und deren Sanktionierung. Ihm wird zunächst nach § 4 und auf seinen Widerspruch hin nach § 6 gekündigt.

Ein Brief von August 1933 an den Regierungspräsidenten von Merseburg, sorgfältig handschriftlich verfasst von Otto Paschke, Hauptstraße 37 (Almrich), städtischer Angestellter im Wasserwerk Almrich, gibt Aufschluss über die menschliche Dimension des Vorgangs. (Vgl. Paschke 19.8.1933) Der Werkmeister wehrt sich hierin gegen Vorwürfe und Anschuldigungen von ungeheuerlicher und zum Teil kurioser Art. Das Spektrum reicht vom Kauf unerwünschter Zeitungen über den Diebstahl eines NSDAP-Parteiabzeichens bis hin zu ganz persönlichen Schwierigkeiten des Lebens zwischen ihm und seiner Frau. Dieses Zeitdokument verrät einiges von der Verzweiflung des Betroffenen. Paschke kämpft vor allem gegen die Gerüchte an; die können seiner Kompetenz als Fachmann und seinem Ansehen schaden. Sie quellen vorzugsweise dort, wo es an Wissen fehlt und das Misstrauen wächst. Von seinem Arzt Dr. Roßberg erfährt er während der Sprechstunde, dass er unter Verdacht steht, im Wasserwerk Almrich eine Bombe legen zu wollen. „Ist die Kündigung dann nicht berechtigt?“ tuschelt man sich im Wohngebiet zu. Gerüchte kann man nicht widerlegen, wie etwa eine Verleumdung durch eine Klage vor Gericht. Helfen kann da nur ein eigenes Reputationssystem, daß kohärent zum neuen politischen System ist. Deshalb teilt der Wasserwerker dem Regierungspräsidenten mit:

„Ein Kommunist war nie mein Freund.“

Doch diese Botschaft gibt sich allzu devot und dem politischen Zweck gehorchend. Sogleich erläutert der Briefschreiber: „Es liegt im Milieu eines Dorfes, dass man im vorstehenden Falle“ - Abkauf einer kommunistischen Zeitung - „sich nicht so abweisend verhalten kann wie in einer Stadt“ (ebenda). Wegen derartig simpler Dinge, wie Zeitungskauf, Wortmeldungen bei Versammlungen oder Zusammensitzen mit anderen Menschen, gerät Paschke unter politischen Rechtfertigungsdruck. Das im Alltag vom vernünftigen Bürger geübte Prinzip der Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils gilt oft nicht mehr. Nie wurden die Mechanismen der sozialen Kontrolle des Stadtlebens so ausgebaut und zu politischen Zwecken ausgebeutet wie in der Zeit des Nationalsozialismus.

Mit dem in der Stadt herrschenden wilhelminischen Geist sind die Menschen dafür gut präpariert. Gewiss wenden sich bürgerlicher Reformgeist und die Arbeiterkultur mit ihrer Sport- und Freizeitbewegung in den zwanziger Jahren bereits gegen diese steife Lebensart. Doch die Zeit reicht nicht, eine neue Kultur des sittlichen Verhaltens reifen zu lassen. Insofern kann der Nationalsozialismus im städtischen Raum diese sozialen Verhaltensmuster für sich nutzen.

Jedenfalls werkelt der Wasserwerker Otto Paschke nun beflissen an einem neuen Referenzsystem, denn mit „Sozis“ und „Freidenkern“ kann man nun nicht mehr promenieren. Er sei, schreibt er, mit dem SS-Mann Werner Schmidt aus Almrich befreundet und bittet darum, seine „Entschuldigung“ dem Gruppenführer Zimmermann zu überbringen.

Wofür die Entschuldigung? Für einen falschen Zeitungskauf oder eine ungeschickte öffentliche Wortmeldung? Oder etwa für den vorgeblichen Diebstahl des NSDAP-Parteiabzeichens von einem Kollegen, das er sich - angeblich - nach dem Machtwechsel anstecken wollte?

Nun verwickelt sich der in seiner wirtschaftlichen Existenz Bedrohte bei seiner Erwiderung in Widersprüche.

„Ich bin ein Sozialdemokrat gewesen“,

schreibt Paschke. Und die Arbeit im Wasserwerk zusammen mit einem Kommunisten, einem Reichsbanner-Mann und Winterschen Aufwertungsmann war nicht leicht, berichtet er. Bei jeder Zurechtweisung im Interesse der Betriebsführung, so seine Erfahrungen, kamen Vorwürfe, dass er dies zu politischen Zwecken tue. Er wolle seine unmittelbare Arbeit im Wasserwerk frei von politischen Auseinandersetzungen wissen, weshalb er sich den Kommunisten und Reichsbanner-Mann vom Halse geschafft hat.

„Schon aus diesem Grunde war ich froh, daß seit 31. Januar `33 nur eine politische Meinung herrscht.“ Und überhaupt, war ich immer dafür und bin heute „vollkommen nationalsozialistischer Meinung“, „da ich einsehe, daß nur unsere jetzige, vom Volkskanzler geführte Regierung unserem Vaterland aus dem Sumpf der letzten Jahre wieder heraushelfen kann.“ (Ebenda)

So signalisiert der Angestellte im öffentlichen Dienst Bereitschaft zur Anpassung. Eine politische Wende? Nichts Spektakuläres. In Zeiten des Systemwechsels wiederholt sich dies immer wieder. Und unter dem damaligen enormen Druck der ökonomischen Verhältnisse hat dies eher etwas Gewöhnliches.

Otto Paschke verkennt, den Machthabern geht es mit seinem Rausschmiss nicht um ein Bekenntnis zum Führer. Vielmehr wollen sie ihm und alle anderen, die sich auch nur ansatzweise eine unabhängige politische Meinung leisten und dabei verdächtig hin zum linken politischen Lager orientieren, öffentlich abstrafen. Denn in Deutschland muss aufgeräumt werden, sagen die Nationalsozialisten!

Wie schrieb F. Krall aus Naumburg a. S 1865 an den Social-Demokrat: "Aber Schmach und Schande über so erbärmliches und verächtliches Treiben!"

 

 

Bürodirektor Gustav Hübner

1937 geht der Oberbürgermeister gegen den Verwaltungsdirektor der Stadtverwaltung Gustav Hübner mit dem Jahrgang 1880 auf dem Buckel vor. Eigentlich wollte der Beamte jetzt kürzertreten und deshalb sein Amt niederlegen und das Standesamt nur noch stundenweise betreuen. Nichts da. Uebelhoer will ihn in den Ruhestand schicken. Denn:

„Hübner ist alter Freimaurer“!
(Vgl. Oberbürgermeister 21.1.1937)

Mitglied der Naumburger „Loge zu den drei Hammern“ (Neustaße, siehe Bild), gegründet 1749, ist auch der frühere Bürgermeister Arthur Dietrich. Einer „Loge“ gehörten beispielsweise Giuseppe Garibaldi, Johann Wolfgang von Goethe, Gotthold Ephraim Lessing, Franz Liszt, Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky an.

Was die Nationalsozialisten an den Freimaurern fürchten, erläutert der Sohn des Schriftstellers Gustav Freytag („Soll und Haben“, 1855) am Sonnabend, dem 24. Oktober 1936, auf einer Mitgliederversammlung der NSDAP in der „Post“ am Lindenring so:

„Ein wichtiger Bestandteil des Kodex der Freimaurer ist der Begriff der Menschheit und damit die Abkehr vom Volke. Wie ein Narkotikum kam es über die bürgerliche Welt. Der Krieg, die Einkreisung Deutschlands ist das Werk des Freimaurertums.“

Bereits am 22. Juni 1935 wird die Naumburger Loge aufgelöst (vgl. Stapo 1933a, 67). Das Gebäude in der Großen Neustraße (Bild) wird 1938 in eine Polizeistation umgebaut und beim Bombenangriff 1945 total zerstört.

Kriminalsekretär Paul Scholz von der Ortspolizeibehörde trägt dem Oberbürgermeister am 11. Januar 1937 als
                                         Dienstliche Äußerung
folgende Informationen zu:

„Bei der Überwachung der öffentlichen Zusammenkünfte ehemaliger Mitglieder der Loge Zu den drei Hammern in Naumburg (Saale), die jeden Mittwoch im Ratskeller in Naumburg (Saale) erfolgten, habe ich festgestellt, daß sich vor kurzem unter den anwesenden Mitgliedern auch Bürodirektor Hübner von hier befand. [Nach Original] An dem betreffenden Abend waren etwa 10 bis 12 Personen anwesend, während sonst nur 4-6 zur Stelle waren. Ich hatte den Eindruck, daß es Bürodirektor unangenehm war, als er an meinem Tisch vorbeiging und mich bemerkte.“

Mitarbeiter Hübner hat „zum nationalsozialistischen Staat“ keine „positive Einstellung“ (Uebelhoer). Dem Träger des „Goldenen Ehrenzeichens“ Pg. Gläsel will er bei seinem Tod keine nationalsozialistischen Elegien lesen. Das „Tollste“ leistet „er sich aber bei folgenden Vorfall“: Er trifft sich noch mit seinen Logen-brüdern in der Gaststätte. Außerdem ist er „in der Gefolgschaft allgemein unbeliebt“ und stellt geradezu ein „Schulbeispiel“ „eines knochenerweichten Menschen“ dar, „dessen ganzes Wesen schleichend und unaufrichtig wirkt“ (Uebelhoer). Gustav Hübner wird nach § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums mit Wirkung vom 3. Juli 1937 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.

Nicht so schlimm? War doch nur eine vorzeitige Pensionierung? Im knochenerweichten Menschen begegnet uns die Art, wie sich Nationalsozialisten über andere erheben. In den anmaßenden Urteilen und der fürchterlichen Intoleranz in Fall Gustav Hübner entäußert sich das nationalsozialistische Menschenbild.

Oberbürgermeister Oswald Schaffernicht braucht den Verwaltungsfachmann, holt ihn zurück und überantwortet ihm noch 1945 die Hauptverwaltung im Rathaus.

 

Rechtsanwalt Dr. Konrad Landsberg (geboren am 24. März 1901 in Posen) aus Naumburg (Saale) teilt dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Halle (Saale) am 20. Mai 1933 brieflich mit: "Die Zuschrift betr. Steuererhöhung habe ich erhalten. Es ist mir jedoch leider vollkommen unmöglich, diese Zahlung zu leisten. Infolge der bekannten Vorgänge und Gesetze habe ich meinen Anwaltsberuf verloren. Ich bin mittellos, beziehe kein Einkommen mehr, sondern werde lediglich von meinem Vater [Adolf Landsberg, Naumburg, Kösenerstraße 12] unterhalten."

Am 8. August 1933 emigriert Dr. Konrad Landsberg nach Scheveningen (Holland) (nach Prick, 83).

"Dr. Landsberg habe politisch auf der Seite der revolutionären Arbeiterschaft gestanden", zitiert Georg Prick 2010 aus den Dokumenten des VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes).

 

Mit Ausnahme bei den Betroffenen finde ich keinen Hinweis, dass die Berufsverbote in der Stadt von den Bürgern mit Ärger oder öffentlicher Ablehnung aufgenommen werden. Es deutet vieles darauf hin, dass die meisten dies unwidersprochen und uninteressiert hinnehmen, wenn es jetzt mal die Beamten und die Bürokraten trifft, kann es nicht schaden - so vielleicht die Meinung.

 

Ausschaltung der jüdischen Rechtsanwälte

Mit dem Gesetz vom 7. April 1933 können jüdische und politisch missliebige Juristen aus Justiz und Anwaltschaft verjagt werden. Der Präsident der Naumburger Rechtsanwaltskammer, Erich Dietze, benennt Ende April 1933 Dr. Artur Samter und Dr. Otto Hollaender als zu entfernende kommunistische Rechtsanwälte. (Nach Prick 100) Von etwa 400 am Oberlandesgericht Naumburg zugelassenen Anwälten der Provinz Sachsen wurden 93 die Prozessvollmacht entzogen (nach Onasch 1999).

Professor Hermann Otto Steche, Oberstudiendirektor am Domgymnasium in Naumburg, erklärt seinen Schülern dieses Vorgehen der Regierung so:

"Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Jahre 1933 sorgte in kurzer Zeit dafür, daß alle Beamten, die von jüdischen Eltern oder Großeltern abstammen, aus dem Staats-, Länder- oder Gemeindedienst entlassen wurden, es sei denn, daß sie schon vor 1914 ihre Dienststellung inne hatten oder Frontkämpfer waren." (Steche 378)

Doch trotz des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (1933) ist es Juden möglich, eine rechtliche Beratung von Bürgern durchzuführen. Das ändert sich dann mit dem Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13. Dezember 1935. Damit wird nun jede Rechtsberatung durch jüdische Rechtsanwälte unterbunden.

 

 

 

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[Blüthgen] Lehrer Heinrich Blüthgen. Stadtarchiv Naumburg, Sonderakten des Magistrats Naumburg an der Saale. Band a. Angefangen am 17.01.1903. Geschlossen 1948, Archivsignatur 8520

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Doerfel, Marianne: Der Griff des NS-Regimes nach den Eliteschulen. Vierteljahreszeitschrift für Zeitgeschichte, Institut für Zeitgeschichte, München 37 (1989) Heft 3, Seite 401-452

Dorfmüller, Petra: rectores portenses. Leben und Werke der Rektoren der Landesschule Pforta von 1543-1935. Sax Verlag, Beucha 2006

Fichtner, Dr. Klaus-Dieter: Brief an Detlef Belau (Naumburg, Saale) vom 24. Mai 2010

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[Freitag, Erwin] Magistrat der Stadt Naumburg / S.. Tgb. Nr. I. Brief an den Herrn Regierungspräsidenten von Merseburg, Naumburg, den 9. November 1933. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. C 48, I h, Nr. 899

[Freitag, Erwin] Regierungspräsident, Merseburg, [unlesbar] Dezember 1933, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. C 48, I h, Nr. 899

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[Wallbaum-Dokument] Analyse der Stadt Naumburg. Naumburg, ohne Jahresangabe, unveröffentlicht, um 1950

 

Bild von Walter Kranz von Klaus-Dieter Fichtner (Bad Kösen), November 2010

 

Autor
Detlef Belau

Geschrieben: Sommer 2006. Aktualisiert:
26. November 2010

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