Kampfkomitee für die Freiheit des Schrifttums

Die Freiheit von Wort und Schrift hat in Deutschland aufgehört zu bestehen! Der Schriftsteller soll verhindert werden, seine Meinung frei zu äußern und Regierungsmaßnahmen nach seiner Überzeugung zu kritisieren! Die Regierung handelt dabei nach den Wünschen und Befehlen der großkapitalistischen Interessenten und der kirchlichen Kulturfeinde. Das sogenannte Republikschutzgesetz hat Hunderte von linksgerichteten Schriftstellern wegen literarischen "Hochverrats" ins Zuchthaus, Gefängnis und auf Festung gebracht. Die Notverordnung vom 28. März 1931 schuf weitere, der verwegensten Auslegung zugängliche Unterdrückungsmöglichkeiten. Die Pressenotverordnung vom Juli endlich läßt die Vorschrift fallen, Verbote durch Tatsachen zu begründen, und bestellt durch Einführung des "Ermessens" die Polizeiwillkür zum obersten Zensor. Politisch unbequeme Zeitungsverlage sollen materiell ruiniert und die Schriftsteller und Redakteure entweder zu Gesinnungslumpen oder brotlos gemacht werden. Vor allem aber soll jeder Kampf der werktätigen Massen gegen die Diktatur der Notverordnungspolitik gewaltsam unterdrückt werden. Den Beweis erhielten zahlreiche Schriftsteller Berlins, als sie am 29. Juli in einer Versammlung gegen die Notverordnungen protestieren wollten: Die Polizei verhinderte unter Androhung von Gewalt die Kundgebung. Wir fühlen uns verpflichtet, zu unerbittlichem Kampf gegen jede Art von Unterdrückung der freien Meinungsäußerung aufzurufen. Als Journalisten, Schriftsteller, Dichter, wenden wir uns an alle Gleichgesinnten im Lande ohne Unterschied der Parteirichtung und fordern sie auf, sich unsrem Kampfaufruf in aller Öffentlichkeit anzuschließen. An die Presse richten wir die Aufforderung, durch Abdruck dieses Aufrufs unsern Kampf zu unterstützen.

Kampfkomitee für die Freiheit des Schrifttums.

Der Arbeitsausschuss:
Carl Baade, Dr. Edith Bone, Julian Borchardt, Bernard von Brentano, Dr. Andor Gabor, Professor Alfons Goldschmidt, Dr. Kurt Hiller, Dr. Erich Kästner, Walther Karseh, Dr. Johannes Karl Koenig, Alfred Kurella, Berta Lask, Dr. Käte Mareus, Peter Maslowski, Erich Mühsam, Friedrich Natteroth, Ludwig Renn, Recha Rothschild, Dr. Artur Samter, Anna Seghers.


Quelle: Die Weltbühne. Wochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. XXVII. Jahrgang, Nummer 31, 4. August 1931, Seite 198


Autor:
Detlef Belau


1. August 2011